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BGH, Urteil vom 24. Mai 2000 - 3 StR 551/99


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 24.5.2000 - 3 StR 551/99
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 551/99
vom
24. Mai 2000
in der Strafsache gegen
wegen räuberischer Erpressung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Mai 2000, an der teilgenommen haben: Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan als Vorsitzende, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 13. Juli 1999 wird
a) der Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der räuberischen Erpressung in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot und in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, und der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot schuldig ist,
b) der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen räuberischer Erpressung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot und in einem Fall in weiterer Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, und wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot verurteilt und aus Einzelstrafen von zwei Jahren drei Monaten (Fall II. 1.), zwei Jahren zwei Monaten (Fall II. 2.) und zwei Jahren (Fall II. 3.) eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten gebildet. Gegen diese Entscheidung wendet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte, wirksam auf das Konkurrenzverhältnis im Fall II. 1. der Urteilsgründe und die Gesamtstrafenbildung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der diese die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Revision hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. Nach den Feststellungen zu Fall II. 1. der Urteilsgründe hatte der Angeklagte als Gebietsleiter der "Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) für den Raum Leipzig unter dem Namen "C. " die Aufgabe übernommen, zahlungsunwillige türkische Gewerbetreibende durch Drohungen und notfalls durch Anwendung von Gewalt zu Geldzahlungen an die PKK zu veranlassen. Zu diesem Zweck suchte er zusammen mit mehreren unbekannten Begleitern in der ersten Dezemberhälfte 1997 dreimal den Betreiber eines Imbißstandes Ce. auf und verlangte eine "Jahresspende" von 3.000 DM sowie ab Januar 1998 "Monatsspenden" von 150 DM. Seinen Forderungen verlieh der Angeklagte durch die Drohung Nachdruck, im Falle einer Weigerung werde Ce. kein Geschäft mehr haben, das er betreiben könne. Außerdem drohte er konkludent mit körperlichen Übergriffen, zumal der Bruder des Geschädigten, der sich einer Forderung der PKK widersetzt hatte, zuvor von dem Angeklagten und seinen Begleitern zusammengeschlagen worden war. Auf Grund der immer intensiver werdenden Drohungen übergab der Zeuge Ce. am 13. Dezember 1997 dem Angeklagten persönlich die geforderte "Jahresspende" von 3.000 DM.
Die Drohungen hinterließen - wie von vornherein beabsichtigt - bei dem Geschädigten einen so nachhaltigen Eindruck, daß dieser in den Folgemonaten Januar bis August 1998 verschiedenen "Spendeneintreibern" der PKK monatlich 150 DM übergab, die ihm Grüße von "C. " ausrichteten.
Das Landgericht hat diesen Sachverhalt als räuberische Erpressung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen ein Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz (§§ 249 Abs. 1, 253 Abs. 1 und 2, 255 StGB, §§ 20 Abs. 1 Nr. 4, 18 Satz 2 VereinsG, § 52 StGB) angesehen und hierfür eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Es hat die gegenüber dem Geschädigten Ce. begangenen Handlungen als Einzelakte eines einheitlichen Geschehens bewertet und wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs eine natürliche Handlungseinheit angenommen. Nach Auffassung des Landgerichts ist der einheitliche Plan, der auf einen Gesamterfolg, nämlich die Zahlung der einmaligen "Jahresspende" von 3.000 DM und der "Monatsspenden" von jeweils 150 DM ausgerichtet gewesen sei, die Klammer, die die einzelnen Spendeneintreibungen zu einer natürlichen Handlungseinheit verbindet.
2. Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, daß das Landgericht im Fall II. 1. der Urteilsgründe nur eine materiellrechtliche Tat angenommen hat.
a) Gegen die Bewertung des Tatgeschehens in diesem Fall als eine natürliche Handlungseinheit und damit als eine materiellrechtliche Tat bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken. Eine einheitliche Handlung im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit ist nur dann gegeben, wenn mehrere im wesentlichen gleichartige Verhaltensweisen von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden sind, daß das gesamte Tätigwerden objektiv auch für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun erscheint (vgl. BGHSt 10, 230, 231; 43, 312, 315; Tröndle/ Fischer, StGB 49. Aufl. vor § 52 Rdn. 2). Eine Tat im Rechtssinne liegt danach nur dann vor, wenn die der Tatbestandsverwirklichung dienenden Teilakte einen einheitlichen Lebensvorgang bilden, wobei der Wechsel des Angriffsmittels nicht von entscheidender Bedeutung ist. Ein einheitlicher Lebensvorgang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die einzelnen Handlungen in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dieses Erfordernis besteht bei Erpressung auch dann, wenn durch die Einzelakte, die auf die Willensentschließung des Opfers einwirken sollen, letztlich nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird (BGHSt 40, 75, 77). Die tatbestandliche Einheit der Erpressung endet dort, wo der Täter entsprechend den Regelungen über den Rücktritt vom Versuch nicht mehr strafbefreiend zurücktreten kann, d.h. entweder bei der vollständigen Zielerreichnung oder beim fehlgeschlagenen Versuch (BGHSt 41, 368, 369).
Gemessen an diesen Grundsätzen gilt vorliegend folgendes:
b) Hinsichtlich der drei Besuche des Angeklagten in der ersten Dezemberhälfte 1997, durch die der Angeklagte den Geschädigten Ce. zur Herausgabe der "Jahresspende" von 3.000 DM veranlaßte, ist eine sogenannte tatbestandliche Handlungseinheit und somit eine materiellrechtliche Tat gegeben. Es handelt sich insoweit um einen Fall der sukzessiven Tatbestandserfüllung (vgl. dazu Rissing-van Saan in LK 11. Aufl. 1999 vor § 52 ff. Rdn. 33; Samson/Günther in SK-StGB 8. Lfg. vor § 52 Rdn. 25), bei dem jeder nachfolgende Tätigkeitsakt die unmittelbare Weiterführung des zuvor begonnen Angriffs auf die Willensfreiheit und das Vermögen des Geschädigten Ce. war. Durch die einzelnen Besuche in der ersten Dezemberhälfte 1997 ist lediglich die ursprüngliche Drohung durchgehalten und intensiviert worden (vgl. BGHSt 40, 75, 77), die schließlich durch die Zahlung der "Jahresspende" zu dem von Anfang an beabsichtigten ersten Handlungserfolg gelangte.
c) Hinsichtlich der "Monatsspenden" von 150 DM in der Zeit von Januar bis August 1998 stellt zunächst jede einzelne Beitreibung aus der Sicht der "Spendeneintreiber" eine selbständige räuberische Erpressung dar. Wie sich aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe ergibt, haben in allen diesen Fällen die vom Angeklagten geschickten Personen den Geschädigten Ce. jeweils unter konkludenter Wiederholung der im Dezember 1997 ihm gegenüber geäußerten Drohungen jeden Monat neu dazu veranlaßt, die "Monatsspende" von 150 DM zu bezahlen. Anhaltspunkte dafür, daß der Geschädigte Ce. auch ohne das monatliche Erscheinen der "PKK-Spendeneintreiber" von sich aus weitere Zahlungen geleistet hätte, können dem Urteil nicht entnommen werden. Bei den "Monatsspenden", für die ein Endzeitpunkt oder eine Gesamtsumme nicht vorgesehen war, handelt es sich somit jeweils um eigene, selbständige Handlungen und damit um eigenständige materiellrechtliche Taten der jeweiligen Eintreiber.
Die Strafkammer hat den Angeklagten als Auftraggeber der "Spendeneintreiber" zutreffend als (Mit-) Täter der monatlich erfolgten weiteren Erpressungen eingestuft. Den Urteilsfeststellungen kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, daß der Angeklagte hinsichtlich aller monatlichen Erpressungstaten eigene Aktivitäten entwickelt hat, obwohl dafür die Urteilsausführungen (UA S. 16), es sei fernliegend anzunehmen, daß bei einer derart hierarchisch strukturierten Organisation wie der PKK verschiedene Geldabholer "Grüße von C. " ausrichten - wie es der Zeuge Ce. aussagte - , ohne daß der Vorgesetzte hiervon Kenntnis gehabt habe, sowie die weiteren rechtskräftig festgestellten Taten zum Nachteil weiterer Geschädigter sprechen könnten. Wie häufig und wie konkret sich der Angeklagte in die monatlichen Beitreibungsaktivitäten der PKK eingeschaltet hat, wird sich auch in einer neuen Hauptverhandlung nicht mehr sicher feststellen lassen. Der genannten Urteilspassage sowie dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann aber mit der erforderlichen Sicherheit entnommen werden, daß der Angeklagte über seine drei persönlichen Besuche bei dem Geschädigten Ce. in der ersten Dezemberhälfte 1997 hinaus auf Grund seiner Stellung in der örtlichen Hierarchie der PKK zumindest einen weiteren selbständigen organisatorischen Beitrag zum Eintreiben der "Monatsspenden" geleistet hat, da verschiedene PKK-Aktivisten bei dem Geschädigten erschienen sind und jeweils "Grüße" von dem Angeklagten ausgerichtet haben, die dieser den "Spendeneintreibern" in irgendeiner Form als Auftrag übermittelt hat; offenbleiben muß nur, ob dies bei einer oder bei mehreren Gelegenheiten geschah. Läßt sich nicht klären, durch wieviele Handlungen ein Tatbeteiligter als Mittäter oder Teilnehmer mehrere Einzeltaten gefördert hat, ist im Zweifel zu seinen Gunsten davon auszugehen, daß er nur eine Handlung begangen hat (BGH wistra 1997, 61, 62; NStZ 1997, 121; Rissing-van Saan aaO § 52 ff. Rdn. 16). Nimmt man zu Gunsten des Angeklagten einen einzigen Tatbeitrag zum Eintreiben der "Monatsspenden" an, werden die Fälle der räuberischen Erpressung von Januar bis August 1998 hierdurch und nicht durch die Rechtsfigur der natürlichen Handlungseinheit in seiner Person zu einer einzigen Tat der räuberischen Erpressung verbunden (vgl. BGHR StGB § 263 Abs. 1 Konkurrenzen 10; BGH NJW 1995, 2933, 2934; Beschl. vom 12. März 1997 - 3 StR 5/97; Beschl. vom 12. Juni 1997 - 1 StR 245/97; Rissing-van Saan aaO § 52 Rdn. 16; Samson/Günther aaO § 52 Rdn. 20, 22; Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. vor § 52 Rdn. 22; a.A. Stree in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 52 Rdn. 21). Diese ist neben der im Dezember 1997 begangenen und beendeten räuberischen Erpressung in Höhe von 3.000 DM "Jahresspende" als selbständige Straftat abzuurteilen.
d) Somit hat sich der Angeklagte im Fall II. 1. der Urteilsgründe wegen räuberischer Erpressung in zwei Fällen schuldig gemacht. Diese stehen jeweils in Tateinheit mit Zuwiderhandeln gegen ein Betätigungsverbot nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG, weil die Erpressungen zu Gunsten der verbotenen PKK erfolgten. Der Senat hat den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO geändert. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte, dem bereits in der Anklageschrift selbständige Einzeltaten zur Last gelegt worden waren, nicht anders hätte verteidigen können als geschehen.
e) Wegen der Annahme von zwei Fällen statt eines Falles der räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot kann die im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe keinen Bestand haben. Vielmehr werden zwei neue Einzelstrafen zu bilden sein. Dies führt dazu, daß auch die verhängte Gesamtstrafe aufgehoben werden muß. Ob diese auch deswegen nicht hätte bestehen bleiben können, weil - wie die Staatsanwaltschaft meint und wofür vieles spricht - die gegen den Angeklagten sprechenden Umstände in diesem Zusammenhang nicht ausreichend berücksichtigt wurden und die Gesamtstrafe, da sie an der unteren Grenze liegt und die Einsatzstrafe nur geringfügig übersteigt (vgl. BGHSt 24, 268, 271; BGH, Urt. vom 13. November 1997 - 4 StR 417/97), zumindest eingehender hätte begründet werden müssen, bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung.
Rissing-van Saan Miebach Winkler Pfister von Lienen



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