BGH,
Urt. v. 24.9.2009 - 4 StR 347/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 347/09
vom
24. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung im Amt u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 24.
September 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Athing, Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann,
Dr. Franke als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Dortmund vom 29. Januar 2009 im Schuldspruch dahin
geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 1 der
Urteilsgründe der gefährlichen
Körperverletzung im Amt schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft und die Revision
des Angeklagten werden verworfen.
3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im
Übrigen wegen Körperverletzung im Amt und wegen
Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht
Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur
Bewährung ausgesetzt. Die wirksam auf die Verurteilung im Fall
II. 1 der Urteilsgründe beschränkte und auf die
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des
Angeklagten bleibt ohne Erfolg. Das ebenfalls auf die Verurteilung im
Fall II. 1 der Urteilsgründe beschränkte Rechtsmittel
der Staatsanwaltschaft, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat
einen Teilerfolg und führt zu der aus der Urteilsformel
ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
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Im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat das Landgericht u.a.
Folgendes festgestellt:
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Am Abend des 6. Januar 2007 wurden der Angeklagte, ein Polizeikommissar
z.A., und die Polizeibeamtin S. als Besatzung eines Funkstreifenwagens
zu einem Einsatz in die Innenstadt von Dortmund gerufen, nachdem die
unter Einfluss von Alkohol und Medikamenten stehende Ehefrau des
Geschädigten, die Zeugin K. , auf dem Rückweg von
einer Feier auf dem Gehweg zusammengebrochen war und der Ehemann der
Zeugin und spätere Geschädigte K. , der ebenfalls
stark unter Alkoholeinfluss stand (Blutalkoholkonzentration: 3
‰), den Abtransport seiner hilflos am Boden liegenden
Ehefrau in ein Krankenhaus gewaltsam zu verhindern versuchte. Nachdem
die Zeugin K. trotz anhaltenden Widerstandes ihres Ehemannes, der
deswegen von dem Angeklagten zu Boden gebracht werden musste, mit dem
Rettungswagen abtransportiert worden war, beabsichtigten der Angeklagte
und seine Kollegin nunmehr, den Geschädigten zur
Ausnüchterung in Gewahrsam zu nehmen und ihm zu diesem Zweck
die Hände zu fesseln. Dadurch sollten Auseinandersetzungen mit
unbeteiligten Passanten verhindert und die Vollstreckung des dem
Geschädigten gegenüber ausgesprochenen Platzverweises
gewährleistet werden. Dem widersetzte sich der immer noch auf
dem Boden liegende Geschädigte erneut, u. a. durch wildes
Strampeln, und biss die Beamtin S. durch deren Jeanshose oberhalb des
Knöchels in den unteren Bereich des rechten Schienbeins. Die
Polizeibeamtin S. versetzte dem Geschädigten daraufhin
mindestens zwei kurze Schläge auf den Kieferknochen oder
direkt in sein Gesicht, um ihn zur Lockerung des Bisses zu veranlassen.
Ohne Absprache mit ihr trat der Angeklagte im Anschluss daran mehrfach
mit seinem Fuß, an dem er einen Dienstschuh trug, nicht
bloß leicht, sondern durchaus
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heftiger in die Bauchgegend des Geschädigten, wobei dieser
jeweils kurz aufschrie.
I.
Zur Revision des Angeklagten:
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Die Revision des Angeklagten ist unbegründet. Die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Sachrüge hat
auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens einen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
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1. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher
Nachprüfung stand.
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Insbesondere musste die Strafkammer nicht in Erwägung ziehen,
dass der Angeklagte seine Tritte lediglich gegen die Hand des
Geschädigten, nicht aber in dessen Bauchgegend
ausgeführt hatte. Entgegen der Auffassung der Revision lag
dieser alternative Tathergang nach den dazu getroffenen Feststellungen
fern. Zwar konnten die als Zeugen vernommenen Eheleute D. wegen der
Entfernung zum Geschehen keine genauen Angaben zur Zielrichtung der
Tritte machen. Die Revision übersieht jedoch, dass die
Strafkammer ihre Feststellungen insoweit maßgeblich auf die
Aussage des Zeugen A. gestützt hat, der das Geschehen von
seinem Kiosk aus beobachtet und dabei das Gesicht des
Geschädigten im Blick gehabt hat. Dieser Zeuge war sich, so
die Strafkammer, ganz sicher, dass der aufrecht stehende Angeklagte mit
seinem rechten Bein mehrmals in die Bauchgegend des mit der linken
Körperseite auf dem Boden liegenden Geschädigten
getreten hatte.
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2. Die Urteilsfeststellungen bieten auch keine Grundlage für
die Annahme der Revision, die Tritte des Angeklagten auf den
Geschädigten könnten gemäß
§ 32 StGB unter dem Gesichtspunkt einer Nothilfe für
die Polizeibeamtin S. gerechtfertigt gewesen sein, weil diese von dem
Geschädigten in ihr rechtes Schienbein gebissen wurde. Selbst
wenn dieser rechtswidrige Angriff des Geschädigten auf die
Beamtin noch angedauert haben sollte, als der Angeklagte zutrat (was
angesichts der Schreie des Geschädigten ohnehin fern liegt),
waren solche heftigen Tritte gegen den Bauchbereich des erkennbar stark
alkoholisierten, auf dem Boden liegenden Geschädigten zur
Abwehr des Angriffs keinesfalls geboten (§ 32 Abs. 1 StGB) und
im Übrigen - unter Berücksichtigung
polizeirechtlicher Befugnisse zur Durchsetzung des ausgesprochenen
Platzverweises durch unmittelbaren Zwang - auch nicht
verhältnismäßig. Zudem hat sich der
Angeklagte vor dem Landgericht nicht auf einen Rechtfertigungsgrund
berufen.
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II.
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
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1. Das Landgericht hat angenommen, der Angeklagte habe sich durch die
Tritte in den Bauchbereich des Zeugen K. , die nicht mehr von der
dienstlichen Handlung - Vollstreckung des Platzverweises - gedeckt
gewesen seien, wegen einer Körperverletzung im Amt im Sinne
von § 340 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Eine
gefährliche Körperverletzung im Amt im Sinne der
§§ 340 Abs. 3, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB liege
dagegen nicht vor. Gemeinschaftliches Handeln zwischen dem Angeklagten
und seiner Kollegin habe nicht festgestellt werden können. Der
Angeklagte habe die Tat auch nicht unter Einsatz eines
gefährlichen Werkzeugs, nämlich des mit dem
Dienstschuh bekleide-
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ten Fußes ausgeführt. Ein gefährliches
Werkzeug liege nur dann vor, wenn es nach seiner objektiven
Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet
sei, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen. Hier
fehle es aber an der potentiellen Gefährlichkeit der konkreten
Benutzung des beschuhten Fußes. Auch wenn die Tritte des
Angeklagten in den Bauchbereich des Geschädigten durchaus
fester gewesen seien, korrespondierten damit keine sichtbaren
Verletzungen oder vom Geschädigten geschilderten Beschwerden.
2. Vor dem Hintergrund der vom Landgericht für sich genommen
rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen beanstandet die
Beschwerdeführerin zu Recht die unterbliebene Verurteilung
wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt
gemäß § 340 Abs. 1, 3 i.V.m. § 224
Abs. 1 Nr. 2 StGB.
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a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
ist ein Werkzeug "gefährlich" im Sinne von § 224 Abs.
1 Nr. 2 StGB, wenn es nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach
der Art seiner Benutzung im konkreten Einzelfall geeignet ist,
erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen (vgl.
nur BGH NStZ 2007, 95). Die potentielle Gefährlichkeit eines
Gegenstandes im Einzelfall reicht aus, ohne dass es darauf ankommt, ob
dessen Einsatz gegen den Körper des Opfers
tatsächlich erhebliche Verletzungen hervorgerufen hat (BGHSt
30, 375, 377; vgl. auch Fischer StGB 56. Aufl. § 224 Rdn. 9
m.w.N.). Ob ein Schuh am Fuß des Täters in diesem
Sinne als gefährliches Werkzeug anzusehen ist, lässt
sich nur nach den Umständen des Einzelfalles entscheiden
(BGHSt 30, 375, 376; BGHR StGB § 223 a Abs. 1 Werkzeug 3).
Erforderlich ist dazu regelmäßig, dass es sich
entweder um einen festen, schweren Schuh handelt oder dass mit einem
'normalen Straßenschuh' mit Wucht oder zumindest heftig dem
Tatopfer in das Gesicht oder in andere besonders empfindliche
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Körperteile getreten wird (BGH, jew. aaO; vgl. auch BGH NStZ
1984, 328, 329; BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - 2 StR 470/06).
b) Danach hat das Landgericht die Anforderungen an das
Tatbestandsmerkmal des gefährlichen Werkzeugs im Sinne des
§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB im vorliegenden Fall
überspannt und zu Unrecht darauf abgestellt, dass bei dem
Geschädigten keine sichtbaren Verletzungen oder von ihm
geschilderte Beschwerden als Folge der Tritte des Angeklagten
festgestellt werden konnten. Dass der von dem Angeklagten getragene
Schuh geeignet war, bei Tritten in die Bauchgegend eines am Boden
liegenden Menschen erhebliche Verletzungen hervorzurufen, steht nach
den dazu getroffenen Feststellungen nicht in Frage. Ob dies ohne
Rücksicht auf die Heftigkeit der damit ausgeführten
Tritte schon deshalb nahe liegt, weil der Angeklagte schweres, zur
Dienstausrüstung der Schutzpolizei gehörendes
Schuhwerk trug, kann letztlich dahinstehen, zumal insoweit genauere
Feststellungen fehlen. Die Strafkammer hat jedenfalls mehrere, nicht
bloß leichte, sondern heftige Tritte in die Bauchgegend des
Geschädigten als erwiesen angesehen. Schon deshalb waren diese
in der konkreten Situation geeignet, bei dem erheblich alkoholisierten
und damit eingeschränkt verteidigungsfähigen Zeugen,
der zudem am Boden lag, erhebliche Verletzungen herbeizuführen.
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Der Senat kann den Schuldspruch im Fall II. 1 der
Urteilsgründe selbst ändern. § 265 StPO
steht nicht entgegen, da die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten in der
Anklageschrift eine gefährliche Körperverletzung im
Amt zur Last gelegt hatte.
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c) Die Schuldspruchänderung lässt hier den
Strafausspruch unberührt. Zwar entspricht die vom Landgericht
im Fall II. 1 der Urteilsgründe verhängte
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Einzelstrafe von sechs Monaten lediglich dem Mindestmaß des
nunmehr anzuwendenden Strafrahmens des § 224 Abs. 1 StGB.
Angesichts der von der Strafkammer rechtsfehlerfrei erwogenen,
gewichtigen Milderungsgründe, insbesondere der dem
Tatgeschehen vorausgegangenen erheblichen Provokationen durch den
Geschädigten, der vom Angeklagten infolge seiner Suspendierung
vom Dienst erlittenen finanziellen Einbußen sowie der zu
erwartenden disziplinarischen Maßnahmen und der seit der Tat
verstrichenen Zeit von nahezu drei Jahren kann der Senat
ausschließen, dass das Landgericht im Fall der Verurteilung
wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt eine
höhere Einzelstrafe verhängt hätte. Im
Übrigen erachtet der Senat die erkannte Strafe auch unter
Zugrundelegung des erhöhten Strafrahmens für tat- und
schuldangemessen.
III.
Über die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft und der
Nebenklägerin gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung hat
das Oberlandesgericht zu befinden.
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Eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts
gemäß § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO besteht
insoweit nur, wenn es zugleich über eine vom
Beschwerdeführer eingelegte Revision zu entscheiden hat, weil
nur in diesem Fall der erforderliche enge Zusammenhang zwischen beiden
Rechtsmitteln besteht (Senat, Beschlüsse vom 25. November 2008
- 4 StR 414/08 und vom 21. März 2006 - 4 StR 110/05). An
diesem Zusammenhang fehlt es im Fall der Nebenklägerin schon
deshalb, weil diese keine Revision eingelegt hat. Entsprechendes gilt
indessen, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt
hat, auch für die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Denn
diese beanstandet mit der sofortigen Beschwerde die Kosten- und
Auslagenentscheidung lediglich im Hinblick auf die
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Nebenklägerin (§ 472 Abs. 1 Satz 1 StPO), greift aber
das Urteil nur hinsichtlich der Tat zum Nachteil des
Geschädigten K. an.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke |