BGH,
Urt. v. 24.11.2005 - 4 StR 243/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 243/05
vom
24.11.2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Anstiftung zum Mord
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24.11.2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz, Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Neubrandenburg vom 6. Dezember 2004 im Strafausspruch mit
den zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur
Schuldfähigkeit aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts
zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Anstiftung zum
Mord zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Gegen diesen
Strafausspruch richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte
Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Das
Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
I.
Der Angeklagte ist Facharzt für Frauenheilkunde. Nach den
Feststellungen betrieb seine Ehefrau K. S. , die in der Praxis des
Angeklagten als Sprechstundenhilfe gearbeitet hatte, seit dem August
2003 die Scheidung. Sie
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hatte bemerkt, "dass der Angeklagte - seiner langjährigen
Neigung folgend - intime Beziehungen zu anderen Frauen, namentlich zu
seinen Patientinnen, unterhielt", und fühlte sich von dem
Angeklagten, der sie aus dem Praxisbetrieb ausgeschlossen hatte, in
zunehmendem Maße gegängelt und in ihren
persönlichen Freiheiten geknebelt. Der Angeklagte versuchte,
seine Ehefrau, die das alleinige Sorgerecht für die beiden
gemeinsamen Kinder beanspruchte, als ungeeignet für deren
Erziehung darzustellen. Unter anderem wandte er sich an den
sozialpsychiatrischen Dienst des Landkreises, um eine Einweisung seiner
Ehefrau in eine psychiatrische Einrichtung herbeizuführen.
Nachdem das Familiengericht im Oktober 2003 K. S. das Sorgerecht
für die ehelichen Kinder übertragen und dem
Angeklagten ein Umgangsrecht zugesprochen hatte, fasste der Angeklagte
den Entschluss, seine Ehefrau töten zu lassen. Er hielt den
Lebensgefährten einer seiner Patientinnen, A. F. ,
für geeignet, die Tat auszuführen. Im Oktober oder
November 2003 traf sich der Angeklagte in seiner Praxis mit A. F. und
dessen Freund M. M. . Der Angeklagte bot die Zahlung von 40.000 Euro
als Lohn für die Erfüllung des Auftrages, seine
Ehefrau zu töten, an. A. F. und M. M. waren sich einig, den
Auftrag keinesfalls auszuführen. A. F. wollte jedoch ausloten,
wie weit der Angeklagte gehen würde. Nach einem weiteren
Treffen mit A. F. und M. M. ließ der Angeklagte A. F. zwei
500-Euro-Noten zukommen, von denen F. eine an M. M. weitergab. Im
Dezember 2003 bot der Angeklagte M. M. an, er werde 10.000 Euro mehr
zahlen, wenn "sie bis zum Ende des Jahres verschwunden" sei. Anfang
Januar 2004 suchte der Angeklagte die Lebensgefährtin von A.
F. auf und erklärte, "es solle jetzt endlich passieren, sie
müsse bedenken, dass sie zwei Kinder habe. Sonst werde er sich
sein Geld über ein Inkassounternehmen zurückholen."
A. F. befürchtete nach die-
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sem "Auftritt" des Angeklagten, dass K. S. ernsthaft in Gefahr sei. Er
wandte sich deshalb an einen Rechtsanwalt, der die Polizei
einschaltete. Der Angeklagte wurde am 10. Januar 2004 nach einem
weiteren Treffen mit A. F. , bei dem der Angeklagte erklärt
hatte, die Sache müsse bis Mittwoch erledigt sein, in
Untersuchungshaft genommen.
Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte der versuchten
Anstiftung zum Mord schuldig gemacht, weil A. F. und M. M. ,
hätten sie die Tat ausgeführt, aus Habgier gehandelt
hätten. Da der Angeklagte demgegenüber keines der
Mordmerkmale des § 211 StGB verwirklicht habe, sei der
gemäß § 30 Abs. 1 StGB gemilderte
Strafrahmen von drei Jahren bis zu fünfzehn Jahren
Freiheitsstrafe gemäß § 28 Abs. 1 StGB
nochmals zu mildern, so dass von einem Strafrahmen von sechs Monaten
bis zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe auszugehen sei.
II.
Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil schon die Strafrahmenwahl
durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet; damit kommt es auf die
Einzelbeanstandungen der Beschwerdeführerin zu den
Strafzumessungserwägungen im engeren Sinne nicht an. Dass nach
der Vorstellung des Angeklagten von den Tatumständen (vgl.
BGHR StGB § 28 Abs. 1 Merkmal 3) die Vorraussetzungen
für die obligatorische (vgl. BGHR aaO) Strafmilderung nach
§ 28 Abs. 1 StGB vorliegen, ist durch die bisherigen
Feststellungen nicht rechtsfehlerfrei belegt.
1. Allerdings ist die Annahme des Landgerichts, bei dem Angeklagten
liege keines der Mordmerkmale vor, soweit es die
täterbezogenen Merkmale
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betrifft, im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht
hat, wie die Urteilsausführungen belegen, nicht verkannt, dass
die Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB ausgeschlossen ist, wenn
sowohl Teilnehmer als auch Täter ein täterbezogenes
Mordmerkmal verwirklicht haben und diese Merkmale gleichartig sind
(vgl. BGHSt 23, 39, 40; BGH NJW 2005, 996, 997).
a) Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte selbst aus Habgier
gehandelt haben könnte, enthalten die Urteilsfeststellungen
nicht.
b) Auch die Nichtannahme des Mordmerkmals der niedrigen
Beweggründe weist keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
Nicht jede Tötung des Intimpartners, die geschieht, weil sich
dieser vom Täter abwenden will, ist deswegen
zwangsläufig schon aus niedrigen Beweggründen
begangen (vgl. BGH StV 1997, 290). Vielmehr beruht eine solche Tat bei
einem Motivbündel nur dann auf niedrigen
Beweggründen, wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden
Motive, die der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner
sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen (vgl. BGHR § 211
Abs. 2 niedrige Beweggründe 20). Die Wertung des Landgerichts,
im Hinblick darauf, dass es sich um einen durch wechselseitige
Vorwürfe und Demütigungen geprägten
Beziehungskonflikt gehandelt habe, und im Hinblick auf die
Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für die Kinder seien
die Beweggründe des Angeklagten
„jedenfalls“ nachvollziehbar, ist deshalb rechtlich
nicht zu beanstanden.
2. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die - pauschale
- Verneinung des Mordmerkmals der Heimtücke. Würde
der Haupttäter nach der Vorstellung des Anstiftenden von den
Tatumständen bei dem angestrebten Tötungsdelikt ein
tatbezogenes Merkmal der zweiten Gruppe des § 211 StGB
verwirklichen, ist für eine Strafmilderung nach § 28
Abs. 1 StGB
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kein Raum (vgl. BGH NJW 2005, 996, 997 m.w.N.). Ist das angestrebte
Tötungsdelikt nach der Vorstellung des Anstiftenden ein
Heimtückemord, bleibt es bei der streng akzessorischen
Bestrafung des Teilnehmers, so dass bei einer versuchten Anstiftung zum
Heimtückemord der nur einmal nach § 30 Abs. 1 Satz 2
i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderte Ausgangsstrafrahmen
von drei Jahren bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe zu Grunde
zu legen ist. Zu der Frage, ob der Vorsatz des Angeklagten eine
mögliche Verwirklichung des Mordmerkmals der
Heimtücke bei der angestrebten Tötung seiner Ehefrau
durch die damit beauftragten Täter umfasste, verhalten sich
die Urteilsgründe jedoch nicht. Das ist unter den hier
gegebenen Umständen rechtsfehlerhaft:
Für den Anstifter reicht, auch soweit es die Verwirklichung
der Mordmerkmale durch die mit der Ausführung der Tat
Beauftragten betrifft, bedingter Vorsatz aus (vgl. BGHSt 44, 99; BGH
NJW 2005, 996, 997). Bedingten Vorsatz in diesem Sinne hat ein
Straftäter aber auch dann, wenn er aus
Gleichgültigkeit mit jeder eintretenden Möglichkeit
einverstanden ist (vgl. BGHSt 40, 304, 306 f.). Nach den Feststellungen
hatte der Angeklagte hinsichtlich der eigentlichen
Durchführung der Tat keine Vorgaben gemacht. Dass die
Tötung in offener Konfrontation ausgeführt werden
würde, lag nach den gesamten Umständen fern (vgl. BGH
NJW 2005, 996, 997). Danach liegt, zumal der Anstiftervorsatz die
fremde Haupttat nicht in allen Einzelheiten, sondern nur in ihren
Hauptmerkmalen erfassen muss, die Annahme einer versuchten Anstiftung
zur heimtückischen Tötung nahe.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung nur des
Strafausspruchs, denn die Prüfung eines bedingten Vorsatzes
des Angeklagten hinsichtlich des weiteren Mordmerkmals der
Heimtücke lässt den Schuldspruch wegen versuchter
Anstiftung zum Mord unberührt. Dieser ist, unabhängig
da-
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von, ob sich der Vorsatz des Angeklagten auch auf eine
heimtückische Tatbegehung erstreckte, schon deshalb
gerechtfertigt, weil der Angeklagte nach den Feststellungen davon
ausging, die von ihm mit der Tatausführung Beauftragten
würden die Tat allein des Geldes wegen, mithin aus Habgier,
begehen. Die Frage, ob der Angeklagte mit der Möglichkeit
einer heimtückischen Tatbegehung rechnete und diese in Kauf
genommen hat, kann hiervon losgelöst geprüft und
entschieden werden (vgl. BGHSt 41, 222). Insoweit sind ungeachtet des
rechtkräftigen Schuldspruchs ergänzende
Feststellungen durch den neuen Tatrichter, die zu den bisher
getroffenen nicht in Widerspruch stehen, möglich.
4. Die gemäß § 301 StPO gebotene
Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil
des Angeklagten ergeben. Dies gilt insbesondere auch für die
Erwägungen, mit denen das Landgericht eine erhebliche
Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten im Sinne
des § 21 StGB ausgeschlossen hat.
III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf
Folgendes hin:
Bei einer doppelten Milderung des Strafrahmens des § 211 StGB
gemäß § 49 StGB im Hinblick auf §
30 Abs. 1 und auf § 28 Abs. 1 StGB würde die
versuchte Anstiftung zum Mord mit sechs Monaten Freiheitsstrafe eine
wesentlich geringere Mindeststrafe nach sich ziehen, als eine versuchte
Anstiftung zum Totschlag, weil der Strafrahmen des § 212 StGB
nur einmal im Hinblick auf § 30 StGB zu mildern wäre.
Eine versuchte Anstiftung zum Totschlag zöge mithin eine
Freiheitsstrafe von zwei Jahren als Mindeststrafe nach sich. Die Frage,
ob
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in derartigen Fällen der Beteiligung am Mord zur Vermeidung
von Wertungswidersprüchen die für eine Beteiligung am
Totschlag zu verhängende Mindeststrafe eine
„Sperrwirkung“ entfaltet, diese also nicht
unterschritten werden kann, hat der Bundesgerichtshof bisher offen
gelassen (dazu neigend BGH, Beschluss vom 30.06.2005 - 1 StR 227/05 m.
N.). Der Senat bejaht diese Frage. Bei Gesetzeskonkurrenz entfaltet
ebenso wie bei Tateinheit (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StGB) das
zurücktretende Delikt eine Sperrwirkung hinsichtlich der
Mindeststrafe (st. Rspr., vgl. BGHSt 1, 152, 156; BGH NStZ 2003, 440 m.
w. N.). Für die nach ständiger Rechtsprechung (seit
BGHSt 1, 368, 370, vgl. auch BGHSt 36, 231, 233) als
eigenständig zu begreifenden Straftatbestände der
§§ 211, 212 StGB kann nicht anderes gelten, denn der
Unrechtsgehalt des Totschlags ist im Mord enthalten (vgl. BGHSt 36,
231, 235), weil die vorsätzliche Tötung im Sinne des
§ 212 notwendiges Merkmal auch des § 211 StGB ist
(vgl. BGHSt 1, 368, 370; 36, 231, 235).
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