BGH,
Urt. v. 24.7.2003 - 3 StR 153/03
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja nur II. 2. der Gründe
Veröffentlichung: ja
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StGB § 13 Abs. 1
Die strafrechtliche Garantenpflicht unter Eheleuten endet, wenn sich
ein Ehegatte
vom anderen in der ernsthaften Absicht getrennt hat, die eheliche
Lebensgemeinschaft
nicht wieder herzustellen.
BGH, Urt. vom 24. Juli 2003 - 3 StR 153/03 - LG Oldenburg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 153/03
vom
24. Juli 2003
in der Strafsache
gegen
- 2 -
1.
2.
wegen schwerer Brandstiftung u. a.
- 3 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24.
Juli 2003,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Winkler,
Pfister,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger der Angeklagten S. ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 27. Juni 2002 wird verworfen.
2. Auf die Revision der Angeklagten S. wird das vorbezeichnete
Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Beschwerdeführerin wegen Beihilfe zur
Körperverletzung
durch Unterlassen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der
Angeklagten, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Angeklagten S. wird verworfen.
3. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft
und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
- 5 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten M. wegen schwerer Brandstiftung
unter Einbeziehung früherer Entscheidungen zu einer
Jugendstrafe von
vier Jahren und wegen gefährlicher Körperverletzung
unter Einbeziehung früherer
Strafen zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und vier Monaten
verurteilt;
es hat die Angeklagte S. wegen schwerer Brandstiftung und wegen
durch Unterlassen begangener Beihilfe zur Körperverletzung zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und einem Monat verurteilt. Von dem Vorwurf
des gemeinschaftlich versuchten Mordes in zwei Fällen hat das
Landgericht die
Angeklagten freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die
Revision
der Staatsanwaltschaft mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die
Revision
der Angeklagten S. rügt die Verletzung von Verfahrensrecht und
erhebt
materiellrechtliche Beanstandungen. Das Rechtsmittel der
Staatsanwaltschaft
bleibt ohne, das der Angeklagten hat nur teilweisen Erfolg.
Zu den Verurteilungen hat das Landgericht festgestellt: Am Abend des
1. Juni 1996 drangen beide Angeklagte in das vom geschiedenen ersten
Ehemann
der Angeklagten S. , J. , bewohnte, in fremdem Eigentum stehende
Haus in O. ein. In Abwesenheit des geschiedenen ersten Ehemanns
legten der Angeklagte M. im Schlafzimmer und die Angeklagte
S. im Bodenraum einen Brand, der das Haus vollständig
zerstörte und
einen Gebäudeschaden von mindestens 300.000 DM verursachte. Am
25. Januar
2001 würgte der Angeklagte M. den Ehemann der Angeklagten,
Wilhelm
S. , bis an die Grenze der Bewußtlosigkeit und schlug ihm mit
der
Faust in den Magen. Er war über sein Opfer verärgert,
weil dieses ihn wegen
eines Diebstahls bei der Polizei angezeigt hatte. Die Angeklagte S.
hatte
kurz vor der Tat von dem Vorhaben des Angeklagten M. Kenntnis erlangt,
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unterließ es aber, ihren Ehemann, von dem sie sich etwa vier
Wochen zuvor
getrennt hatte, vor dem Angriff zu warnen. Auch unternahm sie keinerlei
Bemühungen,
den Angeklagten M. von seiner Tat abzuhalten.
Über den Gegenstand der Verurteilung hinaus war beiden
Angeklagten
in der Anklage zur Last gelegt worden, zweimal versucht zu haben,
Wilhelm
S. heimtückisch zu töten. Sie sollen im Januar 1998
dem Opfer einen
Grog zu trinken gegeben haben, in den sie ein zuvor von dem Angeklagten
M. beim Tierarzt Dr. H. entwendetes Mittel zur Tötung von
Tieren
("T 61") gemischt hatten. Wilhelm S. soll mit dem Bemerken, der Grog sei
salzig, das Getränk sofort wieder ausgespuckt und den Rest in
die Güllegrube
geschüttet haben. Im Jahr 2000 soll die Angeklagte S. ihrem
Mann Ecstasy-
Tabletten, die der Angeklagte M. zuvor besorgt hatte, verabreicht haben.
Anstelle des von beiden Angeklagten erstrebten Todes soll es beim Opfer
nur
zu Kreislaufproblemen gekommen sein. Obwohl der Angeklagte M. diese
Tatvorwürfe in der Hauptverhandlung einräumte, hat
sich das Landgericht von
einem solchen Geschehensablauf nicht überzeugen
können und nicht auszuschließen
vermocht, daß zwischen den Angeklagten nur unverbindliche
Gespräche
über solche Tatmöglichkeiten geführt worden
waren.
I. Revision der Staatsanwaltschaft und Revision der Angeklagten S.
, soweit sie sich gegen die Beweiswürdigung wendet
Die Staatsanwaltschaft rügt, das Landgericht habe die
Angeklagten aufgrund
einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung vom Vorwurf des
zweifach
versuchten Mordes freigesprochen. Dabei hebt sie im wesentlichen darauf
ab,
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daß das Landgericht das Geständnis des Angeklagten
M. insoweit nicht als
ausreichend angesehen hatte, während es für die
Verurteilung der Angeklagten
wegen schwerer Brandstiftung und Körperverletzung ein
Geständnis dieses
Angeklagten hatte ausreichen lassen.
Die Angeklagte S. rügt hingegen, das Landgericht habe sie
aufgrund
einer rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung wegen schwerer
Brandstiftung
verurteilt. Auf die Angaben des Angeklagten M. habe sich das Landgericht
nicht stützen können, da es dessen Angaben zum
Vorwurf des zweifach versuchten
Mordes nicht als ausreichend für eine
Überführung angesehen hatte.
Beide Revisionen zeigen mit ihren Beanstandungen keinen Rechtsfehler
auf. Wenn der Tatrichter einem Beweismittel zu einem Teil folgt und zu
einem
anderen Teil nicht zu folgen vermag, ist er nur zu einer
näheren Darlegung der
hierfür maßgeblichen Gründe in der
Beweiswürdigung gehalten (st. Rspr., vgl.
z. B. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung,
widersprüchliche 4 und Beweiswürdigung
13; BGH NJW 1993, 2451; BGHR StPO § 261 Zeuge 8; BGH, Beschl.
vom 14. Juli 1998 - 4 StR 289/98). Diese Darlegung ist dem Urteil zu
entnehmen.
Von dem der Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung zugrunde liegenden
Geschehen hat sich das Landgericht aufgrund der geständigen
Angaben
des Angeklagten M. überzeugt, weil dessen Bekundungen durch
weitere
Beweisergebnisse (die Ausführungen des
Brandsachverständigen und die
Bekundungen eines Feuerwehrmannes zum Brandverlauf sowie die Aussage
einer Vollzugsbediensteten über das Eingeständnis der
Tat durch die Angeklagte
ihr gegenüber) Bestätigung gefunden haben. Gleiches
gilt auch für das
- 8 -
Geständnis des Mitangeklagten M. betreffend die
Körperverletzung zum
Nachteil des Wilhelm S. .
Bezüglich des Vorwurfs des zweifach versuchten Mordes hat das
Landgericht
zuerst die für eine Glaubhaftigkeit der Aussage des
Angeklagten sprechenden
Umstände (Selbstbelastung; kein nachvollziehbares Motiv
für eine
Falschbelastung der Mitangeklagten; Detailreichtum, Konstanz und
Widerspruchsfreiheit
der Aussage; Spontaneität der Aussageergänzungen;
Lebensbeichte
als Aussagemotivation) erörtert. Dem hat es Umstände
entgegengestellt,
die Zweifel an der Glaubhaftigkeit wecken konnten (Detailarmut gerade
bei der Schilderung der entscheidenden Handlungsteile; Widerspruch zum
Verhalten bei der Körperverletzung am 25. Januar 2001;
Falschaussage des
Angeklagten M. in einem Nebenpunkt). Insoweit enthält die
Beweiswürdigung
entgegen dem Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft weder
Lücken
noch Widersprüche.
Es ist auch nicht zu besorgen, daß sich das Landgericht bei
dem Freispruch
von der rechtsfehlerhaften Annahme hätte leiten lassen, auf
ein von
weiteren Beweisergebnissen nicht bestätigtes
Geständnis könne eine Verurteilung
nicht gestützt werden. Anlaß für
verbleibende Zweifel der Strafkammer
an der Richtigkeit des Geständnisses war nämlich
nicht nur die Tatsache, daß
das vermeintliche Opfer sich an die geschilderten Tatumstände
nicht zu erinnern
vermochte; vielmehr standen einzelne Beweisergebnisse dem
Geständnis
des Angeklagten M. direkt entgegen: So fand die erste
Einschläferung eines
Tieres auf dem Hof der S. s mit dem Mittel "T 61" nach den Bekundungen
des Tierarztes Ende März 1998, also erst nach dem angeblichen
Mordversuch,
statt. Auch konnte der Tierarzt nicht bestätigen,
daß das Mittel bei ihm entwen-
9 -
det worden war. Zudem haben die Ermittlungen zum Geschmack des Giftes
nichts für den - nach Darstellung des Angeklagten M. - von
Wilhelm S.
bemerkten starken Salzgeschmack ergeben.
Insgesamt ist das Landgericht der Verpflichtung nachgekommen, in der
Beweiswürdigung näher darzulegen, warum es dem
Mitangeklagten M. zu
einem Teil gefolgt ist und ihm zu einem anderen Teil nicht zu folgen
vermocht
hat. Es stellt deshalb auch keinen Rechtsfehler dar, wenn die
Strafkammer es
nicht für ausgeschlossen erachtet, daß sich die
Angeklagten möglicherweise
nur im Gespräch und in im einzelnen nicht feststellbarer Weise
mit dem Gedanken
an eine Tötung des Wilhelm S. befaßt hatten. Ob auch
eine andere,
zur Verurteilung der Angeklagten führende
Überzeugungsbildung rechtsfehlerfrei
möglich gewesen wäre, ist für die
Nachprüfung der vom Landgericht
vorgenommenen Beweiswürdigung im Revisionsverfahren ohne
Belang.
II. Revision der Angeklagten S. im übrigen
1. Auf die Verfahrensrüge, das Landgericht habe gegen die
Hinweispflicht
nach § 265 Abs. 1 StPO verstoßen, kommt es nicht an,
da die insoweit
allein betroffene Verurteilung wegen Beihilfe zur
Körperverletzung auf die
Sachrüge hin aufgehoben werden muß.
2. Die Verurteilung der Angeklagten wegen durch Unterlassen begangener
Beihilfe zur Körperverletzung hält rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
- 10 -
a) Entgegen den Angriffen der Revision kann dem Urteil entnommen
werden, daß die Tat des Angeklagten M. zumindest erschwert
worden wäre,
wenn die Angeklagte S. sich bemüht hätte, ihn von der
Tat abzuhalten,
oder wenn sie ihren Ehemann telefonisch gewarnt hätte. Dies
ist ausreichend.
Es ist für die Annahme einer Beihilfe durch Unterlassen nicht
erforderlich, daß
die unterlassene Handlung den Taterfolg verhindert hätte (vgl.
BGH NJW
1953, 1838 m. w. N.).
b) Die Feststellungen des Landgerichts ergeben jedoch nicht,
daß die
Angeklagte, wie es für ihre Verurteilung wegen durch
Unterlassen begangener
Beihilfe zur Körperverletzung erforderlich wäre, zum
Tätigwerden zugunsten
des Tatopfers verpflichtet gewesen ist. Nach ihnen ist es vielmehr
möglich, daß
die sich aus der Ehe ergebende Garantenpflicht hier dadurch weggefallen
ist,
daß sich die Angeklagte etwa vier Wochen vor der Tat von
ihrem Ehemann
getrennt und einem anderen Mann zugewandt hat.
aa) Hinsichtlich der Garantenpflicht unter Ehegatten ist unstreitig,
daß
Ehegatten bei bestehender Lebensgemeinschaft einander als Garanten zum
Schutz verpflichtet sind, also jeweils dafür im Sinne des
§ 13 StGB einzustehen
haben, daß dem anderen Teil kein Schaden zugefügt
wird, der sich als "Erfolg"
eines Straftatbestands darstellt. Dementsprechend kann nicht
zweifelhaft sein,
daß die Angeklagte - hätte sie sich nicht von ihrem
Ehemann getrennt - verpflichtet
gewesen wäre, ihn vor der drohenden Körperverletzung
durch den
Mitangeklagten M. zu warnen bzw. zu versuchen, diesen von der
beabsichtigten
Tat abzuhalten.
- 11 -
bb) Unterschiedlich beurteilt wird, worin die Grundlage für
die Annahme
der Garantenpflicht zu sehen ist und welche Bedeutung eine Trennung der
Eheleute für sie hat.
Insofern wird einerseits vertreten, daß sich die
Garantenpflicht der Ehegatten,
im Grundsatz ohne Rücksicht auf das tatsächliche
Bestehen einer Lebensgemeinschaft,
aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebe (Jakobs, Strafrecht
AT 2. Aufl. S. 823; Welzel, Strafrecht 11. Aufl. S. 217; Geilen FamRZ
1961,
148). Das tatsächliche Bestehen einer Gemeinschaft sei zwar
nicht ohne jede
Bedeutung. Ohne sie sei etwa eine Garantenpflicht für andere
Rechtsgüter als
Leib, Leben und Freiheit zu verneinen (Jescheck in LK 11. Aufl.
§ 13 Rdn. 23
aE). Die Einstandspflicht zum Schutze der genannten
Rechtsgüter sei aber
schlicht an den Fortbestand der Ehe geknüpft und werde - mit
der Folge, daß
der Schuldspruch hier keinen Bedenken begegnete - nicht schon dadurch
beendet,
daß die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft aufgeben und
getrennte
Wege gehen.
Nach anderer Auffassung findet die Garantenpflicht unter Eheleuten ihre
Grundlage nicht in § 1353 BGB. Entscheidend für die
Annahme einer Garantenstellung
soll vielmehr allein das tatsächliche Bestehen eines
gegenseitigen
Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den
Ehegatten im Hinblick
auf den Schutz der bedrohten Rechtsgüter sein (Rudolphi in
SK-StGB § 13
Rdn. 50 m. w. N.). Fehle es daran, wie z. B. in aller Regel bei
tatsächlichem
Getrenntleben der Ehegatten, so stehe das Unterlassen mangels eines
Obhutsverhältnisses
nicht dem aktiven Bewirken des tatbestandsmäßigen
Unrechtserfolges
gleich. Daran vermöge die sich aus § 1353 BGB
ergebende
Rechtspflicht zur Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft
nichts zu än-
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dern. Denn solange der Ehegatte diese Rechtspflicht nicht
erfülle, es also an
einem auf der tatsächlichen Lebensgemeinschaft basierenden
gegenseitigen
Vertrauens- und Abhängigkeitsverhältnis zwischen den
Ehegatten fehle, solange
sei er auch nicht Garant, sondern lediglich verpflichtet, ein
garantenpflichtiges
Obhutsverhältnis zu begründen. Diese Pflicht stehe
aber - mit der Folge,
daß die Verurteilung der Angeklagten hier keinen Bestand
haben könnte - der
Garantenpflicht nicht gleich (Rudolphi aaO).
Der Bundesgerichtshof hat zu der Frage der strafrechtlichen
Garantenpflicht
unter Ehegatten - soweit ersichtlich - noch nicht entscheidungserheblich
Stellung genommen. Nach einer Entscheidung des 1. Strafsenats
gründet die
Verpflichtung der Ehegatten, sich gegenseitig zum Schutze beizustehen,
auf
die "enge, vom Treuegebot beherrschte Lebensgemeinschaft" (BGHSt 2, 150,
153), was in dem Sinne verstanden werden könnte, daß
das Bestehen der
Gemeinschaft das maßgebliche Kriterium ist. In der weiteren
Begründung wird
dann aber auf § 1353 BGB abgestellt und unter Berufung auf
diese Norm die
"Rechtspflicht" bejaht, "einander in Lebensgefahr nach Kräften
zu schützen
und zu helfen," wobei dieser Grundsatz allerdings wieder durch den
Zusatz
eingeschränkt wird, die Rechtspflicht bestehe "mindestens so
lange, wie kein
Teil das Recht zum Getrenntleben hat und beide Teile ... in
Hausgemeinschaft
leben (vgl. RGSt 71, 187, 189)" (BGHSt 2, 150, 153 f.). Ob das
Getrenntleben
die Garantenstellung entfallen läßt, brauchte in der
Entscheidung BGHSt 2,
150 nicht entschieden zu werden, weil die Eheleute in dem zu
beurteilenden
Sachverhalt noch zusammenlebten. Eine weitere - in dem hier in Rede
stehenden
Zusammenhang gelegentlich zitierte - Entscheidung (BGHSt 6, 322)
betrifft
nicht die Frage der wechselseitigen Schutzverpflichtung, sondern die der
Rechtspflicht zur Verhinderung von Straftaten des anderen Teils und
damit -
- 13 -
ebenso wie die Entscheidung des Senats NStE Nr. 3 zu § 13 StGB
- andere
Fallgestaltungen.
cc) Dem Senat erscheint im Ergebnis eine vermittelnde Betrachtung
angezeigt:
Ihren Ausgangspunkt muß die Beantwortung der Frage nach den
strafrechtlichen
Schutzpflichten unter Eheleuten bei § 1353 BGB nehmen. Es ist
nicht ersichtlich, warum, wenn Ehegatten nach dieser Norm Verantwortung
füreinander
tragen (§ 1353 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. BGB), dies im Grundsatz
nicht
auch für die strafrechtliche Betrachtung gelten sollte.
Dementsprechend kann
die gegenseitige Beistandspflicht nicht etwa schon mit dem
bloßen Auszug eines
Ehegatten aus der Ehewohnung als solchem, also mit der bloßen
räumlichen
Trennung als beendet angesehen werden. Das Fehlen einer
häuslichen
Gemeinschaft muß - je nach den Umständen - nicht
bedeuten, daß die eheliche
Lebensgemeinschaft aufgegeben worden ist
(Palandt/Brudermüller, BGB
62. Aufl. § 1565 Rdn. 2). Dadurch unterscheidet sich die Ehe
von der bloßen,
auf gegenseitige Hilfeleistung angelegten Gemeinschaftsbeziehung, wie
sie
etwa auch bei einer Wohngemeinschaft gegeben sein mag. Bei letzterer
wird
die strafrechtliche Garantenpflicht im allgemeinen mit dem
tatsächlichen Ende
der Beziehung enden.
Andererseits würde es eine nicht zu rechtfertigende
Überdehnung der
strafrechtlichen Beistandspflicht unter Eheleuten bedeuten, wollte man
annehmen,
daß diese erst mit dem Ende der Ehe, ggf. also erst mit der
Rechtskraft
des Scheidungsurteils endet. Es sind zahlreiche Lebensgestaltungen
denkbar,
in denen - ungeachtet des formal fortbestehenden Ehebandes - keiner der
bei-
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den Ehegatten tatsächlich darauf vertraute oder auch nur
Anlaß hätte, darauf
zu vertrauen, der andere Teil würde ihm zum Schutze seiner
Rechtsgüter beistehen.
Das gilt besonders augenfällig etwa dann, wenn die Ehegatten
bereits
seit Jahren getrennt sind, dabei möglicherweise sogar mit
anderen Partnern in
einer Lebensgemeinschaft verbunden, wie auch dann, wenn sie - etwa aus
rein
wirtschaftlichen Gründen - nach schweren ein- oder
beidseitigen Eheverfehlungen
oder Zerwürfnissen in demselben Haus oder in derselben Wohnung
getrennt voneinander leben.
In solchen Fällen ist die Annahme einer die Strafbarkeit wegen
eines
Unterlassungsdelikts begründenden Beistandspflicht unter
Ehegatten auch
ausgehend davon, daß diese ihre Grundlage in § 1353
BGB hat, keineswegs
geboten. Denn für die Bestimmung der Grenzen der
strafrechtlichen Beistandspflicht
dürfen bei diesem Ansatz die gesetzlichen Regelungen, aus denen
sich Beschränkungen der Pflicht zu ehelicher
Lebensgemeinschaft ergeben,
nicht außer Betracht bleiben. Dementsprechend endet die
strafrechtliche
Garantenpflicht unter Eheleuten, wenn sich ein Ehegatte vom anderen in
der
ernsthaften Absicht getrennt hat, die eheliche Lebensgemeinschaft nicht
wieder
herzustellen. Das entspricht den Regelungen in § 1353 Abs. 2
und § 1565
Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung von § 1566 BGB.
Nach § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB ist die Ehe gescheitert, wenn
die Lebensgemeinschaft
der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden
kann, daß die Ehegatten sie wiederherstellen. Das Scheitern
der Ehe hat nach
§ 1353 Abs. 2 BGB zur Folge, daß die Rechtspflicht
zur ehelichen Lebensgemeinschaft
nicht mehr besteht. Die danach erforderliche ernsthafte Aufgabe
der ehelichen Lebensgemeinschaft, die auch der strafrechtlichen
Beistands-
15 -
pflicht ihre rechtliche Grundlage entzieht, setzt dabei nicht voraus,
daß die
Ehegatten ein Jahr lang getrennt leben. Dieser Wertung steht §
1566 Abs. 1
BGB nicht entgegen. Danach wird das Scheitern der Ehe zwar unwiderlegbar
vermutet, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide
Ehegatten
die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich aber nur um eine zwingende
Beweisregel
für das Scheitern der Ehe, die das Gericht von der
Feststellung der
Zerrüttung entlastet (Palandt/Brudermüller, BGB 62.
Aufl. § 1566 Rdn. 1). Sie
schließt die Annahme eines früheren Scheiterns - mit
Folgen ggf. auch für die
Prüfung der strafrechtlichen Garantenpflicht - indes nicht aus.
Diese vermittelnde Auffassung, die bereits in der Entscheidung BGHSt 2,
150, 153 f. angelegt ist, dürfte mit der Meinung, nach der die
strafrechtliche
Garantenpflicht unter Eheleuten in ihrem Grund und in ihrem Umfang
allein aus
dem tatsächlichen Bestehen eines gegenseitigen
Vertrauensverhältnis abzuleiten
ist, im Ergebnis weitgehend übereinstimmen. Wenn Vertreter
dieser Meinung
etwa ausführen, daß die Garantenpflicht "in aller
Regel bei tatsächlichem
Getrenntleben der Eheleute" entfallen wird (vgl. etwa Rudolphi in
SK-StGB
§ 13 Rd. 50), so sind - wie zu vermuten steht - gerade die
Fälle ausgenommen,
in denen sich die Ehegatten getrennt haben, um zu prüfen, ob
ihre Beziehung
eine Chance hat, während in den Fällen, in denen die
Trennung die endgültige
Aufhebung der Gemeinschaft bedeuten soll, auch nach Auffassung des
Senats
eine Garantenpflicht nicht mehr besteht.
dd) Auf der Grundlage dieser Auffassung kann die Verurteilung der
Angeklagten
wegen durch Unterlassen begangener Beihilfe zur
Körperverletzung
keinen Bestand haben. Nach den bisherigen Feststellungen ist es
möglich, daß
dem Auszug der Angeklagten S. ein ernsthafter Entschluß, die
eheliche
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Lebensgemeinschaft nicht mehr fortzusetzen, zugrunde gelegen hatte und
damit
die Garantenpflicht beendet war. Dafür könnte
sprechen, daß sich die Angeklagte
einem anderen Mann zugewandt hatte. Andererseits kann der zum
Tatzeitpunkt erst kurze Zeit zurückliegende Auszug aus der
Ehewohnung seinen
Grund auch darin gehabt haben, daß sich die Angeklagte
über die weitere
Entwicklung der Ehe klar werden wollte. Feststellungen, die eine
fortbestehende
Garantenpflicht begründen, erscheinen insoweit nicht
ausgeschlossen. Der
Senat kann die Angeklagte deshalb von diesem Vorwurf nicht freisprechen.
3. Die Einzelstrafe wegen schwerer Brandstiftung wird von der Aufhebung
der Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung nicht
berührt. Soweit
die Revision im übrigen die Verneinung von § 21 StGB
durch die Strafkammer
sowie die Strafzumessung angreift, ist sie unbegründet im
Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
4. Der neue Tatrichter wird das Augenmerk auch darauf zu richten haben,
ob die Angeklagte S. dem Angeklagten M. bei der
Körperverletzung
nicht sogar durch positives Tun geholfen hat. Anlaß zu diesem
Hinweis
geben die bisherigen Feststellungen. Das Landgericht hat es
für möglich
gehalten, daß die Angeklagte S. in Kenntnis der vom
Angeklagten M.
beabsichtigten Körperverletzung zu diesem gesagt hatte, er
solle es "ordentlich"
machen. Es hat aber dahinstehen lassen, ob diese Worte
tatsächlich gefallen
sind, weil es ihnen für den Nachweis einer von der Angeklagten
S.
unternommenen, versuchten Anstiftung des Angeklagten M. zu einem
Tötungsdelikt
keine entscheidende Bedeutung beimessen wollte. Sollte sich der
- 17 -
neue Tatrichter von einer solchen Äußerung der
Angeklagten S. überzeugen,
läge eine psychische Beihilfe nahe.
Tolksdorf Winkler Pfister
RiBGH Hubert ist wegen
Becker Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.
VRiBGH Prof. Dr. Tolksdorf
ist an der Unterzeichnung
des Verhinderungsvermerks
gehindert, da er zwischenzeitlich
ebenfalls im Urlaub
ist.
Winkler |