BGH,
Urt. v. 24.4.2007 - 1 StR 439/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 439/06
vom
24.4.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24.4.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Bundesanwalt ,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwältin
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das
Urteil des Landgerichts Augsburg vom 30. Januar 2006 werden verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft und die dem
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt
die Staatskasse.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in vier
Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und
sechs Monaten verurteilt. Von Anklagevorwürfen des Betruges in
Tateinheit mit Urkundenfälschung in zwei Fällen sowie
des versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung
hat es ihn freigesprochen; von der Verhängung eines
Berufsverbotes gegen den als selbständigen Rechtsanwalt
tätigen Angeklagten hat es abgesehen. Der Angeklagte wendet
sich mit seiner auf die Sachrüge und eine
Verfahrensrüge gestützten Revision gegen seine
Verurteilung. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer zu
Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision die Verletzung
sachlichen Rechts und erstrebt eine Aufhebung des Urteils, soweit der
Angeklagte
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freigesprochen wurde; sie beanstandet weiterhin die unterbliebene
Anordnung eines Berufsverbotes. Beide Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
A.
Die Revision des Angeklagten
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I. Hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten hat die Strafkammer
Folgendes festgestellt:
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Der Angeklagte vertrat ab Januar 2000 als Rechtsanwalt den Zeugen K.
nach einem von diesem erlittenen schweren Verkehrsunfall. Er
übernahm es dabei insbesondere, für den Zeugen
Schadensersatz- und Schmerzensgeldforderungen gegenüber der
Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geltend zu machen. Zwischen
Februar 2000 und September 2002 kam es zu fünf
Überweisungen der Versicherung in Höhe von insgesamt
108.680,51 € auf ein auch zu privaten Zwecken genutztes
Girokonto des Angeklagten. Der Angeklagte beließ die
eingegangenen Gelder auf diesem Konto, zahlte an den Zeugen K. nur
Teilbeträge aus und verbrauchte die Restbeträge -
insgesamt 45.355,37 € - in der Folgezeit für sich
selbst. Zum Jahresende 2003 wies das Girokonto des Angeklagten kein
Guthaben mehr auf; auch im Übrigen besaß der
Angeklagte keine Mittel, um den noch offenen Betrag an den Zeugen
auszuzahlen.
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Ausdrücklich festgestellt ist, dass der Angeklagte nicht
zahlungswillig war. Er entschied sich zwischen jedem Zahlungseingang
auf seinem Girokonto und der Auskehrung eines Teilbetrags hiervon, den
verbleibenden Betrag sei-
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nem Mandanten vorzuenthalten. Das Landgericht hat auf dieser Grundlage
nach Zusammenfassung von zwei zeitlich eng aufeinander folgenden
Zahlungseingängen vier selbständige Taten der Untreue
gemäß § 266 StGB angenommen. Es ist von
einer Vermögensgefährdung im Umfang der noch nicht
ausbezahlten Summen ausgegangen, die nach endgültigem und
vollständigem Verbrauch der Beträge in einen
tatsächlichen Schaden umgeschlagen sei.
II. Die Revision beanstandet, das Landgericht habe es unter Verletzung
seiner Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO)
unterlassen, Schriftstücke aus der zur Strafakte
gehörenden Handakte des Angeklagten in die Hauptverhandlung
einzuführen. Aus mehreren an den Angeklagten gerichteten
Schreiben des - im Zeitpunkt der Hauptverhandlung unerreichbaren -
Zeugen K. aus dem Jahr 2000 ergebe sich, dass der Zeuge, der sich im
Tatzeitraum teilweise in Strafhaft befand, den Angeklagten mit der
Verwaltung der bei diesem eingehenden Gelder, der Begleichung
anfallender Rechnungen und der Erfüllung sonstiger
Zahlungswünsche beauftragt habe. Aus den Schreiben gehe
weiterhin hervor, dass der Angeklagte diesem Auftrag durch zahlreiche
Überweisungen an von dem Zeugen benannte Begünstigte
nachgekommen sei. Die Revision meint, dass das Landgericht hieraus
hätte schließen müssen, dass der Angeklagte
dem Zeugen keine Gelder habe widerrechtlich vorenthalten wollen, die
unvollständige Weiterleitung der Zahlungseingänge
vielmehr dem Willen des Zeugen K. entsprochen habe.
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Die Rüge ist zulässig erhoben; in der Sache bleibt
sie ohne Erfolg.
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Das Landgericht musste sich zu einer Beweiserhebung über die
von der Revision aufgeführten Urkunden nicht gedrängt
sehen.
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Das Landgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der Angeklagte
nicht willens war, die von ihm vereinnahmten Versicherungsleistungen
vollständig an den Zeugen K. auszuzahlen, und er die Gelder
auch einem Anderkonto nicht zuführte. Auf die Absicht des
Angeklagten, dem Zeugen Teilbeträge gezielt vorzuenthalten,
hat das Landgericht aufgrund einer tragfähigen
Beweiswürdigung geschlossen. Es war dabei nicht gehindert,
andere Fälle, in denen der Angeklagte eingegangene Gelder
vollständig an den Zeugen ausgekehrt hatte, in den Blick zu
nehmen und im Umkehrschluss zu folgern, dass der Angeklagte
Beträge, die er trotz Möglichkeit
ordnungsgemäßer Abwicklung auf seinem privaten
Girokonto beließ, für sich vereinnahmen wollte. Eine
derartige Folgerung ist möglich, zwingend braucht sie nicht zu
sein (vgl. BGHSt 29, 18, 20). Gleiches gilt für die
Erwägung, dass der Angeklagte von dem Zeugen konkret
angeforderte Auszahlungen und Überweisungen nur
ausführte, um ihn hinzuhalten.
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Die von der Revision vermisste Beweiserhebung vermag unter keinem
Gesichtspunkt zu einer hiervon abweichenden Bewertung zu
führen. Ob der Zeuge K. den Angeklagten tatsächlich
mit der Verwaltung der eingegangenen Schadensersatz- und
Schmerzensgeldzahlungen beauftragt hat - die von der Revision
vorgelegten Urkunden zeigen eine solche Möglichkeit allenfalls
für einen Betrag in Höhe von 20.000,-- DM und die
Dauer von fünf Monaten auf -, ist für das
festgestellte treuwidrige Verhalten des Angeklagten ohne Belang. Denn
die behauptete Vereinbarung könnte nicht verdeutlichen, dass
der Angeklagte von seiner Entscheidung, dem Zeugen Teilbeträge
vorzuenthalten, abgerückt ist.
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Soweit die Revision eine Beweiserhebung mit dem Ergebnis anstrebt, dass
der Angeklagte sämtlichen Auszahlungsaufforderungen des Zeugen
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K. im Jahr 2000 nachgekommen sei, geht ihre Rüge ins Leere.
Denn das Landgericht hat seinen Feststellungen ein ebensolches
Auszahlungsverhalten des Angeklagten zugrunde gelegt. Es hat die von
der Revision aufgeführten Überweisungen im Einzelnen
dargelegt und ist ausdrücklich davon ausgegangen, dass
sämtliche Auszahlungen an Dritte aus dem Guthaben des K. in
dessen Auftrag und mit dessen Einverständnis erfolgten.
III. Die Überprüfung des Urteils auf die
Sachrüge hat gleichfalls keinen den Angeklagten belastenden
Rechtsfehler ergeben.
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B.
Die Revision der Staatsanwaltschaft
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I. Die Sachbeschwerde, mit der sich die Staatsanwaltschaft gegen den
Freispruch des Angeklagten von Vorwürfen des Betruges in zwei
Fällen und des versuchten Betruges, jeweils in Tateinheit mit
Urkundenfälschung wendet, dringt nicht durch.
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Dass sich der Tatrichter keine Überzeugung von den
Tatvorwürfen verschaffen konnte, überschreitet die
ihm bei der Beweiswürdigung gezogenen Grenzen noch nicht und
ist daher vom Senat hinzunehmen.
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II. Auch die Entscheidung des Landgerichts, von der Verhängung
eines Berufsverbotes gegen den Angeklagten abzusehen, hält
rechtlicher Nachprüfung noch stand. Dem Tatrichter steht
angesichts des mit der Maßregel verbundenen schwerwiegenden
Eingriffs ein weiter Ermessensspielraum zur Verfü-
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gung (BGH, Urt. v. 20. Januar 2004 - 1 StR 319/03 in NStZ 2004, 442
insoweit nicht abgedruckt; Sander in Sonderheft für Gerhard
Schäfer, S. 57, 59). Das Landgericht hat alle für
eine Entscheidung über die Verhängung der
Maß-regel maßgeblichen Umstände
gewürdigt, darunter auch die berufsspezifischen Vorstrafen des
Angeklagten. Es hat gleichwohl keine Anhaltspunkte gesehen, dass der
Angeklagte künftig vergleichbare Rechtsverletzungen begehen
werde, und von einer Verhängung der Maßregel auch
unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten
abgesehen. Der Senat sieht keinen rechtlichen Ansatz, dies zu
beanstanden.
Nack Wahl Kolz
Hebenstreit Graf |