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BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 24.10.2002 - 5 StR 600/01
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja, aber ohne die Ausführungen zu II. 2a und 3a (Verfahrensrügen)
Veröffentlichung: ja
AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 2
BranntwMonG § 143
1. Für ein Entziehen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus
einem Steueraussetzungsverfahren reicht ein Verhalten aus, mit dem
eine bestehende Kontrolle oder Kontrollmöglichkeit über Waren
beseitigt wird, so daß für die Zollbehörden die Eigenschaft der Waren
als verbrauchsteuerpflichtig, aber unversteuert nicht mehr erkennbar ist.
2. Jedes in den Gesamtablauf eingebundene Mitglied einer Schmuggelorganisation
ist zur Anmeldung der durch die Entziehung entstandenen
Verbrauchsteuern verpflichtet und damit tauglicher Täter einer Steuerhinterziehung
im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn es nach
allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen als Mittäter der Entziehung
anzusehen ist.
3. Zur Berücksichtigung der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder
einer Schmuggelorganisation für entstandene Verbrauchsteuern im
Rahmen der Strafzumessung.
BGH, Urt. v. 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01
LG Berlin -
5 StR 600/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
- 2 -
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 23. und 24. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H ,
Rechtsanwältin S
als Verteidiger des Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt St ,
Professor J
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwalt D
als Verteidiger des Angeklagten T ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
- 3 -
am 24. Oktober 2002 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ha und R
wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juni
2001 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten T wird das ihn
betreffende, weitere Urteil des Landgerichts Berlin vom
selben Tage im Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden
verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der
Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat die Angeklagten Ha und R wegen
Steuerhinterziehung in sieben Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit Urkundenfälschung,
zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten
bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten T
hat es nach Abtrennung des Verfahrens durch gesondertes Urteil
wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
- 4 -
von vier Jahren verurteilt. Die gegen ihre Verurteilung gerichteten Revisionen
der Angeklagten haben nur zum Strafausspruch Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten die Angeklagten
spätestens seit Herbst 1998 zu einer Personenvereinigung, die arbeitsteilig
im Rahmen einer eingespielten Organisation fortgesetzt Alkohol in erheblichem
Umfang aus der Europäischen Union an den Zollbehörden vorbei nach
Polen schmuggelte. Dabei wurden im Zeitraum zwischen Mitte Dezember
1998 und Ende März 1999 von Mitgliedern dieser Schmuggelorganisation
unter Mitwirkung der Angeklagten sieben Transporte mit je 28.600 Litern (ein
Lkw) bzw. 57.200 Litern (zwei Lkw) extra reinen Alkohols (96 %iger Feinsprit)
von Frankreich nach Polen geschmuggelt, die jeweils zunächst im innergemeinschaftlichen
Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr
in die Ukraine abgefertigt worden waren. Die von der Organisation für
den Schwarzmarkt in Polen bestimmten Alkoholtransporte wurden, um das in
Polen bestehende Einfuhrverbot für Alkohol zu umgehen und um die nicht
ordnungsgemäße Ausfuhr aus der Europäischen Union zu verschleiern, bei
der Ausfuhr aus Deutschland als Chemikalien deklariert und unter Täuschung
der Zollbehörden über die wahre Ladung nach Polen eingeführt. Dazu
wurden auf deutschem Hoheitsgebiet die im Steueraussetzungsverfahren
mitzuführenden französischen begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA)
gegen gefälschte CMR-Frachtbriefe ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien
auswiesen. Anschließend wurde der jeweils bis dahin auf Lastkraftwagen
beförderte und von Mitgliedern der Organisation in Personenkraftwagen begleitete
Alkohol in Hamburg in Bahncontainer umgeladen und per Eisenbahn
nach Polen versandt. Durch die Nichtanmeldung der dem Steuerversandverfahren
in den sieben Fällen entnommenen Alkoholtransporte wurde
Branntweinsteuer in Höhe von mehr als 7,7 Mio. DM hinterzogen.
- 5 -
Im Rahmen der Arbeitsteilung bei Durchführung der Transporte war
der Angeklagte T für den Einkauf des Alkohols in Frankreich
und dessen Bezahlung zuständig. Hierbei erhielt er für jede Lkw-Ladung Alkohol
von der Schmuggelorganisation eine „Belohnung“ von mindestens
3.000 DM. Insgesamt bestellte er bis März 1999 sechzig Lkw-Ladungen Alkohol.
Zu der Organisation gehörte auch sein Bruder, der gesondert verfolgte
P T , der zusammen mit weiteren, zumeist unbekannt gebliebenen
Personen aus Polen die Transporte steuerte, die Tarnpapiere beschaffte und
den Absatz des Alkohols auf dem Schwarzmarkt in Polen organisierte. In den
Aufgabenbereich des Angeklagten Ha fiel die Abwicklung der Umladung
der bereits mit gefälschten Frachtpapieren angelieferten Alkoholladungen
in Bahncontainer sowie die Prüfung der gefälschten CMR-Frachtbriefe
auf ihre Eignung zur Täuschung. Zur Abwicklung der Umladung zog er den
Angeklagten R hinzu, der als einer der geschäftsführenden Gesellschafter
die Lagerei Sch im Hamburger Freihafen leitete.
Für ihre Mitwirkung erhielten der Angeklagte Ha von der Organisation
3.000 DM je umgeladener Lkw-Ladung, der Angeklagte R 1.000 DM
pro Container. Daneben durfte der Angeklagte R in den vier Fällen, in
denen die Umladung auf dem Gelände der Firma Sch
durchgeführt wurde (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe), als „Risikozuschlag“
eine Rechnung mit einer Gewinnspanne von 500 DM statt üblicherweise
100 DM pro Container stellen.
Die verfahrensgegenständlichen Transporte gingen im einzelnen wie
folgt vonstatten:
Der Alkohol wurde von der Organisation bei der Distillerie G in
Aigre/Frankreich bezogen. Dort bestellte der Angeklagte T
jeweils die entsprechende Abnahmemenge. Anschließend wickelte er die
Bezahlung - zumeist persönlich in bar - über die Luxemburger Firma E
des Zeugen K ab. Nachdem die Firma E der Herstellerfirma die Bezahlung
des Kaufpreises bestätigt hatte, eröffnete diese als Versender ein
- 6 -
Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr aus dem Verbrauchsteuergebiet
der Europäischen Gemeinschaft über das Grenzzollamt
Frankfurt/Oder. Als Empfänger wurde die Firma „V “ in
Vinogradov/Ukraine angegeben, die von der Schmuggelorganisation speziell
zu dem Zweck gegründet worden war, als Tarnempfängerin aufzutreten. Der
Alkohol wurde dann von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit Lastzügen
statt zum Ausgangszollamt Frankfurt/Oder nach Hamburg gebracht. Vor
der Anlieferung im Hamburger Hafen wurden die französischen, bei Alkoholtransporten
im Steuerversandverfahren mitzuführenden begleitenden Verwaltungsdokumente
(DCA) auf deutschem Hoheitsgebiet gegen CMRFrachtbriefe
ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien auswiesen und als
Versender deutsche Tarnadressen nannten. Bei den CMR-Frachtbriefen
handelte es sich um Totalfälschungen, die von Mitgliedern der Organisation
in Polen für diesen Zweck hergestellt worden waren. Die begleitenden Verwaltungsdokumente
(DCA) wurden mit nachgemachten Ausfuhrstempeln an
die Firma G , welche die Steuerversandverfahren eröffnet hatte, zurückgesandt.
Damit sollte der Anschein einer ordnungsgemäßen Ausfuhr des
Alkohols unter zollamtlicher Überwachung erweckt werden. Ziel des Austausches
der Frachtpapiere war die Täuschung der polnischen Zollbehörden zur
Umgehung des polnischen Einfuhrverbotes.
Der Angeklagte Ha prüfte sodann die gefälschten CMRFrachtbriefe
auf ihre Eignung zur Täuschung und wickelte mit dem Angeklagten
R die Umladung der Alkoholtransporte zum Weiterversand mit
Bahncontainern nach Polen ab. Zur Verschleierung der Alkoholtransporte
schalteten sie die Firma I aus Campione, einer italienischen Enklave
in der Schweiz ein, welche mit der Umladung von „Chemikalien“ und deren
anschließenden Transport nach Polen unter Einschaltung der Spedition
Rü beauftragt wurde. In den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe
wurde der angelieferte Alkohol auf dem Gelände der Firma Sch C
, in den übrigen Fällen bei einer anderen Firma im Hamburger Hafen,
in Bahncontainer umgeladen.
- 7 -
Bei Abwicklung der Transporte hielt der Angeklagte Ha Kontakt
zu P T und weiteren polnischen Hintermännern und übermittelte
ihnen die Containernummern. Diese wurden ihm jeweils vom Angeklagten
R mitgeteilt, der mit dem Geschäftsführer der Firma I in Verbindung
stand und - sofern die Umladungen nicht auf seinem Firmengelände
stattfanden - die Containernummern bei der Spedition Rü erfragte.
Alle drei Angeklagten nahmen zumindest billigend in Kauf, daß durch
den Austausch der Frachtpapiere in Deutschland und einer damit verbundenen
Entziehung der Alkoholtransporte aus der zollamtlichen Überwachung
deutsche Branntweinsteuer entstand; dennoch gaben sie entsprechende
Steueranmeldungen nicht ab. Sie hielten einerseits eine ordnungsgemäße
Ausfuhr aus der Europäischen Union mit anschließendem Einführen unter
falscher Warenbezeichnung nach Polen wegen der Zusammenarbeit der
deutschen und polnischen Grenzkontrollstellen nicht für möglich; andererseits
war für sie nur unversteuerter Alkohol auf dem Schwarzmarkt in Polen
mit Gewinn absetzbar.
II.
Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch unbegründet.
1. Revision des Angeklagten Ha
a) Die Verfahrensrügen entsprechen nicht den Anforderungen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher bereits unzulässig.
b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen jeweils den
Schuldspruch wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung.
- 8 -
aa) Eine unechte Urkunde gebraucht (im Sinne von § 267 Abs. 1
3. Alternative StGB), wer sie zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr
der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich macht (vgl. BGHSt 36, 64, 65;
Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 267 Rdn. 23).
Der Angeklagte hat vorsätzlich falsche Urkunden gebraucht, indem er
die von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit den Alkoholtransporten
angelieferten Totalfälschungen von CMR-Frachtbriefen für Chemikalienlieferungen
nach dem Umladen auf Bahncontainer in Hamburg den Alkohollieferungen
wieder beifügen ließ. Hierdurch sollten insbesondere die Zollbehörden
beim Weitertransport des Alkohols auf der Schiene nach Polen über die
Art der transportierten Ware getäuscht werden.
Die von dem Angeklagten begangene Urkundenfälschung erstreckt
sich auch auf das von anderen Mitgliedern der Schmuggelorganisation auf
deutschem Hoheitsgebiet schon vor dem Anliefern des Alkohols in Hamburg
vorgenommene Austauschen der begleitenden Verwaltungsdokumente mit
gefälschten CMR-Frachtbriefen. Deren Handeln ist dem Angeklagten wie
eigenes Handeln zuzurechnen. Der Angeklagte war Mittäter (§ 25 Abs. 2
StGB) aller im Rahmen des Alkoholschmuggels von Frankreich nach Polen
von Mitgliedern der Schmuggelorganisation arbeitsteilig begangenen Straftaten.
Der Alkoholschmuggel umfaßte das gesamte Tatgeschehen von der
Beschaffung des Alkohols in Frankreich über den Transport nach Deutschland,
den Austausch der Frachtpapiere, die Umladung in Bahncontainer bis
hin zum Einschmuggeln an den polnischen Zollbehörden vorbei nach Polen.
(1) Mittäterschaftlich handelt derjenige, der aufgrund eines gemeinsamen
Tatplans einen für die Deliktsbegehung förderlichen Tatbeitrag leistet,
welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden
Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend
die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen
läßt. Ob dies der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beant-
9 -
worten. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung können das eigene
Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft
oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr., vgl. BGHSt 37,
289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2 m. w. N.). Auf der Grundlage
gemeinsamen Wollens kann dabei sogar eine bloße Mitwirkung bei der
Tatvorbereitung oder eine sonstige Unterstützungshandlung ausreichen (vgl.
BGHSt 40, 299, 301; BGH NStZ 1995, 120; 1999, 609). Allerdings kommt
eine (sukzessive) Mittäterschaft dann nicht (mehr) in Betracht, wenn eine
tatunterstützende „Beteiligungshandlung“ erst nach Beendigung einer Straftat
- also nach dem Handlungsgeschehen, mit dem das Tatunrecht seinen Abschluß
findet - einsetzt, selbst wenn die Mitwirkung vorher zugesagt worden
ist (vgl. BGH, Beschl. vom 13. August 2002 - 4 StR 208/02; Tröndle/Fischer,
StGB 50. Aufl. § 22 Rdn. 6, § 25 Rdn. 9 m. w. N.).
Die tatrichterliche Bewertung zur Abgrenzung von Mittäterschaft und
Beihilfe ist dabei nur begrenzt der revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich
(vgl. BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1997 - 4 StR 226/97). In
Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für diese Wertung einen
Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil - wie
hier - erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und
vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht
auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine
andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NJW
1997, 3385, 3387; NStZ-RR 1998, 136; jeweils m. w. N.).
(2) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die vom Landgericht vorgenommene,
auf der Hand liegende Würdigung des Verhaltens des Angeklagten
als Mittäterschaft und nicht als Beihilfe aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden.
Der Angeklagte hatte erhebliches Eigeninteresse an den Taten. Auch
wenn sein aus jedem Schmuggeltransport resultierender Gewinn von jeweils
- 10 -
3.000 DM im Hinblick auf das Gesamtvolumen der einzelnen Alkoholtransporte
nicht sehr bedeutend erscheint, hatte diese Einnahmequelle für den
Angeklagten erhebliche Bedeutung. Die Taten waren auf vielfache Tatbegehung
in hoher Tatfrequenz ausgelegt. Jedenfalls durfte das Landgericht die
Tatherrschaft des Angeklagten über einen wichtigen Teil des Gesamtgeschehens
als ausschlaggebenden Grund für die Annahme einer Mittäterschaft
heranziehen. Der Angeklagte war in der Schmuggelorganisation für
den gesamten Bereich der Umladung des Alkohols, der einen hohen logistischen
Aufwand und die Einschaltung mehrere Firmen erforderte, sowie für
den Weiterversand der Ware nach Polen verantwortlich (UA S. 8 f.). Zu seinen
Aufgaben gehörte die Überprüfung der gefälschten Frachtbriefe auf ihre
Eignung zur Täuschung (UA S. 8) und der Kontakt zu den polnischen Hintermännern,
die nur aufgrund seiner Übermittlung der Containernummern die
Container in Empfang nehmen und den Alkohol auf den Schwarzmarkt bringen
konnten (UA S. 13). Der in den Tatplan eingeweihte (UA S. 8) Angeklagte
hatte damit innerhalb einer arbeitsteilig und konspirativ handelnden
Schmuggelorganisation (UA S. 14) während eines wesentlichen Teils des
Geschehensablaufes eine fast alleinige Herrschaft über wertvolle Ware, auf
der bei einer Überführung in den freien Verkehr Verbrauchsteuern je Lieferung
von 700.000 DM bzw. 1,4 Mio. DM lasteten.
Die Taten waren, als der Angeklagte seine Tatbeiträge erbrachte,
noch nicht beendet, weil der Gebrauch der falschen Frachtpapiere andauerte
und die steuerlichen Erklärungspflichten fortbestanden.
bb) Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten auch wegen (mittäterschaftlich
begangener) Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370
Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB) verurteilt. Er hat in bewußtem und gewolltem
Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere
verantwortlichen Mitgliedern der Organisation gegen die sich aus § 143
Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG ergebende Pflicht verstoßen, für die Alkohollieferungen
nach Austausch der begleitenden Verwaltungsdokumente gegen
- 11 -
gefälschte CMR-Frachtbriefe unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben.
Täter einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO
kann freilich nur sein, wer selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen
besonders verpflichtet ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1). Diese
Pflicht ergab sich indes hier für den Angeklagten daraus, daß er als Entzieher
des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in eigener Person
Steuerschuldner der Branntweinsteuer geworden war (vgl. § 143 Abs. 4
Satz 2 BranntwMonG). Der aus Frankreich im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren
zum Zwecke der Ausfuhr in die Ukraine nach Deutschland
transportierte Alkohol wurde diesem Verfahren im Inland entzogen; diese
Entziehung ist dem Angeklagten zuzurechnen.
(1) Der nach den Urteilsfeststellungen im Inland erfolgte Austausch
der Frachtpapiere stellt eine Entziehung des unter Steueraussetzung transportierten
Alkohols aus diesem Verfahren im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2
BranntwMonG dar.
(a) Die Alkohollieferungen befanden sich im innergemeinschaftlichen
Steuerversandverfahren und damit in einem Steueraussetzungsverfahren,
als sie zum Zwecke der Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft (zunächst)
nach Deutschland transportiert wurden (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
BranntwMonG).
Sie wurden von der Distillerie G in Aigre/Frankreich zur Ausfuhr
aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Union unter Steueraussetzung
abgefertigt (vgl. Art. 302 L i.V.m. Art. 302 E des französischen Code
Général des Impôts, CGI; diese Regelung entspricht § 142 Abs. 1 Branntw-
MonG) und durften steuerfrei in diesem Verfahren durch das Steuergebiet
der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden (§ 133 Abs. 1 Nr. 2,
§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG).
- 12 -
Das Steueraussetzungsverfahren ist auch wirksam eröffnet worden.
Dem steht nicht entgegen, daß die Schmuggelorganisation nicht die Absicht
hatte, den Alkohol tatsächlich an die lediglich als Tarnempfänger angegebene
Firma „V “ in der Ukraine zu liefern.
Zwar ist dann kein wirksames Steueraussetzungsverfahren gegeben,
wenn an einen nicht bezugsberechtigten Empfänger im Inland geliefert wird
(BFH ZfZ 2000, 312) oder wenn der Versender in dem begleitenden Verwaltungsdokument
einen nicht existierenden Empfänger angibt und dies auch
weiß (FG Düsseldorf ZfZ 2000, 385).
Diese Fälle liegen hier aber nicht vor. Der Versender, die Firma G
, hat einen tatsächlich existierenden Empfänger, die Firma „V “ angegeben
und wollte die Ware auch dorthin liefern. Bei dieser Firma handelte
es sich um eine Tarnfirma, nicht um eine Scheinfirma. Die Tatsache, daß die
Schmuggelorganisation von Anfang an die Absicht hatte, die Ware nicht in
die Ukraine, sondern nach Polen zu bringen, spielt für die Wirksamkeit des
eröffneten Steueraussetzungsverfahrens ebensowenig eine Rolle wie die
Tatsache, daß die angegebene Empfängerfirma die Ware nicht empfangen
wollte. Entscheidend ist vielmehr, daß der Versender bei Eröffnung des
Steueraussetzungsverfahrens die Ausfuhr an den angegebenen Empfänger
tatsächlich beabsichtigte. Selbst wenn die Empfängerfirma als Scheinfirma
anzusehen wäre, würde dies nicht dazu führen, ein von Anfang an unwirksames
Steueraussetzungsverfahren annehmen zu können. Die Ware sollte
ausgeführt werden und damit zu keiner Zeit im Inland an einen nicht bezugsberechtigten
Empfänger gelangen. Ob der Empfänger in einem Drittland bezugsberechtigt
ist, bleibt für die Wirksamkeit des Steueraussetzungsverfahrens,
das am Ausgangszollamt endet, ohne Bedeutung. Der Alkohol ist damit
nicht bereits in Frankreich mit Verlassen des Steuerlagers des Herstellers
des Alkohols in den freien Verkehr gelangt.
- 13 -
Nach der Abfertigung und Entfernung aus dem Steuerlager des Herstellers
wurde der Alkohol unter Beachtung der Förmlichkeiten des Steueraussetzungsverfahrens
mit den entsprechenden französischen begleitenden
Verwaltungsdokumenten (DCA) von Frankreich nach Deutschland transportiert.
(b) Der Alkohol wurde im Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland
dem Steueraussetzungsverfahren entzogen.
(aa) Der Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren
im Sinne des § 143 BranntwMonG, der die Rechtsfolgen von Unregelmäßigkeiten
im Verkehr unter Steueraussetzung regelt, ist weder im BranntwMonG
noch im sonstigen nationalen Recht ausdrücklich definiert. Seine Bedeutung
ist daher nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln.
Zwar führt die Auslegung allein anhand der Wortbedeutung nicht zu
einem sicheren Ergebnis. Ihr ist aber immerhin zu entnehmen, daß die Entziehung
ein Verhalten voraussetzt, mit dem eine bestehende Kontrolle oder
Kontrollmöglichkeit über Gegenstände beseitigt wird. Die historische, die teleologische
und die systematische Auslegung - unter Orientierung am Europäischen
Gemeinschaftsrecht - bestätigen dies.
Da das System der Steueraussetzung von Verbrauchsteuern im europäischen
Warenverkehr - und damit auch § 143 BranntwMonG - auf gemeinschaftsrechtlichen
Vorgaben beruht, sind vorrangig diese zur Auslegung
des Begriffs des Entziehens heranzuziehen. Das Steueraussetzungsverfahren
ist ein durch Gemeinschaftsrecht geschaffenes neues Institut des Verbrauchsteuerrechts,
das nach Abschaffung der Erhebung von Verbrauchsteuern
im innergemeinschaftlichen Verkehr an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten
im Zusammenhang mit der Errichtung des europäischen Binnenmarktes
zum 1. Januar 1993 eingeführt wurde. Es ermöglicht in Bezug
auf verbrauchsteuerpflichtige Waren die Vornahme bestimmter Maßnahmen
- 14 -
- wie z.B. die Beförderung -, ohne daß dabei für die betroffenen Waren ein
Steueranspruch entsteht oder besteht (vgl. Beermann DStZ 1993, 291). Die
Vorschriften über das Steueraussetzungsverfahren wurden durch das Verbrauchsteuer-
Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992,
2150) als nationale Umsetzung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom
25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung
und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG 1992 Nr. L 76
S. 1; im folgenden: Systemrichtlinie) in die deutschen Verbrauchsteuergesetze
eingefügt; zugleich wurde zur Überwachung der Verbrauchsteuerverfahren,
insbesondere zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Besteuerung,
eine verbrauchsteuerrechtliche Steueraufsicht geschaffen (vgl. § 209 ff. AO).
§ 143 BranntwMonG basiert auf Art. 20 (i.V.m. Art. 4 lit. c und Art. 6
Abs. 1 lit. a) der Systemrichtlinie 92/12/EWG. Der in § 143 BranntwMonG
verwendete Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren
wird allerdings in der Systemrichtlinie ebenfalls nicht definiert. Art. 20 dieser
Richtlinie spricht vielmehr von Unregelmäßigkeiten und Zuwiderhandlungen,
aufgrund derer eine Verbrauchsteuer entsteht, und setzt damit die Steuerentstehung,
die Folge des Entziehens, bereits voraus.
Art. 6 Abs. 1 der Systemrichtlinie regelt die Entstehungstatbestände.
Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer mit der „Überführung in
den steuerlich freien Verkehr“, darunter auch durch „jede - auch unrechtmäßige
- Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung“ (Art. 6
Abs. 1 lit. a). Allerdings überläßt es die Systemrichtlinie wieder dem nationalen
Recht, was als Überführung in den freien Verkehr anzusehen ist. Nach
Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie richten sich nämlich die Voraussetzungen für
das Entstehen des Steueranspruchs und der maßgebende Verbrauchsteuersatz
nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs
in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den
steuerlich freien Verkehr stattfindet.
- 15 -
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat zur
Erläuterung, wann eine solche Entnahme vorliegt, mit Urteil vom
5. April 2001 in der Rechtssache C-325/99 - G. van de Water - (Slg. 2001,
I-2729) unter Tz. 35 den Wortlaut der Systemrichtlinie wiederholt: „Nach Artikel
6 Absatz 1 der Richtlinie gelten als Überführung in den steuerrechtlich
freien Verkehr nicht nur jede Herstellung oder Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger
Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, sondern
auch jede - auch unrechtmäßige - Entnahme der Waren aus einem solchen
Verfahren“.
Allerdings lassen die Begründungserwägungen zur Systemrichtlinie
(92/12/EWG) deutlich werden, daß das Funktionieren des gemeinschaftsrechtlichen
Verbrauchsteuersystems die Möglichkeit eines jederzeitigen
Zugriffs auf die verbrauchsteuerpflichtige Ware und damit die Kenntnis des
Ortes, wo sich die Ware befindet, voraussetzt. So wird in der Begründung zur
Richtlinie ausdrücklich festgestellt: „Die Durchsetzung des Steueranspruchs
setzt ... eine Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren
voraus. Es ist deshalb ein Begleitpapier für diese Waren vorzusehen. ...
Jede Ware muß leicht identifizierbar sein.“
Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte
hat bisher noch keine einheitlichen Auslegungskriterien für die Begriffe
„Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren“ und „Überführung in den
freien Verkehr durch unrechtmäßige Entnahme aus dem Steueraussetzungsverfahren“
entwickelt. Während einerseits das FG Düsseldorf ein Entziehen
aus dem Steueraussetzungsverfahren immer dann für gegeben hält,
wenn dieses Verfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden ist (ZfZ
1998, 211), und somit auch dann, wenn bei einer zur Ausfuhr in das Außengebiet
im Steueraussetzungsverfahren bestimmten Ware aufgrund der Fälschung
des begleitenden Verwaltungsdokuments der Transportweg von abhanden
gekommenen Branntweinerzeugnissen nicht nachvollzogen werden
kann (ZfZ 2000, 242), wird andererseits nicht in jedem Fall der bloße Aus-
16 -
tausch von Begleitpapieren vor der Ausfuhr einer Ware als Entziehung aus
dem Steueraussetzungsverfahren angesehen (vgl. FG München ZfZ 2001,
246 und Urt. vom 12. September 2001 - 3 K 2464/98). Wieder andere legen
den Begriff des Entziehens im Sinne von § 143 BranntwMonG nach den zu
Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) entwickelten Grundsätzen aus (vgl. FG Hamburg,
Urt. vom 24. April 2001 - IV 285/98).
Allerdings gibt es zum zollrechtlichen Begriff „Entziehen aus der zollamtlichen
Überwachung“ (Art. 203 Abs. 1 ZK) eine gefestigte Rechtsprechung.
Danach ist zur Aufrechterhaltung der Kontrollmöglichkeit über Waren,
die sich im (zollrechtlichen) Versandverfahren befinden, grundsätzlich erforderlich,
daß diese nur in einer mit dem Versandverfahren zu vereinbarenden
Weise behandelt werden (BFH ZfZ 2000, 419). Steht die Behandlung des
Zollversandguts in keinem Zusammenhang mit dieser Beförderung, so gerät
es in der Regel außerhalb der Kontrolle im Rahmen der zollamtlichen Überwachung
und ist damit entzogen (BFHE 144, 311, 313). Maßgebliches Kriterium
für die Abgabenbefreiung in einem Versandverfahren ist die ständige
Kontrollmöglichkeit der Ware durch die für das Verfahren zuständigen Behörden.
Noch deutlicher wird das Erfordernis der jederzeitigen Kontrollmöglichkeit
für ein solches Versandverfahren in der Rechtsprechung des EuGH
zum Begriff des Entziehens aus zollamtlicher Überwachung: Mit Urteil des
EuGH vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-371/99 - Liberexim BV
(ZfZ 2002, 338), das insoweit auch auf die Entscheidung des EuGH in der
Rechtssache C-66/99 (D. Wandel, Slg. 2001, I-873) Bezug nimmt, ist der
Begriff der Entziehung so zu verstehen, „daß er jede Handlung oder Unterlassung
umfaßt, die dazu führt, daß die zuständige Zollbehörde auch nur
zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden
Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen
Prüfungen gehindert wird“ (Tz. 55), wobei es nicht erforderlich ist,
daß insoweit ein subjektives Element vorliegt (Tz. 61).
- 17 -
Auch wenn diese Rechtsprechung zum zollrechtlichen Entziehungstatbestand
nicht ohne weiteres auf die Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren
bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren übertragen werden
kann, so wird anhand einer systematischen Auslegung deutlich, daß den Begriffen
des Entziehens aus einem (zollrechtlichen) externen Versandverfahren
und des Entziehens aus einem Steueraussetzungsverfahren wegen der
Parallelität der Regelungen und ihrer inneren Verzahnung zumindest weitgehend
derselbe Bedeutungsgehalt zukommt.
Die Regelungssysteme des EG-Zollrechts und des EG-Verbrauchsteuerrechts
haben beide ihre Rechtsquellen im Europäischen Gemeinschaftsrecht
und dienen gemeinsam der Verwirklichung des Europäischen
Binnenmarktes (vgl. Art. 14 EG). Während das Europäische Zollrecht
seine Grundlage im Zollkodex (Verordnung Nr. 2913/92/EWG des Rates zur
Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) und der zugehörigen Durchführungsverordnung
Nr. 2454/93/EWG hat, ist das Verbrauchsteuerrecht in
der Europäischen Union durch die System-, Struktur- und Steuersatzrichtlinien
weitgehend harmonisiert; dabei sind die Steuerentstehungstatbestände
durch die Systemrichtlinie Nr. 92/12/EWG bereits im einzelnen einheitlich
festgelegt (Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3). Sowohl für das EG-Zollrecht als
auch parallel dazu für das EG-Verbrauchsteuerrecht sind die Kontrollen an
den Binnengrenzen zur Schaffung des Europäischen Binnenmarktes abgeschafft
worden; sie wurden durch gemeinsame Zoll- und harmonisierte Verbrauchsteuerregelungen
ersetzt (vgl. zum Verbrauchsteuerrecht Beermann
DStZ 1993, 257 ff., 291 ff.; Wolffgang in Lenz, EG-Vertrag 2. Aufl. Art. 93
Rdn. 27 ff.).
Beiden Rechtssystemen ist auch gemeinsam, daß Waren, die zum
Zwecke der Ausfuhr in einem Versandverfahren befördert werden, der zollamtlichen
Überwachung unterliegen (Zoll: externes Versandverfahren,
Art. 59 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Nr. 13 ZK, Art. 84 Abs. 1 lit. a, Art. 91 ZK; Verbrauchsteuern:
Steueraussetzungsverfahren, Art. 5 Abs. 2, Art. 15 Abs. 1
- 18 -
Systemrichtlinie 92/12/EWG i.V.m. § 209 AO). Die zollamtliche Überwachung
soll in diesen Fällen sicherstellen, daß für die Waren, wenn sie nicht bestimmungsgemäß
ausgeführt werden, die gesetzlichen Abgaben erhoben werden.
Wird eine verbrauchsteuerpflichtige Ware in einem zollrechtlichen
Nichterhebungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 lit. a) transportiert, dann befindet sie
sich automatisch auch unter Steueraussetzung (vgl. Art. 5 Abs. 2 Systemrichtlinie
92/12/EWG). Für den Fall der Einfuhr verweisen die Verbrauchsteuergesetze
sogar insgesamt auf die für Zölle geltenden Vorschriften (vgl. § 21
Abs. 2 UStG; § 147 Abs. 1 BranntwMonG; § 21 TabStG; § 13 KaffeeStG;
§ 23 MinöStG; § 13 Abs. 1 BierStG).
Sowohl mit dem zollrechtlichen Versandverfahren als auch mit dem
Steueraussetzungsverfahren werden Transporterleichterungen für Waren
normiert, die nicht im Gemeinschaftsgebiet in den freien Verkehr gelangen
sollen. Beide Verfahren können als Massenverfahren aber nur dann dauerhaft
funktionieren, ohne das Abgabensystem als solches zu gefährden, wenn
der Aufenthaltsort der in dem Versandverfahren beförderten Ware stets bekannt
ist. Nur dann ist nämlich sichergestellt, daß die anfallenden Abgaben
erhoben werden können, wenn die Ware aus dem Verfahren heraus einer
abgabepflichtigen Verwendung zugeführt wird. Solches kann aber dann nicht
mehr festgestellt werden, wenn die zuständigen staatlichen Stellen keine
Kenntnis mehr vom Aufenthaltsort der Ware haben. Deshalb ist das Steueraussetzungsverfahren
- ebenso wie das zollrechtliche externe Versandverfahren
- gekennzeichnet durch eine stattfindende zollamtliche Überwachung
bzw. Steueraufsicht (vgl. Schroer-Schallenberg in: Europäisches Forum für
Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (Hrsg.), Hemmnisse und
Sanktionen in der EU, S. 125).
Diese Parallelität und enge innere Verzahnung der beiden Regelungssysteme
ließe eine wesentlich unterschiedliche Auslegung des Begriffs der
Entziehung systemwidrig und nicht nachvollziehbar erscheinen. Bei der
Auslegung des Begriffs der Entziehung bzw. der Entnahme sind daher für die
- 19 -
zollrechtlichen und die verbrauchsteuerrechtlichen Versandverfahren weitgehend
dieselben Grundsätze zu beachten, insbesondere das Erfordernis einer
ständigen Kontrollierbarkeit der Waren als Voraussetzung für den Ausnahmefall
der Abgabenbefreiung. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist mit
Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, daß zollrechtlich eine Entziehung
vorliegt, wenn „die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu
einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung
der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert
wird“ (vgl. Urteil des EuGH in der Rechtssache C-66/99 - D. Wandel,
Slg. 2001, I-873, Tz. 55), jedenfalls immer dann ein Entziehen aus einem
Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn durch einen objektiven Verstoß
gegen die Regeln der Steueraussetzung eine auch nur vorübergehende Unterbrechung
der Steueraufsicht gegeben ist (so auch Reiche in Teichner/
Alexander/Reiche, MinöStG § 18 Rdn. 35). In einem solchen Fall ist
nämlich die Ware als in einem steuerrechtlich freien Verkehr befindlich anzusehen
(vgl. Reiche aaO Rdn. 33; Beermann aaO S. 292; Soyk ZfZ 1998, 2,
4 f. m. w. N.). Die nach der Systemrichtlinie 92/12/EWG erforderliche Kenntnis
der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist dann nicht
mehr gegeben.
Einer Vorlage an den EuGH zur Klärung des Begriffes der Entnahme
verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung
(Art. 6 Abs. 1 lit. a der Systemrichtlinie) in einem Vorabentscheidungsverfahren
(Art. 234 Abs. 3 EG) bedarf es hier nicht. Art. 234 EG hat
zum Ziel, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts
in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Dabei soll mit Abs. 3
des Art. 234 EG durch das Auslegungsmonopol des EuGH für Regelungen
des Gemeinschaftsrechts insbesondere verhindert werden, daß sich in einem
Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen
des Gemeinschaftsrechts nicht in Einklang steht (EuGH NJW 1983,
2751). Eine Vorlage an den EuGH ist daher nur dann entbehrlich, wenn im
konkreten Fall bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt
- 20 -
oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist,
daß kein vernünftiger Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt
(EuGH NJW 1983, 1257). Zwar hat der EuGH eine Auslegung des Begriffs
der Entziehung für das Steueraussetzungsverfahren bisher noch nicht vorgenommen.
Es besteht aber angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum
zollrechtlichen Begriff des Entziehens unter Berücksichtigung der Systematik
und der Entstehungsgeschichte der betroffenen Regelungsmaterien kein
ernsthafter Zweifel daran, daß der EuGH für den Begriff des Entziehens aus
dem Steueraussetzungsverfahren zur selben Auslegung wie für den zollrechtlichen
Begriff des Entziehens gelangen würde. Die gesicherte Rechtsprechung
des EuGH zum Begriff des Entziehens im Zollrecht, die der Senat
seiner Auslegung des Begriffs des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren
zugrundelegt, läßt neben der vom Senat vorgenommenen Auslegung
keine weiteren vernünftigerweise möglichen Auslegungen mehr zu.
Damit lag im Entfernen der begleitenden Verwaltungsdokumente von
der im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren beförderten Alkohollieferung
und der Ersetzung durch auf nicht verbrauchsteuerpflichtige Waren
lautende CMR-Frachtbriefe eine Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren
im Sinne des § 143 BranntwMonG. Für die zuständigen Behörden
war es ab diesem Zeitpunkt auch bei einer möglichen Kontrolle der Begleitpapiere
nicht mehr erkennbar, daß es sich bei der Ware um eine verbrauchsteuerpflichtige,
aber unversteuerte Ware handelt.
(bb) Der Einwand, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern könne dann
nicht gegeben sein, wenn der Nachweis erbracht sei, daß die Ware letztlich
tatsächlich noch ausgeführt worden sei, greift nicht durch. Entgegen der Ansicht
der Verteidigung steht die Tatsache der späteren Ausfuhr des Alkohols
der Annahme einer (vorher erfolgten) Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren
nicht entgegen. Wie dies bereits in den Begründungserwägungen
zur Systemrichtlinie 92/12/EWG zum Ausdruck kommt, sind Steueraussetzungsverfahren
sehr formelle Verfahren, die auf eine hinreichende
- 21 -
Kontrollmöglichkeit der in diesen Verfahren transportierten Erzeugnisse angewiesen
sind. Besteht diese Kontrollmöglichkeit für die zuständigen Steuerbehörden
nicht mehr, ist die Ware in den freien Verkehr gelangt und damit
der Besteuerungstatbestand erfüllt. Die Tatsache, daß Bewegungen dieser
verbrauchsteuerpflichtigen Ware über einen längeren Zeitraum ohne Kenntnis
der zuständigen Behörden vonstatten gegangen sind, steht mit den
Grundprinzipien des Steueraussetzungsverfahrens so im Widerspruch, daß
es für die Frage der Entziehung nicht darauf ankommen kann, ob die Ware
letztlich einer steuerfreien Verwendung zugeführt wird oder nicht bzw. ob das
mit dem Steueraussetzungsverfahren beabsichtigte Ziel der Ausfuhr noch
erreicht wird. Der Verstoß gegen die Vorschriften des innergemeinschaftlichen
Versandverfahrens ist auch so erheblich, daß er nicht lediglich als Verletzung
bloßer Ordnungsvorschriften angesehen werden kann. Entgegen
Schroer-Schallenberg (aaO S. 130 f.) liegt darin nicht lediglich ein Verfahrensverstoß
ohne steuerschuldrechtliche Konsequenzen. Das Steueraussetzungsverfahren
ist nämlich hier durch die Ausfuhr unter Vorlage falscher
Frachtpapiere überhaupt nicht abgeschlossen worden. Das Verfahren der
Steueraussetzung ist erst dann erledigt, wenn die Ausgangszollstelle bescheinigt,
daß die verbrauchsteuerpflichtigen Waren die Gemeinschaft verlassen
haben (Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Systemrichtlinie 92/12/EWG). Auch sind
die in § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG für den Fall des Entziehens normierten
Ausnahmen von der Steuerentstehung nicht gegeben. Der Alkohol
ist weder nachweislich untergegangen, noch an Personen im Steuergebiet
abgegeben worden, die zum Bezug von Erzeugnissen unter Steueraussetzung
berechtigt sind; ein dem Untergang nach § 143 Abs. 1 Satz 2 Branntw-
MonG gleichstehender Schwund liegt ebenfalls nicht vor. Etwas anderes ergibt
sich auch nicht aus der Vorschrift des § 143 Abs. 1 Satz 3 Branntw-
MonG, die keine tatbestandlichen Einschränkungen für die Fälle der Steuerentstehung
bei einer „echten“ Entziehung nach § 143 Abs. 1 Satz 1
BranntwMonG enthält, sondern im Gegenteil für bestimmte - hier nicht vorliegende
- Fallkonstellationen die Fiktion einer Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren
normiert.
- 22 -
Im übrigen muß die Frage, ob eine Entziehung gegeben ist, zum Zeitpunkt
einer möglichen Entziehung eindeutig zu klären sein. Ob eine Entziehung
vorliegt, kann damit nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis
(eventuelle tatsächliche Ausfuhr auf anderem als dem vorgesehenen Wege)
abhängig gemacht werden; die tatsächliche Ausfuhr führt auch nicht zu einem
automatischen nachträglichen Wegfall einer einmal entstandenen Verbrauchsteuer.
Wird die Ware letztlich doch noch ausgeführt, kann dies steuerschuldrechtlich
allenfalls - damit die Erhebung der Steuer für eine ausgeführte
Ware nicht einer ungewollten Sanktion gleichkommt (vgl. BFH
DStRE 2002, 54, 56) - für die Frage eines möglichen Erlasses der Steuer
(vgl. § 227 AO; Art. 239 ZK) und steuerstrafrechtlich nur für die Frage der
Strafzumessung von Bedeutung sein.
(2) Der Angeklagte Ha ist aufgrund des Besteuerungstatbestandes
§ 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der durch die
Entziehung anfallenden Branntweinsteuer geworden. Zwar hat der Angeklagte
die Entziehung nicht in eigener Person vorgenommen - vielmehr wurde
der Alkohol im Hamburger Hafen bereits mit den gefälschten CMRFrachtbriefen
angeliefert (vgl. UA S. 8) -; ihm ist aber die Entziehung des
Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren durch andere Mitglieder der
Organisation wie eigenes Tun zuzurechnen.
Das BranntwMonG definiert nicht, wer Verantwortlicher einer Entziehung
im Sinne des § 143 BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung
sein kann.
Eine ausdifferenzierte Regelung, wer bei einer Entziehung aus der
zollamtlichen Überwachung Zollschuldner wird, findet sich in Art. 203 Abs. 3
Zollkodex (ZK): Es sind dies nicht nur die Personen, welche die Ware der
zollamtlichen Überwachung entzogen haben (1. Spiegelstrich), sondern auch
diejenigen Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren
(2. Spiegelstrich) und sogar die Personen, welche die Ware in Besitz gehabt
- 23 -
haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erhalts der Ware wußten oder billigerweise
hätten wissen müssen, daß diese der zollamtlichen Überwachung entzogen
war (3. Spiegelstrich).
Diese Regelung kann allerdings nicht auf die Entziehung aus dem
Steueraussetzungsverfahren übertragen werden. Sie legt nämlich nicht fest,
wer als Entzieher anzusehen ist, sondern bestimmt lediglich, daß neben dem
Entzieher weitere Personen, z. B. Gehilfen, Steuerhehler, weitere Zollschuldner
werden. Eine solche Regelung enthält § 143 BranntwMonG nicht. Gegen
eine Regelungslücke insoweit und eine analoge Anwendung von Art. 203
Abs. 3 ZK spricht, daß beide Vorschriften etwa zum selben Zeitpunkt (1992)
Gesetz geworden sind, der Gesetzgeber jedoch unterschiedliche Regelungen
getroffen hat. Allenfalls kann aus der Regelung des Art. 203 Abs. 3 ZK
im Umkehrschluß geschlossen werden, daß bloße Gehilfen bei einer Entziehung
nicht selbst als Entzieher anzusehen sind.
Wer als Täter einer Entziehung anzusehen ist, muß damit sowohl für
§ 143 BranntwMonG als auch für Art. 203 Abs. 3 ZK nach allgemeinen
Grundsätzen bestimmt werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH (zur Entziehung aus zollamtlicher
Überwachung) ist Täter der Entziehungshandlung derjenige, der die Handlung
selbst ausführt, wie auch derjenige, der die Handlung veranlaßt, d.h. die
Tatherrschaft hat (vgl. BFHE 161, 266, 270; BFH ZfZ 2000, 419). Für die Bestimmung
der Täterschaft einer vorsätzlich herbeigeführten Entziehung im
Sinne von § 143 BranntwMonG sind damit die von der Rechtsprechung für
die Mittäterschaft bei einer Straftat entwickelten Grundsätze (vgl. oben) entsprechend
anzuwenden. Der Senat verkennt dabei nicht, daß es sich bei
§ 143 BranntwMonG um einen Steuerentstehungstatbestand und nicht um
einen Straftatbestand handelt: Erst wenn feststeht, daß der Steuertatbestand
erfüllt ist, ergeben sich im Sinne des § 370 AO strafrechtlich relevante steuerliche
Verhaltenspflichten (die Pflicht zur Abgabe einer Steueranmeldung).
- 24 -
Die Haftungsnorm des § 143 Abs. 4 Satz 2 BrannwMonG hat aber zumindest
für den Fall vorsätzlicher Entziehung einen deliktischen Charakter, was die
Heranziehung der Grundsätze über die Mittäterschaft rechtfertigt.
Danach ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts, den Angeklagten
Ha wegen seiner fast alleinigen Tatherrschaft über einen wesentlichen
Teil des Geschehensablaufes innerhalb einer arbeitsteilig und
konspirativ handelnden Schmuggelorganisation als Mittäter des gesamten
Alkoholschmuggels (siehe oben) und damit auch als Entzieher des Alkohols
aus dem Steueraussetzungsverfahren anzusehen, aus Rechtsgründen nicht
zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, daß der Alkohol bereits mit ausgetauschten
Frachtpapieren in Hamburg angeliefert wurde, als der eigentliche
Tatbeitrag des Angeklagten Ha erst einsetzte. Die Entziehung des
Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren war durch die bloße Auswechslung
der Frachtpapiere noch nicht so weit abgeschlossen, daß eine
Beteiligung des Angeklagten Ha an ihr nicht mehr möglich gewesen
wäre und seine Handlungen damit nur noch dem Absatz (§ 374 AO) einer
bereits dem Verfahren entzogenen Ware oder der Begünstigung (§ 257
StGB) anderer Personen hätten dienen können. Die Alkohollieferungen befanden
sich bis zur Umladung durch die Angeklagten Ha und R
noch in denselben Lkw, die in den ursprünglichen Versandpapieren als
Transportmittel angegeben waren, und waren, bis sie in den Machtbereich
der Angeklagten Ha und R gelangten, noch nicht zur Ruhe gekommen.
Erst durch die Überprüfung der „neuen“ Frachtpapiere auf ihre Eignung
zur Täuschung durch den Angeklagten Ha und die Umladung
der Alkoholladungen in Bahncontainer wurde die Entziehung des Alkohols
aus dem Steueraussetzungsverfahren endgültig abgeschlossen.
(3) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten damit als
Mittäter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO)
angesehen. Er hat nach Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren
als Steuerschuldner (§ 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG) in
- 25 -
bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch
der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation unterlassen,
gemäß § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG unverzüglich für die
entzogenen Erzeugnisse eine Steueranmeldung abzugeben. Auf diese Weise
konnte die Organisation den Alkohol ohne Belastung mit deutscher
Branntweinsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn absetzen.
c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, die Beweise zu würdigen.
Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung auf die Sachbeschwerde
nur unter dem Gesichtspunkt würdigen, ob sie Rechtsfehler enthält.
Dies ist dann der Fall, wenn die im Urteil mitgeteilten Überlegungen des
Tatrichters in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind oder sie gegen
Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstoßen (st. Rspr., vgl.
nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Solches ist hier nicht gegeben.
aa) Das Landgericht hat sich auf ausreichender Tatsachengrundlage
davon überzeugt, daß die in Hamburg umgeladenen Alkoholmengen mit dem
bei der Firma G in Frankreich geladenen Alkohol identisch waren.
Dieser Schluß ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Bei seiner
Überzeugungbildung durfte das Landgericht der Tatsache, daß die Lastzüge
während des Transportes nicht gewechselt wurden, hohes Gewicht beimessen
(UA S. 23). Die Strafkammer hat hierbei die Möglichkeit nicht verkannt,
daß eine Entladung des Alkohols und eine Beladung mit anderen Alkoholmengen
durchaus möglich gewesen wäre, hat aber diese - eher fernliegende
- Möglichkeit im Hinblick auf den erhöhten organisatorischen und finanziellen
Aufwand, das höhere Entdeckungsrisiko und die mangelnde Eignung zur
Verschleierung des Transportwegs bei Benutzung derselben Lastkraftwagen
als unwahrscheinlich angesehen. Auch die festgestellte Differenz in der Grädigkeit
des sichergestellten Alkohols von 0,3 % Vol. gegenüber den Herstellerangaben
hat das Landgericht in seine Erwägungen einbezogen. Nach
- 26 -
vertretbarer Ansicht der insoweit sachverständig beratenen Strafkammer liegt
die Abweichung im Rahmen der üblichen Toleranz, so daß von einer Meßdifferenz
auszugehen ist.
bb) Die Erwägungen, aufgrund derer das Landgericht zur Überzeugung
gelangt ist, daß der Austausch der Frachtpapiere noch nicht in Frankreich,
sondern erst in Deutschland erfolgt ist, begegnet ebenfalls keinen
durchgreifenden Bedenken.
Auch hier hat das Landgericht die Möglichkeit eines Austauschs bereits
in Frankreich oder in den Benelux-Staaten gesehen und erörtert (UA
S. 25). Wenn das Landgericht diese Möglichkeit dann aber unter Hinweis
darauf wieder verworfen hat, daß zum einen die tatsächlich gefahrene Route
nach Hamburg von der zu dem in den Frachtpapieren angegebenen Zielort
Frankfurt/Oder erst auf deutschem Hoheitsgebiet abzweigt, zum anderen die
verwendeten Tarnpapiere ausschließlich auf deutsche Tarnversender und
polnische Empfänger ausgestellt waren, die in Frankreich oder den Benelux-
Staaten Argwohn erweckt und zu einem höheren Risiko geführt hätten, ist
dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
cc) Im Ergebnis ohne durchgreifenden Rechtsfehler hat sich das
Landgericht auch davon überzeugt, daß der Angeklagte Ha zumindest
billigend in Kauf genommen hat, daß durch die vorgenommene Abwicklung
der Alkoholtransporte (auch) deutsche Verbrauchsteuer entstehen und durch
die Nichtanmeldung hinterzogen werden könnte.
(1) Der Angeklagte Ha hat sich eingelassen, er habe nicht an
die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der Frachtpapiere
durch auf Chemikalien lautende Fälschungen gedacht (UA S. 16, 24). Er
sei nur von einem Verstoß gegen polnische Zollformalitäten, die ihm egal
gewesen seien, ausgegangen und habe nicht geglaubt, sich in Deutschland
strafbar zu machen. Auch habe er nicht gewußt, daß der Alkohol bis Ham-
27 -
burg im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden sei. Der Pole, der
ihn beauftragt habe und dessen Namen er nicht nennen wolle, habe ihm erklärt,
es sei Ware im Freiverkehr, nicht aus einem Steuerlager.
Das Landgericht konnte sich von einer positiven Kenntnis des Angeklagten,
daß der Alkohol im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden
sei (UA S. 27), nicht überzeugen. Die Strafkammer sieht es jedoch als
erwiesen an, daß der Angeklagte den Transport im Steueraussetzungsverfahren,
die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der
Frachtpapiere und - ohne dies ausdrücklich zu erwähnen - seine Pflicht,
dann die Ware bei den Steuerbehörden anzumelden, zumindest billigend in
Kauf genommen hat.
(2) Die Erwägungen, aufgrund derer sich das Landgericht von einem
bedingten Tatvorsatz des Angeklagten Ha überzeugt hat, lassen keinen
durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen.
Der Eintritt einer Steuerverkürzung ist Tatbestandsmerkmal des § 370
AO. Damit setzt auch die innere Tatseite der Steuerhinterziehung voraus,
daß der Täter den angegriffenen Steueranspruch dem Grunde nach kennt
und dessen Höhe zumindest für möglich hält (BGH wistra 1989, 263; 1990,
193, 194; 1995, 191; 1998, 225, 226). Einer genauen Kenntnis der steuerlichen
Vorschriften bedarf es insoweit nicht (BGH wistra 1998, 225, 226).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind entlastende
Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit
es keine (ausreichenden) Beweise gibt, nicht ohne weiteres den Urteilsfeststellungen
als unwiderlegbar zugrundezulegen. Vielmehr muß der Tatrichter
auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese
Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (BGHSt
34, 29, 34; BGH wistra 1998, 225, 226). Dies gilt im besonderen Maße bei
der Behauptung eines dem Angeklagten günstigen inneren Vorgangs, ohne
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daß objektivierbare Tatsachen, in denen die angebliche innere Einstellung
einen erkennbaren Niederschlag gefunden hätte, deutlich würden (BGH wistra
1998, 225, 226; BGH, Urt. vom 7. September 1993 - 1 StR 325/93). Der
Tatrichter muß allerdings die vorhandenen Beweise einer erschöpfenden
Würdigung unterziehen und dabei auch äußere Umstände bei der Beurteilung
der subjektiven Seite mit heranziehen (vgl. BGH StPO § 261 Einlassung
5).
Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Wenn es mangels
konkreterer Anhaltspunkte im wesentlichen auf die Umstände der Beauftragung
des Angeklagten in Verbindung mit seinen langjährigen beruflichen Erfahrungen
als selbständiger Vollkaufmann im Exportgeschäft mit den dort
bestehenden Regeln und Usancen abstellt und deshalb die Einlassung des
Angeklagten für widerlegt hält, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Das
Landgericht durfte dabei auch den naheliegenden Schluß ziehen, daß der
von dem Angeklagten angegebene Zweck seines Tuns, der Verkauf des Alkohols
auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn, wegen der hohen
Verbrauchsteuern mit in der Europäischen Union versteuertem Alkohol nicht
zu erreichen gewesen wäre.
(3) Ein durchgreifender Rechtsfehler ergibt sich auch nicht aus der
Erwägung des Landgerichts, daß die Angeklagten selbst dann vorsätzlich
gehandelt hätten, wenn sie zu Unrecht davon ausgegangen sein sollten, der
Austausch fände in Frankreich statt (UA S. 29).
Das Landgericht ist der Ansicht, daß in diesem Fall eine Verkürzung
französischer Steuern vorliege; eine wesentliche Abweichung des tatsächlichen
vom vorgestellten Kausalverlauf sei dennoch nicht gegeben, weil es
sich bei der tatsächlich verkürzten deutschen Branntweinsteuer um eine
harmonisierte Verbrauchsteuer handele, die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen
Gemeinschaft in gleicher Weise erhoben werde. Die Verkürzung
der einem anderen Mitgliedstaat zustehenden Verbrauchsteuer sei gemäß
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§ 370 Abs. 6 Satz 2 AO auch in Deutschland strafbar. Daß eine Verfolgung in
Deutschland mangels der hierfür nach § 370 Abs. 6 Sätze 3 und 4 AO erforderlichen
Rechtsverordnung und des daraus resultierenden Verfahrenshindernisses
derzeit ausgeschlossen ist, sei für den Vorsatz unerheblich.
Diese Erwägung gefährdet den Schuldspruch nicht, da sie sich lediglich
mit den Auswirkungen eines vom Gericht letztlich nicht auszuschließenden
Irrtums über einen Umstand befaßt, der kein Merkmal betrifft, das zum
gesetzlichen Tatbestand gehört.
Maßgebliches subjektives Tatbestandsmerkmal des § 370 AO ist der
Vorsatz, Steuern zu hinterziehen. Durch seine mittäterschaftliche Beteiligung
am gesamten den Alkoholschmuggel von Frankreich nach Polen betreffenden
Gesamtgeschehen ist der Angeklagte aber unabhängig davon, ob der
Austausch der Frachtpapiere in Deutschland oder in Frankreich erfolgt ist,
Steuerschuldner deutscher Branntweinsteuer geworden.
Ist der Austausch der Frachtdokumente - wie vom Landgericht festgestellt
- erst in Deutschland erfolgt, ist der Angeklagte gemäß § 143 Abs. 4
Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der entstandenen Branntweinsteuer
geworden.
Wäre der Austausch aber bereits in Frankreich vorgenommen worden,
dann wäre ebenfalls deutsche Branntweinsteuer entstanden und der Angeklagte
insoweit Steuerschuldner geworden. Zwar wäre durch eine Entziehung
des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in Frankreich zunächst
französische Branntweinsteuer angefallen, die der Angeklagte hätte anmelden
müssen. Zusätzlich wäre aber durch Weiterbeförderung des Alkohols
nach Deutschland gemäß § 144 Abs. 2 BranntwMonG auch noch deutsche
Branntweinsteuer entstanden, die der Angeklagte ebenfalls hätte anmelden
und abführen müssen. Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer
nämlich auch dadurch, daß Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu ge-
30 -
werblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden, nachdem sie
aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in das Steuergebiet Deutschlands
verbracht worden sind. Dieser Fall läge hier dann vor, weil der Alkohol
nach Austausch der Frachtpapiere in Frankreich und der Entziehung aus
dem Steueraussetzungsverfahren bereits in Frankreich in den freien Verkehr
gelangt wäre. Indem der Angeklagte den Alkohol in Hamburg umladen ließ,
um ihn nach Polen zur Veräußerung auf dem Schwarzmarkt weiterzuversenden,
hat er den Alkohol nach dem Verbringen nach Deutschland erstmals im
Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten. Die Pflicht, unverzüglich
eine Steueranmeldung abzugeben, ergibt sich in diesem Fall aus
§ 144 Abs. 4 Satz 1 BranntwMonG. Die entstandene französische Verbrauchsteuer
würde dann wieder erlassen werden (vgl. § 148 BranntwMonG
als entsprechende Regelung im deutschen Verbrauchsteuerrecht).
In jedem Fall ist damit - unabhängig vom Ort des Austauschs der
Frachtpapiere - durch das Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang
mit der Entfernung der begleitenden Verwaltungsdokumente und der Umladung
des Alkohols in Bahncontainer deutsche Branntweinsteuer entstanden.
Der Ort des Austauschs der Frachtpapiere hätte für den Vorsatz,
deutsche Steuern zu hinterziehen nur dann Bedeutung gehabt, wenn der
Angeklagte der Ansicht gewesen wäre, er würde nur französische aber keine
deutschen Verbrauchsteuern hinterziehen. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte.
Nicht einmal der Angeklagte selbst hat dies behauptet, sondern
angegeben, überhaupt nicht an das Entstehen von Verbrauchsteuern gedacht
zu haben. Dies hat das Landgericht mit tragfähigen Erwägungen widerlegt
und hinreichend deutlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht,
daß der Angeklagte aus Gewinnstreben (UA S. 27) billigend in Kauf genommen
hat, (auch) deutsche Verbrauchsteuer zu hinterziehen, damit das Gesamtunternehmen
der Schmuggelorganisation erfolgreich durchgeführt werden
kann.
- 31 -
2. Revision des Angeklagten R
a) Die Verfahrensrügen entsprechen weitgehend nicht den Anforderungen
des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig. Der Erörterung
bedarf lediglich folgendes:
Mit Recht rügt die Revision, daß das Landgericht den Inhalt einer verlesenen
Urkunde im Urteil unrichtig gewürdigt und damit gegen die Vorschrift
des § 261 StPO verstoßen hat (vgl. BGH NStZ 1997, 294). Das Landgericht
ist im Urteil davon ausgegangen, daß auch im Fall des verlesenen Urteils
des Landgerichts Nürnberg-Fürth der Alkoholschmuggel über die deutschpolnische
Grenze erfolgt sei (UA S. 25), obwohl es sich dort um die deutschtschechische
Grenze handelte.
Auf diesem Fehler beruht das Urteil indes nicht, weil das Landgericht
den Inhalt des verlesenen Urteils nicht zu Beweiszwecken verwertet, sondern
mit dem Hinweis auf die Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren lediglich
das bereits getroffene Beweisergebnis bestätigt hat. Im übrigen ist nicht ersichtlich,
weshalb im Hinblick auf das vorliegende Verfahren den Abläufen
bei einem Alkoholschmuggel nach Tschechien ein minderer Indizwert als bei
einem solchen nach Polen zukommen soll. In beiden Fällen geht es um ein
„Durchschmuggeln“ durch die Bundesrepublik Deutschland.
b) Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten
R wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1
Nr. 2 AO) in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Die
Ausführungen zu diesen Taten beim Angeklagten Ha gelten für den
Angeklagten R entsprechend.
Das Landgericht hat auch den Angeklagten R als Mittäter angesehen
und nicht nur als Gehilfen des Angeklagten Ha . Diese aufgrund
einer Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommene - und nur einge-
32 -
schränkt überprüfbare (vgl. BGH NJW 1997, 3385, 3387) - Wertung bei der
Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Zwar wurde der Angeklagte R erst von dem Mitangeklagten
Ha zur gemeinsamen Abwicklung der in dessen Aufgabenbereich fallenden
Umladung der Alkoholtransporte in Hamburg gewonnen und nahm
innerhalb der Schmuggelorganisation eine deutlich niedrigere Stellung als
der Angeklagte Ha ein. Auch lag die Entlohnung des Angeklagten
R für seine Mitwirkung nicht unerheblich unter der der Mitangeklagten
Ha und T . Trotzdem durfte das Landgericht entscheidend auf
die dennoch bestehende erhebliche Tatherrschaft des Angeklagten R
über bedeutsame Teile des gesamten Tatgeschehens abstellen und ihn deshalb
als Mittäter ansehen. Die Umladung der Alkoholladungen in den Fällen
1 bis 4 der Urteilsgründe fand auf dem Gelände der Lagerei Sch
und unter Kontrolle des Angeklagten R statt, der Geschäftsführer
dieser Firma war. Des weiteren hatte er eigenverantwortlich
den Kontakt zur Firma I hergestellt und aufrechterhalten, welche zu
Verschleierungszwecken mit der Umladung beauftragt worden war. Nur über
den Angeklagten R , der insoweit eine Schlüsselstellung innehatte, war
es auch dem Angeklagten Ha möglich, die Containernummern zu erfragen,
welche die Hintermänner in Polen unbedingt benötigten, um die
Container mit dem Alkohol in Empfang nehmen zu können.
c) Die Beweiswürdigung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern; es gilt
das zum Angeklagten Ha Gesagte entsprechend. Der Angeklagte
R hat sich darauf berufen, daß er ausschließlich daran gedacht habe,
daß ein polnisches Einfuhrverbot umgangen werden sollte. Er sei zu einer
Mitarbeit nur unter der Bedingung bereit gewesen, daß versteuerter Alkohol
umgeladen werde (UA S. 17). Insbesondere im Hinblick auf die ebenfalls
langjährige Erfahrung des Angeklagten im Exportgeschäft als Geschäftsfüh-
33 -
rer einer Lagerei im Hamburger Hafen brauchte das Landgericht diese Einlassung
nicht zu glauben.
3. Revision des Angeklagten T
a) Die erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
aa) Die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts
Berlin (§ 338 Nr. 4 StPO) ist unbegründet. Hinsichtlich des Angeklagten T
war der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3, 13 StPO) gegeben.
Nach § 13 StPO ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet,
das auch nur für eine der dem Angeklagten zur Last gelegten, gemäß § 3
StPO zusammenhängenden Straftaten örtlich zuständig ist (vgl. BGHR StPO
§ 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Dabei liegt ein sachlicher Zusammenhang
bei einer strafbaren, in dieselbe Richtung zielenden Mitwirkung an einer
Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO vor (BGHSt 38, 376, 379). Bei der Prüfung
des Zusammenhangs kommt es auf die tatsächliche Annahme an, die
den Anschuldigungen bei Erhebung der Anklage und bei Eröffnung des
Hauptverfahrens zugrunde liegt, und nicht auf die Feststellungen, die als Ergebnis
des durchgeführten Hauptverfahrens getroffen worden sind (vgl.
BGHSt 18, 238, 239; BGHR aaO).
Zum hierbei maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens vor
dem Landgericht (vgl. BGHSt 18, 238, 239) bestand für die Fälle 3 bis 17 der
Anklage wegen des Vorwurfes gemeinschaftlichen Handelns ein sachlicher
Zusammenhang mit den den Angeklagten Ha und R zur Last
liegenden Taten. Im Fall 2 der Anklage bestand wiederum ein sachlicher Zusammenhang
der Taten der der Mittäterschaft beschuldigten Angeklagten
Ha , R und Du . Da der frühere Mitangeklagte Du seinen
Wohnsitz in Berlin hatte und damit für ihn der Gerichtsstand des Wohnsitzes
- 34 -
gegeben war (§ 8 Abs. 1 StPO), war für sämtliche dem Angeklagten T
zur Last liegenden Taten der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3,
13 StPO) gegeben.
Die Tatsache, daß das Verfahren gegen den Angeklagten Du später
abgetrennt wurde, läßt die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin nicht
wieder entfallen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Eine
Zuständigkeit, die durch die Verbindung zusammenhängender Strafsachen
geschaffen worden ist, bleibt auch dann bestehen, wenn der Grund der Verbindung
nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegfällt (BGHSt 16, 391, 393).
Der Angeklagte T kann im Revisionsverfahren nicht damit gehört
werden, daß hinsichtlich des Falles 2 bei Eröffnung des Verfahrens kein
hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Soweit das Kammergericht das
Verfahren eröffnet hat, ist dies nicht anfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO). Anhaltspunkte
dafür, daß bei der Anklageerhebung ein willkürlich erhobener
Tatvorwurf dazu benutzt werden sollte, einen Gerichtsstand des Zusammenhangs
zu begründen, sind nicht ersichtlich.
bb) Die gegen die Ablehnung der vier am 1. Juni 2001 gestellten Hilfsbeweisanträge
erhobenen Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch. Die
vom Landgericht zur Begründung der Ablehnung dieser Anträge auf Vernehmung
von Zeugen dargelegten Erwägungen können aus Rechtsgründen
nicht beanstandet werden. Mit ihrem Versuch, Wertungen des Tatrichters
durch eigene zu ersetzen, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf.
cc) Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 5 StPO ist unbegründet.
Das Landgericht hat den Angeklagten T und seinen Verteidiger
durch Beschluß für die Hauptverhandlungstermine am 9. und 13. Februar
2001 beurlaubt. Der Verteidiger des Angeklagten blieb daraufhin an diesen
Tagen von der Hauptverhandlung fern. Die Beurlaubung war gesetzlich
nur zulässig, wenn und soweit der Angeklagte von der Hauptverhandlung an
- 35 -
diesen Verhandlungstagen „nicht betroffen“ war (§ 231c Satz 1 StPO). An die
Grenzen, die ihm durch diese Voraussetzung gezogen waren, hat sich das
Landgericht gehalten. Es ging am 9. Februar 2001 nicht um einen für den
Beschwerdeführer wesentlichen Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGHR StPO
§ 338 Nr. 5 Angeklagter 17; BGH, Beschl. vom 24. Januar 1995
- 1 StR 744/94 m. w. N.). Dies gilt auch für den 13. Februar 2001, an welchem
allein die strafrechtlichen Vorbelastungen eines Mitangeklagten behandelt
wurden. Da mithin die Anwesenheit des Angeklagten an den genannten
Verhandlungstagen nicht geboten war, kommt es nicht darauf an,
daß er an diesen Tagen nicht verteidigt war.
dd) Die Rüge der Verletzung des § 229 StPO greift ebenfalls nicht
durch. Die Freistellung des Angeklagten und seines Verteidigers nach § 231c
StPO von der im übrigen fortgeführten Hauptverhandlung stellt keine Unterbrechung
der Hauptverhandlung im Sinne von § 229 StPO dar; dessen zeitliche
Beschränkungen gelten für die Beurlaubung nach § 231c StPO nicht
(vgl. Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 231c Rdn. 15; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg
25. Aufl. § 231c Rdn. 18).
ee) Im übrigen sind die Formalrügen nicht in der von § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO geforderten Form erhoben und damit unzulässig.
b) Die Urteilsfeststellungen tragen auch bei dem Angeklagten T
den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370
Abs. 1 Nr. 2 AO). Daß das Landgericht ihn nicht zugleich wegen jeweils tateinheitlich
begangener Urkundenfälschung verurteilt hat, beschwert den Angeklagten
nicht.
aa) Obwohl der Angeklagte zu einem großen Teil im Ausland gehandelt
hat, sind die Taten im Inland begangen worden (vgl. § 3 StGB), weil die
Steueranmeldungen für den dem Steueraussetzungsverfahren entzogenen
Alkohol in Deutschland vorzunehmen gewesen wären (§ 9 Abs. 1 StGB).
- 36 -
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch den Angeklagten
T als Mittäter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen angesehen,
weil es für das Gelingen des gemeinsamen Tatplans, den Alkohol ohne
Belastung mit deutscher Verbrauchsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt
abzusetzen, erforderlich war, daß keiner der an dem „Alkoholschmuggel“
beteiligten Personen eine Steueranmeldung abgab.
Der Angeklagte konnte Täter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen
sein (vgl. hierzu BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1), weil er zur Abgabe
einer Steueranmeldung selbst verpflichtet war (§ 143 Abs. 4 Satz 3
BranntwMonG).
Zwar hat das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen, daß
der Angeklagte T an der Entziehung des Alkohols aus dem innergemeinschaftlichen
Steuerversandverfahren unmittelbar persönlich mitgewirkt
hat. Das Landgericht durfte aber die auf einem gemeinsamen Tatplan beruhenden
Handlungen der anderen Mitglieder der Schmuggelorganisation während
der Alkoholtransporte dem Angeklagten wie eigenes Handeln zurechnen
und ihn selbst als „Entzieher“ im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2
BranntwMonG behandeln. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen,
daß das Landgericht in wertender Betrachtung zu dem Ergebnis gelangt
ist, seine Handlungen nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als
Teil der Tätigkeit aller anzusehen, und dementsprechend die Handlungen der
anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils zu bewerten (vgl. BGHR
StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2). Der Angeklagte, der für seine Tatbeteiligung
wie der Angeklagte Ha pro Transport einen Betrag von
3.000 DM erhielt, hatte maßgeblichen Einfluß auf die Durchführung der Alkoholtransporte,
die ohne ihn in der durchgeführten Weise nicht hätten stattfinden
können. Es fiel innerhalb der Schmuggelorganisation in seinen alleinigen
Zuständigkeitsbereich, geeignete Lieferanten für entsprechende Alkoholmengen
ausfindig zu machen, den Einkauf vorzunehmen einschließlich der
Preisverhandlungen und schließlich durch eigenhändige Sicherstellung der
- 37 -
Bezahlung den Zeitpunkt der Alkoholtransporte mitzubestimmen. Die Tatsache,
daß er damit bezüglich des späteren Entziehens nur eine Vorbereitungshandlung
vorgenommen hat, steht der Annahme von Mittäterschaft
nicht entgegen (vgl. BGHSt 40, 299, 301).
c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe aus Gefälligkeit für seinen
Bruder P T , der in Polen ein In- und Exportgeschäft für Feinsprit
betrieben habe, neue Lieferanten gesucht. Dabei sei er davon ausgegangen,
daß der Alkohol nicht für Polen bestimmt sei, ohne aber zu wissen
für wen. Um den Transport selbst habe er sich nicht gekümmert; das Steueraussetzungsverfahren
und die Bedeutung der begleitenden Verwaltungsdokumente
seien ihm unbekannt gewesen. Einen falschen Paß auf den Namen
F habe er auf Vorschlag seines Bruders nur deswegen verwendet, damit
es keine Schwierigkeiten mit den alten Lieferanten gebe (UA S. 17 f.).
Das Landgericht war nicht gehalten, diese entlastenden Angaben des
Angeklagten, für die es keinerlei Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne
weiteres als unwiderlegbar zugrundezulegen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH
wistra 1998, 225, 226). Ohne Rechtsfehler hat es in einer erschöpfenden
Würdigung der vorhandenen Beweise die Einlassung des Angeklagten T
für widerlegt angesehen und seinen Tatvorsatz bejaht. Hierbei durfte
sich das Landgericht hinsichtlich seiner Kenntnisse über das Steueraussetzungsverfahren
insbesondere auf die Angaben der im internationalen Handel
mit Alkohol tätigen Zeugen W , Ri und M stützen, die übereinstimmend
angegeben haben, den Angeklagten für einen im Handel mit Feinsprit
erfahrenen Geschäftsmann gehalten zu haben (UA S. 25). Ergänzend
konnte es die Angaben des Zeugen P heranziehen, daß der Angeklagte
T bei Alkoholgeschäften mit ihm die begleitenden Verwaltungsdokumente
jeweils selbst zurückgebracht habe und - unter Berufung auf den für
das vorliegende Verfahren nicht zur Verfügung stehenden Zeugen K - die
- 38 -
zollrechtliche Abwicklung am Grenzzollamt Frankfurt/Oder selbst vorgenommen
habe (UA S. 26). Hinzu kommt sein konspiratives Auftreten unter falschem
Namen und sein Kontakt zur Tarn-Empfängerfirma „V “ in der
Ukraine.
III.
Die angefochtenen Urteile können jedoch bei allen Angeklagten zum
Strafausspruch keinen Bestand haben.
1. Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters.
Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler
vorliegt, z. B. weil der Tatrichter rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht
läßt oder weil sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung
löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 29,
319, 320; 34, 345, 349). Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist
hingegen ausgeschlossen (BGH aaO).
2. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, daß das Landgericht die Höhe der
jeweils hinterzogenen Branntweinsteuer strafschärfend berücksichtigt hat.
Durch die Taten der Angeklagten sind trotz der letztlich erfolgten Ausfuhr
tatsächlich und nicht nur theoretisch Verbrauchsteuern verkürzt worden.
Sind aber verkürzte Steuerforderungen des deutschen Steuerfiskus
nur aus formalen Gründen entstanden, ist dies bei der Strafzumessung im
Hinblick auf die verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 Satz 2
StGB) in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung zu berücksichtigen (vgl. BGH
StV 2000, 497). Im europäischen Verbrauchsteuersystem soll grundsätzlich
nur der Verbrauch von Waren im Steuergebiet der Europäischen Gemeinschaft
besteuert werden; Ausfuhren sind daher regelmäßig steuerbefreit
(§ 142 BranntwMonG). Somit war hier erheblich zugunsten des Angeklagten
zu berücksichtigen, daß keine Branntweinsteuer angefallen wäre, wenn der
- 39 -
Alkohol nicht heimlich und falsch deklariert, sondern ordnungsgemäß in dem
dafür vorgesehenen innergemeinschaftlichen Versandverfahren unter Steueraussetzung
(§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; § 142 BranntwMonG) ausgeführt
worden wäre. Die Erhebung der Branntweinsteuer kommt in einem solchen
Fall einer systemwidrigen Sanktion gleich, weil die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf
des Steuergebiets eingegangen sind (vgl. BFH DStRE 2002,
54, 56).
Diese Umstände sowie die Tatsache, daß der Alkohol zu keinem Zeitpunkt
im Verbrauchsteuergebiet in den wirtschaftlichen Verkehr gelangt ist,
hat das Landgericht ausdrücklich zugunsten der Angeklagten berücksichtigt.
Es hat auch gerade mit Hinweis darauf, daß dem Steuerfiskus im Vergleich
mit der vorgesehenen Ausfuhr im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren
kein wirtschaftlicher Nachteil eingetreten ist (vgl. auch BGH wistra
2001, 216, 217), trotz der hohen Hinterziehungsbeträge einen besonders
schweren Fall der Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO verneint.
3. Das Landgericht hat jedoch einen wesentlichen Strafzumessungsgrund
nicht erörtert, der sich zugunsten der Angeklagten auswirken könnte:
Die Angeklagten sind „Entzieher“ im Sinne des § 143 Abs. 4 Satz 2
BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen,
weil sie als „weitere“ Steuerschuldner selbst eine Steueranmeldung abzugeben
hatten. Damit haften sie persönlich gemäß § 71 AO als Gesamtschuldner
mit anderen - zum Großteil im Ausland befindlichen - Steuerschuldnern
für die gesamte entstandene Branntweinsteuer in Höhe von mehr
als 7,7 Mio. DM und müssen auch mit ihrer Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung
rechnen. Das Landgericht hätte den Umstand dieser Haftung
vor dem Hintergrund nicht unerörtert lassen dürfen, daß die Angeklagten im
Gesamtgeschehen nur eine untergeordnete Rolle spielten und an dem wirtschaftlichen
Erfolg der Taten nur im geringen Umfang beteiligt waren. Bei
- 40 -
ihnen handelte es sich nach den Urteilsfeststellungen nicht um die führenden
Mitglieder der Schmuggelorganisation; sie wurden entsprechend ihrer Rolle
in der Organisation am Taterfolg nur mit einer geringen Entlohnung von wenigen
tausend DM beteiligt. Die Angeklagten wurden daher durch die steuerliche
Haftung für die gesamte entstehende Verbrauchsteuer erheblich stärker
belastet, als es ihrer Rolle im Tatgeschehen und ihrer wirtschaftlichen Beteiligung
am Taterfolg entsprach. Der Senat kann nicht ausschließen, daß unter
Bedacht auf diesen gewichtigen Gesichtspunkt eine den Angeklagten günstigere
Sanktion verhängt worden wäre. Dies führt zur Aufhebung des gegen
die Angeklagten jeweils verhängten gesamten Strafausspruchs.
Harms Häger Gerhardt
Raum Schaal



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