BGH,
Urt. v. 24.10.2007 - 1 StR 160/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 160/07
vom
24.10.2007
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja (nur I.1 a, 2 a, 3, II.1)
Veröffentlichung: ja
________________________________________
StGB § 266a, SGB IV § 5 Abs. 1, § 6
Zur Anwendbarkeit von § 266a StGB bei Vorliegen einer
Entsendebescheinigung auf Grund eines bilateralen
Sozialversicherungsabkommens, hier: Bescheinigung "D/H 101" auf Grund
des zwischenstaatlichen Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit
vom 2. Mai 1998 (in Fortführung von BGHSt 51, 124).
BGH, Urt. vom 24. Oktober 2007 - 1 StR 160/07 - LG Landshut
in der Strafsache
gegen
- 2 -
wegen Einschleusens von Ausländern u.a.
- 3 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24.
Oktober 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Landshut vom 4. Dezember 2006 wird
a) das Verfahren hinsichtlich der unter VI.I des Urteils festgestellten
Taten (Überlassen von Leiharbeitnehmern ohne Genehmigung nach
dem AÜG) eingestellt; im Umfang der Einstellung hat die
Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des
Angeklagten zu tragen,
b) im Übrigen das Urteil, soweit der Angeklagte freigesprochen
worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von
Ausländern in zwei Fällen zur Gesamtgeldstrafe von
150 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Von den
Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeits-
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entgelt (§ 266a Abs. 1 StGB), des - weiteren -
gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern
(§ 92 Abs. 2 Nr. 2, § 92a Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr.
1 AuslG aF) und des Überlassens ausländischer
Leiharbeitnehmer ohne Genehmigung (§ 15 Abs. 1 AÜG)
hat es ihn freigesprochen.
2
Gegen den Teilfreispruch richtet sich die Revision der
Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts
rügt. Im Hinblick auf die Vorwürfe des
Überlassens ausländischer Leiharbeitnehmer ohne
Genehmigung begehrt sie die Einstellung des Verfahrens, da deswegen die
Auslieferung des Angeklagten nicht erfolgt und auf die
Spezialität nicht verzichtet worden sei. Im Übrigen
beantragt sie Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der
Sache. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
1. Das Landgericht hat festgestellt:
3
Der Angeklagte war angestellter Geschäftsführer der
V. mit Sitz in Darmstadt, die im Handelsregister als
unselbständige Zweigniederlassung der V. mit Hauptsitz in
Ungarn eingetragen war (fortan: Firma V. ). In Ungarn unterhielt das
Unternehmen nur ein Büro, das einzig zur Anwerbung von
Personal und zur Durchführung administrativer
Tätigkeiten für die vorwiegend in Deutschland zu
erbringenden Arbeitsleistungen genutzt wurde.
4
a) Zu den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt:
5
Der Angeklagte schloss für die Firma V. Werkverträge
mit verschiedenen deutschen Unternehmen ab, wonach die Firma V.
für diese jeweils als Subunternehmerin tätig werden
sollte. Vor dem Hintergrund der Verträge
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- 6 -
wurden ungarische Arbeitnehmer der Firma V. bei den deutschen
Unternehmen eingesetzt, für die der Angeklagte den
sozialversicherungsrechtlichen Ausnahmetatbestand der Entsendung nach
dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Ungarn vom 2. Mai 1998 in Anspruch nahm. Der "einzige
Geschäftszweck" der Firma V. bestand darin, Arbeitnehmer
für die vermeintliche Entsendung anzuwerben und sie den
deutschen Unternehmen zu überlassen. Sie war weder imstande,
die werkvertraglich geschuldeten Leistungen eigenverantwortlich zu
planen, durchzuführen und zu überwachen, noch die
angeworbenen Arbeitnehmer im Anschluss an die Tätigkeit in
Deutschland - mit Ausnahme eines etwaigen erneuten "Verleihs" - weiter
zu beschäftigen. Die nur "auf dem Papier geschlossenen
Werkverträge" waren "einzig und allein zu dem Zweck
geschlossen", die Entrichtung der Sozialversicherungsbeiträge
in Deutschland zu ersparen.
Sämtliche vom Angeklagten in Deutschland eingesetzten
Arbeitnehmer verfügten während ihrer
Tätigkeit über gültige
D/H-101-Bescheinigungen, denen zufolge die Arbeitnehmer nach Art. 7 des
vorbezeichneten Sozialversicherungsabkommens ausschließlich
dem ungarischen Sozialversicherungsrecht unterfielen. Diese
Bescheinigungen waren von der zuständigen ungarischen
Sozialversicherungsbehörde OEP ausgestellt worden.
Wären die Arbeitnehmer in Deutschland
sozialversicherungspflichtig gewesen, wären an die
Einzugsstellen für die Monate Juni 2000 bis März 2004
Arbeitnehmeranteile von insgesamt 358.327,12 €
abzuführen gewesen. Ob für die Arbeitnehmer in Ungarn
Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, ist nicht
festgestellt.
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b) Zu den Vorwürfen des gewerbsmäßigen
Einschleusens von Ausländern:
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- 7 -
Auf Anweisung oder unter Mitwirkung des Angeklagten wurden dem
Landesarbeitsamt Hessen die mit den deutschen Unternehmen
abgeschlossenen Werkverträge sowie die D/H-101-Bescheinigungen
mitgeteilt und für die ungarischen Arbeitnehmer sog.
Zusicherungsbescheide beantragt. In diesen - daraufhin erlassenen -
Bescheiden wurde die spätere Erteilung von entsprechenden
Arbeitserlaubnissen zugesichert. Unter Vorlage der von den ungarischen
Behörden ausgestellten Unterlagen, insbesondere den
D/H-101-Bescheinigungen, und den Zusicherungsbescheiden wurden bei der
deutschen Botschaft in Budapest für die Arbeitnehmer Visa
beantragt, die in der Folgezeit auch erteilt wurden. Mit den Visa
reisten die Arbeitnehmer in das Bundesgebiet ein, wo ihnen die
zuständigen Arbeitsämter auf entsprechende
Anträge Arbeitserlaubnisse ausstellten.
9
Nach Ablauf der zunächst auf drei Monate begrenzten
Gültigkeit der Visa wurden sodann bei den deutschen
Ausländerbehörden auf Veranlassung des Angeklagten
entsprechende Aufenthaltsbewilligungen beantragt. Mit diesen
Anträgen wurden jeweils das für den Arbeitnehmer
ursprünglich erteilte Visum, die D/H-101-Bescheinigung sowie
die ihm erteilte Arbeitserlaubnis vorgelegt. Die in den
Anträgen enthaltene Frage nach dem Arbeitgeber wurde jeweils
mit der ungarischen Firma beantwortet, die sich aus der entsprechenden
D/H-101-Bescheinigung ergab. Die Aufenthaltsbewilligungen wurden in der
Folgezeit antragsgemäß erteilt.
10
c) Zu den Vorwürfen des Überlassens
ausländischer Leiharbeitnehmer ohne Genehmigung:
11
Für die ungarischen Arbeitnehmer, welche die Firma V. den
deutschen Unternehmen überließ, lag keine Erlaubnis
nach § 1 AÜG vor. Dazu, ob
12
- 8 -
sie in die Betriebe der deutschen Unternehmen eingegliedert waren, hat
das Landgericht keine Feststellungen getroffen.
13
2. Das Landgericht hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen
freigesprochen.
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a) Eine Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 StGB hat es verneint, weil
die ungarischen Arbeitnehmer in Deutschland nicht
sozialversicherungspflichtig gewesen seien. Ihm sei die
Prüfung verwehrt, ob auf Grund der festgestellten Tatsachen
die Voraussetzungen einer zur inländischen
Versicherungsfreiheit führenden Entsendung vorgelegen
hätten. Denn das Landgericht hat den D/H-101-Bescheinigungen
insoweit Bindungswirkung zuerkannt. Die Grundsätze, die nach
der Senatsrechtsprechung für die innerhalb der
Europäischen Union verwendeten E-101-Bescheinigungen gelten
(vgl. BGHSt 51, 124), seien auf die D/H-101-Bescheinigungen auf der
Grundlage des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens vom 2.
Mai 1998 zu übertragen. Insbesondere die Zielsetzungen des
Abkommens seien nämlich mit denjenigen der - für die
Rechtslage in der Europäischen Union maßgeblichen -
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vergleichbar. Eine Ausnahme von der
Bindungswirkung wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen,
wenn die Ausstellung der Bescheinigungen auch nach ungarischem
Rechtsverständnis fehlerhaft gewesen wäre.
Hierfür bestünden jedoch keine Anhaltspunkte.
b) Der Angeklagte habe sich auch nicht nach
ausländerrechtlichen Strafvorschriften strafbar gemacht, da
die Angaben, die zur Erteilung von Visa und Aufenthaltsbewilligungen
für die ungarischen Arbeitnehmer geführt
hätten, nicht im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF
unrichtig oder unvollständig gewesen seien. Den mit den
Anträgen vorgelegten D/H-101-Bescheinigungen komme
15
- 9 -
auch insoweit Bindungswirkung zu. Im Hinblick auf eine Entsendung seien
weitergehende Erklärungen indessen nicht abgegeben worden. So
habe das Antragsformular für die Aufenthaltsbewilligungen eine
Frage nach den Entsendevoraussetzungen nicht enthalten; die Frage nach
dem Arbeitgeber hätte jeweils mit der - sich aus der bindenden
D/H-101-Bescheinigung ergebenden - ungarischen Firma beantwortet werden
dürfen.
c) Schließlich hat die Wirtschaftsstrafkammer eine
Strafbarkeit wegen Überlassens ausländischer
Leiharbeitnehmer ohne Genehmigung nach § 15 Abs. 1
AÜG verneint, da die ungarischen Arbeitnehmer sowohl
über eine gültige Arbeitserlaubnis als auch
über einen gültigen Aufenthaltstitel
verfügten. Darauf, ob die Arbeitnehmer in den Betrieb des
jeweiligen deutschen Unternehmens eingegliedert waren, komme es daher
nicht an.
16
3. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass das Landgericht
den D/H-101-Bescheinigungen Bindungswirkung zuerkannt hat. Sie macht
geltend, die Grundsätze, die nach der Senatsrechtsprechung
für E-101-Bescheinigungen gelten (vgl. BGHSt 51, 124), seien
hier nicht anwendbar. Das deutsch-ungarische
Sozialversicherungsabkommen habe sich von der für die
Rechtslage in der Europäischen Union maßgeblichen
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht nur in seinen Zielsetzungen
unterschieden. Vor dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union
zum 1. Mai 2004 sei auch kein dem Vertragsverletzungsverfahren nach
Art. 227 EG-Vertrag gleichwertiges Beanstandungsverfahren vorgesehen
gewesen; ferner habe kein übergeordneter, Art. 10 EG-Vertrag
gleichwertiger Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gegolten.
Jedenfalls hinsichtlich ausländerrechtlichen Strafvorschriften
dürften aus dem Vorliegen von D/H-101-Bescheinigungen keine
derart weitgehenden Schlüsse gezogen werden.
17
- 10 -
II.
18
Der Teilfreispruch hält sachlich-rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
19
1. Zu den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt:
20
Zu Unrecht nimmt das Landgericht an, der Angeklagte habe den
sozial-rechtsakzessorischen Straftatbestand des § 266a StGB
deshalb nicht verwirklicht, weil die betroffenen ungarischen
Arbeitnehmer nicht der inländischen Sozialversicherungspflicht
unterstanden hätten. Vielmehr ergab sich die Pflicht,
Arbeitnehmerbeiträge zur deutschen Sozialversicherung zu
entrichten, aus § 3 Nr. 1, § 9 Abs. 1 SGB IV, da die
Arbeitnehmer nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 SGB IV entsandt
waren (nachfolgend a)) und abweichende Regelungen des über-
oder zwischenstaatlichen Rechts im Sinne von § 6 SGB IV nicht
bestanden (nachfolgend b)).
a) Nach deutschem Recht liegt eine Entsendung nicht vor. Denn bereits
aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 SGB IV ("im Rahmen eines
… Beschäftigungsverhältnisses") folgt,
dass das Beschäftigungsverhältnis für die
Entsendung den Rahmen bilden muss. Jedenfalls in den Fällen,
in denen das Beschäftigungsverhältnis - ausnahmsweise
- erst mit der Entsendung begonnen hat, ist daher erforderlich, dass
infolge der Eigenart der Beschäftigung feststeht oder von
vornherein vereinbart ist, dass die Beschäftigung beim
entsendenden Unternehmen weitergeführt wird (BSG SozR 3-2400
§ 4 SGB IV Nr. 5; vgl. auch BSGE 75, 232). Der Firma V. selbst
war aber eine Weiterbeschäftigung der angeworbenen
Arbeitnehmer nach Beendigung der vermeintlichen Entsendung nicht
möglich.
21
- 11 -
Da die Firma ferner nicht imstande war, die werkvertraglich
geschuldeten Leistungen eigenverantwortlich zu planen,
durchzuführen und zu überwachen, ist auch nicht
ersichtlich, dass tatsächlich die Möglichkeit
bestand, das Weisungsrecht (§ 7 Abs. 1 SGB IV)
auszuüben (vgl. BGHSt 51, 124, 128 f.; Seewald in Kasseler
Kommentar zum Sozialversicherungsrecht 54. Lfg. § 5 SGB IV
Rdn. 2). Nach den Urteilsfeststellungen handelte es sich nach deutschem
Recht nicht um ein entsendefähiges Unternehmen.
22
b) Die in den verfahrensgegenständlichen Bescheinigungen "D/H
101" bestätigte Anwendbarkeit ungarischen Sozialrechts
führt nicht zu einer Befreiung von der inländischen
Sozialversicherungspflicht.
23
Die D/H-101-Bescheinigungen beruhen - anders als die innerhalb der
Europäischen Union verwendeten Bescheinigungen "E 101" - auf
einem völkerrechtlichen Vertrag, so dass das
Gemeinschaftsrecht keine Anwendung findet (nachfolgend aa)). Bisher hat
der Senat ausdrücklich offen gelassen, inwieweit
Bescheinigungen auf Grund bilateraler Sozialversicherungsabkommen
bindend sein können (vgl. NJW 2007, 1370, 1372, zur
Veröffentlichung in BGHSt 51, 224 bestimmt). Er entscheidet
diese Rechtsfrage nunmehr dahingehend, dass solche Bescheinigungen,
somit auch die verfahrensgegenständlichen
D/H-101-Bescheinigungen keine derart weitgehende Bindungswirkung wie
die E-101-Bescheinigungen haben (nachfolgend bb)). Der Senat kann
dahinstehen lassen, inwieweit ihnen eine beschränkte
Bindungswirkung zukommt (nachfolgend cc)); denn die
gegenständlichen Beschäftigungsverhältnisse
wären hiervon jedenfalls nicht erfasst (nachfolgend dd)).
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aa) Rechtsgrundlage für die - vom 1. Mai 2000 bis zum 30.
April 2004 maßgeblichen - D/H-101-Bescheinigungen ist nicht
das Gemeinschaftsrecht, sondern das zwischenstaatliche Abkommen
zwischen der Bundesrepublik
25
- 12 -
Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit
vom 2. Mai 1998 in Verbindung mit der Vereinbarung zur
Durchführung dieses Abkommens vom selben Tag. Durch Gesetz vom
7. Oktober 1999 (BGBl II 900) sind Abkommen und
Durchführungsvereinbarung Bestandteile des Bundesrechts
geworden. Art. 7 des Abkommens regelt die Versicherungspflicht
für Fälle der Entsendung wie folgt:
"Wird ein Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat beschäftigt
ist, im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses von
seinem Arbeitgeber in den anderen Vertragsstaat entsandt, um dort eine
Arbeit für diesen Arbeitgeber auszuführen, so gelten
in bezug auf diese Beschäftigung während der ersten
24 Kalendermonate allein die Rechtsvorschriften des ersten
Vertragsstaats über die Versicherungspflicht so weiter, als
wäre er noch in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt."
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsvereinbarung
erteilt in diesen Fällen der zuständige
Träger des Herkunftsstaats auf Antrag eine Bescheinigung
darüber, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber seinen
Rechtsvorschriften unterstehen.
26
Mit dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union
zum 1. Mai 2004 (A Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des
EU-Beitrittsvertrags vom 16. April 2003, BGBl II 1408) hat die
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (sog.
"Wanderarbeitnehmerverordnung", ABlEG L 149 vom 5. Juli 1971 S. 2,
fortan: VO 1408/71) das zwischenstaatliche Abkommen über
Soziale Sicherheit im Wesentlichen abgelöst. Diese Verordnung,
die insbesondere in Art. 14 Abs. 1 lit. a den Fall einer Entsendung
regelt, wird ergänzt durch die
Durchführungsvorschriften in der Verordnung (EWG) Nr. 574/72
vom 21. März 1972 (ABlEG L 74 vom 27. März 1972 S. 1,
fortan: VO 574/72), welche in Art. 11 vorsieht, dass der
zuständige Sozialversicherungsträger des
Herkunftsstaats auf Antrag
27
- 13 -
die Entsendung bestätigt und für einen begrenzten
Zeitraum bescheinigt, dass der Arbeitnehmer dessen Rechtsvorschriften
unterstellt bleibt (sog. E-101-Bescheinigung).
28
Dass für Ungarn als einem der beigetretenen Staaten diese
Vorschriften des Gemeinschaftsrechts rückwirkend in Kraft
gesetzt werden sollten, folgt aus dem EU-Beitrittsvertrag vom 16. April
2003 nicht (vgl. nur B Art. 2, 4, 53 sowie Schlussakte II 13
"Erklärung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer:
Ungarn"). Auch aus Art. 37 ff. des Europa-Abkommens zur
Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen
Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Ungarn vom
16. Dezember 1991 (Assoziierungsabkommen, BGBl 1993 II 1472)
lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten (vgl. LSG NW,
Beschl. vom 17. Januar 2005 - L 2 B 9/03 KR ER - Rdn. 30).
Die Anwendbarkeit von - milderem - Gemeinschaftsrecht ergibt sich auch
nicht aus § 2 Abs. 3 StGB. Dass mittlerweile auch im
Verhältnis zu Ungarn E-101-Bescheinigungen Verwendung finden,
welche die inhaltsgleichen D/H-101-Bescheinigungen ersetzt haben,
berührt nämlich den Inhalt der strafbewehrten
Gebotsnorm nicht, sondern betrifft lediglich die verwaltungstechnische
Abwicklung der Entsendung (vgl. Eser in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 2 Rdn. 6
f.; ferner BGHSt 50, 105, 120 f.).
29
bb) Eine Gleichstellung der D/H-101-Bescheinigungen mit den
E-101-Bescheinigungen und deren weitgehenden Bindungswirkung ist nicht
geboten.
30
Die Grundsätze, die nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für die europarechtlichen
Kollisionsnormen in der VO 1408/71 in Verbindung mit der VO 574/72
gelten (Urteile vom 10. Februar 2000 - Rs. C-202/97, SozR 3-6050 Art.
14 EWGV 1408/71 Nr. 6; vom 30. März 2000 - Rs. C-178/97, Slg.
2000 I, 2005, 2040 ff.; vom 26. Januar 2006 - Rs. C-2/05, AP
31
- 14 -
EWG-Verordnung Nr. 1408/71 Nr. 13), können nicht auf das
deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen und die
Durchführungsvereinbarung übertragen werden.
32
Maßgebend hierfür ist die unterschiedliche
Rechtsnatur von herkömmlichen internationalen
völkerrechtlichen Verträgen im Vergleich zum
einheitlichen Rechtsraum, wie er für die Europäische
Union kennzeichnend ist. Die supranationale Rechtsordnung der
Europäischen Gemeinschaften fußt auf der Zuweisung
von Souveränitätsrechten und damit einhergehend auf
der Beschränkung von Souveränitätsrechten
ihrer Mitgliedstaaten. Dies schließt ein, dass
Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaats auf Grund
Gemeinschaftsrechts an Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat -
etwa E-101-Bescheinigungen - gebunden sein können, selbst wenn
diese Entscheidungen nicht der Rechtsordnung der Gemeinschaften
entsprechen sollten. Mit einer solchen Beschränkung von
Souveränitätsrechten korrespondiert andererseits -
neben dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten (Art. 10 EG-Vertrag) - die Möglichkeit, gegen
Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat, die der Rechtslage
nicht entsprechen, effektiv vorzugehen. So können sich etwa
die beteiligten Mitgliedstaaten, sollten sie sich über die
Rechtmä-ßigkeit von E-101-Bescheinigungen nicht
einigen können, an die - nach Art. 80, 81 der VO 1408/71 zu
Fragen der Auslegung und Durchführung der Verordnung
eingesetzten - Verwaltungskommission wenden und anschließend
ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 227 EG-Vertrag einleiten.
Eine Auslegung des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens
dahingehend, dass die beiden Vertragsstaaten derart weitgehend
Souveränitätsrechte wechselseitig übertragen
wollten, liegt fern. Insbesondere Wortlaut und Materialien geben
hierfür keinen Anhalt. Der unterschiedlichen
Rechtsqualität von europarechtlichen Regelungen einerseits und
bilateralem völker-
33
- 15 -
rechtlichem Vertrag andererseits erlaubt eine Gleichstellung ohne einen
solchen Anhalt indessen nicht. Dies gilt umso mehr, als die in Art. 39
des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens vorgesehenen
Möglichkeiten der Streitbeilegung nicht denjenigen innerhalb
der Europäischen Union gleichkommen.
34
Überdies ist die weitgehende Bindungswirkung der
E-101-Bescheinigungen deshalb sachgerecht, weil die europarechtlichen
Kollisionsnormen - anders als das deutsch-ungarische
Sozialversicherungsabkommen - an einen einheitlichen, nämlich
gemeinschaftsrechtlich zu bestimmenden Entsendebegriff
anknüpfen. Die Frage der Entsendung ist damit nach dem
Gemeinschaftsrecht für alle Mitgliedstaaten im gleichen Sinn
verbindlich zu beantworten (vgl. Seewald aaO § 6 SGB IV Rdn.
4a m.w.N.). Gerade der gemeinschaftsrechtliche Entsendebegriff setzt
unter anderem voraus, dass das entsendende Unternehmen
gewöhnlich eine nennenswerte
Geschäftstätigkeit im Gebiet des Herkunftsstaats
verrichtet. Um dies zu beurteilen, müssen in einer Gesamtschau
sämtliche Tätigkeiten des Unternehmens
gewürdigt werden. Dagegen kann insbesondere ein Unternehmen,
das - wie hier - im Herkunftsstaat bloß interne
Verwaltungstätigkeiten ausführt, nicht den
Ausnahmetatbestand der Entsendung in Anspruch nehmen (vgl. Beschl. der
Verwaltungskommission Nr. 181 vom 13. Dezember 2000, ABlEG L 329 vom
14. Dezember 2001 S. 73, Nr. 3 b ii; ferner EuGH, Urt. vom 10. Februar
2000 - Rs. C-202/97, SozR 3-6050 Art. 14 EWGV 1408/71 Nr. 6).
Der Senat teilt infolgedessen nicht die Auffassung, dass für
die Frage einer Bindungswirkung die Zielsetzungen des Abkommens - auch
vor dem Hintergrund des Assoziierungsabkommens vom 16. Dezember 1991 -
entscheidend seien, mögen diese Zielsetzungen auch mit
denjenigen der VO 1408/71
35
- 16 -
in mancher Hinsicht übereinstimmen (so aber
Jofer/Weiß StraFo 2007, 277, 281 f.).
36
cc) Den D/H-101-Bescheinigungen könnte allenfalls eine
beschränkte Bindungswirkung zukommen.
37
Zur Prüfung einer etwaigen Bindung ist vom Wortlaut des
deutsch-unga-rischen Sozialversicherungsabkommens auszugehen. Bei der
Auslegung von Sozialversicherungsabkommen kommt dem Vertragstext eine
größere Bedeutung als bei der Auslegung rein
nationaler Rechtsvorschriften zu (BSGE 72, 25, 31 m. w. N.).
Art. 7 des Abkommens enthält zwar keine
abschließende Definition der Entsendung, so dass sich nach
Art. 1 Abs. 2 des Abkommens die Einzelheiten ihrer Bedeutung im
Grundsatz nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften des Herkunftsstaats
richten. Artikel 7 regelt jedoch Mindestvoraussetzungen; hiernach liegt
ein Fall der Entsendung - nur - vor, wenn ein Arbeitnehmer, der in
einem Vertragsstaat beschäftigt ist, im Rahmen dieses
Beschäftigungsverhältnisses von seinem Arbeitgeber in
den anderen Vertragsstaat entsandt wird, um hier eine Arbeit
für diesen Arbeitgeber auszuführen. Für den
so umschriebenen Fall bestimmt die Vorschrift, dass in Bezug auf diese
Beschäftigung während der ersten 24 Kalendermonate
allein die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des
Herkunftsstaats weiter gelten, als wäre der Arbeitnehmer noch
dort beschäftigt.
38
Sind die Entsendebescheinigungen gemessen an dem Wortlaut des Abkommens
inhaltlich offensichtlich unzutreffend, haben die deutschen
Behörden und Gerichte die Rechtslage nach deutschem Recht zu
prüfen. Eine Bindung an die Bescheinigungen könnte
demgegenüber allenfalls insoweit bestehen, als die
Beschäftigungsverhältnisse, für die die
Bescheinigungen erteilt wurden,
39
- 17 -
noch vom möglichen Wortsinn des Vertragstexts erfasst werden,
mag dieser in Deutschland auch anders ausgelegt werden.
40
In diesem Sinne versteht der Senat auch die Ausführungen des
Bundessozialgerichts in dem Urteil vom 16. Dezember 1999 - B 14 KG 1/99
R (= BSGE 85, 240) zu Entsendebescheinigungen auf Grund des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen
Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale
Sicherheit (ebenso BayLSG, Urt. vom 23. Januar 2007 - L 5 KR 124/05 -
Rdn. 31 zum deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen). Hiernach
sind der "deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen
Sozialgerichte … grundsätzlich nicht berechtigt,
Entscheidungen des ausländischen Trägers
über die nach dessen Recht … maßgebenden
Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu
überprüfen. Der deutsche
Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind
allerdings berechtigt zu überprüfen, ob die im
anderen Vertragsstaat zuständige Stelle die Vorschriften des
Abkommens richtig angewandt hat. Nur insoweit besteht keine Bindung an
die Auslegung oder Anwendung des Abkommens durch den im anderen
Vertragsstaat zuständigen Träger" (BSG aaO 243).
dd) Eine etwaige beschränkte Bindungswirkung der
D/H-101-Bescheinigungen ist für die gegenständlichen
Beschäftigungsverhältnisse ohne Bedeutung. Denn eine
solche Bindungswirkung fände nach dem oben Gesagten (s. II.1.b
cc)) ihre Grenze dort, wo die Bescheinigungen - wie hier - gemessen am
Wortlaut des Abkommens inhaltlich offensichtlich unzutreffend sind.
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Gemäß Art. 7 des Abkommens lagen keine
Fälle der Entsendung vor. Nach den Feststellungen des
Landgerichts trifft es nicht zu, dass die ungarischen Arbeitnehmer in
Ungarn beschäftigt waren und im Rahmen dieser
Beschäftigungsverhältnisse von der Firma V. nach
Deutschland entsandt wur-
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- 18 -
den, um eine Arbeit für diese Firma auszuführen.
Vielmehr wurden die Arbeitnehmer in Ungarn nur angeworben, um sie den
deutschen Unternehmen zu überlassen; im Anschluss an diese
Tätigkeit in Deutschland konnten sie von der Firma V. nicht
weiterbeschäftigt werden. In Ungarn hatte diese lediglich
Büroräume. Darüber hinaus war sie nicht
imstande, die werkvertraglich geschuldeten Leistungen
eigenverantwortlich zu planen, durchzuführen und zu
überwachen.
Darauf, ob die Ausstellung der D/H-101-Bescheinigungen durch die
zuständige ungarische Sozialversicherungsbehörde OEP
der ungarischen Rechtslage entsprach (vgl. BSGE 85, 240, 244:
"Rechtsverständnis"), kommt es bei Berücksichtigung
des Wortlauts des Abkommens nicht mehr an. Unbeschadet dessen
bestünden aber auch Zweifel, ob nach ungarischem Recht
Entsendungsfälle vorlagen. Denn § 105 Abs. 1 des
ungarischen Gesetzes Nr. XXII von 1992 über das
Arbeitsgesetzbuch lautet wie folgt:
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"Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Interessen
zeitweilig zu einer Arbeitsverrichtung außerhalb des
gewöhnlichen Ortes seiner Arbeitsverrichtung verpflichten
(Entsendung). Voraussetzung dessen ist, dass der Arbeitnehmer auch
während dieses Zeitraumes seine Arbeit auf Anleitung und
Anweisung des Arbeitgebers verrichtet. Es wird nicht als Entsendung
angesehen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit - aus der Natur der
Arbeit heraus - gewöhnlich außerhalb der
Niederlassung verrichtet."
Mit dem Wortlaut dieser Vorschrift sind die Feststellungen des
Landgerichts nur schwerlich in Einklang zu bringen. Insbesondere
dürfte die Vorschrift so zu verstehen sein, dass im Fall der
Entsendung die arbeitsrechtliche Bindung fortbestehen, jedenfalls das
Weisungsrecht des Arbeitgebers aufrechterhalten bleiben muss. Schon
deswegen scheint sie hier nicht einschlägig zu
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- 19 -
sein. In Anbetracht dessen und unter Berücksichtigung der
Feststellungen, dass der "einzige Geschäftszweck" der Firma V.
darin bestand, ungarische Arbeitnehmer anzuwerben und diese den
deutschen Unternehmen zu überlassen, und zur Verschleierung
manipulierte Werkverträge geschlossen wurden, liegt es nicht
fern, dass auch gegenüber den ungarischen Behörden
falsche Angaben gemacht und/oder manipulierte Dokumente vorgelegt
wurden, um dem ungarischen Recht nicht entsprechende
Entsendebescheinigungen zu erhalten.
Die Frage nach der Rechtslage in Ungarn ist eine Rechtsfrage, welche
der eigenständigen Beurteilung durch das Revisionsgericht -
unabhängig von Mutmaßungen zum
"Rechtsverständnis" nicht individualisierter
Behördenmitarbeiter - unterliegt. Hierauf kommt es nach dem
zuvor Gesagten jedoch nicht an, so dass der Senat dieser Rechtsfrage
nicht näher nachzugehen braucht.
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2. Zu den Vorwürfen des gewerbsmäßigen
Einschleusens von Ausländern:
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Die Ausführungen, mit denen die Kammer eine Strafbarkeit nach
ausländerrechtlichen Strafvorschriften abgelehnt hat, sind
nicht frei von Rechtsfehlern.
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Gemäß den obigen Ausführungen (s. II.1.b))
vermag der Senat der Kammer nicht darin zu folgen, dass für
die ungarischen Arbeitnehmer schon deshalb keine unrichtigen oder
unvollständigen Angaben im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr.
2 AuslG aF gemacht worden seien, weil der Inhalt der
D/H-101-Bescheinigungen auch insoweit bindend sei. Die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Angaben hängt vielmehr von den
tatsächlichen Gegebenheiten ab. Hiernach lagen keine
Fälle der Entsendung vor.
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Zwar wurden bei der Beantragung der Visa und Aufenthaltsbewilligungen
keine ausdrücklichen Erklärungen im Hinblick auf eine
Entsendung abgegeben.
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Es liegt jedoch nahe, dass mit der Vorlage der D/H-101-Bescheinigungen
die konkludente Erklärung verbunden war, dass die Arbeitnehmer
tatsächlich im Rahmen eines in Ungarn bestehenden
Beschäftigungsverhältnisses in das Bundesgebiet
entsandt waren. Eine solche konkludente Erklärung
wäre nach den Urteilsfeststellungen - objektiv - "unrichtig"
gewesen. Ebenso könnten die Angaben zum Arbeitgeber
unzutreffend sein, die in die Antragsformulare für die
Aufenthaltsbewilligungen eingetragen wurden. Denn den Feststellungen
zufolge kommt in Betracht, dass tatsächlich die deutschen
Unternehmen Arbeitgeber der ungarischen Arbeitnehmer waren. All dies
hätte daher näherer Erörterung bedurft.
Der Beitritt Ungarns zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004
lässt eine etwaige Strafbarkeit des Angeklagten wegen
gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern
nach § 92 Abs. 2 Nr. 2, § 92a Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2
Nr. 1 AuslG aF - nunmehr: § 95 Abs. 2 Nr. 2, § 96
Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG - unberührt (vgl. BGHSt
50, 105, 120 f.).
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3. Zu den Vorwürfen des Überlassens
ausländischer Leiharbeitnehmer ohne Genehmigung:
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Das Landgericht ist im rechtlichen Ansatz zwar zutreffend davon
ausgegangen, dass sich der Angeklagte schon deshalb nicht wegen
Überlassens ausländischer Leiharbeitnehmer ohne
Genehmigung nach § 15 Abs. 1 AÜG [aF] strafbar
gemacht hat, weil dies voraussetzen würde, dass für
die ungarischen Arbeitnehmer keine Genehmigungen des Arbeitsamts im
Sinne von § 284 Abs. 1 Satz 1 SGB III aF vorgelegen
hätten. Nach den Feststellungen hatten die
zuständigen Behörden jedoch formell wirksame
Arbeitserlaubnisse erteilt (vgl. § 284 Abs. 4 SGB III aF), die
inhaltlich nicht auf einen konkret bezeichneten Arbeitgeber und eine
bestimmte Tätigkeit im Rahmen einer Entsen-
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dung beschränkt waren. Darauf, ob die Arbeitserlaubnisse durch
unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen worden
sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an (vgl. BGHSt 50, 105).
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Das Landgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass der
Angeklagte auch den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 16
Abs. 1 Nr. 1 AÜG verwirklicht haben könnte (vgl.
§ 82 Abs. 1 OWiG). Die vom Senat vorgenommene
Überprüfung hat ergeben, dass insoweit noch keine
Verfolgungsverjährung eingetreten ist (vgl. § 16 Abs.
2 AÜG, § 31 Abs. 1 Nr. 1, § 33 Abs. 1 Nr. 1
OWiG). Dementsprechend wären Feststellungen dazu erforderlich
gewesen, ob die ungarischen Arbeitnehmer in die Betriebe der deutschen
Unternehmen eingegliedert waren.
Soweit dem Angeklagten Taten nach dem AÜG vorgeworfen werden,
ist das Verfahren allerdings wegen des Verfahrenshindernisses der
Spezialität (vgl. Art. 14 EuAlÜbk) einzustellen. Das
zuständige Hauptstädtische Gericht der Republik
Ungarn hat nämlich ausdrücklich davon abgesehen, den
Angeklagten auch wegen dieser Taten auszuliefern, weil ein derartiges
Verhalten nach unga-rischem Recht nicht strafbar ist; ein Verzicht auf
die Spezialität liegt nicht vor (vgl. Schreiben des
Ministeriums für Justiz und Polizeiwesen der Republik Ungarn
vom 23. November 2006, Bl. 44 des Sonderhefts "Auslieferung"). Da es
nicht ausgeschlossen ist, dass das Verfahrenshindernis der
Spezialität in einem
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neuen Verfahren nicht mehr besteht, ist insoweit die Teileinstellung
gegenüber einem Teilfreispruch vorrangig (vgl. Schoreit in
KK-StPO 5. Aufl. § 260 Rdn. 51).
Nack Boetticher Kolz
Hebenstreit Graf |