BGH,
Urt. v. 24.3.2005 - 3 StR 402/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 402/04
vom
24.03.2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Totschlags u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24.
März
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Winkler,
Pfister,
von Lienen,
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten I. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts
Hannover vom 30. März 2004 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des
Landgerichts Hildesheim zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hatte mit Urteil vom 17. April 2002 den Angeklagten
I. der gefährlichen Körperverletzung sowie der
Zuhälterei in zwei Fällen
schuldig gesprochen und gegen ihn eine zur Bewährung
ausgesetzte Jugendstrafe
von zwei Jahren verhängt. Den Angeklagten G. hatte es wegen
gefährlicher
Körperverletzung zur Jugendstrafe von einem Jahr und zehn
Monaten
verurteilt, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden war.
Dieses Urteil
hatte der Senat auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der
Angeklagten
durch Urteil vom 13. Februar 2003 (3 StR 430/02) in den
Schuldsprüchen
wegen gefährlicher Körperverletzung und in den
Strafaussprüchen mit
den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im zweiten Durchgang hat das Landgericht mit Urteil vom 30.
März 2004
den Angeklagten I. wegen gefährlicher
Körperverletzung und - der im
Schuldspruch bereits rechtskräftigen - Zuhälterei in
zwei Fällen zur Jugendstra-
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fe von zwei Jahren und elf Monaten und den Angeklagten G. wegen
gefährlicher
Körperverletzung zur Jugendstrafe von zwei Jahren und neun
Monaten
verurteilt. Mit ihrer auf die Rüge der Verletzung formellen
und materiellen
Rechts gestützten Revision erstrebt die Staatsanwaltschaft
eine Verurteilung
der Angeklagten wegen versuchten Totschlags und beanstandet im
übrigen die
Strafaussprüche.
Das Rechtsmittel, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken
bestehen,
hat mit der vom Generalbundesanwalt vertretenen Sachrüge
Erfolg. Auf die
erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht mehr an.
1. Nach den Feststellungen verabredeten die Angeklagten und vier weitere
unbekannt gebliebene Mittäter, gemeinsam den
Nebenkläger schwer zu
mißhandeln. In Ausführung dieses Entschlusses
versetzte ihm einer der vier
unbekannt gebliebenen Mittäter mit einem
Baseballschläger oder einem ähnlich
aussehenden harten Gegenstand einen kräftigen Schlag auf den
Hinterkopf,
so daß der Nebenkläger zu Boden ging. Dann schlugen
und traten die
sechs Angreifer auf ihn ein. Einer von ihnen schlug mit dem harten
Gegenstand
nochmals kräftig in das Gesicht des Geschädigten,
worauf dieser vorübergehend
das Bewußtsein verlor. Anschließend
flüchteten sie und ließen das Tatopfer
schwer verletzt zurück. Der Nebenkläger erlitt eine
zweifache Fraktur der
Augenhöhle, eine Zersplitterung des Unterkiefers mit Verlust
eines Schneidezahns,
einen Rippenbruch, Prellungen am gesamten Körper sowie eine
Gehirnerschütterung.
Ihm mußte im Augenbereich eine Stahlplatte eingesetzt
werden.
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Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß die Angeklagten
sämtliche
in ihrer Gegenwart ausgeführten Schläge und Tritte,
auch die Schläge mit dem
harten Gegenstand auf den Kopf des Tatopfers, billigten. Vom Vorliegen
eines
bedingten Tötungsvorsatzes hat es sich nicht
überzeugen können. Hierzu hat
es lediglich mit einem Satz ausgeführt, es sei nicht mit der
für eine Verurteilung
erforderlichen Sicherheit feststellbar gewesen, daß die
Angeklagten tödliche
Verletzungen billigend in Kauf genommen hätten, "und zwar
mangels zureichender
Anhaltspunkte sowohl für die objektiven Tatbestandsmerkmale als
auch für den subjektiven Tatbestand".
2. Dagegen bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.
a) Die Abgrenzung des bedingten Tötungsvorsatzes vom
Körperverletzungsvorsatz
erfordert bei schwerwiegenden Gewalttaten eine sorgfältige
Prüfung
unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls. Der Täter handelt
mit bedingtem Tötungsvorsatz, wenn er den Eintritt des Todes
als möglich und
nicht ganz fernliegend erkennt und ihn billigt oder sich um des
erstrebten Zieles
willen mit ihm abfindet. Dabei stellt die offensichtliche
Lebensgefährlichkeit
einer Handlung für den Nachweis einen Umstand von erheblichem
Gewicht
dar, so daß bei äußerst
gefährlichen Gewalthandlungen der subjektive Tatbestand
eines Tötungsdelikts sehr nahe liegt. Angesichts der hohen
Hemmschwelle
bei Tötungsdelikten bedarf die Frage der Billigung des Todes
indes
einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven
Tatumstände, in die auch
die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie
seine Motive
mit einzubeziehen sind (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz,
bedingter 35,
38, 51; BGH NStZ-RR 2000, 165 f.).
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b) Den Anforderungen an eine sorgfältige Prüfung des
bedingten Tötungsvorsatzes
werden die Ausführungen der Strafkammer nicht ansatzweise
gerecht. Die festgestellten Gewalthandlungen, insbesondere die zwei
gezielten,
kräftigen Schläge mit einem Baseballschläger
oder einem vergleichbaren
gefährlichen Gegenstand auf den für tödliche
Verletzungen sehr anfälligen
Kopf des Tatopfers, legen wegen ihrer offensichtlichen
Lebensgefährlichkeit
sowohl das Wissen um ihre möglicherweise tödliche
Wirkung als auch deren
Billigung sehr nahe. Dies gilt vor allem deshalb, weil das gezielte und
heftige
Schlagen mit einem solchen Gegenstand im einzelnen nicht mehr
kontrollierbar
ist. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß
die Angeklagten ernsthaft darauf vertraut
haben könnten, der Geschädigte werde nicht zu Tode
kommen, sind nicht
festgestellt. Angesichts der von den Angeklagten gebilligten massiven
Einwirkungen
auf den Kopf des Geschädigten und der festgestellten schweren
Verletzungen
reicht es nicht aus, einen bedingten Tötungsvorsatz pauschal
mit
einem Satz abzulehnen. Unklar bleibt, was die Strafkammer mit dem
Hinweis
auf die unzureichenden "Anhaltspunkte für die objektiven
Tatbestandsmerkmale"
meint. Ihren Ausführungen läßt sich nicht
einmal sicher entnehmen, ob sie
das Wissen der Angeklagten um die möglicherweise
tödliche Wirkung der von
ihnen gebilligten Gewaltanwendung als erwiesen angesehen hat und sich
lediglich
vom Willenselement nicht hat überzeugen können.
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3. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2
Satz 1 StPO Gebrauch
gemacht und die Sache an eine Jugendkammer des Landgerichts Hildesheim
zurückverwiesen.
Tolksdorf Winkler Pfister
von Lienen Hubert |