BGH,
Urt. v. 25.2.2010 - 4 StR 575/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 575/09
vom
25. Februar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.
Februar 2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
der Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Dr. Franke
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Paderborn vom 18. August 2009 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in
Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der
Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und
materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
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1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher
unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
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2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der
Sachrüge hat weder zum Schuld- noch zum Strafausspruch einen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgedeckt.
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a) Entgegen der Ansicht der Revision belegen die vom Landgericht
getroffenen Feststellungen die Annahme bedingten
Tötungsvorsatzes. Danach hatte sich zwischen dem Angeklagten
und dem Zeugen M. , die zuvor eng befreundet gewesen waren, aus
vielschichtigen Gründen eine hasserfüllte Abneigung
entwickelt. Bevor der Angeklagte den Zeugen aufsuchte und sogleich
zweimal mit einem Schraubendreher mit einer etwa sieben Zentimeter
langen
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Spitze auf ihn in Richtung des Brustbereichs einstach, hatte sich der
Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge entschlossen, "den Streit
zwischen ihm und dem Zeugen M. im Kampf einer abschließenden
finalen Lösung zuzuführen". Hieraus und aus der Art
des schnellen tätlichen Angriffs, der erst durch das
Eingreifen weiterer Personen beendet werden konnte, hat das Landgericht
geschlossen, dass auch das neben dem Wissenselement
selbständig erforderliche Wollenselement des
Tötungsvorsatzes beim Angeklagten vorgelegen hat. Dies ist aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision eine
eigene, andere Würdigung der Feststellungen vornimmt, kann sie
damit im Revisionsverfahren keinen Erfolg haben.
b) Dass das Landgericht tateinheitlich mit dem versuchten Totschlag
auch eine gefährliche Körperverletzung in den
Begehungsformen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB
angenommen hat, begegnet - entgegen den Ausführungen des
Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift - keinen rechtlichen
Bedenken.
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§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt voraus, dass die
Körperverletzung "mittels einer das Leben
gefährdenden Behandlung" begangen wird. Erforderlich, aber
auch genügend ist, dass die Art der Behandlung durch den
Täter nach den Umständen des Einzelfalls generell
geeignet ist, das Leben des Opfers zu gefährden; einer
konkreten Gefährdung bedarf es nicht (st. Rspr., vgl. BGH,
Urt. vom 29. April 2004 - 4 StR 43/04 = NStZ 2004, 618; Beschl. vom 23.
Juli 2004 - 2 StR 101/04 = NStZ 2005, 156, 157; vgl. auch Fischer StGB
57. Aufl. § 224 Rdn. 12 mit zahlreichen Nachweisen). Die
Stiche mit dem Schraubendreher, bei dem es sich nach den
Urteilsfeststellungen um einen harten, spitzkantigen Gegenstand
handelte, waren, wie das Landgericht - den Ausführungen des
rechtsmedizinischen Sachverständigen folgend - festgestellt
hat, generell geeignet, lebensgefährdende Verletzungen
hervorzurufen. Darauf, dass der Zeu-
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ge infolge seiner Abwehr letztlich nur leichtere Verletzungen erlitten
hat, kommt es für die Tatbestandsverwirklichung nicht an.
c) Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des
Angeklagten im Sinne des § 21 StGB hat das
sachverständig beratene Landgericht mit sorgfältiger
Begründung rechtsfehlerfrei verneint. Es hat insbesondere
dargelegt, warum es sich nicht vom Vorliegen einer Affekttat
überzeugen konnte. Soweit der Generalbundesanwalt in diesem
Zusammenhang eine weiter gehende Berücksichtigung der
kulturellen Prägung des Angeklagten und des Stellenwerts, der
einer Männerfreundschaft im arabischen Raum zukomme, vermisst,
kann dem nicht gefolgt werden.
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d) Soweit das Landgericht einen minder schweren Fall des versuchten
Totschlags im Sinne des § 213 1. Alt. StGB verneint hat, ist
dies entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts
revisionsrechtlich schon deswegen nicht zu beanstanden, weil der
Angeklagte durch die vorangegangenen Beleidigungen jedenfalls nicht auf
der Stelle zur Tat hingerissen worden ist.
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e) Letztlich begegnet es auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass das
Landgericht, das einen sonstigen minder schweren Fall nach §
213 2. Alt. StGB angenommen hat, den dadurch eröffneten
Strafrahmen nicht nach §§ 46 a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB
gemildert hat. Zwar hat sich der Angeklagte in einem Brief, den er aus
der Untersuchungshaft an den Geschädigten gesandt hat,
für die Tat entschuldigt. Für einen Ausgleich mit dem
Verletzten im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB ist es aber
regelmäßig erforderlich, dass der Täter
sich gegenüber dem Opfer zu seiner Schuld bekennt und die
Opfer-Position der geschädigten Person respektiert (vgl. BGHSt
48, 134, 141; vgl. auch Fischer aaO § 46 a Rdn. 10 a und b
m.w.N.).
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Nach dem Inhalt des im Urteil wörtlich wiedergegebenen Briefes
des Angeklagten kann dieser jedoch nicht als Zeichen der
Übernahme von Verantwortung für das Tatgeschehen
angesehen werden. Der Angeklagte weist darin die Alleinschuld an der
Eskalation dem Opfer zu, das ihm durch sein Verhalten "keinen anderen
Weg gelassen" habe. Darauf, dass der Geschädigte in der
Hauptverhandlung erklärt hat, dem Angeklagten zu verzeihen, da
dieser auch Familie habe, kommt es daher nicht mehr ausschlaggebend an
(vgl. BGH, Beschl. vom 25. Juni 2008 - 2 StR 217/08 = StV 2008, 464).
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Tepperwien Maatz Solin-Stojanović
Ernemann Franke |