BGH,
Urt. v. 24.1.2003 - 2 StR 215/02
2 StR 215/02
StPO § 265 Abs. 3
§ 265 Abs. 3 StPO räumt dem Gericht kein Ermessen
ein, die Hauptverhandlung lediglich zu unterbrechen; bei Vorliegen der
gesetzlichen Voraussetzungen ist die Verhandlung auszusetzen.
BGH, Urteil vom 24. Januar 2003 - 2 StR 215/02 - Landgericht Bad
Kreuznach
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
24. Januar 2003
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen Anstiftung zum Mord in drei Fällen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat auf Grund der Verhandlung
am 22. Januar 2003 in der Sitzung vom 24. Januar 2003, an denen
teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr.
Rissing-van Saan und der Richter am Bundesgerichtshof Dr. h.c. Detter,
die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, der Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt nur in der Verhandlung vom 22. Januar
2003, Rechtsanwalt Rechtsanwalt nur in der Sitzung vom 24. Januar 2003
als Verteidiger für den Angeklagten Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt als Verteidiger für den Angeklagten
Rechtsanwältin nur in der Verhandlung vom 22.Januar 2003 als
Vertreterin für den Nebenkläger
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts
Bad Kreuznach vom 29. November 2001, soweit es ihn betrifft, mit den
zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten S. gegen das vorgenannte Urteil wird
verworfen.
Er hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den
Nebenklägern hierdurch im Revisionsverfahren erwachsenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Anstiftung zum Mord in
drei Fällen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und
festgestellt, daß seine Schuld besonders schwer ist. Den
Angeklagten B. hat es ebenfalls wegen Anstiftung zum Mord in drei
Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
Die Schwurgerichtskammer ging dabei von folgenden Feststellungen aus:
Der Angeklagte S. lebte zusammen mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen
Kind , seiner Schwiegermutter K. L. sowie U. L. , der Ehefrau seines
Schwagers Kl. L. , auf dem Bo. , einem Aussiedlergehöft
zwischen den Bad Kreuznacher Ortsteilen und . Eigentümerin
dieses Gehöfts war K. L. . Wegen mehrfacher
außerehelicher Beziehungen des Angeklagten S. kam es zu
erheblichen Spannungen zwischen ihm, seiner Ehefrau und seiner
Schwiegermutter. Letztere eröffnete ihm in der ersten
Septemberhälfte des Jahres 2000, daß sich seine
Ehefrau von ihm scheiden lassen wolle und er den Bo. verlassen
müsse. Da er in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten war
und darüberhinaus seine Position auf dem Hof erhalten wollte,
fasste er den Entschluß, seine Ehefrau und seine
Schwiegermutter töten zu lassen, als mutmaßliche
Mitwisserin seiner Motivlage sollte auch U. L. beseitigt werden. Nach
seiner Vorstellung war das die einzige Möglichkeit, den sich
anbahnenden sozialen Absturz zu vermeiden. Als alleiniger gesetzlicher
Vertreter seines Sohnes , der die Hälfte des Hofes und des
beträchtlichen Vermögens erben würde, ging
er davon aus, zumindest auf überschaubare Zeit auf dem Hof
bleiben zu können. Da er die Tat nicht selbst begehen, aber
auch nicht die künftigen Täter suchen und beauftragen
wollte, wandte er sich an den Angeklagten B. . Es gelang ihm, diesen
durch die Androhung, dessen Schwarzgeschäfte den
Finanzbehörden zu offenbaren, für die Tat zu
gewinnen. Der Angeklagte B. wandte sich an den ihm bekannten polnischen
Maurer J. J. und - mit großer Wahrscheinlichkeit - auch an
dessen Bruder M. J., möglicherweise auch an eine dritte,
namentlich nicht bekannte, Person. Die erklärten sich bereit,
gegen Zahlung einer hohen Geldsumme die drei Frauen auf dem Bo. zu
einem noch vom Auftraggeber zu bestimmenden Zeitpunkt zu
töten. Für diese Zusage erhielten sie als Anzahlung
einen Geldbetrag in nicht bekannter Höhe, den der Angeklagte
S. zur Verfügung gestellt hatte. Dieser traf dann
Vorkehrungen, um zu vermeiden, daß ein Tatverdacht auf ihn
fallen könnte. Anschließend teilte er dem
Angeklagten B. mit, die Tat sollte am 21. oder 22. September 2000
ausgeführt werden. Dieser verständigte sich daraufhin
mit J. J. und erteilte ihm definitiv den Mordauftrag. Am Freitag, den
22. September 2000 zwischen 6.00 und 6.30 Uhr betraten dann die
Täter, die mit einem oder mehreren Schlag- und Hackwerkzeugen
sowie einem Messer mit einer ca. 20 cm langen, geriffelten Klinge
bewaffnet waren, die Wohnung von U. L. . Sie versetzten der am
Küchentisch sitzenden oder stehenden Frau massive
Schläge auf den Hinterkopf; als diese benommen zu Boden sank,
schnitt ihr J. J. mit dem Messer die Kehle durch. Die Täter
verließen dann die Wohnung und lauerten Sp. auf. Als diese
aus ihrem Haus kam, wurde sie von hinten niedergeschlagen. Auch ihr
schnitt J. J. die Kehle durch. Die Täter betraten
anschließend das Haupthaus und gelangten unbemerkt in das
Schlafzimmer von K. L. . Der schlafenden Frau schlugen sie den
Schädel ein, J. J. schnitt auch ihr die Kehle durch. Die
Täter verließen danach den Bo. und
flüchteten nach Polen. Ob sich der Angeklagte S.
während der Tatausführung auf dem Bo. aufhielt oder
ob er vor Beginn der Tatausführung den Hof schon verlassen
hatte, konnte die Schwurgerichtskammer nicht klären.
Das Landgericht wertete die Taten der Angeklagten jeweils als ein
Verbrechen der Anstiftung zum Mord in drei Fällen. Der
Angeklagte S. habe im Wege der Kettenanstiftung beim Angeklagten B. den
Entschluß hervorgerufen, die Haupttäter, die
heimtückisch und aus Habgier gehandelt hätten, zu
drei Tötungshandlungen zu bestimmen.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Angeklagten mit ihren
Revisionen, die sie auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts
stützen.
Das Rechtsmittel des Angeklagten B. hat mit einer
Verfahrensrüge Erfolg, die Revision des Angeklagten S. ist
unbegründet.
A) Revision des Angeklagten B. :
I. Die Tatidentität (§ 264 StPO) von angeklagter und
abgeurteilter Tat ist gewahrt.
Die zugelassene Anklage legte dem Angeklagten B. ein Vergehen nach
§ 138 Abs. 1 Nr. 8 StGB zur Last. Ihm wurde vorgeworfen, von
dem Angeklagten S. erfahren zu haben, daß dieser polnische
Arbeiter für die Durchführung eines Raubes bei seiner
Schwiegermutter suche und ihm auf seine Bitte die polnische
Telefonnummer eines gewissen "K. " vermittelt zu haben. Der Angeklagte
B. sei von der Ernsthaftigkeit des Vorhabens ausgegangen und habe
mehrfach auf Anweisung des Angeklagten S. die Arbeiter des Bo. unter
dem Vorwand der erfundenen Geschichte über "dubiose
Hundekäufer" vom Hof ferngehalten. Obwohl er mit einem
Überfall auf K. L. gerechnet habe, habe er die Tat nicht
angezeigt. Am Tatmorgen sei er zunächst gemeinsam mit einem
tatunbeteiligten Zeugen und anschließend nochmals allein zum
Bo. gefahren, von wo aus er um 7.45 Uhr mit dem Angeklagten S.
telefoniert habe.
Demgegenüber hat das Landgericht als dem Angeklagten B.
nachgewiesenes Tatgeschehen festgestellt, daß er sich
aufgrund der Drohungen des Angeklagten S. , ihn wegen seiner
Schwarzgeschäfte bei den Finanzbehörden anzuzeigen,
bereit erklärte, Täter für die
Ausführung des vom Angeklagten S. geplanten Mordes an den drei
Frauen zu suchen. Nach den Urteilsfeststellungen setzte der Angeklagte
B. seine Zusage auch in die Tat um, kaufte ein eigenes Mobiltelefon
für den als Haupttäter gewonnenen polnischen
Arbeiter, um mit diesem ständig und unauffällig in
Verbindung bleiben zu können. Ferner hielt er die beim Umbau
des Bo. teils illegal beschäftigten Arbeiter mehrfach vom Hof
fern, indem er eine vom Angeklagten S. erfundene Geschichte
verbreitete. Auf dessen Anweisung erteilte er den Tätern den
definitiven Mordauftrag für Donnerstag, den 21. September oder
Freitag, den 22. September 2000. Täglich telefonierte er mit
dem polnischen Haupttäter, der montags kurzfristig nach Polen
abgereist war und am Donnerstagnachmittag zurückkehrte. Am 21.
September 2000 besprach er mit den Tätern in deren Wohnung die
für den nächsten Morgen angesetzte Tat. Am Tatmorgen
fuhr er zweimal zum Bo. , um die Tatausführung zu
überprüfen. Um 7.44 Uhr rief er den polnischen
Haupttäter an und erfuhr, daß alles nach Plan
verlaufen war. Um 7.47 Uhr teilte er dem Angeklagten S. telefonisch
mit, daß alle drei Frauen tot seien.
Nach diesen Urteilsfeststellungen weicht das Tatgeschehen zwar nicht
unerheblich vom angeklagten Sachverhalt ab, jedoch betrifft es noch
dieselbe Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO wie die Anklage.
Anklage und Urteil beschreiben das Kerngeschehen im wesentlichen
gleich. Bereits die Anklage geht davon aus, daß der
Angeklagte S. sich anderer Täter bedienen wollte, da er sich
selbst zur Tatausführung nicht in der Lage sah. Aus diesem
Grund (und nicht etwa nur zur Begehung eines Raubes) schaltete er -
auch nach der Anklage - den Angeklagten B. ein, um entsprechende
Täter zu finden. Erwähnt ist bereits auch die
Gewinnung der Polen als ausführende Täter sowie seine
Bemühungen, am Tattag eventuell störende Zeugen vom
Bo. fernzuhalten. Auch die Tatausführung als solche wird in
Anklage und Urteil nahezu identisch geschildert. Die Nichtanzeige eines
Verbrechens nach § 138 StGB und das Verbrechen selbst
betreffen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHSt 32,
215, 219; BGH NStZ 1993, 50 f.; NStZ-RR 1998, 204)
grundsätzlich denselben geschichtlichen Vorgang und damit
dieselbe Tat im Sinne des § 264 StPO. Dem liegt zugrunde,
daß sowohl der Täter der nicht angezeigten Tat als
auch derjenige, dessen Verhalten nur den Tatbestand des § 138
StGB erfüllt, in gleicher Weise von dem Plan zur Begehung der
Tat Kenntnis haben, diesen aber nicht anzeigen und so die Tat
fördern (vgl. BGH NStZ 1993, 50). Daß der Anklage
eine andere rechtliche Bewertung des geplanten Überfalls und
des nicht angezeigten Verbrechenssachverhalts zugrundelag,
nämlich die Annahme eines geplanten Raubes statt eines
geplanten Mordes an drei Personen, ändert an dem Umstand,
daß der abgeurteilte Lebenssachverhalt schon Gegenstand der
Anklage war, nichts.
II. Die auf einen Verstoß gegen § 265 Abs. 3 StPO
gestützte, in zulässiger Weise erhobene
Verfahrensrüge führt jedoch zur Aufhebung des
Urteils, soweit es den Angeklagten B. betrifft. Dem liegt folgendes
Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nach umfangreicher Beweisaufnahme wurde der Angeklagte B. am 12. von 26
Hauptverhandlungstagen (30. August 2001) unter anderem darauf
hingewiesen, daß für ihn anstelle der angeklagten
Nichtanzeige eines Raubes nunmehr Anstiftung zum Mord in drei
Fällen in Betracht komme. Im Anschluß an diesen
Hinweis ordnete die Schwurgerichtskammer gegen den Angeklagten B. , der
die neu erhobenen Vorwürfe bestritt, Untersuchungshaft an.
Daraufhin beantragte sein Verteidiger die Aussetzung der
Hauptverhandlung. Das Landgericht lehnte am folgenden Verhandlungstag
die "Aussetzung der Hauptverhandlung gemäß
§ 265 Abs. 3 StPO" ab, weil eine Aussetzung nach dem Ermessen
der Kammer nicht geboten sei. Die bereits vorgesehenen Unterbrechungen
der Hauptverhandlung reichten aus, um eine sachgerechte Wahrnehmung der
Verteidigungsrechte des Angeklagten B. auch unter dem neuen rechtlichen
Gesichtspunkt zu gewährleisten.
Dieses Verfahren war rechtsfehlerhaft, denn das Landgericht
wäre gehalten gewesen, dem Aussetzungsantrag stattzugeben.
1. Nach § 265 Abs. 3 StPO ist auf den Antrag des Angeklagten
die Hauptverhandlung auszusetzen, wenn er unter der Behauptung, auf die
Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu
hervorgetretene Umstände bestreitet, welche die Anwendung
eines schwereren Strafgesetzes zulassen als in der gerichtlich
zugelassenen Anklage angeführt. Diese Voraussetzungen waren
vorliegend gegeben.
a) Es lagen auch neben dem Aussetzungsantrag neu hervorgetretene
Umstände im Sinne des § 265 Abs. 3 StPO vor,
nämlich Tatsachen oder tatsächliche
Verhältnisse, die erst in der Hauptverhandlung zum Vorschein
kommen und die der Angeklagte nicht aus Anklageschrift,
Eröffnungsbeschluß oder einer früheren
Hauptverhandlung entnehmen konnte. Solche ergaben sich aus dem
Haftbefehl, der mit den Feststellungen des Urteils
übereinstimmt. Der dringende Tatverdacht der Anstiftung zum
Mord in drei Fällen beruht danach im wesentlichen auf
folgenden Erwägungen:
- der Angeklagte B. habe dem späteren Haupttäter J.
J. ein eigenes Mobiltelefon zur Verfügung gestellt, um
unauffällig mit ihm in ständiger Verbindung stehen zu
können
- er habe in den vier Tagen vor der Tat sowie am Tattag selbst
zahlreiche Telefongespräche mit J. J. geführt
- er habe sich am Tag vor der Tat spät nachmittags mit den
Brüdern J. getroffen und Einzelheiten der Vorgehensweise
besprochen
- er habe um 7.44 Uhr mit den beiden flüchtigen
Mördern telefoniert
- er habe bei der Polizei falsche Angaben über den Verbleib
der Brüder J. gemacht und angegeben, die Nummer des J. nicht
zu kennen
- er habe am Abend des Tattages den Pferdepfleger Z. aufgefordert, die
Arbeitskleidung von J. J. auf dem Hof zu beseitigen.
Diese Umstände sind in der Anklageschrift nicht
erwähnt, im übrigen wurden nunmehr dem Angeklagten
Verhaltensweisen zur Last gelegt, aus denen andere Schlüsse
gezogen wurden als in der Anklageschrift. Dazu gehören das
Fernhalten der Arbeiter vom Bo. , die zweite Fahrt zum Hof am
Tatmorgen, das Telefonat mit dem Angeklagten S. und falsche Angaben
gegenüber der Polizei. Demzufolge ging die
Schwurgerichtskammer von einer wesentlich stärkeren
Einbeziehung des Angeklagten B. in das Tatgeschehen aus, da er die
polnischen Täter zur Tat bestimmte, mit ihnen das Vorgehen
besprach und die Organisation der Tat abwickelte.
b) Der Angeklagte B. hat die neu hervorgetretenen Umstände in
der Hauptverhandlung bestritten und auch behauptet, auf die
Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein. Der
Aussetzungsantrag enthielt zumindest konkludent (vgl. für den
Fall des § 145 Abs. 3 StPO: BGH NStZ 2000, 212) die
Erklärung, daß die zur Vorbereitung der Verteidigung
erforderliche Zeit nicht verbleibe. Ob die Behauptung
ungenügender Vorbereitung der Verteidigung zutreffend war, hat
das Gericht grundsätzlich nicht zu
überprüfen; für § 265 Abs. 3 StPO
genügt das entsprechende Vorbringen des Angeklagten (vgl. u.a.
Gollwitzer in Löwe/Rosenberg 25. Aufl. Rdn. 92; Engelhardt in
KK 4. Aufl. Rdn. 27; Meyer-Goßner 46. Aufl. Rdn. 36 jeweils
zu § 265 StPO; zu § 145 Abs. 3 StPO vgl. BGH MDR
1979, 108; NStZ 2000, 212; zu § 416 Abs. 2 Satz 2 StPO -
früher § 429 d Abs. 2 Satz 2 StPO vgl. BGHSt 13, 121,
123). Damit liegen die Voraussetzungen des § 265 Abs. 3 StPO
vor.
2. Angesichts dessen hätte die Schwurgerichtskammer die
Hauptverhandlung auf Antrag des Angeklagten aussetzen müssen,
ein Ermessen war ihr nicht eingeräumt. Das hat das Landgericht
verkannt.
In der Literatur wird die Frage, ob dem Tatgericht bei einer
Entscheidung nach § 265 Abs. 3 StPO ein Ermessen
eingeräumt ist, unterschiedlich beurteilt. Ein Teil
(Meyer-Goßner aaO § 265 Rdn. 37; Schlüchter
SK StPO § 265 Rdn. 43 und Gollwitzer aaO § 265 Rdn.
108) vertritt die Auffassung, die Dauer der Aussetzung bestimme das
Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen, es
könne auch dahin entscheiden, daß eine
bloße Unterbrechung der Hauptverhandlung ausreiche. Andere
sprechen sich ausdrücklich dagegen aus (Julius in HK-StPO 4.
Aufl. § 265 Rdn. 16 und Loos in AK § 265 Rdn. 39),
weil eine in das Ermessen des Gerichts gestellte bloße
Unterbrechung der Verhandlung ihnen mit Blick auf Wortlaut und
Entstehungsgeschichte des § 265 Abs. 3 StPO bedenklich
erscheint.
Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsfrage bisher nicht entschieden.
Die vom Senat vorgenommene Auslegung, ein Ermessen sei nicht
eingeräumt, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
a) Schon der Gesetzeswortlaut spricht, auch im Vergleich zum
übrigen Sprachgebrauch der StPO, für einen
ermessensunabhängigen Aussetzungsanspruch des Angeklagten,
denn das Verfahren "ist auszusetzen"; die Möglichkeit, nur zu
unterbrechen, ist nicht vorgesehen. Die StPO selbst differenziert
ausdrücklich zwischen Aussetzung und Unterbrechung einer
Hauptverhandlung, sie sieht des öfteren beide
Möglichkeiten nebeneinander vor. So ist etwa für
§ 145 Abs. 3 StPO anerkannt, daß das Gericht nach
pflichtgemäßem Ermessen darüber zu
entscheiden hat, ob die Verhandlung auszusetzen oder zu unterbrechen
ist, wenn der neu bestellte Verteidiger erklärt, daß
ihm die zur Vorbereitung der Verteidigung erforderliche Zeit nicht
verbleibe (BGHSt 13, 337; BGH NStZ 2000, 212 ff.). Auch § 138
c Abs. 4 StPO sieht eine Aussetzung oder Unterbrechung der
Hauptverhandlung vor.
Der Bundesgerichtshof hat schon bei einer dem § 265 Abs. 3
StPO vergleichbaren Interessenlage des Angeklagten
ausdrücklich auf den Wortlaut abgestellt ("ist auf Antrag
auszusetzen"). Zu der insoweit mit § 265 Abs. 3 StPO
vollständig wortgleichen Vorschrift des § 416 Abs. 2
Satz 2 StPO, der die Überleitung vom Sicherungsverfahren in
das Strafverfahren regelt, hat er nämlich entschieden (vgl.
BGHSt 13, 121 zu dem damaligen § 429 d Abs. 2 Satz 2 StPO;
anders bei § 145 Abs. 3 StPO BGHSt 13, 337, 342),
daß das Gesetz dem Angeklagten einen Anspruch auf Aussetzung
einräumt, dem das Gericht unter den genannten Voraussetzungen
ohne weiteres nachkommen muß. Dies folge daraus,
daß das Gesetz von einer Aussetzung, nicht dagegen von einer
Unterbrechung der Hauptverhandlung spreche. Das Gericht habe lediglich
über den Zeitraum der Aussetzung nach
pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Sofern der
Verteidiger eine bloße Unterbrechung für ausreichend
erachte, umfasse sein Recht auf Aussetzung als minderes Recht den
Anspruch auf Unterbrechung der Hauptverhandlung; die Entscheidung, ob
eine solche ausreiche, stehe aber allein der Verteidigung zu (vgl.
BGHSt 13, 121, 122 f.; so auch Meyer-Goßner aaO Rdn. 7 zu
§ 416 StPO; anders aber zu § 265 Abs. 3 StPO vgl.
dort Rdn. 37).
Ebenso ist anerkannt, daß das Gericht im Hinblick auf den
Wortlaut im Rahmen von § 217 Abs. 2 StPO verpflichtet ist,
einem entsprechenden Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung bei
Nichteinhaltung der Ladungsfrist stattzugeben (vgl. BGH NStZ 1985, 229;
1995, 298).
b) Gegen die Einräumung eines richterlichen Ermessens in
§ 265 Abs. 3 StPO spricht desweiteren Sinn und Zweck der
Regelung des § 265 StPO und seine Stellung im Gefüge
der §§ 264 und 266 StPO.
§ 265 StPO will mit Hinweis- und Aussetzungspflichten des
Gerichts die Verteidigungsrechte des Angeklagten in den Fällen
sichern, in denen es infolge der umfassenden Kognitionspflicht des
Gerichts im Rahmen des § 264 StPO zu erheblichen
Veränderungen der tatsächlichen und rechtlichen
Bewertung gegenüber der zugelassenen Anklage kommen kann.
Dabei ist zu bedenken, daß § 265 Abs. 3 StPO relativ
strenge Voraussetzungen fest schreibt, indem er neu hervorgetretene,
vom Angeklagten bestrittene Umstände und eine Strafbarkeit
nach einem schwereren Strafgesetz verlangt. Für diesen vom
Gesetz relativ eng umgrenzten Fall erscheint es nicht
unsachgemäß, die Aussetzung als festen Anspruch des
Angeklagten, losgelöst von richterlichem Ermessen, zu sehen.
Die Verteidigungsinteressen des Angeklagten und sein Anspruch auf eine
wirksame Verteidigung (vgl. Art. 6 Abs. 3 lit. c MRK) in einem Fall, in
dem nach längerer Hauptverhandlungsdauer neue
Umstände hervortreten, die nach Auffassung des Gerichts die
Anwendung eines (erheblich) schweren Strafgesetzes zulassen, erfordern
oft nicht nur, die Verteidigung der veränderten Sachlage
anzupassen. Notwendig ist vielmehr häufig, die
Verteidigungsposition und
-strategie von Grund auf neu zu strukturieren und sich vor einem vom
bisherigen Ablauf der Beweisaufnahme "unbelasteten" Gericht neu
einzulassen oder zu schweigen. Dies wird nur durch Aussetzung und
Neubeginn der Hauptverhandlung ermöglicht. Diese
Verteidigungsposition des Angeklagten soll die Vorschrift des
§ 265 Abs. 3 StPO sicherstellen, indem sie
ausdrücklich allein eine "Aussetzung" vorsieht, wenn dies der
Angeklagte als erforderlich ansieht und deshalb einen entsprechenden
Antrag stellt.
c) Für einen solchen Aussetzungsanspruch des Angeklagten
gemäß § 265 Abs. 3 StPO spricht auch die
Entstehungsgeschichte der Norm und die gesetzgeberische Intention. Die
Gesetzesmaterialien belegen, daß der StPO-Gesetzgeber mit der
Norm des heutigen § 265 Abs. 3 StPO (damals § 264
Abs. 3 StPO) sich bewußt gegen ein richterliches Ermessen und
für die Einräumung eines unbedingten
Aussetzungsanspruchs entschieden hat. Im ursprünglichen
Gesetzentwurf war ein entsprechender Aussetzungsanspruch bei
veränderter Sach- und Rechtslage noch nicht enthalten (vgl.
Hahn, "Die gesammten Materialien zur StPO", Abt. I S. 30). Gegenstand
der Erörterungen war aber die Frage, ob dem Angeklagten
schlechthin ein Aussetzungsanspruch einzuräumen sei (Hahn aaO
S. 209). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde die Frage mehrfach
ausdrücklich diskutiert und schließlich zugunsten
eines unbedingten Aussetzungsanspruchs entschieden (vgl. u.a. Antrag
des Abgeordneten Dr. Wolfsson auf Ergänzung des § 224
Abs. 3 StPO - später zurückgenommen - und Antrag des
Abgeordneten Becker; vgl. Hahn aaO S. 872-875). Dabei wurde auch darauf
hingewiesen, daß es um Fälle gehe, in denen eine
erhebliche Änderung in Frage stehe und daß es
notwendig sei, dem richterlichen Ermessen gewisse Schranken zu setzen,
da die Gerichte in der Regel das Bestreben hätten, die Sache
möglichst rasch zu Ende zu bringen, so daß nicht
selten eine Aussetzung in Fällen unterbleibe, wo sie an sich
geboten gewesen wäre (Hahn aaO S. 875, Abt. II S. 1179, 1375
und 1587).
3. Mit der Ablehnung des Aussetzungsantrags hat das Landgericht somit
eine Verfahrensvorschrift verletzt; dieser Verstoß
führt im vorliegenden Fall zur Aufhebung des Urteils.
Der Senat kann ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler, obwohl
noch an weiteren 16 Tagen verhandelt wurde, angesichts der
weitreichenden Änderungen der Sach- und Rechtslage nicht
ausschließen.
Auf die Revision des Angeklagten B. war deshalb das Urteil, soweit es
ihn betrifft, mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben. Die
Sache an ein anderes Landgericht zu verweisen, wie die Verteidigung des
Angeklagten B. beantragt hat, war nicht veranlaßt.
B) Revision des Angeklagten S. :
I. Entgegen der Auffassung des Angeklagten S. ist auch bei ihm die
Tatidentität (§ 264 StPO) von angeklagter und
abgeurteilter Tat gewahrt.
Die zugelassene Anklage legte ihm drei Verbrechen des Mordes zur Last,
da er am 22.09.2000 gemeinschaftlich handelnd jeweils
heimtückisch drei Menschen getötet habe, wobei er
zudem in zwei Fällen aus Habgier und in einem Fall zur
Verdeckung oder Ermöglichung einer Straftat gehandelt habe. In
der Anklageschrift ist davon ausgegangen, er habe am Morgen des 22.
September 2000 auf dem Bo. nahe Bad Kreuznach seine Ehefrau, seine
Schwiegermutter sowie seine Schwägerin durch die gesondert
verfolgten Polen J. J. und M. J. töten lassen. Motiv der Tat
sei gewesen, daß er befürchtet habe, infolge seiner
außerehelichen Beziehungen durch seine Schwiegermutter und
seine Ehefrau vom Hof verwiesen zu werden und damit seine finanzielle
Sicherheit und seinen sozialen Status zu verlieren. Da er sich selbst
zur Ausführung der Tat nicht in der Lage gesehen habe, habe er
geeignete Täter gesucht und sei deshalb an den Angeklagten B.
herangetreten. Diesem habe er erklärt, er suche jemanden, der
seiner Schwiegermutter die im Schlafzimmer deponierten 3 Mio. DM
"wegnehmen" könne, und habe daraufhin von diesem eine
polnische Telefonnummer erhalten. In der Folgezeit habe der Angeklagte
S. die polnischen Staatsangehörigen J. J. und M. J.
für seinen Tatplan gewinnen können, die dann auch
nach seiner Einweisung und Führung die Tat ausgeführt
hätten.
Die von der Schwurgerichtskammer - abweichend von der Anklage - dem
Angeklagten S. als (Ketten-) Anstiftung zum Mord in drei
Fällen angelastete ausdrückliche Verabredung der
geplanten Tat mit dem in vollem Umfang in das Vorhaben eingeweihten
Angeklagten B. und die Anwerbung und Bestimmung der Haupttäter
zur Ausführung der Tat durch diesen, bezieht sich auf dieselbe
prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO. Die in der
Hauptverhandlung zutage getretenen Modifikationen der Tat stellen deren
Identität nicht in Frage.
1. Für eine grundsätzliche Tatidentität
zwischen angeklagter und ausgeurteilter Tat könnte schon die
wesensmäßige Verbundenheit von Anstiftung und
Mittäterschaft sprechen. Soweit ersichtlich, ist die Frage von
Tatidentität zwischen (angeklagter) Täterschaft und
(abgeurteilter) Anstiftung bisher nicht ausdrücklich
entschieden. Zu gleichgelagerten Fällen haben sich sowohl das
Reichsgericht wie auch der Bundesgerichtshof
geäußert. Das Reichsgericht (RGSt 3, 95) sah es als
rechtsfehlerhaft an, daß die Strafkammer, die sich infolge -
geringfügig - geänderter Feststellungen an einer
Verurteilung des Angeklagten wegen Urkundenfälschung, begangen
in mittelbarer Täterschaft, gehindert sah, nicht wegen
Anstiftung verurteilt hatte. Der Bundesgerichtshof hat die
Zulässigkeit einer Wahlfeststellung zwischen
Täterschaft und Anstiftung bei Diebstahl bejaht und geht auch
dort davon aus, beide Möglichkeiten befänden sich im
Rahmen des von der Anklage zum Gegenstand der Untersuchung gemachten
Vorgangs im Sinne des § 264 StPO (BGHSt 1, 127, 129).
2. Ob grundsätzlich Tatidentität im Sinne von
§ 264 StPO zwischen angeklagter Mittäterschaft und
ausgeurteilter Anstiftung anzunehmen ist, kann hier offenbleiben.
Maßgebend für die Begriffsbestimmung der
prozessualen Tat sind die Umstände des Einzelfalls (vgl. dazu
u.a. BGHSt 35, 60 ff.). Diese rechtfertigen hier die Annahme von
Tatidentität. Der Angeklagte war des in
Mittäterschaft begangenen Mordes in drei Fällen
angeklagt, verurteilt wurde er wegen Anstiftung zum Mord in drei
Fällen; an die Stelle der angeklagten Mittäterschaft
trat somit eine (Ketten-) Anstiftung. Anklage und Urteil beschreiben
das Kerngeschehen aber im wesentlichen gleich. Bereits die Anklage geht
davon aus, daß der Angeklagte S. sich anderer Täter
bedienen wollte, da er sich selbst zur Tatausführung nicht in
der Lage sah. Aus diesem Grund (und nicht etwa nur zur Begehung eines
Raubes) schaltete er den Angeklagten B. ein, um entsprechende
Täter zu finden. Erwähnt ist darüber hinaus
in der Anklage bereits die Gewinnung der Polen als ausführende
Täter, das vom Urteil völlig identisch angenommene
Motiv des Angeklagten sowie seine Bemühungen, am Tattag
eventuell störende Zeugen vom Bo. fernzuhalten. Auch die
Tatausführung als solche wird in Anklage und Urteil nahezu
identisch geschildert. Die einzige Abweichung im tatsächlichen
Ablauf liegt in der Einschaltung des Angeklagten B. als - im
Unterschied zur Annahme der Anklage - völlig eingeweihten
Mittelsmann. Dies ist für die Frage der Tatidentität
unwesentlich, ebenso die mögliche Veränderung von
Tatzeit und Tatort bei einer Anstiftung zu eigentlicher Tatbegehung, da
die in der Anklage beschriebene Tat unabhängig von der Tatzeit
nach anderen Merkmalen individualisiert war, nämlich mehr
durch die Art und Weise der Tatbegehung und durch die Person der Opfer.
Darüberhinaus enthält schon die Anklage Elemente der
Anstiftung, indem der Angeklagte beschuldigt wurde, die Täter
im Vorfeld der Tat selbst angeworben und instruiert zu haben.
Daß weder im Anklagesatz (§ 200 Abs. 1 StPO) noch im
wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen die Anstiftungshandlung des
Angeklagten S. gegenüber dem Angeklagten B. erwähnt
ist, ist unschädlich, da es sich bei dessen
"Zwischenschaltung" um eine tatsächliche Änderung
handelt, welche sich erst im Rahmen der Hauptverhandlung für
die Strafkammer ergeben hat. Dadurch wird aber kein anderes
zusätzliches und selbständiges historisches Ereignis
der Verurteilung zugrundegelegt (vgl. dazu BGHSt 16, 200 ff.; 43, 96
ff.; BGH StV 1981, 127, 128; NStZ 1995, 500).
II. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
1. Ein Verstoß gegen § 265 Abs.1 StPO liegt nicht
vor.
Die Schwurgerichtskammer erteilte am 30. August 2001 (12.
Verhandlungstag) dem Angeklagten S. den Hinweis, daß eine
Verurteilung wegen Anstiftung des Mitangeklagten B. zum Mord aus
Habgier und niedrigen Beweggründen in Betracht kommt. Die
Revision meint, dieser Hinweis sei inhaltlich unzutreffend, da das
Urteil nicht davon ausgehe, der Angeklagte S. habe den Angeklagten B.
zum Mord aus Habgier und niedrigen Beweggründen angestiftet.
Die Rüge ist unbegründet.
Der erteilte Hinweis bezüglich der Änderung der
Beteiligungsform sowie der Mordmerkmale ist weder inhaltlich falsch
noch ungeeignet, den Zweck des § 265 StPO zu
erfüllen, nämlich Angeklagten und Verteidiger in die
Lage zu versetzen, die Verteidigung auf den neuen Gesichtspunkt
einzurichten (vgl. BGHSt 18, 56; Gollwitzer aaO Rdn. 55 zu §
265). Aus dem Gesamtzusammenhang des Hinweises ergibt sich,
daß die Kammer eine Kettenanstiftung zugrundelegen wollte;
darüber hinaus erfolgte direkt im Anschluß an die
Hinweise die Verkündung des Haftbefehls gegen den Angeklagten
B. , worin der - möglicherweise zugrunde zu legende -
Tatablauf ausführlich dargelegt wurde. Dies war ausreichend.
Den gesetzlichen Anforderungen genügt auch der Hinweis auf
eine geänderte Beurteilung der Mordmerkmale (vgl. BGH StV
1991, 501; 1998, 582 und 583; NStZ-RR 1999, 235, 236). Es ist
ausreichend erläutert, daß mit den
erwähnten Merkmalen "niedrige Beweggründe und
Habgier" die beim Angeklagten S. und nicht beim Angeklagten B.
vorliegenden Mordmerkmale gemeint sind.
2. Zu Unrecht beruft sich die Revision desweiteren darauf, das
Verfahren hätte von Amts wegen ausgesetzt werden, die
Hauptverhandlung hätte neu beginnen müssen.
Die Revision rügt insoweit, wie sie mit Schriftsatz vom 30.
Juli 2002 (S. 3), ausdrücklich klar gestellt hat,
daß angesichts der auf Grund der rechtlichen Hinweise, vor
allem auch im Bezug auf die hinsichtlich der Beteiligung des
Angeklagten B. wesentlich veränderten Sachlage, dem
Angeklagten S. durch Aussetzung und Neubeginn der Hauptverhandlung
gemäß § 265 Abs. 4 StPO die
Möglichkeit einer völlig neuen Einlassung
hätte gegeben werden müssen.
Auch diese Rüge ist unbegründet.
Während nach § 265 Abs. 3 StPO bei
veränderter Sach- und Rechtslage unter den dort genannten
Voraussetzungen die Hauptverhandlung auf Antrag des Angeklagten
auszusetzen ist, kann das Gericht nach seinem Ermessen auch in
sonstigen Fällen (§ 265 Abs. 4 StPO) die Verhandlung
aussetzen, wenn dies infolge veränderter Sachlage zur besseren
Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
Das erkennende Gericht hat die Entscheidung, ob die Hauptverhandlung
auszusetzen ist, nach pflichtgemäßem Ermessen zu
treffen (vgl. BGHSt 8, 92, 96; BGH, Urt. v. 12. Juni 1956 - 5 StR
126/56; BGH StV 1998, 252; Beschl. v. 25. Juni 2002 - 5 StR 60/02).
Dabei darf nicht unberücksichtigt bleiben, wenn der Angeklagte
selbst keinen Anlaß sah, einen solchen Antrag zu stellen.
§ 265 Abs. 4 StPO ist allenfalls dann verletzt, wenn das
Gericht von der Aussetzungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht,
obwohl es "auf der Hand liegt" oder "unübersehbar ist",
daß eine Aussetzung oder längere Unterbrechung zur
genügenden Vorbereitung geboten ist (vgl. BGHSt 8, 92, 96;
BGH, Urt. v . 27. Januar 1971 - 3 StR 296/70; BGH NStZ 1983, 281). Ein
solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
Eine Veränderung der Sachlage war zwar auf Seiten des
Angeklagten S. eingetreten, wenn auch nicht in dem Umfang wie beim
Angeklagten B. . Daß die Schwurgerichtskammer das ihr bei der
Frage einer Aussetzung der Hauptverhandlung eingeräumte
Ermessen, das vom Revisionsgericht nur eingeschränkt
überprüfbar ist (vgl. BGHSt 8, 92, 96; BGHR StPO
§ 265 Abs. 4 Verteidigung angemessene 2 und 5; BGH StV 1998,
252), rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, ist nicht ersichtlich.
Das Verfahren wurde nach 12 Verhandlungstagen nochmals an mehr als 12
Verhandlungstagen mit den ohnehin vorgesehenen Unterbrechungen
fortgesetzt. Der Hinweis erfolgte am 30. August 2001, das Urteil wurde
am 29. November 2001 verkündet. Obwohl der Mitangeklagte einen
ausdrücklichen Aussetzungsantrag gestellt hatte, hat der
Angeklagte einen solchen Antrag nicht gestellt. Bei der dem Angeklagten
vorgeworfenen Anstiftung zum dreifachen Mord handelt es sich zwar um
eine schwerwiegende Tat, das Verfahren selbst war auch als
Indizienprozeß schwierig. Die Veränderung der
tatsächlichen und rechtlichen Lage, die zu dem rechtlichen
Hinweis am 30. August 2001 geführt hat, war indes nicht so
erheblich, daß sie zwingend auch für ihn eine
Aussetzung der Hauptverhandlung erfordert hätte. Ob
Fallgestaltungen denkbar sind, in denen angesichts des
geänderten rechtlichen Vorwurfs die Hauptverhandlung allein
deshalb auszusetzen ist, um den Angeklagten mit Mitangeklagten
gleichzustellen und ihm eine vollkommen neue Einlassung vor einer
"unbelasteten" Kammer zu ermöglichen, so daß eine
Ermessensreduzierung auf Null zugunsten einer Aussetzung eintritt,
braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls lag für
die Kammer hier keineswegs auf der Hand, daß infolge der
veränderten Sach- und Rechtslage der Verteidigungsanspruch des
Angeklagten S. einen Neubeginn oder auch nur eine - teilweise -
Wiederholung der Beweisaufnahme erfordert hätte. Dieser hatte
nämlich in den folgenden weiteren Verhandlungstagen
ausreichend Zeit, die erneute Vernehmung von Zeugen oder sonstige
weitere Beweiserhebungen zu beantragen, sofern er dies zur Verteidigung
gegenüber dem nunmehrigen Vorwurf der Anstiftung für
nötig hielt. Bei der hier gegebenen Fallgestaltung
- der Angeklagte S. bestritt ohnehin jegliche Tatbeteiligung - erweist
sich der Übergang von der angeklagten Mittäterschaft
zur Anstiftung nicht als so gravierend, daß es die
Schwurgerichtskammer nicht als ausreichend ansehen durfte, in
Abständen von jeweils einer Woche weiter zu verhandeln.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß das
Landgericht - wie oben ausgeführt - hinsichtlich des
Angeklagten B. rechtsfehlerhaft eine Aussetzung ausdrücklich
abgelehnt hat. Weder Grundsätze des fairen Verfahrens noch
prozeßökonomische Gründe erfordern eine
Gleichbehandlung. Die Taten der Angeklagten mußten nicht
einheitlich abgeurteilt werden, auch hinsichtlich einer etwa gebotenen
Aussetzung lagen unterschiedliche Interessenlagen vor, insbesondere
gestaltete sich die prozessuale Situation nach den Hinweisen vom 30.
August 2001 für beide Angeklagten völlig
unterschiedlich.
II. Sachrüge
In sachlich-rechtlicher Hinsicht weist das Urteil keinen Rechtsfehler
zu Lasten des Angeklagten S. auf. Insbesondere ist die
Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Zu deren
Überprüfung ist das Revisionsgericht nur
eingeschränkt berufen und in der Lage. Das Ergebnis der
Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen, ist Sache des
Tatrichters. Das Revisionsgericht hat dessen Entscheidung
grundsätzlich hinzunehmen und sich auf die Prüfung zu
beschränken, ob die Urteilsgründe Rechtsfehler (vgl.
§ 337 StPO) enthalten. Diese sind namentlich dann gegeben,
wenn die Beweiswürdigung lückenhaft, in sich
widersprüchlich, unklar ist oder gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze verstößt. Dabei brauchen
die Schlußfolgerungen des Tatrichters nicht zwingend sein, es
genügt, daß sie möglich sind. Die
Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen,
daß die Beweiswürdigung auf einer
tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren
Tatsachengrundlage beruht und daß die vom Gericht gezogene
Schlußfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als
bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen
Verdacht zu begründen vermag (st. Rspr. vgl.: BGHSt 29, 18,
20; BGH NStZ 1984, 180; StV 2000, 620; 2002, 468; BGHR StPO §
261 Beweiswürdigung 2; Identifizierung 6; Vermutung 4 und 1;
Überzeugungsbildung 26; im einzelnen vgl. Nack StV 2002, 510
ff.; 558 ff.; Schäfer StV 1995, 147 ff. jeweils m.w.N.).
Einen Rechtsfehler in diesem Sinne enthält das Urteil zu
Lasten des Angeklagten S. nicht. Das Vorbringen der Revision zeigt
insoweit auch keinen Rechtsfehler auf.
Daß eine genaue Bestimmung der Todeszeit der Tatopfer im
Ergebnis offenblieb, ist auf Grund der Sachrüge allein nicht
zu beanstanden. Zwar rügt die Revision zu Recht die Behandlung
des Sachverständigengutachtens des Rechtsmediziners Prof. Dr.
Urban zu den Todeszeitpunkten der drei Frauen in den
Urteilsgründen sowie die Frage ihrer Vereinbarkeit mit der
nunmehr angenommenen Tatzeit nach 6.00 Uhr morgens. Soweit das
Landgericht den Umstand, daß der Sachverständige
einen Todeszeitpunkt nach 6.05 Uhr bei keiner der Frauen für
realistisch gehalten hat, mit der Erwägung keine Bedeutung
beimißt, die Berechnungen des Sachverständigen
würden "nicht weiterhelfen", ohne darzulegen, wie die
Berechnungen lauteten und auf welchen Tatsachen sie beruhten, ist dies
nicht rechtsbedenkenfrei (vgl. dazu Meyer-Goßner aaO
§ 267 Rdn. 13 m.w.N.). Der Senat schließt jedoch das
Beruhen des Urteils auf diesem Erörterungsmangel angesichts
der übrigen überzeugenden, anhand der Tatortspuren
belegten Feststellungen zur Reihenfolge der Tatausführung und
deren Modalitäten aus. Die davon abweichende Auffassung des
Sachverständigen zur Frage, welche Todeszeitpunkte
für die drei Frauen realistisch seien, hat das Landgericht
zudem nachvollziehbar auch deshalb als widerlegt angesehen, weil es so
gut wie ausgeschlossen sei, daß U. Sp. um 4.45 Uhr fertig
angezogen sich angeschickt hätte, die Hunde
auszuführen und daß U. L. schon um 5.00 Uhr ihren
PKW beladen hätte.
Rissing-van Saan Detter Otten Fischer Roggenbuck |