BGH,
Urt. v. 23.5.2007 - 5 StR 97/07
5 StR 97/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
23.05.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren räuberischen
Erpressung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
23.05.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Richterin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
I.1. Auf die Revision des Angeklagten E. wird das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 6. September 2006 aufgehoben
a) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit dieser
Angeklagte wegen Beihilfe zur versuchten besonders schweren
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur
gefährlichen Körperverletzung und mit Beihilfe zur
Freiheitsberaubung verurteilt worden ist,
b) im Gesamtstrafenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels des
Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
II.1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das genannte Urteil
wird verworfen.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur versuchten
besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und mit
Beihilfe zur Freiheitsberaubung sowie wegen versuchten Diebstahls zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt
und die Vollstreckung dieser Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
Der Angeklagte hat die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls zu der
Einsatzstrafe von einem Jahr und vier Monaten Freiheitsstrafe
hingenommen, die in Rechtskraft erwachsen ist. Er hat seine Revision
auf die Verurteilung wegen des weiteren Schuldspruchs
beschränkt. Das Rechtsmittel hat - in Übereinstimmung
mit dem Antrag des Generalbundesanwalts - vollen Erfolg. Die
Staatsanwaltschaft greift mit ihrer Revision lediglich den
Rechtsfolgenausspruch insoweit an, als das Landgericht dem Angeklagten
Strafaussetzung zur Bewährung zugebilligt hat. Ihr vom
Generalbundesanwalt vertretenes Rechtsmittel bleibt erfolglos.
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1. Das Landgericht hat neben dem Sachverhalt, der zur Verurteilung
wegen versuchten Diebstahls geführt hat, im Wesentlichen
Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte E. wurde 1999, u. a. wegen schweren Raubes und
Vergewaltigung, zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren und
sechs Monaten verurteilt, die er voll verbüßt hat,
ferner 2004 und 2005 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne
Fahrerlaubnis je zu einer Geldstrafe.
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Der Angeklagte besuchte am Abend des 16. April 2005 mit den wie er aus
der früheren Sowjetunion stammenden Mitangeklagten B. , Le.
und P. und dem später geschädigten Br. eine
Diskothek. Dort nahmen die jungen Männer in
beträchtlichem Umfang alkoholische Getränke und
Ecstasytabletten zu sich. Mit bei einer Tankstelle besorgten weiteren
alkoholischen Getränken begaben sie sich in die
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Ein-Zimmer-Wohnung des Le. , um weiter zu „feiern“
(UA S. 11). Der Angeklagte P. erhielt gegen 6.00 Uhr einen Anruf von
seiner Freundin, die ihm mitteilte, Br. hätte sie
„angemacht“. P. schrie Br. deshalb an, machte ihm
Vorwürfe und packte ihn am Kragen. Br. riss sich los und
versetzte P. eine Ohrfeige. Dieser schlug auf Br. mit der Faust ein.
Br. bat den Angeklagten um Hilfe. Dieses Ansinnen lehnte der Angeklagte
mit den Worten ab, Br. solle ihn in Ruhe lassen, und legte sich in das
Bett des Le. . P. drückte Br. mit einem Ladekabel
über dessen Hals gegen die Wand, schlug ihm ins Gesicht,
drohte mit Schlägen, verlangte die Zahlung von 20.000 Euro,
ersatzweise die Übergabe eines hochwertigen Pkw, widrigenfalls
das Kfz demoliert und die Mitglieder der Familie des Br. umgebracht
würden. P. und B. veranlassten Le. , den Br. zu bewachen, und
verließen die Wohnung. Br. bat den Angeklagten abermals um
Hilfe. Der Angeklagte äußerte indes erneut, man
solle ihn in Ruhe lassen. Nach geraumer Zeit führte Le. den
Geschädigten Br. in eine andere Wohnung im Nachbarhaus, wo P.
und B. ihre Drohung wiederholten.
2. Der Generalbundesanwalt und die Verteidigung verneinen auf der
Grundlage dieser Feststellungen übereinstimmend und zutreffend
eine Beihilfestrafbarkeit des Angeklagten.
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Soweit das Landgericht einen Beihilfevorsatz in den die Hilfeersuchen
des Br. zurückweisenden Äußerungen des
Angeklagten erkannt hat, weil es dem Angeklagten bewusst gewesen sei,
dass er damit die andauernden Übergriffe fördern
würde, fehlt es vor dem Hintergrund der als Beweisgrundlage
lediglich zur Verfügung stehenden inhaltsarmen
Pauschalgeständnisse aller Angeklagter an einer ausreichenden
Tatsachengrundlage für diese Schlussfolgerung (vgl. BGH StV
2002, 235; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 27 Rdn.
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Eine Strafbarkeit wegen einer Beihilfe durch Unterlassen scheidet
ohnehin aus. Zu Recht weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass
die - vom Landgericht nicht näher festgestellte -
übergeordnete Position des Angeklagten in der unstrukturierten
Zufallsgemeinschaft von Trinkgenossen den Angeklagten nicht zum
Überwachungsgaranten gemacht hat. Ferner durfte der Angeklagte
nicht nur deshalb als Beschützergarant angesehen werden, weil
der Angeklagte das Opfer Br. schon aus seiner Schulzeit gekannt hatte
(vgl. Tröndle/Fischer aaO § 13 Rdn. 19 f.).
Schließlich ist für das Vorliegen von
ingerenzbegründenden Umständen nichts festgestellt.
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Dem Senat ist es im Blick auf § 265 Abs. 1 StPO verwehrt,
selbst auf eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung
durchzuentscheiden.
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3. Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt der Erfolg versagt. Das
Landgericht hat den ihm innerhalb des § 56 StGB gegebenen
weiten Beurteilungsspielraum nicht überschritten (vgl. BGHR
StGB § 56 Abs. 2 Gesamtwürdigung 4).
Die Erwägung des Landgerichts, „es ist jedenfalls
zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass sich der Angeklagte
unter dem Eindruck einer nicht unerheblichen Bewährungsstrafe
und einer sechs Monate dauernden Untersuchungshaft im
Erwachsenenvollzug auch ohne Einwirkung des Strafvollzuges
künftig straffrei führen wird …“
(UA S. 49), beruht nicht auf einer unzulässigen Anwendung des
Zweifelssatzes, sondern ist Ausdruck vertretbarer tatrichterlicher
Überzeugung. Diese ist ausreichend tatsächlich
belegt, was sich ohne weiteres aus den nachfolgend dargelegten
persönlichen Umständen ergibt. Bei der
Prüfung der Kriminalitätsprognose hat das Landgericht
die verbüßte Jugendstrafe des Angeklagten bedacht,
ihr aber ohne Rechtsfehler wegen der lange zurück liegenden
Taten keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen (vgl. BGH NStZ-RR
2006, 202). Die beiden Verurteilungen zu Geldstrafen wegen
Verkehrsdelikten hat das Land-
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gericht noch vertretbar ersichtlich nicht als Ausdruck einer
fortwirkenden rechtsfeindlichen Gesinnung des Angeklagten gewertet.
Die mit der Prognoseentscheidung zusammenhängenden,
für die Aussetzungsentscheidung angeführten konkreten
Umstände (UA S. 49 f.) durften - wie es das Landgericht getan
hat - in der rechtlich gebotenen Gesamtschau als besondere im Sinne des
§ 56 Abs. 2 StGB gewertet werden (vgl. BGHR StGB § 56
Abs. 2 Gesamtwürdigung 1).
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Basdorf Häger Gerhardt
Brause Schaal |