BGH,
Urt. v. 23.6.2009 - 5 StR 195/09
5 StR 195/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 23. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23.
Juni 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G.
als Verteidiger für den Angeklagten Ö. ,
Rechtsanwalt F.
als Verteidiger für den Angeklagten R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 4. November 2008 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten hierdurch
entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
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Das Landgericht hat den Angeklagten Ö. - unter teilweisem
Freispruch - wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung (Einzelfreiheitsstrafe:
drei Jahre und drei Monate) und wegen vorsätzlicher
Körperverletzung (Einzelfreiheitsstrafe: sechs Monate) zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den
Angeklagten R. wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Mit ihren
zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten Revisionen erstrebt die
Staatsanwaltschaft eine höhere Bestrafung der Angeklagten.
Dabei beanstandet sie insbesondere die der Verneinung des §
250 Abs. 2 Nr. 3a StGB zugrunde liegende Beweiswürdigung des
Landgerichts und wendet sich gegen die Strafzumessung für die
von den Angeklagten gemeinsam begangene räuberische Erpressung
(Fall II. 1 der Urteilsgründe). Die Rechtsmittel, die vom
Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, haben keinen Erfolg.
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1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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a) Gemeinschaftliche Tat vom 9. Februar 2009 (II. 1 der
Urteilsgründe): Auf dem Rückweg von einer Diskothek
trafen die Angeklagten, die „beide angetrunken und in einer
latent schlechten Stimmung“ waren, kurz vor 6.00 Uhr am
Tatmorgen auf einem menschenleeren UBahnsteig den damals
19-jährigen späteren Geschädigten an. Er
saß schlafend auf einer Bank, nachdem er die Nacht auf einer
Geburtstagsfeier verbracht und dabei erhebliche Mengen Alkohol
getrunken hatte. Der Angeklagte Ö. sprach den
Geschädigten an und schlug ihm mit der Faust auf den Kopf,
ohne dass eine Provokation seitens des weiterhin verschlafenen Zeugen
erfolgt wäre. Anschließend schlugen beide
Angeklagten auf dem Bahnsteig mehrfach auf den Kopf des
Geschädigten, der zu einer Gegenwehr nicht imstande war.
Nachdem er auf den Bahnsteig gestürzt war, schlug der
Angeklagte Ö. mit der Faust auf das Gesicht des am Boden
Liegenden ein, während der Angeklagte R. „an dessen
Kleidung nestelte und zerrte“. Durch das Zerren
löste sich die Kapuze von der Jacke des Geschädigten,
und der Angeklagte R. taumelte einige Schritte nach hinten.
Währenddessen versetzte der Angeklagte Ö. dem
Geschädigten in kurzer Folge mehrere Fußtritte gegen
den Kopf. Nachdem es diesem gleichwohl gelungen war aufzustehen, wurde
er von den Angeklagten durch Handbewegungen zum Mitkommen aufgefordert.
Er ging mit ihnen bis zu der Treppe, die zum Ausgang der U-Bahnstation
führt. Dort forderte einer der Angeklagten, vermutlich R. ,
aufgrund eines nunmehr gefassten Tatentschlusses und in spontan und
situativ zwischen den Angeklagten entstandenem Einvernehmen den
Geschädigten auf, ihnen Geld zu geben. Dieser gab ihnen unter
dem Eindruck der vorangegangenen Schläge seine
Geldbörse heraus. Die Angeklagten verließen mit der
Geldbörse den U-Bahnhof. Auf der Straße entnahmen
sie ihr das Bargeld (7 €) und warfen sie mit dem
übrigen Inhalt weg.
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Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht die
Angeklagten wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung
schuldig gesprochen, jedoch eine Verurteilung wegen besonders schwerer
räuberischer Erpressung nach § 250 Abs. 2 Nr. 3a StGB
abgelehnt. Denn die schwere körperliche Misshandlung des
Geschädigten sei bereits abgeschlossen gewesen, bevor der
Wegnahmevorsatz gefasst worden sei, und sei daher nicht
während der Begehung der räuberischen Erpressung
erfolgt, was die Anwendung des Qualifikationstatbestandes
ausschließe. Darüber hinaus nimmt das Landgericht
eine gefährliche Körperverletzung nach § 224
Abs. 1 Nr. 4 StGB an, weil die Angeklagten den Verletzten wechselseitig
geschlagen und getreten und hierbei am Tatort bewusst zusammengewirkt
hätten. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB sieht das Landgericht
demgegenüber nur durch den Angeklagten Ö. (Tritte
gegen den Kopf und gegen das Gesicht) verwirklicht.
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b) Tat des Angeklagten Ö. vom 19. Mai 2009 (II. 2 der
Urteilsgründe): Anlässlich eines Streits mit seiner
damaligen Lebensgefährtin schlug der Angeklagte heftig mit der
flachen Hand auf ihr Gesicht und - auch mit der Faust - auf ihren
Körper ein.
2. Die Revisionen sind insoweit beschränkt, als sie den
Teilfreispruch des Angeklagten Ö. und den zweiten Schuldspruch
von den Revisionsangriffen ausnehmen. In diesem Umfang hält
das Urteil der sachlichrechtlichen Überprüfung stand.
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a) Die Feststellungen, welche die Verneinung des § 250 Abs. 2
Nr. 3a StGB tragen (vgl. BGH StV 2006, 418; NStZ 2004, 556), beruhen
auf einer revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden
Beweiswürdigung. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der
vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom
tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt allein dem
Tatgericht. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht
regelmäßig hinzunehmen; es kann sie nur auf
Rechtsfehler überprüfen. Die
Revisionsbegründung zeigt solche indes nicht auf. Wie der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift
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zutreffend ausgeführt hat, erschöpfen sich die
Überlegungen der Staatsanwaltschaft zur Würdigung der
Aussage des Geschädigten und der Einlassung des Angeklagten R.
vielmehr darin, die tatsachenfundierten Beweiserwägungen des
Landgerichts durch eine hiervon abweichende eigenständige
Sicht der Dinge zu ersetzen. Die Schlussfolgerungen des Landgerichts
sind indes möglich und nachvollziehbar, mithin nicht
rechtsfehlerhaft (vgl. BGHSt 36, 1, 14).
Das Landgericht ist der Einlassung des Angeklagten R. gefolgt, nach der
es zur Übergabe der Geldbörse erst am Fuße
der zum Ausgang führenden Treppe gekommen sei. Die Idee, etwas
herauszuverlangen, sei spontan erst dort entstanden. Diese Einlassung
wird nach Auffassung des Landgerichts gestützt durch die in
Augenschein genommenen Videoaufnahmen der Überwachungskameras
auf dem U-Bahnhof, auf denen die Gewalthandlungen der Angeklagten gegen
den Geschädigten auf dem Bahnsteig aufgezeichnet seien;
demgegenüber seien Handlungen am Fuße der Treppe
nicht festgehalten, da dieser Bereich außerhalb des
Blickfeldes der Kamera liege. Bei Inaugenscheinnahme der Videoaufnahmen
konnte die Strafkammer nicht erkennen, dass bereits im Zusammenhang mit
den schweren Gewalthandlungen auf dem Bahnsteig eine Übergabe
der Geldbörse oder auch nur irgendwelche darauf gerichtete
Handlungen des Geschädigten stattgefunden hatten. Das
Landgericht setzt sich in nachvollziehbarer Weise mit der
entgegenstehenden Aussage des Geschädigten auseinander, nach
seiner Erinnerung habe er am Boden gelegen, als die Angeklagten ihn zur
Herausgabe des Portemonnaies aufgefordert hätten und er es
übergeben habe; dies müsse daher wohl auf dem
Bahnsteig gewesen sein (UA S. 14). Das Landgericht vermochte dies auf
den Videoaufnahmen nicht zu sehen. Bei seinen Feststellungen zum
Zeitpunkt und Ort der Übergabe hat es vor diesem Hintergrund
in nicht zu beanstandender Weise dargelegt und berücksichtigt,
dass die Erinnerung des Geschädigten an den genauen Tatablauf
wegen der von ihm selbst eingeräumten starken Alkoholisierung
und Übermüdung nicht als zuverlässig
angesehen werden konnte.
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Der Annahme, der Entschluss zur Wegnahme der Geldbörse sei
erst nach Abschluss der schweren Gewalthandlungen gegen den
Geschädigten spontan entstanden, widerspricht auch nicht - wie
die Staatsanwaltschaft meint - die Feststellung, der Angeklagte R. habe
an der Kleidung des Geschädigten „genestelt und
gezerrt“, während der Angeklagte Ö. auf den
am Boden Liegenden einschlug. Diese Handlungen des Angeklagten R.
lassen nämlich nicht zwingend auf eine Wegnahmeabsicht
schließen. Sie können sich vielmehr als eine
bloße Ausformung der Gewalttätigkeiten gegen den
Geschädigten darstellen. Dieser Schluss liegt angesichts des
heftigen Zerrens an der Kapuze, das zu deren Ablösung von der
Jacke des Opfers führte, sogar nahe.
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b) Auch die Strafaussprüche halten rechtlicher
Prüfung stand.
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Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts,
dessen Aufgabe darin besteht, auf der Grundlage des umfassenden
Eindrucks, den es in der Hauptverhandlung von Tat und Täter
gewonnen hat, die wesentlichen be- und entlastenden Umstände
festzustellen, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen; das
Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die
Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn sie gegen
rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die
verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung,
gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie
nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten
Spielraums liegt (BGHR StGB § 46 Abs. 1 Strafhöhe 10
m.w.N.).
In diesem Sinne weisen die Urteilsausführungen keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten der Angeklagten auf. Die
für die gemeinschaftliche Tat verhängten
Freiheitsstrafen mögen milde sein; sie sind jedoch - ebenso
wie die Freiheitsstrafe für die von dem Angeklagten
Ö. zum Nachteil seiner Lebensgefährtin begangenen
Körperverletzung - nicht unvertretbar und entfernen sich nicht
in unzulässiger Weise von ihrer Bestimmung des gerechten
Schuldausgleichs.
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Das Landgericht hat allerdings rechtsfehlerhaft nicht bedacht, dass
sich der Angeklagte R. nicht nur nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB
strafbar gemacht, sondern - ebenso wie der Mitangeklagte Ö. -
jedenfalls durch mittäterschaftliche Zurechnung
zusätzlich auch den in Nr. 5 in dieser Strafbestimmung
normierten Qualifikationstatbestand der Vornahme einer das Leben des
Opfers der Körperverletzung gefährdenden Behandlung
verwirklicht hat. Dieser Rechtsfehler, der nicht den
strafrahmenbestimmenden Tatbestand betrifft, führt indes nicht
zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat schließt aus,
dass das Landgericht, welches sich bei der Strafzumessung im Detail
rechtsfehlerfrei am unterschiedlichen individuellen Gewalteinsatz der
beiden Angeklagten orientiert hat, ohne den Fehler zu einem anderen
Strafausspruch gelangt wäre. Dies gilt umso mehr (vgl.
§ 301 StPO), als das Landgericht nicht erkennbar beachtet hat,
dass dem Angeklagten R. wegen der an sich gesamtstrafenfähigen
Verurteilung durch das Amtsgericht Tiergarten vom 15. Februar 2008 zu
einer Geldstrafe, die in Unterbrechung der Untersuchungshaft in dieser
Sache im Wege der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe erledigt
wurde, ein Härteausgleich zu gewähren gewesen
wäre (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 55 Rdn. 21 f.
m.w.N.).
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Basdorf Brause Schaal
Schneider König |