BGH,
Urt. v. 23.7.2008 - 2 StR 150/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 150/08
vom
23. Juli 2008
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja Zu II. 1.
Veröffentlichung: ja
StPO § 267 Abs. 5 Satz 1
Feststellungen zur Persönlichkeit und zum Werdegang des
Angeklagten sind auch bei einem freisprechenden Urteil erforderlich,
wenn sie für die Beurteilung des Tatvorwurfs von Bedeutung
sein können.
BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08 - LG Koblenz
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.
Juli 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan,
Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwältin/GL
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Koblenz vom 16. November 2007 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des
Landgerichts Mainz zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte vom Vorwurf des Mordes aus niedrigen
Beweggründen in zwei Fällen und der
gefährlichen Körperverletzung freigesprochen. Die
hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision hat mit der
Sachrüge Erfolg.
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I.
1. Die Staatsanwaltschaft hatte der Angeklagten folgende Taten zur Last
gelegt:
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a) In den Morgenstunden des 18. November 1993 habe die zu diesem
Zeitpunkt 16 Jahre alte Angeklagte ihrem vierzehn Monate alten Sohn A.
, den sie als Einschränkung ihrer gewohnten Le-
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bensweise und damit als Belastung empfunden habe, ein Kissen auf das
Gesicht gelegt und solange zugedrückt, bis der Tod des
Kleinkindes eingetreten sei.
b) Am Nachmittag des 14. November 1996 habe die nunmehr 19 Jahre alte
Angeklagte ihren acht Monate alten Sohn L. , den sie ebenfalls als
Belastung empfunden habe, getötet. Sie habe ihm einen Finger
derart in den Rachenraum eingeführt, dass es zu einer
Unterbrechung der Sauerstoffversorgung und Erbrechen bei dem Kind
gekommen sei, welches das Erbrochene noch zusätzlich
eingeatmet habe.
c) Am 10. März 1999 habe die nunmehr 21 Jahre alte Angeklagte
ihrem knapp zwei Monate alten Sohn J. einen Finger dergestalt in den
Rachenraum eingeführt, dass es zu einer Unterbrechung der
Sauerstoffversorgung und heftigem Erbrechen bei dem Säugling
kam. In diesem Fall habe die Angeklagte ihren Entschluss, das Kind zu
töten aufgegeben und eine notärztliche Versorgung
veranlasst, durch die es gerettet werden konnte.
2. Die Strafkammer hat festgestellt:
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Der erste Sohn der Angeklagten, der am 6.9.1992 geborene A. , wurde im
Alter von einem Jahr im Krankenhaus N. behandelt, weil er nach Angaben
der Angeklagten auf den Kopf gestürzt war, was zu Erbrechen
bei dem Kind geführt hatte. Am 18.11.1993 verstarb A. im Alter
von 14 Monaten in der Wohnung, die die Angeklagte zusammen mit ihrer
Mutter und ihrer
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Schwester bewohnte. Die von der Angeklagten herbeigerufene
Notärztin diagnostizierte einen plötzlichen Kindstod.
Eine Obduktion fand nicht statt.
Der zweite Sohn L. , geboren am 2.3.1996, wurde im Alter von
fünf, sechs und acht Monaten stationär in das
Krankenhaus N. aufgenommen, weil er nach Angaben der Angeklagten nicht
mehr geatmet hatte und reanimiert werden musste. Während der
Krankenhausaufenthalte war das Kind unauffällig. Die
durchgeführten umfangreichen Untersuchungen ergaben
Normalbefunde. Am 14.11.1996 kam es zu einem vierten und letzten
stationären Aufenthalt, in dessen Verlauf L. um 21.30 Uhr nach
Beendigung von Reanimationsmaß-nahmen verstarb. Das
Notarztprotokoll enthält die Angabe, dass das Kind um ca.
19.55 Uhr erbrochen und dann nicht mehr geatmet habe. Aus der
Anamneseerhebung ergibt sich, dass der Notarzt um 20.16 Uhr in der
Wohnung eintraf, das Kind bereits leblos vorfand und aus dem Rachen
Erbrochenes absaugte. Röntgenaufnahmen des Körpers
und des Schädels ergaben keine Hinweise auf knöcherne
Verletzungen. Die auf Veranlassung der Angeklagten
durchgeführte Obduktion ergab keine wegweisenden Befunde
für eine todesursächliche Erkrankung. Die Aspiration
von Mageninhalt wurde bestätigt. Es wurde die
Ausschlussdiagnose „Plötzlicher Kindstod“
gestellt.
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Folgende, das am 25.11.1997 geborene Kind E. , betreffenden
Vorfälle sind nicht Gegenstand der Anklage: E. wurde im Alter
von drei Wochen und von 2 ½ Monaten jeweils auf Veranlassung
der Angeklagten stationär im Krankenhaus N. behandelt. Im
ersten Fall entdeckte die Angeklagte nach ihren Angaben
plötzlich Blut im Mund des Kindes, im zweiten Fall habe sie
das Kind zyanotisch im Gesicht vorgefunden, und die Hände
seien rot gewesen. In beiden Fällen verhielt sich das Kind
während der Krankenhausaufenthalte, bei denen ein
„reduzierter“ bzw.
„mäßiger“ Pflegezustand
festgestellt wurde, unauf-
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fällig. Sämtliche angewandten Untersuchungen ergaben
keine Hinweise auf die mögliche Ursache.
Das vierte Kind der Angeklagten J. wurde nach einem Nikotinabusus
während der Schwangerschaft von 25 Zigaretten pro Tag am
18.1.1999 in der 39. Schwangerschaftswoche geboren. Am 10.3.1999 wurde
J. als Notfall in die Kinderklinik K. eingewiesen, weil er nach Angaben
der Angeklagten plötzlich geröchelt habe, blass
geworden sei und - wenig - bräunliches Sekret und Blut aus dem
Mund gekommen sei. Im Aufnahmebefund wurde ein reduzierter
Allgemeinzustand festgestellt. Das Kind erbrach bräunliches
Sekret mit frischem Blut. Im Röntgen-Thorax-Bild der Lunge
befand sich im rechten Untergeschoss eine Verdichtung, die ausweislich
der Krankenakten am ehesten als Folge einer Aspiration - dem Eindringen
von Nahrung oder ähnlichem in die Bronchien - gedeutet werden
könne.
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Der Angeklagten wurde die elterliche Sorge über J. ebenso wie
die über E. sowie ihre später geborenen Kinder C. und
F. entzogen. Bei keinem der überlebenden Kinder kam es in der
Obhut ihrer Pflegeeltern zu lebensbedrohlichen Vorfällen oder
auch nur Zuständen mit Atemnot oder Blutungen im Mund- oder
Rachenbereich.
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3. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft der
Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht.
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Zwar spreche die Häufung von Vorfällen, in denen
Kinder der Angeklagten ohne erkennbare Ursachen in lebensbedrohliche
Zustände gekommen beziehungsweise verstorben seien, der
Umstand, dass bei den Kindern E. , J. , C. und F. nach der Inobhutnahme
durch Pflegeeltern keine ver-
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gleichbaren Ereignisse aufgetreten seien, genetische Ursachen sowie ein
Wiederholungsrisiko hinsichtlich plötzlichen Kindstodes nach
den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P.
sehr unwahrscheinlich seien, dass die Angeklagte bei allen in Rede
stehenden Ereignissen die Möglichkeit der Einwirkung auf die
Kinder hatte und dass ihre Angaben in den Fällen des L. , der
E. und des J. aus medizinischer Sicht nicht plausibel seien, in
höchstem Maße für die Unfähigkeit
der Angeklagten, Kinder vor Schaden zu bewahren und für den
Verdacht, sie habe die Vorkommnisse zumindest mit verursacht. Nach den
Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Jo.
erscheine allerdings im Fall des A. ein natürlicher Tod - auch
wegen der nur begrenzt vorliegenden Befunde - noch möglich. In
den drei Fällen des L. , in denen es zu einer
notfallmedizinischen Behandlung, nicht aber zum Tod gekommen sei, komme
jeweils ein nicht lebensbedrohliches Ereignis in Frage, welches von der
Angeklagten aufgrund ihrer Persönlichkeit und nach der
traumatischen Erfahrung mit ihrem ersten Kind
fälschlicherweise als lebensbedrohlich eingestuft worden sei.
Auch gebe es nur im Fall des J. aus medizinischer Sicht Hinweise auf
den möglichen Ablauf - mechanisches Ersticken mit
Fremdeinwirkung -, wobei auch in diesem Fall die
Sachverständigen keine Hinweise auf eine konkrete Tathandlung
hätten geben können. Die Gesamtschau liefere daher
nur hinsichtlich der Unfähigkeit der Angeklagten, ihre Kinder
am Leben zu erhalten bzw. vor lebensbedrohlichen Situationen zu
schützen, ein klares Bild, nicht jedoch hinsichtlich der
Feststellung konkreter Tathergänge und -umstände als
Voraussetzung für einen Schuldspruch.
II.
Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung
nicht stand.
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1. Die Ausführungen des Landgerichts werden schon den
Anforderungen nicht gerecht, die gemäß §
267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss
der Tatrichter zunächst in einer geschlossenen Darstellung
diejenigen Tatsachen feststellen, die er für erwiesen
hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus
welchen Gründen die für einen Schuldspruch
erforderlichen zusätzlichen Feststellungen nicht getroffen
werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein,
dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter bei
der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (st. Rspr.,
vgl. BGHSt 37, 21, 22; BGH wistra 2004, 105, 109; NStZ-RR 2008, 206).
Dem genügt das angefochtene Urteil nicht.
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Die Urteilsgründe enthalten bereits keine ausreichenden
Feststellungen zum Werdegang und zur Persönlichkeit der
Angeklagten. Solche Feststellungen sind zwar in erster Linie bei
verurteilenden Erkenntnissen notwendig, um nachvollziehen zu
können, dass der Tatrichter die wesentlichen
Anknüpfungstatsachen für die Strafzumessung ermittelt
und berücksichtigt hat. Aber auch bei freisprechenden Urteilen
ist er aus sachlich-rechtlichen Gründen zumindest dann zu
solchen Feststellungen verpflichtet, wenn diese für die
Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und
deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das
Revisionsgericht auf Rechtsfehler hin notwendig sind (vgl. BGH NStZ-RR
2008, 206, 207). So liegt es hier.
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Die Urteilsgründe teilen zur Person der Angeklagten nur mit,
dass sie sechs Kinder von sechs verschiedenen Vätern geboren
hat. Dies reicht mit Rücksicht auf die Besonderheiten des
Falles nicht aus. Der Angeklagten wird vorgeworfen, ihre Kleinkinder
getötet bzw. verletzt zu haben, weil sie sie als Belastung
empfand. Mehrere Sachverständige haben bei der Angeklagten
Hinweise auf eine seelische Störung im Sinne eines sog.
Münchhausenbyproxy-Syndroms
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festgestellt, bei dem es sich um mehr oder weniger reflektierte
Tötungsversuche von Kindesmüttern handele, die selbst
meistens eine belastete Kindheit gehabt hätten. Bei den
Kindern E. und J. wurde im Krankenhaus ein
„reduzierter“ bzw.
„mäßiger“ Allgemein- bzw.
Pflegezustand festgestellt. Außerdem wurde der Angeklagten
mittlerweile die elterliche Sorge für alle vier
überlebenden Kinder entzogen. Vor diesem Hintergrund
drängte es sich auf, dass der bisherige Lebensweg der
Angeklagten, insbesondere mögliche Risikofaktoren in ihrer
Entwicklung sowie ihre persönliche und familiäre
Lebenssituation zu den jeweiligen Tatzeiten, von Bedeutung für
den Tatvorwurf sein konnte. Die Kammer war daher gehalten, die
entsprechenden Feststellungen zu den persönlichen
Lebensverhältnissen der Angeklagten zu treffen und im Urteil
mitzuteilen.
2. Auch die Beweiswürdigung als solche hält
rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Spricht der Tatrichter
einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft
nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das
Revisi-onsgericht in der Regel hinzunehmen. Ein Urteil kann indes
keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung
rechtsfehlerhaft ist. Das ist etwa der Fall, wenn sie
lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht
berücksichtigt oder nahe liegende Schlussfolgerungen nicht
erörtert, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist,
gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze
verstößt oder wenn an die zur Verurteilung
erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt
werden (st. Rspr.; vgl. BGH NJW 2005, 1727; NStZ-RR 2005, 147; 2004,
238 jeweils m.w.N.). Dabei ist der Tatrichter gehalten, sich mit den
von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die
Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinander zu setzen, wenn
sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine
Beweiswürdigung, die über schwer wiegende
Verdachtsmomente hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft (BGH NStZ 2002, 656,
657; NStZ-RR 2004, 238, 239). Aus den Urteilsgründen muss sich
auch ergeben,
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dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet,
sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden
(st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, 2,
11; Beweiswürdigung, unzureichende 1; BGH NStZ 2002, 48;
NStZ-RR 2004, 238, 239). Diesen Anforderungen genügt das
angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht.
a) Im Fall des Todes des Kindes A. begegnet die Würdigung
einzelner Beweisergebnisse sowie die notwendige Gesamtschau der
erhobenen Beweise rechtlichen Bedenken.
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Der Zeuge Pi. , von dem nicht mitgeteilt wird, in welchem
Verhältnis er zur Angeklagten und deren Kindern stand, hat in
der Hauptverhandlung angegeben, die Angeklagte habe ihm in der Nacht
nach dem Tode des L. unter Tränen gesagt, sie habe den A. mit
einem Kissen erstickt, er könne sich an den Wortlaut der
Äußerung erinnern. Auf Vorhalt hat der Zeuge Pi.
seine polizeilichen Vernehmungen bestätigt, wonach die
Angeklagte ihm gesagt habe, sie habe dem A. ein Kissen auf das Gesicht
gelegt. Die Kammer sieht hierin durchgreifende „innere
Widersprüche“. Sie erörtert dabei nicht die
sich aufdrängende Möglichkeit, ob der Zeuge Pi.
subjektiv das Legen eines Kissens auf das Gesicht eines
Säuglings, das auch nach laienhaftem Verständnis
zwangsläufig zu einem Unterbrechen oder zumindest zu einer
Einschränkung der Luftzufuhr führt, mit dessen
Ersticken gleich setzte. Zu dieser Erwägung bestand auch
deshalb Anlass, weil der Zeuge sich ausweislich seiner polizeilichen
Vernehmungen - deren Richtigkeit von ihm in der Hauptverhandlung auch
insoweit bestätigt wurde - nach dem Gespräch mit der
Angeklagten sicher war, dass diese mit dem Tode des A. etwas zu tun
hatte.
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Des Weiteren hat das Landgericht in seine Würdigung der
Aussage des Zeugen Pi. nicht eingestellt, dass der von ihm geschilderte
Geschehensablauf objektiv geeignet war, das Fehlen medizinischer
Verletzungsbefunde bei A. zu erklären. Denn nach dem Gutachten
des Sachverständigen Dr. Dr. D. war ein Ersticken durch weiche
Bedeckung spurenlos möglich, ohne dass es Hinweise auf
eindeutige Verletzungsmuster gab. Dies konnte
Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit des Zeugen Pi.
und den Wahrheitsgehalt der - angeblichen - Selbstbezichtigung der
Angeklagten zulassen, zumal auch der Zeuge B. bei seiner polizeilichen
Vernehmung ausgesagt hatte, die Angeklagte habe ihm erzählt,
sie habe ein Kissen auf das Gesicht des Kindes gedrückt und
dann so lange gewartet, bis das Kind leblos dagelegen habe.
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Darüber hinaus ist den Urteilsgründen nicht zu
entnehmen, dass das Landgericht in diesem Fall tatsächlich die
erforderliche Gesamtwürdigung aller Indizien vorgenommen hat.
Auf UA 17 wird lediglich floskelhaft das (Teil-)Ergebnis mitgeteilt,
dass „auch eine Gesamtschau der sonstigen zu diesem Todesfall
vernommenen Zeugen und erhobenen Beweismittel … die
Überzeugung der Kammer von der vorwerfbaren Verursachung des
Todes durch die Angeklagte nicht zu begründen“
vermag. Inwieweit das Landgericht alle oder mehrere Indizien im
Zusammenhang gewürdigt hat, wird daraus nicht ersichtlich.
Vielmehr lassen einzelne Formulierungen besorgen, dass die Kammer die
betreffenden Beweisanzeichen nur isoliert bewertet und nicht in die
erforderliche Gesamtwürdigung eingestellt hat. Dies gilt etwa
für Erwägungen wie, es sei „schon nicht
möglich, mittels Sachverständigenbeweis auch nur eine
unnatürliche Todesursache nachzuweisen“, die
Widersprüche zwischen den verschiedenen Einlassungen der
Angeklagten und den Angaben ihrer Mutter ließen
„nicht den sicheren Schluss zu, die Angeklagte habe zuvor in
vorwerfbarer Weise auf das Kind eingewirkt“ sowie, wenn die
Angeklagte dem Zeugen Pi.
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unter Tränen gesagt habe, sie habe den A. mit einem Kissen
erstickt, „läge mit einer solchen
Äußerung ein Indiz für die
Täterschaft der Angeklagten vor, das jedoch allein noch nicht
zur Überzeugungsbildung der Kammer ausreichte“.
Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich alleine zum
Nachweis der Täterschaft der Angeklagten ausreichen
würde, besteht aber die Möglichkeit, dass sie in
ihrer Gesamtheit sowie mit den nachfolgenden Geschehnissen dem
Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln
können (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 45). Dies hat das Landgericht
unberücksichtigt gelassen.
b) Im Todesfall des Kindes L. hat das Landgericht zwar
erörtert, dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren und in
der Hauptverhandlung zwei voneinander abweichende Darstellungen der
Auffindesituation des Kindes, der anwesenden Personen, ihrer
Wahrnehmungen und ihres Verhaltens abgegeben hat. Es hat aber gemeint,
die Angeklagte habe diese Widersprüche in der Hauptverhandlung
„unwiderlegbar dadurch erklärt“, dass sie
sich in ihrer polizeilichen Vernehmung wohl fälschlich an
eines der nichttödlichen Ereignisse bei L. erinnert habe.
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Diese Erwägung erscheint bereits angesichts der
Einprägsamkeit des Todeskampfes des eigenen Kindes als nicht
bedenkenfrei. Außerdem widerspricht sie den
Ausführungen in der Gesamtwürdigung des Landgerichts,
wo die Angaben der Angeklagten zu den einzelnen Vorfällen
pauschal als „aus medizinischer Sicht nicht
plausibel“ bezeichnet werden. Durch eine mit medizinischen
Erkenntnissen nicht vereinbare Aussage können
Widersprüche mit anderen Angaben nicht
„unwiderlegbar“ erklärt werden.
Darüber hinaus hat die Kammer dabei nicht in die
Beweiswürdigung einbezogen, dass die Angeklagte sich auch bei
der Einlieferung des Kindes ins Krankenhaus in einer mit ihren
verschiedenen Angaben im Strafverfahren unverein-
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baren Weise zum Geschehensablauf geäußert hat.
Dieser Umstand war mit einem „Verwechseln“ der
Vorfälle nicht mehr erklärbar. Zu einer
Erörterung musste sich die Kammer auch deshalb veranlasst
sehen, weil es sich um die zeitlich früheste Darstellung der
Ereignisse durch die Angeklagte noch vor dem Ableben des Kindes
handelte, die zudem nach dem Gutachten des Sachverständigen
Prof. Dr. Jo. ebenfalls mit medizinisch bekannten Abläufen
kaum in Deckung zu bringen war.
c) Das Landgericht erörtert rechtsfehlerhaft nicht, inwieweit
die einzelnen Befunde bei dem Kind E. aus sachverständiger
Sicht für einen mechanischen Erstickungsvorgang sprechen
konnten. Dies drängte sich aber angesichts der Parallelen zu
den Fällen L. und J. auf und konnte gegebenenfalls
Rückschlüsse auf die angeklagten Tatvorwürfe
zulassen.
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d) Die Ausführungen des Landgerichts zum fehlenden Motiv der
Angeklagten sind ebenfalls lückenhaft. Das Landgericht hat
gemeint, dass die der Anklage zugrunde liegende Annahme, die Angeklagte
habe die Taten begangen, weil die Kinder für sie eine Last
darstellten, die ihrem ungehemmten Lebensgenuss entgegenstand, in der
Beweisaufnahme keine Stütze gefunden habe. Es hat dabei aber
tatsächlich vorhandene Anhaltspunkte, die in die
entgegengesetzte Richtung weisen, unbeachtet gelassen und nicht
gewürdigt. Die Kammer hat zwar erörtert, dass aus den
Angaben der Zeugin W. und des Zeugen K. eine gewisse
Vernachlässigung der Kinder entnommen werden könnte.
Sie hat jedoch erkennbar nicht in die Beweiswürdigung
einbezogen, dass zumindest in den Fällen der Kinder E. und J.
aus den Krankenakten, in denen ein reduzierter Pflege- bzw.
Allgemeinzustand dokumentiert ist, auch deutliche objektive Hinweise
auf eine Vernachlässigung der Kinder zu entnehmen waren.
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e) Schließlich lassen die Ausführungen des
Landgerichts, fehlende konkrete Anhaltspunkte für Handlungen
oder Unterlassungen der Angeklagten, die jeweils zum Tod
beziehungsweise zum Eintritt lebensbedrohlicher Situationen bei diesen
Kindern führten, könnten "im Rahmen einer
Feststellung strafbaren Verhaltens nicht durch bloße
Rückschlüsse aus der Gesamtheit der Ereignisse
ersetzt werden" (UA 29), besorgen, das Landgericht habe es für
unzulässig gehalten, aus objektiven und zumindest mittelbar
relevanten Indizien auf die Täterschaft der Angeklagten zu
schließen. Dann würde das Landgericht in die
Gesamtwürdigung einzustellende Indizien außer
Betracht lassen und an die zur Verurteilung erforderliche
Überzeugung zu hohe Anforderungen stellen.
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f) Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Beanstandungen
der Revisi-on auf die zutreffenden Ausführungen in der
Antragsschrift des Generalbundesanwaltes hingewiesen.
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g) Der Senat hat von § 354 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht und
die Sache an eine Jugendkammer des Landgerichts Mainz
zurückverwiesen.
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Rissing-van Saan Rothfuß Roggenbuck
Cierniak Schmitt |