BGH,
Urt. v. 24.10.2007 - 1 StR 189/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 189/07
vom
24.10.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt u.a.
- 2 -
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24.10.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Dr. Graf,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt und
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten K. F. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten J. F. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Landshut vom 20. Dezember 2006 aufgehoben, soweit die
Angeklagten von den Vorwürfen des Vorenthaltens und
Veruntreuens von Arbeitsentgelt und des Erschleichens von
Aufenthaltsgenehmigungen freigesprochen worden sind.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten von den Vorwürfen des
Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs.
1 StGB), des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen (§ 92
Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF) und des Überlassens
ausländischer Leiharbeitnehmer ohne Genehmigung (§ 15
Abs. 1 AÜG) freigesprochen.
1
Mit den auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen wendet
sich die Staatsanwaltschaft gegen die Freisprüche, soweit
diese die Vorwürfe des Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt für den Zeitraum bis zum
2
- 4 -
30. April 2004 sowie des Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen
betreffen. Die Rechtsmittel haben Erfolg. Hinsichtlich der
Vorwürfe des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt
führen sie allerdings auch insoweit zur Aufhebung der
Freisprüche ohne zeitliche Begrenzung.
I.
3
1. Das Landgericht hat festgestellt:
Der Angeklagte J. F. war Geschäftsführer der L. mit
Sitz in Berlin, die beim Ordnungsamt Berlin-Lichtenberg als
unselbständige Zweigniederlassung der L. mit Hauptsitz in
Ungarn angemeldet war (fortan: Firma L. ). Er hatte dem Angeklagten K.
F. , seinem Bruder, der mehrheitlicher Gesellschafter der Firma L. war,
eine weitgehende Vollmacht erteilt, Geschäfte für die
Firma zu tätigen. Der Angeklagte J. F. war weiterhin einer von
zwei Geschäftsführern der I. -M. -B. mit Sitz in
Berlin, die beim Ordnungsamt Berlin-Hohenschönhausen als
unselbständige Zweigniederlassung der I. -M. -B. mit Hauptsitz
in Ungarn angemeldet war (fortan: Firma IMB). Der Angeklagte J. F.
hielt 20%, der Angeklagte K. F. 60% der Gesellschaftsanteile. Diesem
hatte der andere der beiden Geschäftsführer eine
weitgehende Vollmacht erteilt, Geschäfte für die
Firma zu tätigen.
4
Unter der als Hauptsitz der Firma L. angegebenen ungarischen Adresse
befanden sich keine von ihr genutzten Räumlichkeiten. In einer
"kleinen Wohnung" unter der als Hauptsitz der Firma IMB angegebenen
ungarischen Adresse erfolgten für beide Firmen lediglich die
Anwerbung von Personal und die Durchführung administrativer
Tätigkeiten für die im Ausland zu erbringenden
werkvertraglichen Leistungen.
5
- 5 -
a) Zu den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt:
6
7
Die Angeklagten schlossen für die Firmen L. und IMB - der
Angeklagte K. F. allerdings nicht als faktischer
Geschäftsführer - Werkverträge mit
verschiedenen deutschen Unternehmen ab, wonach die Firmen für
diese als Subunternehmerinnen tätig werden sollten. Auf Grund
der Verträge wurden ungarische Arbeitnehmer bei den deutschen
Unternehmen eingesetzt, für die der Angeklagte J. F. den
sozialversicherungsrechtlichen Ausnahmetatbestand der Entsendung nach
dem Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Ungarn vom 2. Mai 1998 in Anspruch nahm. Die
Arbeitnehmer waren nicht in den Betriebsablauf der deutschen
Unternehmen eingegliedert, sondern arbeiteten jeweils unter Leitung
eines Vorarbeiters der Firma selbständig entsprechend den
Werkverträgen. Beide Firmen waren keine Unternehmen, die in
Ungarn jemals die "Schwerpunkttätigkeit" in den Branchen
hatten, in denen die Leistungen in den deutschen Unternehmen erbracht
wurden (Fleischzerlegung bzw. Montage sowie Schlosser- und
Schweißerarbeiten etc.). In Ungarn hatten die Firmen "keine
Produktionsstätten". Dort "wurde letztlich nur die
Verwaltungstätigkeit beider Firmen ausgeübt",
wofür - insgesamt - "nur zwei bis drei Mitarbeiter"
beschäftigt wurden.
Sämtliche von den Angeklagten in Deutschland eingesetzten
Arbeitnehmer verfügten während ihrer
Tätigkeit über gültige
D/H-101-Bescheinigungen, welche bestätigten, dass die
Arbeitnehmer nach Art. 7 des vorbezeichneten
Sozialversicherungsabkommens ausschließlich dem ungarischen
Sozialversicherungsrecht unterfielen. Diese Bescheinigungen waren von
der zuständigen ungarischen
Sozialversicherungsbehörde OEP ausgestellt worden.
Wären die Arbeitnehmer in Deutschland
sozialversicherungspflichtig gewesen, wären an
8
- 6 -
die Einzugsstellen - nach den vom Zeugen W. bestätigten Listen
im Anklagesatz - für die Monate August 1999 bis April 2005
Arbeitnehmeranteile von insgesamt 274.932,-- € (Firma L. )
sowie 262.411,71 € (Firma IMB) abzuführen gewesen. Ob
für die Arbeitnehmer in Ungarn
Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, ist nicht
festgestellt.
9
b) Zu den Vorwürfen des Erschleichens von
Aufenthaltsgenehmigungen:
Für die ungarischen Arbeitnehmer der Firmen L. und IMB wurden
zunächst beim Landesarbeitsamt Hessen unter Mitteilung der mit
den deutschen Unternehmen abgeschlossenen Werkverträge sowie
der von den ungarischen Behörden ausgestellten Unterlagen,
insbesondere der D/H-101-Bescheinigungen, sog. Zusicherungsbescheide
beantragt. In diesen - daraufhin erlassenen - Bescheiden wurde die
spätere Erteilung von entsprechenden Arbeitserlaubnissen auf
der Grundlage der Werkverträge zugesichert. Unter Vorlage der
Zusicherungsbescheide und der D/H-101-Bescheinigungen wurden bei der
deutschen Botschaft in Budapest für die Arbeitnehmer Visa
beantragt, die in der Folgezeit auch erteilt wurden. Mit den Visa
reisten die Arbeitnehmer in das Bundesgebiet ein, wo ihnen die
zuständigen Arbeitsämter auf entsprechende
Anträge Arbeitserlaubnisse ausstellten.
10
Nach Ablauf der zunächst auf drei Monate begrenzten
Gültigkeit der Visa wurden sodann bei den deutschen
Ausländerbehörden entsprechende
Aufenthaltsbewilligungen beantragt. Mit diesen Anträgen wurden
jeweils das für den Arbeitnehmer ursprünglich
erteilte Visum, die D/H-101-Bescheinigung sowie die ihm erteilte
Arbeitserlaubnis vorgelegt. Die Aufenthaltsbewilligungen wurden in der
Folgezeit antragsgemäß erteilt; sie waren mit der
Auflage versehen, dass die Arbeitnehmer ausschließlich eine
konkret umschriebene Tätigkeit im Rahmen der Entsendung
ausüben durften.
11
- 7 -
Feststellungen dazu, inwieweit die jeweiligen Anträge unter
Mitwirkung oder auf Veranlassung der Angeklagten gestellt wurden, hat
das Landgericht nicht getroffen.
12
13
2. Das Landgericht hat die Angeklagten aus rechtlichen Gründen
freigesprochen.
14
a) Eine Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 StGB hat es verneint, weil
die ungarischen Arbeitnehmer in Deutschland nicht
sozialversicherungspflichtig gewesen seien. Zwar seien beide Firmen
nach deutschem Recht keine entsendefähigen Unternehmen. Das
Landgericht hat den D/H-101-Bescheinigungen jedoch insoweit
Bindungswirkung zuerkannt. Die Grundsätze, die nach der
Senatsrechtsprechung für die innerhalb der
Europäischen Union verwendeten E-101-Bescheinigungen gelten
(vgl. BGHSt 51, 124), seien auf die D/H-101-Bescheinigungen auf der
Grundlage des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens vom 2.
Mai 1998 zu übertragen. Insbesondere die Zielsetzungen des
Abkommens seien nämlich mit denjenigen der - für die
Rechtslage in der Europäischen Uni-on maßgeblichen -
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vergleichbar. Eine Ausnahme von der
Bindungswirkung wäre allenfalls dann in Betracht zu ziehen,
wenn die Ausstellung der Bescheinigungen auch nach ungarischem
Rechtsverständnis fehlerhaft gewesen wäre. Die
ungarischen Behörden seien jedoch anhand der ihnen vorgelegten
wahrheitsgemäßen Unterlagen davon ausgegangen, dass
die Voraussetzungen eines Entsendefalls vorlägen; für
Gegenteiliges bestünden nämlich keine Anhaltspunkte.
b) Die Angeklagten hätten sich auch nicht nach
ausländerrechtlichen Strafvorschriften strafbar gemacht, da
die Angaben, die zur Erteilung von Visa und Aufenthaltsbewilligungen
für die ungarischen Arbeitnehmer geführt
hätten,
15
- 8 -
nicht im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF unrichtig oder
unvollständig gewesen seien. Den mit den Anträgen
vorgelegten D/H-101-Bescheinigungen komme auch insoweit Bindungswirkung
zu. Im Hinblick auf eine Entsendung seien weitergehende
Erklärungen indessen nicht abgegeben worden; so habe das
Antragsformular für die Aufenthaltsbewilligungen eine Frage
nach den Entsendevoraussetzungen nicht enthalten. Überdies
hätten die Sachbearbeiter der
Ausländerbehörden nicht materiell geprüft,
ob tatsächlich Entsendefälle vorgelegen
hätten.
3. Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die
Wirtschaftsstrafkammer den D/H-101-Bescheinigungen Bindungswirkung
zuerkannt hat. Sie macht geltend, die Grundsätze, die nach der
Senatsrechtsprechung für E-101-Bescheinigungen gelten (vgl.
BGHSt 51, 124), seien hier nicht anwendbar. Das deutsch-ungarische
Sozialversicherungsabkommen habe sich von der für die
Rechtslage in der Europäischen Union maßgeblichen
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht nur in seinen Zielsetzungen
unterschieden. Vor dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union
zum 1. Mai 2004 sei auch kein dem Vertragsverletzungsverfahren nach
Art. 227 EG-Vertrag gleichwertiges Beanstandungsverfahren vorgesehen
gewesen; ferner habe kein übergeordneter, Art. 10 EG-Vertrag
gleichwertiger Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit gegolten.
Jedenfalls hinsichtlich ausländerrechtlichen Strafvorschriften
dürften aus dem Vorliegen von D/H-101-Bescheinigungen keine
derart weitgehenden Schlüsse gezogen werden.
16
Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin die Annahme der
Kammer, dass die Ausstellung der D/H-101-Bescheinigungen ungarischem
Rechtsverständnis entsprochen habe. Angesichts der
Feststellungen, dass in Ungarn kein Umsatz erwirtschaftet und keine
werktätigen Arbeitnehmer beschäftigt worden
17
- 9 -
seien, sei nicht nachvollziehbar, dass keine Anhaltspunkte
vorlägen, die dieser Annahme widersprächen.
II.
18
Soweit die Revisionen die (Teil-)Freisprüche von den
Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt angreifen, ist die Beschränkung auf den
Zeitraum bis zum 30. April 2004 gegenstandslos; dem Senat ist hier
anhand der Urteilsfeststellungen eine selbständige Beurteilung
der unterlassenen Beitragsentrichtung ab Mai 2004 verwehrt.
III.
Die Freisprüche halten sachlich-rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
19
1. Zu den Vorwürfen des Vorenthaltens und Veruntreuens von
Arbeitsentgelt:
20
Zu Unrecht nimmt das Landgericht an, die Angeklagten hätten
den sozialrechtsakzessorischen Straftatbestand des § 266a StGB
deshalb nicht verwirklicht, weil die betroffenen ungarischen
Arbeitnehmer nicht der inländischen Sozialversicherungspflicht
unterstanden hätten. Vielmehr ergab sich die Pflicht,
Arbeitnehmerbeiträge zur deutschen Sozialversicherung zu
entrichten, aus § 3 Nr. 1, § 9 Abs. 1 SGB IV, da die
Arbeitnehmer nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 SGB IV entsandt
waren (nachfolgend a)) und abweichende Regelungen des über-
oder zwischenstaatlichen Rechts im Sinne von § 6 SGB IV nicht
bestanden (nachfolgend b)).
21
a) Nach deutschem Recht liegt eine Entsendung nicht vor. Denn bereits
aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 SGB IV ("im Rahmen eines
… Beschäftigungsverhältnisses") folgt,
dass das Beschäftigungsverhältnis für die
Entsen-
22
- 10 -
dung den Rahmen bilden muss. Jedenfalls in den Fällen, in
denen das Beschäftigungsverhältnis - ausnahmsweise -
erst mit der Entsendung begonnen hat, ist daher erforderlich, dass
infolge der Eigenart der Beschäftigung feststeht oder von
vornherein vereinbart ist, dass die Beschäftigung beim
entsendenden Unternehmen weitergeführt wird (BSG SozR 3-2400
§ 4 SGB IV Nr. 5; vgl. auch BSGE 75, 232). Hierfür
ist vorliegend nichts ersichtlich. Im Übrigen hat das
Landgericht zutreffend angenommen, dass die Firmen L. und IMB nach
deutschem Recht keine entsendefähigen Unternehmen sind.
b) Die in den verfahrensgegenständlichen Bescheinigungen "D/H
101" bestätigte Anwendbarkeit ungarischen
Sozialversicherungsrechts führt nicht zu einer Befreiung von
der inländischen Sozialversicherungspflicht.
23
Die D/H-101-Bescheinigungen beruhen - anders als die innerhalb der
Europäischen Union verwendeten Bescheinigungen "E 101" - auf
einem völkerrechtlichen Vertrag, so dass das
Gemeinschaftsrecht keine Anwendung findet (nachfolgend aa)). Bisher hat
der Senat ausdrücklich offen gelassen, inwieweit
Bescheinigungen auf Grund bilateraler Sozialversicherungsabkommen
bindend sein können (vgl. NJW 2007, 1370, 1372, zur
Veröffentlichung in BGHSt 51, 224 bestimmt). Er entscheidet
diese Rechtsfrage nunmehr dahingehend, dass solche Bescheinigungen,
somit auch die verfahrensgegenständlichen
D/H-101-Bescheinigungen keine derart weitgehende Bindungswirkung wie
die E-101-Bescheinigungen haben (nachfolgend bb)). Der Senat kann
dahinstehen lassen, inwieweit ihnen eine beschränkte
Bindungswirkung zukommt (nachfolgend cc)); denn die
gegenständlichen Beschäftigungsverhältnisse
wären hiervon jedenfalls nicht erfasst (nachfolgend dd)).
24
aa) Rechtsgrundlage für die - vom 1. Mai 2000 bis zum 30.
April 2004 maßgeblichen - D/H-101-Bescheinigungen ist nicht
das Gemeinschaftsrecht,
25
- 11 -
sondern das zwischenstaatliche Abkommen zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Republik Ungarn über Soziale Sicherheit
vom 2. Mai 1998 in Verbindung mit der Vereinbarung zur
Durchführung dieses Abkommens vom selben Tag. Durch Gesetz vom
7. Oktober 1999 (BGBl II 900) sind Abkommen und
Durchführungsvereinbarung Bestandteile des Bundesrechts
geworden. Art. 7 des Abkommens regelt die Versicherungspflicht
für Fälle der Entsendung wie folgt:
"Wird ein Arbeitnehmer, der in einem Vertragsstaat beschäftigt
ist, im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses von
seinem Arbeitgeber in den anderen Vertragsstaat entsandt, um dort eine
Arbeit für diesen Arbeitgeber auszuführen, so gelten
in bezug auf diese Beschäftigung während der ersten
24 Kalendermonate allein die Rechtsvorschriften des ersten
Vertragsstaats über die Versicherungspflicht so weiter, als
wäre er noch in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt."
Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 der Durchführungsvereinbarung
erteilt in diesen Fällen der zuständige
Träger des Herkunftsstaats auf Antrag eine Bescheinigung
darüber, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber seinen
Rechtsvorschriften unterstehen.
26
Mit dem Beitritt der Republik Ungarn zur Europäischen Union
zum 1. Mai 2004 (A Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 des
EU-Beitrittsvertrags vom 16. April 2003, BGBl II 1408) hat die
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 vom 14. Juni 1971 (sog.
"Wanderarbeitnehmerverordnung", ABlEG L 149 vom 5. Juli 1971 S. 2,
fortan: VO 1408/71) das zwischenstaatliche Abkommen über
Soziale Sicherheit im Wesentlichen abgelöst. Diese Verordnung,
die insbesondere in Art. 14 Abs. 1 lit. a die Entsendung regelt, wird
ergänzt durch die Durchführungsvorschriften in der
Verordnung (EWG) Nr. 574/72 vom 21. März 1972 (ABlEG L 74 vom
27. März 1972 S. 1, fortan: VO 574/72), welche in Art. 11
vorsieht, dass der zu-
27
- 12 -
ständige Sozialversicherungsträger des
Herkunftsstaats auf Antrag die Entsendung bestätigt und
für einen begrenzten Zeitraum bescheinigt, dass der
Arbeitnehmer dessen Rechtsvorschriften unterstellt bleibt (sog.
E-101-Bescheinigung).
28
Dass für Ungarn als einem der beigetretenen Staaten diese
Vorschriften des Gemeinschaftsrechts rückwirkend in Kraft
gesetzt werden sollten, folgt aus dem EU-Beitrittsvertrag vom 16. April
2003 nicht (vgl. nur B Art. 2, 4, 53 sowie Schlussakte II 13
"Erklärung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer:
Ungarn"). Auch aus Art. 37 ff. des Europa-Abkommens zur
Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen
Gemeinschaften sowie ihren Mitgliedstaaten und der Republik Ungarn vom
16. Dezember 1991 (Assoziierungsabkommen, BGBl 1993 II 1472)
lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten (vgl. LSG NW,
Beschl. vom 17. Januar 2005 - L 2 B 9/03 KR ER - Rdn. 30).
Die Anwendbarkeit von - milderem - Gemeinschaftsrecht ergibt sich auch
nicht aus § 2 Abs. 3 StGB. Dass mittlerweile auch im
Verhältnis zu Ungarn E-101-Bescheinigungen Verwendung finden,
welche die inhaltsgleichen D/H-101-Bescheinigungen ersetzt haben,
berührt nämlich den Inhalt der strafbewehrten
Gebotsnorm nicht, sondern betrifft lediglich die verwaltungstechnische
Abwicklung der Entsendung (vgl. Eser in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 2 Rdn. 6
f.; ferner BGHSt 50, 105, 120 f.).
29
bb) Eine Gleichstellung der D/H-101-Bescheinigungen mit den
E-101-Bescheinigungen und deren weitgehenden Bindungswirkung ist nicht
geboten.
30
Die Grundsätze, die nach der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für die europarechtlichen
Kollisionsnormen in der VO 1408/71 in Verbindung mit der VO 574/72
gelten (Urteile vom 10. Februar 2000 - Rs. C-202/97, SozR 3-6050 Art.
14 EWGV 1408/71; vom 30. März 2000 - Rs.
31
- 13 -
C-178/97, Slg. 2000 I, 2005, 2040 ff.; vom 26. Januar 2006 - Rs.
C-2/05, AP EWG-Verordnung Nr. 1408/71 Nr. 13), können nicht
auf das deutsch-ungarische Sozialversicherungsabkommen und die
Durchführungsvereinbarung übertragen werden.
32
Maßgebend hierfür ist die unterschiedliche
Rechtsnatur von herkömmlichen internationalen
völkerrechtlichen Verträgen im Vergleich zum
einheitlichen Rechtsraum, wie er für die Europäische
Union kennzeichnend ist. Die supranationale Rechtsordnung der
Europäischen Gemeinschaften fußt auf der Zuweisung
von Souveränitätsrechten und damit einhergehend auf
der Beschränkung von Souveränitätsrechten
ihrer Mitgliedstaaten. Dies schließt ein, dass
Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaats auf Grund
Gemeinschaftsrechts an Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat -
etwa E-101-Bescheinigungen - gebunden sein können, selbst wenn
diese Entscheidungen nicht der Rechtsordnung der Gemeinschaften
entsprechen sollten. Mit einer solchen Beschränkung von
Souveränitätsrechten korrespondiert andererseits -
neben dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit der
Mitgliedstaaten (Art. 10 EG-Vertrag) - die Möglichkeit, gegen
Entscheidungen aus einem anderen Mitgliedstaat, die der Rechtslage
nicht entsprechen, effektiv vorzugehen. So können sich etwa
die beteiligten Mitgliedstaaten, sollten sie sich über die
Rechtmä-ßigkeit von E-101-Bescheinigungen nicht
einigen können, an die - nach Art. 80, 81 der VO 1408/71 zu
Fragen der Auslegung und Durchführung der Verordnung
eingesetzten - Verwaltungskommission wenden und anschließend
ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 227 EG-Vertrag einleiten.
Eine Auslegung des deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens
dahingehend, dass die beiden Vertragsstaaten derart weitgehend
Souveränitätsrechte wechselseitig übertragen
wollten, liegt fern. Insbesondere Wortlaut und Materialien geben
hierfür keinen Anhalt. Der unterschiedlichen Rechts-
33
- 14 -
qualität von europarechtlichen Regelungen einerseits und
bilateralem völkerrechtlichem Vertrag andererseits erlaubt
eine Gleichstellung ohne einen solchen Anhalt indessen nicht. Dies gilt
umso mehr, als die in Art. 39 des Abkommens vorgesehenen
Möglichkeiten der Streitbeilegung nicht denjenigen innerhalb
der Europäischen Union gleichkommen.
34
Überdies ist die weitgehende Bindungswirkung der
E-101-Bescheinigungen deshalb sachgerecht, weil die europarechtlichen
Kollisionsnormen - anders als das deutsch-ungarische
Sozialversicherungsabkommen - an einen einheitlichen, nämlich
gemeinschaftsrechtlich zu bestimmenden Entsendebegriff
anknüpfen. Die Frage der Entsendung ist damit nach dem
Gemeinschaftsrecht für alle Mitgliedstaaten im gleichen Sinn
verbindlich zu beantworten (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar zum
Sozialversicherungsrecht 54. Lfg. § 6 SGB IV Rdn. 4a m.w.N.).
Gerade der gemeinschaftsrechtliche Entsendebegriff setzt unter anderem
voraus, dass das entsendende Unternehmen gewöhnlich eine
nennenswerte Geschäftstätigkeit im Gebiet des
Herkunftsstaats verrichtet. Um dies zu beurteilen, müssen in
einer Gesamtschau sämtliche Tätigkeiten des
Unternehmens gewürdigt werden. Dagegen kann insbesondere ein
Unternehmen, das - wie hier - im Herkunftsstaat bloß interne
Verwaltungstätigkeiten ausführt, nicht den
Ausnahmetatbestand der Entsendung nach der VO 1408/71 in Anspruch
nehmen (vgl. Beschl. der Verwaltungskommission Nr. 181 vom 13. Dezember
2000, ABlEG L 329 vom 14. Dezember 2001 S. 73, Nr. 3 b ii; ferner EuGH,
Urt. vom 10. Februar 2000 - Rs. C-202/97, SozR 3-6050 Art. 14 EWGV
1408/71 Nr. 6).
Der Senat teilt infolgedessen nicht die Auffassung, dass für
die Frage einer Bindungswirkung die Zielsetzungen des
deutsch-ungarischen Sozialversicherungsabkommens - auch vor dem
Hintergrund des Assoziierungsabkommens vom 16. Dezember 1991 -
entscheidend seien, mögen die Zielsetzungen
35
- 15 -
auch mit denjenigen der VO 1408/71 in mancher Hinsicht
übereinstimmen (so aber Jofer/Weiß StraFo 2007, 277,
281 f.).
36
cc) Den D/H-101-Bescheinigungen könnte allenfalls eine
beschränkte Bindungswirkung zukommen.
37
Zur Prüfung einer etwaigen Bindung ist vom Wortlaut des
deutsch-unga-rischen Sozialversicherungsabkommens auszugehen. Bei der
Auslegung von Sozialversicherungsabkommen kommt dem Vertragstext eine
größere Bedeutung als bei der Auslegung rein
nationaler Rechtsvorschriften zu (BSGE 72, 25, 31 m. w. N.).
Art. 7 des Abkommens enthält zwar keine
abschließende Definition der Entsendung, so dass sich nach
Art. 1 Abs. 2 des Abkommens die Einzelheiten ihrer Bedeutung im
Grundsatz nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften des Herkunftsstaats
richten. Artikel 7 regelt jedoch Mindestvoraussetzungen; hiernach liegt
ein Fall der Entsendung - nur - vor, wenn ein Arbeitnehmer, der in
einem Vertragsstaat beschäftigt ist, im Rahmen dieses
Beschäftigungsverhältnisses von seinem Arbeitgeber in
den anderen Vertragsstaat entsandt wird, um hier eine Arbeit
für diesen Arbeitgeber auszuführen. Für den
so umschriebenen Fall bestimmt die Vorschrift, dass in Bezug auf diese
Beschäftigung während der ersten 24 Kalendermonate
allein die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften des
Herkunftsstaats weiter gelten, als wäre der Arbeitnehmer noch
dort beschäftigt.
38
Sind die Entsendebescheinigungen gemessen an dem Wortlaut des Abkommens
inhaltlich offensichtlich unzutreffend, haben die deutschen
Behörden und Gerichte die Rechtslage nach deutschem Recht zu
prüfen. Eine Bindung an die Bescheinigungen könnte
demgegenüber allenfalls bestehen, soweit die
Beschäftigungsverhältnisse, für die die
Bescheinigungen erteilt wurden, noch
39
- 16 -
vom möglichen Wortsinn des Vertragstexts erfasst werden, mag
dieser in Deutschland auch anders ausgelegt werden.
40
In diesem Sinne versteht der Senat auch die Ausführungen des
Bundessozialgerichts in dem Urteil vom 16. Dezember 1999 - B 14 KG 1/99
R (= BSGE 85, 240) zu Entsendebescheinigungen auf Grund des Abkommens
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen
Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale
Sicherheit (ebenso BayLSG, Urt. vom 23. Januar 2007 - L 5 KR 124/05 -
Rdn. 31 zum deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen). Hiernach
sind der "deutsche Sozialleistungsträger und die deutschen
Sozialgerichte … grundsätzlich nicht berechtigt,
Entscheidungen des ausländischen Trägers
über die nach dessen Recht … maßgebenden
Voraussetzungen für die Entsendung von Arbeitnehmern zu
überprüfen. Der deutsche
Sozialleistungsträger und die deutschen Sozialgerichte sind
allerdings berechtigt zu überprüfen, ob die im
anderen Vertragsstaat zuständige Stelle die Vorschriften des
Abkommens richtig angewandt hat. Nur insoweit besteht keine Bindung an
die Auslegung oder Anwendung des Abkommens durch den im anderen
Vertragsstaat zuständigen Träger" (BSG aaO 243).
dd) Eine etwaige beschränkte Bindungswirkung der
D/H-101-Bescheinigungen ist für die gegenständlichen
Beschäftigungsverhältnisse ohne Bedeutung. Denn eine
solche Bindungswirkung fände nach dem oben Gesagten (s.
III.1.b cc)) ihre Grenze dort, wo die Bescheinigungen - wie hier -
gemessen am Wortlaut des Abkommens inhaltlich offensichtlich
unzutreffend sind.
41
Gemäß Art. 7 des Abkommens lagen keine
Fälle der Entsendung vor. Nach den Feststellungen des
Landgerichts trifft es nicht zu, dass die ungarischen Arbeitnehmer in
Ungarn beschäftigt waren und im Rahmen dieser
Beschäftigungsverhältnisse von den Firmen L. und IMB
nach Deutschland
42
- 17 -
entsandt wurden, um eine Arbeit für diese Firmen
auszuführen. Vielmehr wurden die Arbeitnehmer in Ungarn nur
angeworben, damit sie Arbeitsleistungen in den deutschen Unternehmen
erbrachten; es spricht nichts dafür, dass die Arbeitnehmer
nach Beendigung der Entsendung weiterbeschäftigt werden
sollten. Die beiden Firmen waren in Ungarn jedenfalls zu keiner Zeit in
denselben Branchen (Fleischzerlegung bzw. Montage sowie Schlosser- und
Schweißerarbeiten etc.) wie in Deutschland tätig. Im
verfahrensgegenständlichen Zeitraum wurde in Ungarn kein
Umsatz erwirtschaftet. Dort wurden vielmehr nur interne
Verwaltungstätigkeiten durchgeführt, wobei "nur zwei
bis drei Mitarbeiter" beschäftigt wurden. Zu diesem Zweck
verfügte lediglich die Firma IMB unter ihrer als Hauptsitz
angegebenen Adresse über Wohnraum, der von beiden Firmen
für Bürotätigkeiten genutzt wurde.
Infolgedessen konnte das ungarische Sozialversicherungsrecht nicht - so
Artikel 7 - weiter gelten, als wären die Arbeitnehmer noch in
Ungarn beschäftigt.
Darauf, ob die Ausstellung der D/H-101-Bescheinigungen durch die
zuständige ungarische Sozialversicherungsbehörde OEP
der ungarischen Rechtslage entsprach (vgl. BSGE 85, 240, 244:
"Rechtsverständnis"), kommt es bei Berücksichtigung
des Wortlauts des Abkommens nicht mehr an. Unbeschadet dessen
bestünden aber auch Zweifel, ob nach ungarischem Recht
Entsendungsfälle vorlagen. Denn § 105 Abs. 1 des
ungarischen Gesetzes Nr. XXII von 1992 über das
Arbeitsgesetzbuch lautet wie folgt:
43
"Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Interessen
zeitweilig zu einer Arbeitsverrichtung außerhalb des
gewöhnlichen Ortes seiner Arbeitsverrichtung verpflichten
(Entsendung). Voraussetzung dessen ist, dass der Arbeitnehmer auch
während dieses Zeitraumes seine Arbeit auf Anleitung und
Anweisung des Arbeitgebers verrichtet. Es wird nicht als Entsendung
angesehen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit - aus der Natur
- 18 -
der Arbeit heraus - gewöhnlich außerhalb der
Niederlassung verrichtet."
Mit dem Wortlaut dieser Vorschrift ("außerhalb des
gewöhnlichen Ortes") sind die Feststellungen des Landgerichts
nur schwerlich in Einklang zu bringen. Auch deswegen und in Anbetracht
der räumlichen Ausstattung der beiden Firmen versteht es sich
nicht von selbst, dass gegenüber den ungarischen
Behörden keine falschen Angaben gemacht wurden, um dem
ungarischen Recht nicht entsprechende Entsendebescheinigungen zu
erhalten. Die Frage nach der Rechtslage in Ungarn ist eine Rechtsfrage,
welche der eigenständigen Beurteilung durch das
Revisionsgericht - unabhängig von Mutmaßungen zum
"Rechtsverständnis" nicht individualisierter
Behördenmitarbeiter - unterliegt. Hierauf kommt es nach dem
zuvor Gesagten jedoch nicht an, so dass der Senat dieser Rechtsfrage
nicht näher nachzugehen braucht.
44
ee) Nach alledem muss der Senat nicht der Frage nachgehen, wie es
revisionsrechtlich zu beurteilen ist, dass das Urteil davon auszugehen
scheint, die D/H-101-Bescheinigungen hätten bereits vor dem
Inkrafttreten des Abkommens am 1. Mai 2000 (BGBl II 644),
nämlich ab August 1999 (s. I.1.a)) vorgelegen.
45
46
2. Zu den Vorwürfen des Erschleichens von
Aufenthaltsgenehmigungen:
47
Die Ausführungen, mit denen die Kammer eine Strafbarkeit nach
ausländerrechtlichen Strafvorschriften abgelehnt hat, sind
nicht frei von Rechtsfehlern.
Gemäß den obigen Ausführungen (s. III.1.b))
vermag der Senat der Kammer nicht darin zu folgen, dass für
die ungarischen Arbeitnehmer schon deshalb keine unrichtigen oder
unvollständigen Angaben im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr.
2 AuslG aF gemacht worden seien, weil der Inhalt der
D/H-101-Bescheinigungen auch insoweit bindend sei. Die Richtigkeit und
Vollständigkeit
48
- 19 -
der Angaben hängt vielmehr von den tatsächlichen
Gegebenheiten ab. Hiernach lagen keine Fälle der Entsendung
vor.
49
Zwar wurden bei der Beantragung der Visa und Aufenthaltsbewilligungen
keine ausdrücklichen Erklärungen im Hinblick auf eine
Entsendung abgegeben. Es liegt jedoch nahe, dass mit der Vorlage der
D/H-101-Bescheinigungen die konkludente Erklärung verbunden
war, dass die Arbeitnehmer tatsächlich im Rahmen eines in
Ungarn bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in das
Bundesgebiet entsandt waren. Dass es den
Ausländerbehörden im Verfahren über die
Erteilung der Aufenthaltsbewilligungen hierauf ankam, ergibt sich schon
daraus, dass diese mit einer entsprechenden Auflage versehen wurden.
Wäre aber der Ausnahmetatbestand der Entsendung jeweils
konkludent vorgespiegelt worden, wären die Anträge
nach den Urteilsfeststellungen - objektiv - "unrichtig" gewesen. Dies
hätte daher näherer Erörterung bedurft.
§ 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG aF setzt auch eine materielle
Prüfung der Entsendevoraussetzungen durch die
Ausländerbehörden nicht voraus. Sein Wortlaut ("um
zu") nimmt Bezug auf die Absicht des Täters, mit den
unzutreffenden Angaben bestimmte Aufenthaltstitel zu erlangen.
50
- 20 -
Der Beitritt Ungarns zur Europäischen Union zum 1. Mai 2004
lässt eine etwaige Strafbarkeit der Angeklagten wegen
Erschleichens von Aufenthaltsgenehmigungen nach § 92 Abs. 2
Nr. 2 AuslG aF - nunmehr: § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG -
unberührt (vgl. BGHSt 50, 105, 120 f.).
51
Nack Boetticher Kolz
Hebenstreit Graf |