BGH,
Urt. v. 24.6.2003 - 1 StR 25/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 25/03
vom
24. Juni 2003
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in
nicht geringer Menge u.a.
zu 2.: unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer
Menge u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Juni
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt - für den Angeklagten R. -
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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I. 1. Auf die Revision des Angeklagten R. gegen das Urteil des
Landgerichts Mannheim vom 18. Juli 2002 wird im Fall II. 13.
der Urteilsgründe
a) das Verfahren, soweit es diesen Angeklagten betrifft, mit
Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß §
154a
Abs. 2 StPO dahin beschränkt, daß ein
Verstoß gegen
das Waffengesetz von der Strafverfolgung ausgenommen
wird,
b) der Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte
R. des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem
Erwerb von Betäubungsmitteln schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte R. trägt die Kosten seines Rechtsmittels.
II. 1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete
Urteil werden verworfen.
2. Die Kosten der Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft fallen
der Staatskasse zur Last. Die den Angeklagten R. und
N. insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen tragen
sie selbst.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten R. wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge in vier Fällen
jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge, davon in einem Fall auch in Tateinheit mit
unerlaubtem
Erwerb von Betäubungsmitteln,
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in
Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie
(Fall II.13.) unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer
Menge unter Mitführung eines Gegenstandes, der seiner Art nach
zur Verletzung
von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubter
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,
unerlaubtem Erwerb
von Betäubungsmitteln und unerlaubter Ausübung der
tatsächlichen Gewalt
über einen Totschläger
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
Den Angeklagten N. hat es wegen
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in
zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zur unerlaubten
Einfuhr von Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge, davon in einem Fall in Tateinheit mit
unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln sowie
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge in
Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln
zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei
Monaten verurteilt.
Im übrigen hat es ihn freigesprochen.
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Die Unterbringung der Angeklagten R. und N. in einer Entziehungsanstalt
wurde angeordnet.
Gegen das Urteil haben der Angeklagte R. und die Staatsanwaltschaft
- zugunsten beider Angeklagten - Revision eingelegt. Sie erheben die
Sachbeschwerde.
Die Revision des Angeklagten R. richtet sich insbesondere gegen die
Annahme bewaffneten Handeltreibens im Fall II. 13. der
Urteilsgründe und rügt
Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten Gegenstandes.
Die Staatsanwaltschaft beanstandet die Anordnung der Unterbringung
beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt als rechtsfehlerhaft,
weil das
Landgericht den erforderlichen Hang, Rauschmittel im
Übermaß zu sich zu
nehmen, nicht positiv festgestellt, sondern den Zweifelssatz angewendet
habe,
indem es von den nicht zu widerlegenden Angaben der Angeklagten zu ihrem
Drogenkonsum ausgegangen sei.
I. Die Revision des Angeklagten R.
Sie hat nur in geringem Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Fall II. 13. erwarb der
Angeklagte R. in den Niederlanden 853 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt
von 611,64 g Kokainhydrochlorid sowie 2.333 g Amphetamin mit einem
Wirkstoffgehalt
von 256,63 g Amphetaminbase und führte die Drogen
über die
deutsche Grenze ein. Sie waren im wesentlichen zum gewinnbringenden Wei-
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terverkauf bestimmt. Nur ein geringer Teil des Kokains sollte dem
Eigenkonsum
dienen. Bei der Fahrt führte der Angeklagte in dem zum
Drogentransport
benutzten Pkw einen Teleskopschlagstock mit, der teils in den
Urteilsgründen
auch als Teleskoptotschläger bezeichnet wird. Nach der
Rückkehr wurde der
Angeklagte kurz vor seiner Wohnung festgenommen. Die
Betäubungsmittel
befanden sich im Fußraum der Beifahrerseite. Der
Teleskopschlagstock nebst
Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw sowie ein Handy mit
drei Handykarten
wurden in einem Rucksack im Kofferraum aufgefunden und sichergestellt.
Der Angeklagte hatte den Teleskopschlagstock auf die
Drogenbeschaffungsfahrt
mitgenommen, um bei etwaigen Problemen sich dessen bedienen und die
Betäubungsmittel verteidigen zu können. Das
Landgericht bewertet den mitgeführten
Gegenstand als Totschläger im Sinne von § 37 Abs. 1
Nr. 6 i.V.m. §
53 Abs. 3 Nr. 3 WaffG aF. Es hat für die Tat 13 eine
Einzelstrafe von sechs
Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt.
2. Der Schuldspruch war in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen
Umfang
abzuändern. Die Änderung des Schuldspruchs hat keinen
Einfluß auf den
Rechtsfolgenausspruch. Im übrigen ist die Revision
unbegründet im Sinne von
§ 349 Abs. 2 StPO.
a) Die unerlaubte Einfuhr der Betäubungsmittel bei der Tat 13
würdigt
das Landgericht als eine solche im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr.
2 BtMG, wie
sich aus den Urteilsgründen ergibt. Diese Einfuhr ist aber ein
unselbständiger
Teilakt des bewaffneten Handeltreibens, wenn sie - wie hier - im Rahmen
ein
und desselben Güterumsatzes erfolgt. Dies ergibt sich schon
aus dem Wortlaut
der Vorschrift des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: "wer ... ohne
Handel zu treiben,
einführt ...." (BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - 3 StR
349/02; BGH NStZ-RR
2000, 91). Der tateinheitliche Schuldspruch hatte insoweit zu entfallen.
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b) Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens
gemäß § 30a
Abs. 2 Nr. 2 BtMG hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Der vom Angeklagten R. im Pkw mitgeführte Gegenstand war - auch
unter Berücksichtigung der Unklarheiten in der Bezeichnung -
zur Verletzung
von Personen geeignet und bestimmt, ohne daß es einer
ausdrücklichen Erörterung
in den Urteilsgründen bedurfte. Sowohl bei einem
Totschläger als auch
bei einem Schlagstock handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn,
nämlich eine Hieb- und Stoßwaffe
gemäß § 1 Abs. 7 Satz 1 WaffG aF (Steindorf,
Waffenrecht 7. Aufl. § 1 WaffG Rdn. 38). Hieb- und
Stoßwaffen fallen
auch nach dem WaffRNeuRegG vom 11. Oktober 2002, in Kraft seit dem
1. April 2003, unter den Waffenbegriff gemäß
§ 1 Abs. 2 Nr. 2 WaffG nF i.V.m.
Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, tragbare Gegenstände
1.1. Es liegt auf
der Hand, daß derartige Gegenstände ihrer Art nach
zur Verletzung von Personen
geeignet und vom Täter auch dazu bestimmt sind (BGHSt 43, 266,
269;
BGH, Urteil vom 20. Juni 2000 - 2 StR 123/00 (Teleskopschlagstock);
Weber,
BtMG 2. Aufl. § 30a Rdn. 167).
Ein Mitsichführen ist gegeben, wenn der Täter den
betreffenden Gegenstand
bei der Tat bewußt gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat,
daß er
sich seiner jederzeit bedienen kann. Ein Verwendungsvorsatz
für die konkrete
Tat ist entgegen der Auffassung der Revision nicht erforderlich (BGHSt
43, 8,
14; BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Gegenstand 1 und 2).
An diesem Maßstab gemessen, hat der Angeklagte nach den
Feststellungen
des Landgerichts die Waffe jedenfalls während einer bestimmten
Phase
des Handeltreibens - bei seiner Rückkehr und Festnahme - im
Sinne von § 30a
Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt. Auf die weitergehenden
Schlußfolgerungen
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des Landgerichts im Rahmen der Beweiswürdigung kommt es nicht
an. Jederzeit
griffbereit war die Waffe für den Angeklagten auch unter
Berücksichtigung
der Tatsache, daß sie sich im Kofferraum des Pkw's befand,
während die Betäubungsmittel
im Fußraum der Beifahrerseite lagerten. Der
qualifikationsspezifische
Gefahrenzusammenhang zwischen Bewaffnung und Handeltreiben ist
objektiv gegeben, wenn der Täter im Pkw gleichzeitig die Waffe
sowie die Betäubungsmittel
aufbewahrt und sich damit auf einer Drogenverkaufsfahrt oder -
wie hier - auf einer Drogenbeschaffungsfahrt befindet (BGHR BtMG
§ 30a Abs.
2 Mitsichführen 2 und 5; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl.
§ 30a Rdn. 20). Bei
Bedarf konnte der Angeklagte R. ohne nennenswerten Zeitaufwand auf die
Waffe zugreifen.
Das Bewußtsein der Verfügbarkeit bedurfte hier
angesichts der Tatsache,
daß es sich um eine Waffe im technischen Sinne handelt und
der Angeklagte
diese gemeinsam mit dem Fahrzeugschein für den gesteuerten Pkw
verstaut
hatte, weder näherer Prüfung noch Darlegung (BGHSt
43, 8, 14). Danach
kann entgegen der Auffassung der Revision von einem Transport "bei
Gelegenheit"
keine Rede sein.
c) Wegen der Unklarheiten in der Bezeichnung des mitgeführten
Gegenstandes
wurde ein Verstoß gegen das Waffengesetz
gemäß § 154a Abs. 2
StPO von der Strafverfolgung ausgenommen. Ein Schlagstock ist kein
Totschläger
(Steindorf, aaO § 37 WaffG Rdn. 15). Die Beschränkung
des Verfahrens
hatte den Wegfall der tateinheitlichen Verurteilung wegen unerlaubter
Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen
Totschläger zur Folge.
d) Von der Änderung des Schuldspruchs bleiben der Ausspruch
über die
Einzelstrafe für den Fall II.13. und auch der Ausspruch
über die Gesamtstrafe
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unberührt. Soweit die Einfuhr als Teilakt des Handeltreibens
bewertet wird, ändert
sich dadurch das Tatunrecht nicht (BGH, Beschluß vom 23. Mai
2000 -
1 StR 200/00 - und Beschluß vom 11. März 2003 - 1
StR 50/03). Das weggefallene
Waffendelikt hat das Landgericht bei der Zumessung der Einzel- und
der Gesamtstrafe nicht strafschärfend berücksichtigt.
II. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft
1. Sie sind nicht ausdrücklich beschränkt. Eine
Beschränkung allein auf
die Maßregelanordnung gemäß § 64
StPO, deren Aufhebung beantragt wird,
wäre insoweit unwirksam, als diese nach den
Urteilsgründen bei beiden Angeklagten
Einfluß auf die Strafzumessung genommen hat (BGHSt 38, 362,
365).
Unter Berücksichtigung der Angriffsrichtung ist dem
Revisionsvorbringen jedoch
eine zulässige Beschränkung auf den
Rechtsfolgenausspruch zu entnehmen
(BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 13). Diese
Beschränkung
führt dazu, daß auf die Revision der
Staatsanwaltschaft keine Schuldspruchänderung
zugunsten des Angeklagten R. auszusprechen war.
2. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretenen Revisionen der
Staatsanwaltschaft bleiben ohne Erfolg. Sie wurden zugunsten der
Angeklagten
R. und N. eingelegt, denn die Maßregelanordnung beschwert die
Angeklagten (BGHSt 38, 4, 7; BGHR StGB § 64 Ablehnung 1). Die
angeordnete
Unterbringung beider Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist im
Ergebnis
rechtlich nicht zu beanstanden.
Nach den Urteilsfeststellungen haben die Angeklagten in der
Hauptverhandlung
Angaben zu ihrem Drogenkonsum gemacht, die das Landgericht als
"letztlich nicht zu widerlegen" bezeichnet hat. Diese Formulierung -
isoliert ge-
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sehen - könnte zwar besorgen lassen, daß das
Landgericht einen Hang der
Angeklagten, berauschende Mittel im Übermaß zu sich
zu nehmen als Grundlage
der Taten nicht positiv festgestellt habe. Eine solche positive
Feststellung
ist aber Voraussetzung für die Anordnung der Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt
(BGH NStZ-RR 2001, 295; BGH, Beschluß vom 6. November
2002 - 1 StR 382/02). Die Beweiswürdigung zum Hang in ihrer
Gesamtheit läßt
jedoch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß das
Landgericht - trotz
mißverständlicher Formulierung - den Zweifelssatz
nicht in seine Überzeugungsbildung
einbezogen hat, sondern von der Richtigkeit der Angaben der
Angeklagten zu ihrem Drogenkonsum ausgegangen ist (UA S. 238 bis 243
R. , 249 bis 250 N. ). Diese Überzeugung des Landgerichts ist
revisionsrechtlich
hinzunehmen, auch wenn die Annahme eines Hanges hier nicht
nahegelegen hat.
Die Nachprüfung des Rechtsfolgenausspruchs im übrigen
hat keinen
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
3. Die durch die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft den Angeklagten
R. und N. erwachsenen notwendigen Auslagen tragen diese
gemäß
§ 473 Abs. 1 und 2 StPO selbst, weil die zu ihren Gunsten
eingelegten
Rechtsmittel erfolglos blieben (Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl.
§ 473 Rdn. 16).
Nack Boetticher Schluckebier
Hebenstreit Elf |