BGH,
Urt. v. 24.5.2000 - 3 StR 86/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 86/00
vom
24. Mai 2000
in dem Sicherungsverfahren
gegen
wegen Unterbringung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24. Mai
2000, an der teilgenommen haben: Richterin am Bundesgerichtshof Dr.
Rissing-van Saan als Vorsitzende, die Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Miebach, Winkler, Pfister, von Lienen als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Osnabrück vom 2. November 1999 mit den
Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem
psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen richtet sich die
Revision der Staatsanwaltschaft mit sachlichrechtlichen Beanstandungen.
Das Rechtsmittel hat einen vorläufigen Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Beschuldigte, dessen
Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt (6. Dezember 1997) aufgrund
einer seit Jahren manifestierten chronisch-schizophrenen Psychose
erheblich eingeschränkt, möglicherweise sogar
aufgehoben war, seinen Vater veranlassen wollen, ihm einen Brief
auszuhändigen, von dem er glaubte, sein Vater habe ihn ihm
vorenthalten. Zur Durchsetzung dieser Forderung hat er mit einem
feststehenden Messer in einem Abstand von 100 bis 120 Zentimetern vor
dem Gesicht des Vaters "herumgefuchtelt". Nachdem dieser bestritten
hatte, einen an den Beschuldigten gerichteten Brief
zurückzuhalten, und möglicherweise mit einem
Holzscheit nach dem Beschuldigten geworfen hatte, ging dieser mit den
Worten "dann lassen wir es sein" in die elterliche Wohnung
zurück und hängte das Messer dort wieder an die Wand,
von wo er es zuvor abgenommen hatte.
Die Begründung, mit der das Landgericht die Unterbringung des
Beschuldigten abgelehnt hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen
Bedenken.
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus setzt
gemäß § 63 StGB u.a. voraus, daß
der Täter für die Allgemeinheit gefährlich
ist, weil von ihm infolge seines Zustandes erhebliche Straftaten zu
erwarten sind. Diese Gefährlichkeitsprognose ist aufgrund
einer Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat unter
Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246 a StPO) zu
erstellen. Das Landgericht teilt in den Urteilsgründen weder
mit, ob und wie der gehörte Sachverständige die
Anlaßtat - die das Landgericht selbst als einmalige
überzogene Reaktion des Beschuldigten ansieht - in Beziehung
zu der Erkrankung des Beschuldigten gesetzt, noch welche
Einschätzung der Sachverständige zur
Gefährlichkeit des Beschuldigten abgegeben hat. Stattdessen
führt das Landgericht lediglich aus, vom Beschuldigten seien
jedenfalls keine erheblichen Straftaten mehr zu erwarten. Dies reicht
hier schon deshalb nicht aus, weil dem Landgericht bei der
Würdigung der Anlaßtat, auf der die Prognose beruht,
ein Wertungsfehler unterlaufen ist: Der Wertung, es habe sich um eine
einmalige Aktion gegen den Vater gehandelt (UA S. 21), steht die
Feststellung entgegen, der Beschuldigte sei schon 1992
gegenüber dem Vater tätlich geworden und
hätte deshalb nach dem PsychKG untergebracht werden
müssen (UA S. 6).
Die Frage der Unterbringung bedarf deshalb neuer Entscheidung und
nachvollziehbarer Begründung. Dabei wird der neue Tatrichter
unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Versuch auch
genauer zu prüfen haben, warum der Beschuldigte sein Vorhaben,
den Vater zur Herausgabe des Briefes zu veranlassen, beendet hat. Er
wird auch berücksichtigen müssen, daß
Taten, bei denen das Landgericht bislang eine Täterschaft des
Angeklagten nicht hat feststellen können (Nr. 11 - UA S. 10,
Nr. 25 - UA S. 12, Ermittlungsverfahren 1997 - UA S. 15), als Grundlage
für die Gefahrenprognose ausscheiden, und sich deshalb um eine
Aufklärung dieser Sachverhalte bemühen
müssen, sofern er sie als für die Prognose bedeutsam
erachtet. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin,
daß es jedenfalls bei gravierenderen Tatvorwürfen
angezeigt ist, daß die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt bis
zur Klärung der Tatfrage ausermittelt, ehe sie das Verfahren
wegen Schuldunfähigkeit einstellt.
Rissing-van Saan Miebach Winkler Pfister von Lienen |