BGH,
Urt. v. 23.5.2001 - 3 StR 62/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 62/01
vom
23. Mai 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 23. Mai
2001,
an der teilgenommen haben:
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
Becker
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwältin bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das
Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 17. Oktober
2000 aufgehoben; jedoch werden die Feststellungen
zum objektiven Tatgeschehen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer
Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
I. Nach den Feststellungen hatte der verheiratete Angeklagte mit der
ebenfalls verheirateten Geschädigten seit etwa zwölf
Jahren ein sexuelles Verhältnis.
Ende Januar 2000 beendete der Angeklagte die Beziehung, die
Geschädigte
akzeptierte dies. Gleichwohl suchte er sie am Morgen des
10. Februar 2000, ausgerüstet mit Bettlaken,
Fesselungsmaterial, Schlagstock,
Fotoapparat und weiteren Utensilien überraschend auf, drang
durch einen unversperrten
Hintereingang in ihr Haus ein, warf ihr sogleich das Bettlaken
über
den Kopf, um nicht erkannt zu werden, und fesselte sie. Obgleich ihm
bewußt
war, daß die Geschädigte damit nicht einverstanden
war, führte er mitge-
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brachte Gegenstände, nämlich einen Schlagstock,
Mineralwasserflaschen und
eine Banane anal und vaginal bei ihr ein, wobei er ihr heftige
Schmerzen bereitete.
Mit einem vorgefundenen Naßrasierer entfernte er ihre
Schamhaare
und vollzog mit ihr schließlich den Geschlechtsverkehr anal
und vaginal bis
zum Samenerguß. Während der Handlungen stellte er
Fotoaufnahmen her.
Infolge der Fesselung und der sexuellen Handlungen erlitt die
Geschädigte
verschiedene Verletzungen.
Die Strafkammer hat den Qualifikationstatbestand des § 177
Abs. 3 Nr. 2
StGB bejaht, weil der Angeklagte bei der Tat Fesselungsmaterial zur
Überwindung
des Widerstands bei sich geführt hatte. Dagegen hat sie in dem
mitgebrachten
Schlagstock (Gummiknüppel der Bundeswehr) kein
gefährliches
Werkzeug i.S. des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB gesehen, weil dieser
so konstruiert
sei, daß er keine erheblichen Verletzungen verursachen
könne. Einen minder
schweren Fall nach § 177 Abs. 5 StGB hat sie abgelehnt und die
Mindeststrafe
des sich aus § 177 Abs. 3 StGB ergebenden Strafrahmens in
Höhe von drei
Jahren Freiheitsstrafe verhängt. Dabei ist sie davon
ausgegangen, daß dieser
sich aus Abs. 3 ergebende Strafrahmen den sich sonst durch das Vorliegen
eines Regelbeispiels nach Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ergebenden
höheren Unrechtsgehalt
"konsumiere", so daß es gegen das Doppelverwertungsverbot des
§ 46
Abs. 3 StGB verstoßen würde, die Erfüllung
eines Regelbeispiels nach Abs. 2
Satz 2 bei der Findung der konkreten Strafe innerhalb des Strafrahmens
erneut
heranzuziehen.
II. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist nicht
wirksam auf den Strafausspruch beschränkt, weil die erstrebte
Überprüfung, ob
der Tatrichter den Schuldumfang umfassend geprüft und
berücksichtigt hat, mit
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der den Schuldspruch betreffenden Frage, ob die Qualifikationsnorm des
§ 177
Abs. 4 Nr. 1 StGB erfüllt ist, untrennbar verknüpft
ist.
1. Der Ausgangspunkt des Landgerichts, der Strafrahmen des §
177
Abs. 3 StGB "konsumiere" den in der Erfüllung eines
Regelbeispiels nach
§ 177 Abs. 2 Satz 2 StGB liegenden erhöhten
Unrechtsgehalt, ist rechtlich unzutreffend.
Diese Auffassung übersieht, daß bereits eine unter
den Grundtatbestand
des § 177 Abs. 1 StGB fallende sexuelle Nötigung den
Strafrahmen
des Abs. 3 mit einer Mindeststrafe von drei Jahren zur Folge hat, wenn
eines
der dort genannten qualifizierenden Merkmale hinzutritt (vgl.
Tröndle/Fischer,
StGB 50. Aufl. § 177 Rdn. 28). Kommen zur Erfüllung
des Grundtatbestandes
des Abs. 1 und der Qualifikation des Abs. 3 Umstände hinzu,
die die Voraussetzungen
eines Regelbeispiels des Abs. 2 Satz 2 erfüllen, so liegt
darin zusätzliches
Unrecht, das im Rahmen des sich aus Abs. 3 ergebenden Strafrahmens
von Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren zu berücksichtigen
ist. Dadurch,
daß die Strafkammer rechtsfehlerhaft glaubte, dieses
zusätzliche Unrecht
aus Rechtsgründen nicht berücksichtigen zu
dürfen, ist sie von einem zu
geringen Schuldumfang ausgegangen. Dies führt zur Aufhebung
des Strafausspruchs,
zumal hier ein Regelbeispiel nach Abs. 2 Satz 2 mehrfach und auf
sehr massive Weise verwirklicht worden war (BGH NStZ 1999, 186).
2. Die Strafkammer hat den Umstand, daß der Angeklagte bei
der Tat
einen Schlagstock (Gummiknüppel) nicht nur bei sich
führte, sondern auch zur
Vornahme der sexuellen Handlungen eingesetzt hatte, in mehrfacher
Hinsicht
rechtlich unzutreffend erfaßt.
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a) Zum einen stellt ein Schlagstock, der auch bei
bestimmungsgemäßer
Anwendung vielfach zu nicht unerheblichen Verletzungen, zumeist
Platzwunden,
führt und deshalb durchaus als gefährliches Werkzeug
angesehen werden
müßte, eine Waffe dar, weshalb bereits unter diesem
Gesichtspunkt die
Voraussetzungen des § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB erfüllt
sind. Der Begriff der
Waffe ist bei § 177 Abs. 3 Nr. 1 StGB in gleicher Weise zu
beurteilen wie bei
§ 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 177
Rdn. 29). Ein Gummiknüppel ist jedoch eine Hiebwaffe nach
§ 1 Abs. 7 WaffG
und damit eine Waffe im technischen Sinne (Steindorf, Waffenrecht 7.
Aufl. § 1
WaffG Rdn. 38).
Darauf, daß der Angeklagte nach den Feststellungen mit dem
Schlagstock
nicht den Widerstand des Opfers brechen, sondern ihn nur zu sexuellen
Handlungen einsetzen wollte, kommt es für das
Tatbestandsmerkmal des Beisichführens
einer Waffe nicht an.
b) Zum anderen stellt der Einsatz dieses Schlagstocks zur Vornahme
sexueller Handlungen ein Verwenden der Waffe dar und erfüllt
damit die Voraussetzung
der schwereren Qualifikationsnorm des § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB
mit einem Strafrahmen von Freiheitsstrafe nicht unter fünf
Jahren. Der
4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seiner Grundsatzentscheidung
vom 12. Dezember 2000 (StV 2001, 160; zum Abdruck in BGHSt bestimmt)
hierzu ausgeführt, daß der Erfüllung dieser
Qualifikation nicht entgegenstehe,
daß der Angeklagte die Waffe oder das gefährliche
Werkzeug ausschließlich
bei der sexuellen Handlung, nicht aber als Nötigungsmittel
einsetzt, denn der
Wortlaut der Vorschrift knüpfe mit der Formulierung "bei der
Tat" an beide Bestandteile
des zweiaktigen Grunddelikts an. Dem schließt sich der
erkennende
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Senat an. Diese Auffassung steht auch in Einklang mit der weiten
Auslegung
des Begriffs "Verwenden" in der Rechtsprechung zu § 250 Abs. 2
Nr. 1 StGB,
der nicht die Herbeiführung einer konkreten Leibes- oder
Lebensgefahr durch
den Einsatz der Waffe oder des gefährlichen Werkzeugs
voraussetzt (BGHSt
45, 92, 94, 96). Dem Fehlen einer solchen Gefahr bei dem konkreten
Einsatz
wird der Tatrichter gegebenenfalls im Rahmen der Prüfung, ob
ein minder
schwerer Fall in Betracht kommt, Rechnung tragen können (BGHSt
45, 92, 97).
Dieser Rechtsfehler, der die fehlerhafte Anwendung einer den
Schuldspruch
berührenden Rechtsnorm betrifft (vgl. BGH, Urt. vom 28.
Februar 2001
- 3 StR 400/00), bedingt die Aufhebung auch des Schuldspruchs. Jedoch
können
die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum objektiven
Tatgeschehen
aufrechterhalten werden.
3. Im übrigen sind folgende, der Verhängung der
Mindeststrafe zugrundeliegende
Bewertungen nicht frei von rechtlichen Bedenken:
Soweit die Strafkammer einen "entscheidenden" Grund für eine
mildere
Beurteilung des Tatgeschehens darin sieht, daß angesichts der
langjährigen
sexuellen Beziehung und der grundsätzlichen Bereitschaft der
Geschädigten
zu sexuellen Handlungen ("Tu mir doch nichts! Du kannst doch alles
haben!")
das Schwergewicht der Tat nicht in der Verletzung des sexuellen
Selbstbestimmungsrechts
des Tatopfers, sondern in der Nötigung und der
Körperverletzung
liege (UA S. 17), übersieht sie, daß hier
Sexualpraktiken erzwungen worden
waren, zu denen das Opfer auch früher nicht bereit gewesen
war. Darin
liegt eine schwerwiegende Beeinträchtigung des sexuellen
Selbstbestimmungsrechts.
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4. Der neu erkennende Tatrichter wird Gelegenheit haben, im Rahmen
der Strafzumessung auch die Auswirkungen auf die berufliche Stellung des
Angeklagten als Berufssoldat zu berücksichtigen (vgl.
§ 48 Satz 1 Nr. 2 Soldatengesetz;
BGHSt 32, 79). Er wird bei der Berücksichtigung der von dem
Opfer
empfundenen Angst zu erwägen haben, daß die
bisherige Bewertung, es habe
angesichts der bisherigen Gewaltlosigkeit des Angeklagten auch subjektiv
ernsthafte Verletzungen nicht zu befürchten gehabt, schwer
damit zu vereinbaren
ist, daß sich das Verhalten des Angeklagten bei der Tat als
völlig unerwartet
und persönlichkeitsfremd dargestellt hat. Die Lebenserfahrung
und auch
die gerichtliche Praxis zeigen, daß in Trennungssituationen
auch bisher unauffällige
Menschen zu schwerwiegenden Aggressionen in der Lage sind.
Gegebenenfalls
wird dazu auch das Tatopfer zu hören sein.
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Ferner wird der neue Tatrichter auch zu prüfen haben, ob durch
die
nach den Feststellungen sehr schmerzhaften, zu feststellbaren
Verletzungen
führenden körperlichen Mißhandlungen, die
über die bloße Ausübung sexueller
Handlung hinausgegangen sind, der Tatbestand der
Körperverletzung verwirklicht
worden ist (vgl. BGH NJW 1963, 1683; BGH bei Miebach NStZ 1995,
224).
Rissing-van Saan Miebach Winkler
Pfister RiBGH Becker ist urlaubsbedingt
ortsabwesend und deshalb an
der Unterschrift gehindert.
Rissing-van Saan |