BGH,
Urt. v. 25.4.2006 - 1 StR 519/05
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 519/05
vom 25.04.2006
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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StPO § 7 Abs. 1; StGB §§ 9 Abs. 1, 266 Abs.
1; HGB § 230 Abs. 1
Am Wohnsitz der Gesellschafter einer GmbH ist für eine Untreue
des Geschäftsführers kein Gerichtsstand
begründet, weil zwischen ihm und den Gesellschaftern kein
Treueverhältnis besteht. Dies gilt auch für stille
Gesellschafter, die sich mit einer Vermögenseinlage an der
GmbH beteiligt haben.
BGH, Urteil vom 25.04.2006 - 1 StR 519/05 - Landgericht Mannheim
in der Strafsache
gegen
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wegen Untreue
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
25.04.2006, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Kolz,
Hebenstreit, die Richterin am Bundesgerichtshof Elf, der Richter am
Bundesgerichtshof Dr. Graf, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
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1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des
Landgerichts Mannheim vom 14. September 2005 wird verworfen. 2. Die
Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Von
Rechts wegen Gründe: Das Landgericht Mannheim hat das
Verfahren gegen den Angeklagten, dem die Anklage Untreue in
fünf Fällen zur Last legt, wegen örtlicher
Unzuständigkeit nach § 260 Abs. 3 StPO eingestellt.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision rügt die
Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen Rechts. Das Rechtsmittel
hat keinen Erfolg. 1 I. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten in
der Anklage vor, als Geschäftsführer der in Frankfurt
am Main ansässigen Y. Verwaltungsge-2
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sellschaft mbH (nachfolgend: Y. GmbH) aus dem
Gesellschaftsvermögen an Gesellschaften in Düsseldorf
und Hamm ungesicherte Darlehen ausgereicht zu haben, deren
Rückzahlung nicht erfolgte, und eine rechtsgrundlose Zahlung
vorgenommen zu haben. Die Y. GmbH habe infolge der Zuwendungen
Insolvenz anmelden müssen. Durch die Taten sei nicht nur ihr
Vermögen, sondern auch das Vermögen zahlreicher
Anleger geschädigt worden, die sich an der Y. GmbH mit
Kapitaleinlagen beteiligt hätten und ihr als stille
Gesellschafter beigetreten seien. Einige dieser Gesellschafter sind im
Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Mannheim wohnhaft. Das
Landgericht hat das Hauptverfahren eröffnet, nachdem es
zunächst seine örtliche Unzuständigkeit
festgestellt hatte, diese Entscheidung jedoch auf die sofortige
Beschwerde der Staatsanwaltschaft durch das Oberlandesgericht Karlsruhe
mit Beschluss vom 7. Juli 2005 aufgehoben wurde. In der
Hauptverhandlung hat der Verteidiger vor Vernehmung des Angeklagten zur
Sache den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit
erhoben. Das Landgericht hat das Verfahren sodann mit dem angefochtenen
Urteil eingestellt. Zur Begründung führt es aus, dass
eine Tatortzuständigkeit für die - allein
anklagegegenständlichen - Vorwürfe der Untreue nicht
am Wohnsitz der Kapitalanleger begründet sei, sondern am Sitz
der Y. GmbH oder dort, wo die vermögensgefährdenden
Darlehensverträge unterzeichnet bzw. Zahlungen veranlasst oder
empfangen worden seien. 3 II. Die Einstellung des Verfahrens
hält rechtlicher Nachprüfung stand. Das Landgericht
hat seine örtliche Zuständigkeit zu Recht verneint.
Die Rüge, es 4
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habe die Voraussetzungen des Gerichtsstands des Tatorts gem. §
7 Abs. 1 StPO, § 9 Abs. 1 StGB verkannt, geht fehl. Nach
Auffassung der Revision ist Tatort auch der Wohnsitz der stillen
Gesellschafter, da die angeklagten Untreuehandlungen zu einer
Schädigung auch ihres Vermögens geführt
haben und dieser Nachteil von § 266 StGB erfasst werde. Der
Senat vermag dem nicht zu folgen. 5 1. Nach § 7 Abs. 1 StPO
ist ein Gerichtsstand bei dem Gericht begründet, in dessen
Bezirk die Straftat begangen wurde. § 9 Abs. 1 StGB bestimmt,
dass die Straftat nicht nur am Ort der Handlung des Täters,
sondern auch dort begangen ist, wo der zum Tatbestand
gehörende Erfolg eingetreten ist. „Erfolg“
meint dabei nicht jede Auswirkung der Tat; angesichts der durch das
Zweite Strafrechtsreformgesetz vom 4. Juli 1969 (BGBl. I S. 717)
eingefügten ausdrücklichen Anknüpfung an den
gesetzlichen Tatbestand sind nur solche Tatfolgen
erfolgsortbegründend, die für die Verwirklichung des
Deliktstatbestandes erheblich sind (Gribbohm in Leipziger Kommentar 11.
Aufl. § 9 Rdn. 19; vgl. bereits BGHSt 20, 45, 51 zu §
3 Abs. 3 StGB aF). 6 Im Fall der Untreue besteht der Taterfolg in dem
durch die Untreuehandlung bewirkten Vermögensnachteil.
Hierunter fällt nicht jede durch die Verletzung der
Vermögensbetreuungspflicht verursachte
Vermögensbeschädigung. Vom Tatbestand des §
266 StGB sind vielmehr nur solche Nachteile erfasst, die der
Täter demjenigen zufügt, dessen
Vermögensinteressen er zu betreuen hat; betreuter und
geschädigter Vermögensinhaber müssen
identisch sein (Lenckner/Perron in Schönke/Schröder,
StGB 27. Aufl. § 266 Rdn. 47; Schünemann in Leipziger
Kommentar 11. Aufl. § 266 Rdn. 101). Für die
Bestimmung der Zuständigkeit folgt daraus, dass ein
Gerichtsstand des Erfolgsortes nach § 7
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7 Abs. 1 StPO, § 9 Abs. 1 StGB nur dort begründet
sein kann, wo sich der Vermögensschaden eines Treugebers im
Sinne des § 266 Abs. 1 StGB manifestiert hat. 2. Die stillen
Gesellschafter der Y. GmbH sind mit dem Angeklagten als
Geschäftsführer nicht durch ein
Treueverhältnis im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB
verbunden; eine Schädigung ihres Vermögens durch die
dem Angeklagten vorgeworfenen Untreuehandlungen führt daher zu
keinem Nachteil, welcher zuständigkeitsbegründend
wirken könnte. 8 a) Der Geschäftsführer
einer GmbH besitzt gem. §§ 35, 37 GmbHG die Befugnis,
über das Vermögen der Gesellschaft zu
verfügen und sie anderen gegenüber zu verpflichten.
Als Organ der Gesellschaft obliegt es ihm, nach Maßstab des
§ 43 Abs. 1 GmbHG ihre Vermögensinteressen
wahrzunehmen. Er ist daher tauglicher Täter einer Untreue zu
Lasten der Gesellschaft (vgl. nur BGH NStZ 1998, 192, 193; BGHR StGB
§ 266 Abs. 1 Treubruch 2; Lenckner/ Perron in
Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 266 Rdn.
25; Schaal in Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG 4. Aufl. vor §
82 Rdn. 10 f.). 9 Eine Pflicht zur Betreuung der
Vermögensinteressen der Gesellschafter trifft den
Geschäftsführer demgegenüber nicht (BGH,
Urteil vom 22. Januar 1953 - 3 StR 154/52 - ; Schünemann in
Leipziger Kommentar 11. Aufl. § 266 Rdn. 125; Tiedemann in
Scholz, GmbHG 9. Aufl. vor § 82 Rdn. 15; Gribbohm ZGR 1990, 1,
3, 13 f.; Kohlmann, Die strafrechtliche Verantwortung des
GmbH-Geschäftsführers, Seite 99 f.; ders. in
Hachenburg, GmbHG 8. Aufl. vor § 82 Rdn. 60; vgl. auch
Lenckner/Perron in Schönke/Schröder StGB 27. Aufl.
§ 266 Rdn. 25). Der Geschäftsführer einer
GmbH - jedenfalls einer solchen, die in Deutschland ansässig
ist - steht mit den Gesellschaftern in keiner Beziehung, 10
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die die Grundlage einer strafrechtlich geschützten Treupflicht
bilden könnte. Seine organschaftliche Stellung und der
Anstellungsvertrag binden ihn nur an die Gesellschaft und verpflichten
ihn zu einer Tätigkeit nur in ihren Angelegenheiten
(§ 43 Abs. 1 GmbHG). Die Pflicht zur Wahrung der Interessen
der Gesellschaft kann ihn dabei - etwa bei der Durchsetzung von
Nachschüssen (§§ 26 ff. GmbHG) oder bei
Maßnahmen zur Erhaltung des Stammkapitals
(§§ 30 ff. GmbHG) - gerade zu Entscheidungen
anhalten, die mit den Vermögensinteressen der Gesellschafter
in Konflikt treten (BGH, Urteil vom 22. Januar 1953 - 3 StR 154/52 -;
Tiedemann aaO). Reale Interessengegensätze zwischen
Gesellschaftern und Gesellschaft treten auch in jenen Fällen
zutage, in denen die Gesellschafter durch Billigung
gesellschaftsschädigender Handlungen die GmbH
„ausbeuten“, um sich auf deren Kosten zu bereichern
(vgl. Gribbohm ZGR 1990, 1, 3; zur Wirkung eines
Einverständnisses der Gesellschafter vgl. BGHSt 35, 333; BGH
NJW 1997, 66, 68 f.; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. §
266 Rdn. 52a m.w.N.). b) Das Vermögen der GmbH entspricht auch
nicht dem Vermögen der Gesellschafter im Sinne einer
Teilidentität mit der Folge, dass sich Betreuungspflichten
zugunsten des einen notwendig auf das andere erstreckten. Zwar
konstituiert sich das Vermögen der GmbH aus den Einlagen der
Gesellschafter; auch sind diese aufgrund ihrer Teilhabe- und
Mitwirkungsrechte wirtschaftlich als Inhaber der Gesellschaft zu
begreifen. In rechtlicher Hinsicht bleibt das
Gesellschaftsvermögen für die Anteilseigner
gleichwohl Fremdvermögen. Der Bundesgerichtshof hat deshalb
wiederholt betont, dass der Tatbestand der Untreue die GmbH als eigene
Rechtspersönlichkeit schützt. Träger der
geschützten Vermögensinteressen ist die GmbH selbst
als juristische Person, nicht jedoch sind es ihre Gesellschafter (vgl.
BGHSt 3, 32, 39 f.; 34, 379, 385; BGH wistra 1983, 71 - 5 StR 176/82;
Gribbohm ZGR 1990, 1, 3 m.w.N.). Zwischen 11
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dem Vermögen der Gesellschafter und dem
Gesellschaftsvermögen besteht daher keine
Überschneidung, die eine Pflichtenstellung des
Geschäftsführers im Verhältnis zu den
Gesellschaftern begründen könnte. Soweit sich die
Tätigkeit des Geschäftsführers
tatsächlich auf das Vermögen der Gesellschafter
auswirkt, indem sie zu einer Verkleinerung des Anteilswertes oder einer
Schmälerung von Gewinnausschüttungen führt,
handelt es sich um mittelbare, von § 266 StGB nicht umfasste
Folgen (vgl. Kohlmann aaO). c) Der vorliegende Fall einer Beteiligung
an der GmbH durch „stille“ Gesellschafter
führt zu keiner abweichenden Bewertung. Das angefochtene
Urteil enthält ebenso wenig wie die zugelassene Anklage
Anhaltspunkte, ob es sich hierbei lediglich um eine atypische
Gesellschaftsbeteiligung an der Y. GmbH handelt, oder ob die Anleger
zusammen mit der Y. GmbH als Unternehmensträger eine stille
Gesellschaft im Sinne der §§ 230 ff. HGB bilden (vgl.
Schmidt in MünchKomm HGB § 230 Rdn. 114 f.). Auch
wenn die Anleger ihre Beteiligungen in letzterer Form erbracht haben
sollten, erzeugt dies entgegen der Auffassung des OLG Karlsruhe in
seinem Beschluss vom 7. Juli 2005 keine stärkere Treupflicht
zwischen dem Angeklagten als Geschäftsführer der GmbH
und den stillen Gesellschaftern, als wenn diese sich unmittelbar am
Vermögen der GmbH beteiligt hätten. Denn die
Besonderheit ist hier, dass der Inhaber des Handelsgewerbes nach
§ 230 Abs. 1 HGB die Kapitalgesellschaft ist - die GmbH -, in
deren Vermögen die Einlagen der stillen Gesellschafter
übergehen. Es können deshalb keine anderen
Grundsätze gelten. Die stille Gesellschaft bildet selbst kein
Gesellschaftsvermögen und ist weniger als Organisation,
sondern eher als Schuldverhältnis - hier zu der GmbH - zu
charakterisieren (Gehrlein in Ebenroth/Boujong/Joost HGB § 230
Rdn. 4; Schmidt aaO Rdn. 7 ff.). Dass der Angeklagte es
persönlich gegenüber den einzelnen Gesellschaf-12
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tern übernommen hat, ihr eingebrachtes Vermögen
gewinnbringend zu verwalten, ist weder von der Revision vorgetragen
noch sonst ersichtlich. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf |