BGH,
Urt. v. 25.2.2003 - 5 StR 363/02
5 StR 363/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 25. Februar 2003
in der Strafsache gegen
wegen Vorteilsannahme
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 25.
Februar 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger, Richter Basdorf, Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg vom 30. Januar 2002 wird verworfen.
Die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des
Angeklagten fallen der Staatskasse zur Last.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Anklagevorwurf der
Vorteilsannahme in 29 Fällen aus tatsächlichen und
rechtlichen Gründen freigesprochen (wegen des Falles 14 ist
das Verfahren während des Verlaufs der Hauptverhandlung wegen
Verjährung eingestellt worden). Die auf den Freispruch in 28
Fällen beschränkte (der Freispruch im Fall 3 wird
nicht angefochten), mit der Sachrüge begründete
Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht
vertreten wird, hat keinen Erfolg.
I.
Der Angeklagte ist als Professor an der Universität H und als
Oberarzt in der Abteilung Thorax-, Herz- und
Gefäßchirurgie des
Universitätskrankenhauses E Amtsträger im Sinne des
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB (vgl. HansOLG Hamburg StV 2001, 277,
278). Ihm wurde vorgeworfen, in den Jahren 1992 bis 1996 in den 28
Fällen, die noch Gegenstand des Revisionsverfahrens sind,
Zuwendungen im Gesamtwert von über 140.000 DM von der M GmbH,
einem Unternehmen, das medizintechnisches Gerät, u.a.
Herzschrittmacher, herstellte und vertrieb, angenommen zu haben; mit
den Zuwendungen habe die M GmbH die Erwartung verbunden,
der Angeklagte, der in seiner Abteilung maßgeblich
für die Auswahl der den einzelnen Patienten zu implantierenden
Herzschrittmacher verantwortlich war, werde dabei die Produkte des
Unternehmens bevorzugen.
Bei den vom Angeklagten eingeräumten,
demgemäß - von der Staatsanwaltschaft nicht
beanstandet - festgestellten Zuwendungen (s. UA S. 17 bis 25) handelte
es sich
- um Zahlungen für von ihm veranlaßte medizinische
Forschungsarbeiten, die teils über das im
Universitätskrankenhaus für den Angeklagten
eingerichtete Drittmittelkonto flossen (Fälle 1, 2, 4, 7, 20),
- um Honorarzahlungen und Nebenkostenerstattungen für
Fachvorträge des Angeklagten und deren Vorbereitung, beruhend
auf einem Vertrag zwischen der M GmbH und einer von der Ehefrau des
Angeklagten zur wirtschaftlichen Verwertung seiner nebenamtlichen
wissenschaftlichen Tätigkeit betriebenen Firma (Fälle
5, 15, 17 bis 19, 21, 26 bis 30),
- um die Bezahlung der Organisation von Fortbildungsveranstaltungen
oder der Teilnahme des - weitgehend als Referent eingesetzten -
Angeklagten hieran (Fälle 6, 16, 22 bis 25),
- schließlich um die Bezahlung von Lokalrechnungen
anläßlich abendlicher Besprechungen zwischen dem
Angeklagten, seiner Ehefrau und der Geschäftsleitung der M
GmbH über Forschungsunternehmen oder
Fortbildungsveranstaltungen (Fälle 8 bis 13).
Das Landgericht stützt den Freispruch maßgeblich auf
den mangelnden Nachweis der für eine Verurteilung wegen
Vorteilsannahme erforderlichen Unrechtsvereinbarung im Sinne des
§ 331 Abs. 1 StGB a.F. (vor der Änderung durch das
Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13. August 1997). Es
bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß
der Angeklagte seine - teils in Übereinstimmung mit dem
jeweiligen Operationsteam getroffenen - Entscheidungen über
die Bestellungen der den einzelnen Patienten zu implantierenden
Herzschrittmacher im Gesamttatzeitraum jemals anders als
ausschließlich nach therapeutischen Gesichtspunkten
ausgerichtet und bei der Geräteauswahl die M GmbH jemals
unsachgemäß bevorzugt habe;
das Unternehmen habe dergleichen mit seinen Zuwendungen auch nicht
erwartet.
II.
Der Freispruch ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
1. Zutreffend hat das Landgericht zunächst als
Diensthandlungen, für die der Angeklagte als
Amtsträger Vorteile angenommen haben könnte,
lediglich dessen Entscheidungen im Rahmen der Herzschrittmacherauswahl
(vgl. HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 278) in Betracht gezogen und seine
Mitwirkung an Fortbildungsveranstaltungen, einschließlich
Forschungsarbeiten zu deren Vorbereitung, hiervon ausgenommen. Hierbei
handelte es sich ersichtlich nicht um amtliche, sondern um
nebenamtliche Tätigkeiten (vgl. Tröndle/Fischer, StGB
51. Aufl. § 331 Rdn. 25a).
Soweit das Landgericht indes im Blick auf eine angemessene Honorierung
dieser Nebentätigkeiten einen Vorteil im Sinne des §
331 Abs. 1 StGB ausschließen wollte, läßt
diese Folgerung außer acht, daß ein solcher Vorteil
gerade in der Übertragung jener Nebentätigkeiten
liegen kann, die der Angeklagte nicht zu beanspruchen hatte und die
daher prinzipiell als Gegenleistung für Entscheidungen im
Bereich der Herzschrittmacherauswahl in Betracht kommt (vgl. BGHSt 31,
264, 279 f.; HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 279;
Tröndle/Fischer aaO; Jescheck in LK 11. Aufl. § 331
Rdn. 8). Da diese Erwägung für die Freisprechung
jedoch in keiner Beziehung allein tragend war, ist ein Rechtsfehler
insoweit jedenfalls ohne Auswirkung geblieben. Es bedarf daher auch in
weiteren Fällen keiner Prüfung der Frage, ob und
gegebenenfalls inwieweit für einen Vorteil im Sinne des
§ 331 Abs. 1 StGB auch die Finanzierung von
Forschungsprojekten der Universität über ein
Drittmittelkonto des Angeklagten ausreichen könnte (vgl. dazu
BGHSt 47, 295, 304 ff.).
2. Das Landgericht hat seine Beweiswürdigung und die darauf
beruhende rechtliche Würdigung, die vom Angeklagten
angenommenen Vorteile seien nicht nachweislich Gegenleistungen
für die Vornahme von Diensthandlungen (§ 331 Abs. 1
StGB a.F.) gewesen, rechtsfehlerfrei begründet.
Fälle der vorliegenden Art, die im wesentlichen die Einwerbung
von Drittmitteln für Forschung und Lehre im Bereich des
Gesundheitswesens zum Gegenstand haben, stehen bei der strafrechtlichen
Würdigung als Korruptionsdelikte weitgehend in einem
Spannungsfeld: einerseits können Amtsträger hier sie
beeinflussende Vorteile von Unternehmen erfahren, die an ihrer
Amtsausübung wirtschaftlich interessiert sind; andererseits
können sie im Rahmen ihrer Amtsausübung zur
Einwerbung derartiger Vorteile gehalten sein (vgl.
Tröndle/Fischer aaO § 331 Rdn. 26 bis 27a m. w. N.).
Von den vom Bundesgerichtshof aus diesem Bereich jüngst
grundsätzlich entschiedenen Fällen (Urteile des 1.
Strafsenats vom 23. Mai 2002 - 1 StR 372/01, BGHSt 47, 295, und vom 23.
Oktober 2002 - 1 StR 541/01, wistra 2003, 59, zur
Veröffentlichung in BGHSt bestimmt), in denen es zu
Schuldsprüchen gegen leitende Ärzte an
Universitätskliniken, namentlich wegen Vorteilsannahme,
gekommen ist, unterscheidet sich der vorliegende Fall unter anderem
maßgeblich dadurch, daß hier in keinem der
Einzelfälle eine Abhängigkeit der Höhe der
Vorteilsgewährung von dem durch Diensthandlungen des
Empfängers beeinflußten Absatzumfang zugunsten des
Zuwendenden festzustellen war (vgl. zu diesem Indiz HansOLG Hamburg StV
2001, 277, 280).
Das Landgericht hat keine Anhaltspunkte dafür gefunden,
daß der Angeklagte sich jemals bei einer Entscheidung
über die Auswahl eines einzusetzenden Herzschrittmachers an
anderen Kriterien als an den im individuellen Einzelfall allein
für maßgeblich erachteten
Patientenbedürfnissen orientiert hätte. Dieses
Beweisergebnis zu den - im übrigen nicht etwa stets vom
Angeklagten allein getroffenen - Entscheidungsprozessen bei den in
Frage stehenden Diensthandlungen hat das Landgericht nach
Beweiserhebungen durch Zeugenvernehmung ärztlicher Kollegen
und Vorgesetzter des Angeklagten gewonnen. Die statistischen Erhebungen
über die Verteilung des Schrittmacher-Umsatzes in der
Abteilung des Angeklagten auf die einzelnen Lieferfirmen machten
plausibel, daß Anhaltspunkte für eine Bevorzugung
der M GmbH nicht auszumachen waren. Das Beweisergebnis wurde ferner
durch Zeugenaussagen von Angehörigen dieses betroffenen
Unternehmens gestützt, welche die
"Produktneutralität" des Angeklagten bei seinen
Vorträgen und vorbereitenden Forschungsprojekten
bestätigten, ja sogar seine gelegentlich unverhohlene Kritik
an Mängeln der Produkte gerade des die
Fortbildungsveranstaltungen finanzierenden Unternehmens hervorhoben.
Aufgrunddessen mußte auch eine Erwartung des seine
Fortbildungs- und Forschungsbemühungen fördernden
Unternehmens hinsichtlich seiner Dienstausübung, die
für den Angeklagten offensichtlich gewesen wäre,
weder vorausgesetzt noch auch nur näher in Betracht gezogen
und erörtert werden.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts
belegen folgendes: Dem Angeklagten wurde im Bereich des Einsatzes von
Herzschrittmachern eine überregional herausragende fachliche
Stellung zugebilligt. Dies prädestinierte ihn - da er zudem
über besondere rhetorische Fähigkeiten
verfügte - zur Fortbildung qualifizierter Kollegen auf diesem
Gebiet, unter Einschluß mit der Materie befaßter
medizintechnischer Unternehmen. Ferner war das hier betroffene
Unternehmen in diesem Bereich in erheblichem Maße an
Innovation orientiert und hatte schon daher starkes Interesse an der
Durchführung qualitativ hochstehender Fortbildung. Die
Geschäftspolitik des Unternehmens erwies sich zudem jedenfalls
im Umfeld des mit der Anklage erfaßten Geschehens nicht als
auffallend absatzorientiert. Dies macht einen auch mit
verhältnismäßig hohem wirtschaftlichem
Aufwand verbundenen Einsatz des Unternehmens für die
Förderung der Forschungs- und Fortbildungsaktivitäten
des Angeklagten hinreichend plausibel. Dieser war im übrigen
auch vielfach für konkurrierende medizintechnische Unternehmen
entsprechend tätig. Bei dieser Sachlage mußte die
Forschungsförderung durch die M GmbH nicht notwendig mit dem
Bestreben einhergehen, zugleich auch die Praxis des Angeklagten bei der
Bestellung von Herzschrittmachern im Rahmen seines dienstlichen
Einsatzes als Oberarzt zum wirtschaftlichen Vorteil des Unternehmens zu
beeinflussen.
3. An den Lokalbesuchen, die dem Angeklagten angelastet werden, nahmen
neben ihm seine Ehefrau, die zugleich seine nebenamtlichen
Fortbildungsprojekte wirtschaftlich förderte, und leitende
Angehörige des einladenden Unternehmens teil, die ihrerseits
bei gleichem Anlaß auch immer wieder vom Angeklagten
eingeladen wurden. Bei diesen Arbeitsessen wurde die Vorbereitung und
Organisation von Forschungs- und Fortbildungsprojekten besprochen. Die
Einladungen dienten mithin gleichfalls allein diesem Zweck. Daher
scheidet auch insoweit die Annahme eines Vorteils als Gegenleistung
für eine Diensthandlung aus. Es kommt daher nicht darauf an,
ob eine Strafbarkeit insoweit etwa auch aus anderen Gründen,
namentlich aus Gesichtspunkten der Sozialadäquanz (vgl. BGHSt
31, 264, 279; Tröndle/Fischer aaO § 331 Rdn. 25),
auszuschließen wäre.
Bei der gegebenen Sachlage kommt es auch nicht darauf an, inwieweit
eine Strafbarkeit wegen Genehmigung der Vorteilsannahme
gemäß § 331 Abs. 3 StGB ausgeschlossen
wäre oder inwiefern - hier näherliegend - bereits ein
Irrtum des Angeklagten über deren Erteilung seine Strafbarkeit
berühren könnte. Immerhin ergeben sich hierzu aus dem
angefochtenen Urteil sehr großzügige Auffassungen
eines Chefarztes und des medizinischen Dekans über die
mangelnde Notwendigkeit einer entsprechenden Genehmigung für
die Entgegennahme der Finanzierung von Kongreßreisen durch
Pharmazieunternehmen. Die Drittmittelkonten des Angeklagten waren der
Universitätsverwaltung bekannt, sie bewilligte den Einsatz
dort eingezahlter Mittel und erteilte Spendern Quittungen. Auch sonst
sind keine Anhaltspunkte erkennbar, daß der Angeklagte
generell bestrebt gewesen wäre, seine Praxis, von mit
medizintechnischer Herstellung befaßten Unternehmen
fortbildungs- und forschungsfördernde Mittel anzunehmen, etwa
- was die Beurteilung der Sachlage zu seinem Nachteil erheblich
verschlechtert hätte (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2002 -
1 StR 541/02, wistra 2003, 59, 65, zur Veröffentlichung in
BGHSt bestimmt; HansOLG Hamburg StV 2001, 277, 280) - generell,
insbesondere gegenüber den Verantwortlichen des
Universitätskrankenhauses, zu verschleiern.
4. Ungeachtet der rechtsfehlerfreien Freisprechung des Angeklagten im
vorliegenden, verhältnismäßig weit
zurückliegenden Fall erscheint - auch im Anschluß an
die Tendenz der zitierten beiden Grundsatzentscheidungen des
Bundesgerichtshofes aus dem Vorjahr - folgender Hinweis angezeigt: Mit
der - durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz
verschärften - Strafvorschrift des § 331 StGB soll
auch dem Hervorrufen eines bösen Anscheins möglicher
"Käuflichkeit" von Amtsträgern begegnet werden. Die
Sensibilität der Rechtsgemeinschaft bei der Erwägung
der Strafwürdigkeit der Entgegennahme von Vorteilen durch
Amtsträger ist, auch in Fällen der vorliegenden Art,
mittlerweile deutlich geschärft. Mithin wird in derartigen
Fällen künftig Amtsträgern vor der Annahme
jeglicher Vorteile, die in Zusammenhang mit ihrer
Dienstausübung gebracht werden können, die strikte
Absicherung
von Transparenz im Wege von Anzeigen und Einholungen von Genehmigungen
auf hochschulrechtlicher Grundlage abzuverlangen sein. Die
Gewährleistung eines derartigen Verhaltens obliegt namentlich
auch der besonderen Verantwortung der jeweiligen Vorgesetzten.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Raum |