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BGH, Urteil vom 24. Februar 2010 - 2 StR 552/09


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 24.2.2010 - 2 StR 552/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 552/09
vom
24. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Februar 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Rissing-van Saan,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Cierniak,
Prof. Dr. Schmitt,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 6. April 2009 wird verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes und Störung der Totenruhe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und entschieden, dass fünf Jahre und sechs Monate der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen seien. Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist unbegründet.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachte der 1969 geborene alkoholabhängige Angeklagte den Nachmittag des Tattages zunächst mit seinem Bekannten H., der ihn gegen Mittag in seiner Wohnung aufsuchte, dort aber alsbald mit der Mitbewohnerin der Wohnung, der späteren Getöteten Petra S. zu streiten begann, weil er sie des Diebstahls verdächtigte. Der Angeklagte verließ zusammen mit H. die Wohnung; beide verbrachten einige Zeit am Rheinufer, wo sie Bier tranken und unter anderem über S. sprachen. Der Angeklagte strebte eine intime Beziehung zu S. an; eine solche bestand aber bis zur Tat nicht. Der Angeklagte und H. gingen dann in die Wohnung zurück und tran-
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ken dort weiter Bier. Auch S. erschien wieder in der Wohnung. Einen erneuten Streit zwischen H. und S. schlichtete der Angeklagte. Gegen 15.30 Uhr rief er in alkoholisiertem Zustand die Vermieterin der Wohnung an und teilte ihr mit, S. habe ihn selbst und seinen Freund H. bestohlen. Gegen 16.00 Uhr verließ H. die Wohnung; etwa eine Stunde später kam S. in das Zimmer des Angeklagten. Dieser veranlasste sie, weiteres Bier zu kaufen; anschließend saßen S. und der Angeklagte zusammen, tranken Bier und hörten Musik.
Gegen 20.00 Uhr begannen der Angeklagte und S. erneut über die Diebstahlsvorwürfe gegen S. heftig zu streiten; beide schrien sich an und beleidigten sich wechselseitig. Das Landgericht hat festgestellt, der Angeklagte sei nun "unvermittelt völlig ausgerastet" und habe der Geschädigten plötzlich und vollkommen unerwartet einen starken Schlag ins Gesicht versetzt. In einem "rasend schnellen" Geschehensablauf habe er S. sodann zahlreiche heftige Faustschläge und Tritte versetzt, so dass sie zu Boden stürzte. Sodann nahm der Angeklagte ein im Zimmer stehendes Luftgewehr und schlug dem Opfer den Kolben des Gewehrs mit ausholenden Bewegungen mit bedingtem Tötungsvorsatz gegen den Kopf. Petra S. lag nun reglos auf dem Boden und röchelte. Der Angeklagte "wollte nun schnell der Sache ein Ende bereiten" und schoss dem Opfer mit dem Luftgewehr mit einem aufgesetzten Schuss in die linke Schläfe. Dann stach er mit einem Küchenmesser zweimal tief in die Brust der Geschädigten, wobei er das Herz traf. Petra S. verstarb alsbald danach infolge Verblutens. Dass der Angeklagte aus sexueller Motivation oder in dem Bestreben handelte, vorangegangene Verletzungshandlungen zu verdecken, konnte das Landgericht nicht feststellen. Nicht ausschließen konnte der Tatrichter, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der geschilderten Tathandlungen aufgrund einer Alkoholisierung von möglicherweise 2,97 ‰ und eines Erregungszustands in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt war.
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Möglicherweise verließ der Angeklagte nach der Tötung von S. für einen Zeitraum von 20 bis 30 Minuten die Wohnung, "um einen klaren Kopf zu bekommen". Nicht ausschließbar ist auch, dass ihm erst nach seiner Rückkehr in die Wohnung der Gedanke kam, an der Leiche sexuelle Handlungen zu vollziehen. Er schnitt daher die Hose der Getöteten auf, führte einen Finger sowie einen Gegenstand in Scheide und Anus ein und vollzog dann kurzzeitig den Geschlechtsverkehr an der Leiche; sodann schoss er mit einem anderen in der Wohnung befindlichen Luftgewehr noch etwa zehnmal auf den Körper der Getöteten.
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Nach Rückkehr in die Wohnung war die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nach den Feststellungen des Landgerichts nicht mehr vermindert.
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Der Angeklagte verließ am nächsten Morgen die Wohnung unter Mitnahme verschiedener Gegenstände, versteckte sich zwei Tage lang im Stadtwald und stellte sich dann der Polizei.
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Aufgrund einer ersten Hauptverhandlung hatte das Landgericht den Angeklagten wegen Totschlags und Störung der Totenruhe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren verurteilt. Dieses Urteil hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom 28. November 2007 - 2 StR 477/07 - aufgehoben, weil der frühere Tatrichter das Vorliegen von Mordmerkmalen nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hatte.
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Der neue Tatrichter hat aufgrund seiner Feststellungen nun angenommen, der Angeklagte habe das Mordmerkmal der Heimtücke verwirklicht, da er eine zum Zeitpunkt seiner ersten Körperverletzungshandlungen bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers ausgenutzt habe und die Tat danach einschließlich des Wechsels zum Tötungsvorsatz ohne Zäsur in einem einheitlichen raschen Geschehen verlaufen sei. Sonstige Mordmerkmale hat das Land-
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gericht geprüft, jedoch im Ergebnis nicht festgestellt. Es hat für den Heimtückemord aus dem gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 211 StGB eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten und für die Tat nach § 168 Abs. 1 StGB eine solche von zwei Jahren und neun Monaten festgesetzt und hieraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren gebildet.
2. Die auf das Strafmaß beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft richtet sich gegen die Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit zum Zeitpunkt des Verletzungs- und Tötungsgeschehens. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision stellt namentlich darauf ab, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit "aufgrund einer Kumulation bzw. Wechselwirkung von Alkoholeinfluss und affektiver Erregung" nicht ausschließen können. Die hierfür vorgetragenen Argumente der Revision greifen aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen nicht durch.
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Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei dargelegt, aus der auf Rückrechnung nach (unpräzisen) Trinkmengenangaben berechneten möglichen Blutalkoholkonzentration für sich allein ergebe sich zwar keine die Schuldfähigkeit erheblich beeinträchtigende Berauschung; hiergegen spreche auch das Leistungsverhalten des Angeklagten vor der Tat (UA S. 60 ff.). Es hat jedoch im Anschluss an den von ihm vernommenen Sachverständigen im Hinblick auf die Besonderheiten des Sachverhalts nicht auszuschließen vermocht, dass es in der konkreten Tatsituation durch ein Zusammenwirken von Alkoholisierung (2,97 ‰) und affektiver Erregung aufgrund des Streits mit der Geschädigten zu dem vom Angeklagten behaupteten "Ausrasten" und zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit gekommen sei (UA S. 63). Die hiergegen gerichteten Einwendungen der Revision decken einen Rechtsfehler nicht auf; insbesondere fehlt es weder an der konkreten Feststellung eines Eingangs-
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merkmals i.S.v. § 20 StGB noch hat das Landgericht die Voraussetzungen einer tief greifenden Bewusstseinsstörung im Sinne eines Affekt-Zustands verkannt. Ersichtlich hat das Landgericht der Anwendung des § 21 StGB nicht die Feststellung einer Affekttat im engeren Sinn zugrunde gelegt, so dass sich die von der Revision vermisste Erörterung der in der Literatur genannten Indizienliste hierfür erübrigte. Vielmehr hat es seine Wertung auf die Feststellung gestützt, der Angeklagte sei durch den Streit in einen (normalpsychologischen) Erregungszustand geraten, der in Verbindung mit der hohen BAK möglicherweise zu einem § 21 StGB unterfallenden "Ausrasten" geführt habe. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
3. Auch unter dem Gesichtspunkt des § 301 StPO hat die Prüfung des Urteils, soweit es angefochten ist, einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
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Rissing-van Saan Fischer Appl
Cierniak Schmitt



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