BGH,
Urt. v. 25.6.2003 - 1 StR 469/02
1 StR 469/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom
25. Juni 2003
in der Strafsache gegen
wegen Untreue u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 25.
Juni 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Nack und die Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Boetticher, Dr. Kolz, Hebenstreit, die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf, Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt
als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe vom 14. Juni 2002 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres
Rechtsmittels.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Untreue in 173
Fällen, wegen Beihilfe zur Untreue sowie wegen
Urkundenunterdrückung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei
Jahren und drei Monaten verurteilt. Hinsichtlich des Vorwurfs der
Untreue in weiteren elf Fällen wurde sie freigesprochen. Die
Revision der Angeklagten richtet sich mit der Sachrüge
insbesondere gegen die Strafzumessung. Zu Unrecht sei die Strafkammer
in allen Fällen der Untreue von
gewerbsmäßigem Handeln der Angeklagten und in der
Folge - von Bagatellfällen abgesehen - jeweils vom Strafrahmen
für besonders schwere Fälle des § 266 Abs. 2
i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ausgegangen.
Tatsächlich habe die Angeklagte in der überwiegenden
Zahl der Fälle rein fremdnützig gehandelt. Der
Revision bleibt der Erfolg versagt.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts schädigten die
Angeklagte und ihr Ehemann W. E. gemeinsam Nachlässe, die der
Angeklagten als Nachlaßverwalterin - in einigen
Fällen auch als Testamentsvollstreckerin - anvertraut worden
waren. Dem Urteil liegen Taten seit dem Jahre 1995 zugrunde.
W. E. , seit 1964 Beamter im Notariat K. , hatte bereits seit 1979 als
Nachlaßverwalter und Testamentsvollstrecker Gelder
veruntreut. Infolge einer Rechtsänderung war es ihm ab 1984 in
vielen Fällen verwehrt, Nachlaßpflegschaften und
Testamentsvollstreckungen zu übernehmen. Er trug Sorge
dafür, daß nunmehr seine Ehefrau - unter der
Firmierung "Fachbüro für
Nachlaßangelegenheiten" - damit betraut wurde. So wollte er
weiterhin "sich und ihr" - auch nachdem die Eheleute seit 1993 getrennt
lebten - "durch eigennützige Verwendung der zu verwaltenden
Gelder aus wiederholter Tatbegehung eine Einnahmequelle von einigem
Umfang und einiger Dauer verschaffen", um seinen aufwendigen Lebensstil
zu finanzieren. Die Angeklagte stimmte zu, "um ihrerseits in den
Genuß der aus den Nachlässen stammenden illegalen
Gelder zu kommen, die sie zur dauerhaften Bestreitung ihres
Lebensunterhalts benötigte". Die Angeklagte E. E. , die
deshalb ihre Arbeitsstelle aufgegeben hatte, "wollte sich auf diese
Weise eine Einkommensquelle von einigem Unfang und einiger Dauer
verschaffen, zumal nach dem Wegfall ihres Einkommens als
Röntgenassistentin die Bearbeitung der Nachlassangelegenheiten
und nach der Trennung vom Ehemann dessen
´Unterhaltszahlungen´ "- dahinter verbargen sich
veruntreute Nachlaßgelder - "neben den geringen Einnahmen aus
der Vermietung der Eigentumswohnung in L. ihre einzigen Einnahmequellen
waren und sie sowie ihr Lebensgefährte R. ebenfalls einen
hohen Geldbedarf hatten, zum Beispiel für Einladungen in
Brenner´s Parkhotel, mehrere Mauritius-Urlaube oder auch zur
Feier des 60. Geburtstags von G. R. im Hotel Bareiss. Im Herbst 1995
hatte die Angeklagte eine Wohnung in Baden-Baden gekauft und mit
erheblichen Mitteln ausgebaut.
Der Zugriff auf die der Angeklagten anvertrauten
Nachlaßvermögen erfolgte zum einen durch
Überweisungen, Abhebungen oder Abbuchungen (nach
Scheckhingabe) unmittelbar von den jeweiligen Nachlaßkonten
zum privaten Verbrauch, zur Begleichung eigener Verbindlichkeiten, zur
Zuwendung an z.T. unbekannt gebliebene nachlaßfremde Personen
oder auch um Verbindlichkeiten aus anderen
Nachlaßverwaltungen abzudecken - d.h. um Löcher zu
stopfen -. Teilweise verfügte die Angeklagte auch in Absprache
mit ihrem Ehemann. Unter anderem hob sie in sieben Fällen von
Nachlaßkonten Gelder ab bzw. entnahm Wertpapiere, um die
entsprechenden Beträge unmittelbar für sich zu
verwenden. Häufiger dagegen handelte W. E. , der der
Angeklagten hierzu die entsprechenden Dokumente zur Unterschrift
vorlegte oder Formulare mit von ihr vorab geleisteten
Blankounterschriften verwendete. Zum anderen wurde fremdes
Nachlaßvermögen zunächst durch die
Angeklagte und ihren Ehemann einvernehmlich auf ein "privates
Girokonto" der Angeklagten bei der Sparkasse Karlsruhe - teilweise
unter Zwischenschaltung eines weiteren Kontos der Angeklagten bei der
Hypo-Bank Mannheim - transferiert und so vereinnahmt, sei es durch
Überweisung von den Nachlaßkonten, durch
Überweisungen von Nachlaßschuldnern sowie durch
Einzahlung oder Überweisung der Erlöse aus der
Veräußerung von Wertpapieren sowie mobiler oder
immobiler Nachlaßgegenstände. Auf die Guthaben
dieses Kontos hatten die Angeklagte und ihr Ehemann beliebig Zugriff,
sei es zur Abwicklung privater Geldgeschäfte, aber auch um
Verpflichtungen zu erfüllen, die die
Nachlaßverwaltung betrafen. Denn das Konto wurde für
Privates und Nachlaßangelegenheiten gleichermaßen
genutzt.
Für dieses Girokonto bei der Sparkasse Karlsruhe war deshalb
neben der Angeklagten auch ihr Ehemann zeichnungsberechtigt. Soweit die
auf das Konto transferierten Mittel nicht - wieder - der Verwendung
für Nachlaßangelegenheiten zugeführt
wurden, verfügte über "einen Großteil der
Nachlaßgelder" (auf dem Konto) zum einen der Ehemann der
Angeklagten - mit deren Kenntnis und Billigung - zu seinen Gunsten
durch Barabhebungen, durch den Einsatz der EC- und Kreditkarte sowie
durch Verwendung von Schecks und
Überweisungsaufträgen, die er seiner Ehefrau zur
Unterzeichnung vorlegte, zur Bezahlung an ihn gerichteter privater
Rechnungen. Zum anderen nutzte die Angeklagte die auf ihrem Konto
angesammelten Nachlaßmittel für sich, etwa durch
Barabhebungen, Zahlung mit Kreditkarte sowie durch Zulassung von
Abbuchungen, z.B. zur Tilgung der Kredite für ihre
Eigentumswohnungen, zur Entrichtung ihrer Krankenkassen- und
Lebensversicherungsbeiträge, zur Bezahlung von Tankrechnungen,
Bahnfahrkarten und Restaurantrechnungen. Die Barabhebungen "verstand
sie" als Unterhaltszahlungen ihres Ehemanns und als Vorschüsse
auf ihren Anteil an den Nachlaßverwaltervergütungen.
Bewilligungen des Nachlaßgerichts lagen hierzu keine vor.
Nach ihrer internen Abrede sollten von den
"Nachlaßvergütungen" dem Ehemann 2/3 zustehen, der
Angeklagten 1/3. Abgerechnet wurde nie.
Die Nachlässe waren der Angeklagten ohne Beschränkung
des Wirkungskreises und meist unter Befreiung von
Beschränkungen der §§ 1812, 1813 BGB
anvertraut. Die zur Aufsicht berufenen Notare überwachten die
Tätigkeit der Nachlaßpflegerin E. zu keiner Zeit und
forderten auch die gebotene jährliche Berichterstattung und
Rechnungslegung "nicht ansatzweise ernsthaft ein".
So gelang es der Angeklagten - zusammen mit ihrem Ehemann, der den
überwiegenden Vorteil aus den Taten zog -, in der Zeit von
November 1995 bis Oktober 2000 in 34 Nachlaßsachen durch 174
Taten insgesamt über 6.000.000, DM, im Einzelfall bis zu
361.568,98 DM -, zu veruntreuen. Ein erheblicher Teil floß
allerdings wieder in die Nachlaßverwaltung zurück.
So übergab W. E. der Angeklagten am 11. Oktober 2000
338.315,09 DM in einer Tüte, um diesen Betrag auf ein
Nachlaßkonto einzubezahlen. Zur Verschleierung der
tatsächlichen Herkunft des Geldes erklärte die
Angeklagte der Bankangestellten gegenüber, das Geld stamme aus
einem Hausverkauf.
Der Verurteilung wegen Urkundenunterdrückung lag zugrunde,
daß die Angeklagte gemeinsam mit ihrem Ehemann ein in der
Wohnung eines Erblassers aufgefundenes Testament beiseite schaffte.
Das Landgericht hat Einzelstrafen in Höhe von zwei Monaten bis
zu (bei Schäden über 250.000, DM in drei
Fällen) zwei Jahren Freiheitsstrafe (für die
Urkundenunterdrückung sechs Monate Freiheitsstrafe)
verhängt - die Summe der Einzelstrafen liegt bei 160 Jahren -
und daraus die Gesamtstrafe in Höhe von drei Jahren und drei
Monaten gebildet. W. E. wurde - rechtskräftig - wegen Untreue
in 192 Fällen u.a. zu der Gesamtfreiheitsstrafe von
fünf Jahren und neun Monaten verurteilt.
II.
Die Überprüfung des Urteils deckt Rechtsfehler zum
Nachteil der Angeklagten nicht auf. Die rechtsfehlerfrei getroffenen
Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch. Auch der
Rechtsfolgenausspruch hat Bestand. Insbesondere ist es
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer
- von "Bagatellfällen" abgesehen - die Untreuehandlungen als
besonders schwere Fälle im Sinne von § 266 Abs. 2 aF,
als auch von § 266 Abs. 2 StGB (i.V.m. § 263 Abs. 3
StGB) in der ab dem 1. April 1998 nach der Änderung durch das
6. StrRG geltenden Fassung wertete und bei der Strafzumessung dann
gemäß § 2 Abs. 3 StGB in allen
Fällen (die überwiegende Zahl der Fälle
liegt vor dem 1. April 1998) nach dem Grundsatz der strikten
Alternativität (vgl. BGH wistra 2002, 63) den Strafrahmen des
§ 266 Abs. 2 StGB nF, dem dann mildesten Gesetz, zugrunde
legte.
Bei der Frage, ob ein besonders schwerer Fall i.S. des § 266
Abs. 2 StGB anzunehmen ist, handelt es sich um eine dem Tatgericht
obliegende Frage der Strafzumessung, in die einzugreifen dem
Revisionsgericht nur in engen Grenzen gestattet ist (BGH NStZ 1982,
464). Das Tatgericht hat alle die Taten und die Persönlichkeit
der Angeklagten kennzeichnenden wesentlichen Gesichtspunkte im Urteil
genannt, folglich in seine Strafzumessungserwägungen
einbezogen und somit seiner Bewertung die gebotene
Gesamtwürdigung (vgl. BGH StV 1988, 253) zugrundegelegt.
Allein schon das ungewöhnliche Ausmaß des
Vertrauensbruchs und der Umfang der Tatfolgen vor dem Hintergrund
gewohnheitsmäßiger Begehung (vgl. BGHR StGB
§ 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Gewerbsmäßig 1)
über Jahre hinweg kennzeichnen über das
Gesamtgeschehen hinaus auch alle Einzelfälle und rechtfertigen
hier durchweg die Annahme besonders schwerer Fälle, auch i.S.
von § 266 Abs. 2 StGB aF (nicht benannte besonders schwere
Fälle). Zudem handelten die Angeklagten in allen
Fällen gewerbsmäßig. Die Angeklagte und ihr
Ehemann wollten sich eine gemeinsame dauerhafte Quelle zur illegalen
Finanzierung ihres aufwendigen Lebensstils erschließen und
setzten dies im Rahmen des "Fachbüros für
Nachlaßangelegenheiten" der Angeklagten um. Diesem Ziel,
diesem Unternehmenszweck, dienten alle Untreuehandlungen,
unabhängig von der Verwendung der veruntreuten Gelder im
Einzelfall. Wie in Gewinnerzielungsabsicht handelnde Mittäter
die Beute teilen - im jeweiligen Einzelfall oder auf andere Weise - ist
ebenso unerheblich wie die Verwendung der illegalen Einkünfte,
z.B. teilweise auch zugunsten anderer oder zur partiellen
Schadenswidergutmachung, insbesondere wenn dies der Vermeidung der
Aufdeckung der illegalen Praktiken dient und so die Fortsetzung der
einträglichen Straftaten ermöglicht. Auch hier
sicherte die Bezahlung an oder für einzelne Nachlässe
aus veruntreutem Geld die illegale Einnahmequelle für die
Zukunft. Früher verursachte Untreueschäden wurden mit
- erneut - veruntreutem Geld ausgeglichen zur Vermeidung der
Tatentdeckung. Die Angeklagte wirkte an diesem System
maßgeblich mit und partizipierte daran in erheblichem Umfang.
Jeder darauf bezogene Tatbeitrag, jede Einzeltat, war auch bei ihr
(§ 28 Abs. 2 StGB) durch die dauerhafte
Gewinnerzielungsabsicht geprägt und damit
gewerbsmäßig.
Ein Tatbestandsirrtum hinsichtlich des Merkmals der Pflichtwidrigkeit
lag,
auch soweit es sich um die Übertragung von
Nachlaßmitteln auf das Privatkonto handelte, das auch der
Abwicklung von Nachlaßangelegenheiten diente, - nach den
Feststellungen des Landgerichts - nicht vor. Die Angeklagte hatte
"erkannt, daß .... eine sorgfältige Abrechnung der
einzelnen Nachlässe nicht gewährleistet war". Die
mißbräuchliche Verwendung dorthin transferierter
Mittel war "für sie offensichtlich". Daß die
Strafkammer der Angeklagten gleichwohl einen - vermeidbaren -
Verbotsirrtum und insoweit Strafmilderung zugebilligt hat, belastet sie
nicht.
Fehlende Kontrolle und Aufsicht erleichterte nicht nur die
Untreuehandlungen, sie waren Voraussetzung für die Tatbegehung
über so lange Zeit. Dies entlastet die Angeklagte dennoch
nicht. Ihr war fremdes Vermögen ganz persönlich
anvertraut. Unabhängig von Überwachung und Kontrolle
hatte sie aufgrund ihrer Bestellung zur Nachlaßverwalterin
für ihre Person die Pflicht diese Vermögen
für die - zunächst unbekannten - Erben sorgsam und
sicher zu verwalten, die Erben zu ermitteln und ihnen den
Nachlaß schließlich zu übergeben.
Versäumnisse anderer mindern diese Pflichtenstellung nicht und
lassen den Vertauensmißbrauch keineswegs in einem milderen
Licht erscheinen. Die Situation hier ist dem Mitverschulden des
leichtsinnigen Geschädigten nicht gleichzusetzen (vgl. hierzu
BGH StV 1988, 253, aber auch BGH, Beschluß vom 14. August
2002 - 1 StR 286/02 -). Daß die Strafkammer das Versagen der
Aufsicht gleichwohl strafmildernd berücksichtigt hat, belastet
die Angeklagte ebenfalls nicht.
Nack Boetticher Kolz Hebenstreit Elf |