BGH,
Urt. v. 25.6.2009 - 4 StR 610/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 610/08
vom
25. Juni 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen fahrlässiger Tötung u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.
Juni 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Athing, Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann,
Dr. Franke als beisitzende Richter,
Staatsanwältin in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung als Vertreter der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten M. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten T. ,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten Mü. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der
Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts
Saarbrücken vom 26. Mai 2008, soweit es die Angeklagten M. ,
T. und S. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger
werden verworfen, soweit die Rechtsmittel den Angeklagten Mü.
betreffen. Insoweit hat die Staatskasse die Kosten der Revision der
Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten Mü. durch diese
entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Nebenkläger
tragen insoweit die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dadurch
entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten Mü. .
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten M. , T. , S. und Mü. von
den Vorwürfen der fahrlässigen Tötung, des
unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen, des
unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Stoffen
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- 4 -
und Gütern sowie des besonders schweren Falles einer
Umweltstraftat freigesprochen. Gegen dieses Urteil wenden sich die
Revisionen der Nebenkläger und der Staatsanwaltschaft, mit
denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die
Nebenkläger beanstanden darüber hinaus auch das
Verfahren. Die Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg,
soweit die Angeklagten M. , T. und S. freigesprochen worden sind. In
Bezug auf den Freispruch des Angeklagten Mü. erweisen sich die
Revisionen als unbegründet.
I.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
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Der Angeklagte M. war Technischer Leiter, der Angeklagte T.
Betriebsmeister der Schadstoffsammelstelle und des
Sondermüllzwischenlagers der Entsorgungsgesellschaft mbH (im
Folgenden: MEG). Seit 1999 lieferte die MEG
regelmäßig Druckgaspackungen
(„Spraydosen“), die aus gewerblichen
Abfällen oder aus dem Hausmüll stammten, zur
Entsorgung an die Firma Entsorgungstechnik GmbH (im Folgenden: Fa.
GmbH) in . Geschäftsführer der Fa. GmbH war der
Angeklagte S. , als Betriebsleiter war der Angeklagte Mü.
angestellt. Entscheidungsbefugnisse über die Art und den
Zustand der angelieferten Abfälle standen dem Angeklagten
Mü. allerdings nicht zu. Diesbezügliche Anfragen bzw.
Einwendungen hatte er an den Angeklagten S. zu richten, keinesfalls an
den jeweiligen Lieferanten.
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Am 5. November 2002 traf eine dieser Lieferungen der MEG bei der Fa.
GmbH ein. Die Druckgaspackungen befanden sich in blauen Kunststoff-
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fässern mit 120 Liter Fassungsvermögen, die mit einem
Kunststoffdeckel versehen waren, der mittels eines Metallspannrings und
eines Sicherungssplints befestigt war. Auf den Fässern waren
jeweils zwei Gefahrgut- und Kennzeichnungsaufkleber angebracht. Am
Vormittag des 6. November 2002 transportierte der bei der Fa. GmbH
beschäftigte Me. , der Sohn der Nebenkläger, die auf
einem Gestell gelagerten Fässer mit einem Hublader in die
Firmenhalle, um sie dort zu entleeren. Zu diesem Zweck verbrachte er
zunächst die Fässer auf eine erhöhte
Plattform. Dort befand sich eine Vorrichtung, in der die
Fässer eingeklemmt wurden, um den Spannring und den Deckel zu
entfernen. Danach wurde der Inhalt der Fässer entweder in
Metallbehälter gekippt oder - falls sich in den
Fässern zusätzlich inertes (reaktionsträges)
Füllmaterial befand - auf eine Rüttelrinne geleert,
um die Druckgaspackungen von dem Füllmaterial zu trennen.
Nachdem Me. bereits mehrere Fässer durch Ausschütten
in die Metallbehälter entleert hatte, nahm er ein weiteres
Fass aus dem Gestell, um dieses ebenfalls in der beschriebenen Weise zu
leeren. Als er vor dem Lösen des Deckels die auf dem Fass
befindlichen Aufkleber abriss, kam es zu einer Explosion im
Fassinneren, durch die der Fassdeckel gegen den Hals von Me.
geschleudert wurde. Hierdurch erlitt Me. schwere Verletzungen, an deren
Folgen er noch am Nachmittag desselben Tages verstarb.
Zum Unfallzeitpunkt befanden sich in dem etwa zur Hälfte bis
zu zwei Drittel gefüllten Fass herkömmliche
Spraydosen mit Verschlusskappen sowie Spraydosen mit sog. Spraycaps.
Bei den Spraycaps handelt es sich um Kappen, die mit der Dose fest
verbunden, nach oben offen sind und seitlich eine gut fingerbreite
Aussparung aufweisen, so dass das innerhalb der Kappe vertieft sitzende
Ventil betätigt werden kann. Ferner befanden sich in dem Fass
etwa zehn bis zwanzig Einwegfeuerzeuge, und zwar sowohl solche mit
Reiberad als
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auch solche mit Piezo-Zündung. Inertes
(reaktionsträges) Füllmaterial war in dem Fass nicht
enthalten.
Nach den getroffenen Feststellungen wurde die Explosion durch das
Abreißen der Aufkleber verursacht. Aus einer oder mehreren
nicht völlig restentleerten Dosen war aus nicht mehr
feststellbaren Gründen brennbares Treibmittel,
nämlich Propan- und/oder Butangas, ausgetreten. Zusammen mit
der in dem nicht vollständig gefüllten Fass
vorhandenen Luft hatte sich in diesem ein explosionsfähiges
Gemisch gebildet. Als Me. die auf der Außenseite des Fasses
angebrachten Aufkleber abriss, kam es zunächst zu einer
elektrostatischen Aufladung, die sich sodann durch die Fasswand in das
Innere des Fasses entlud und dort schließlich das
Gas-Luft-Gemisch entzündete. Wäre das Fass mit
inertem Material (auf-) gefüllt worden, wäre es nicht
zu der Explosion gekommen.
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Den Angeklagten M. und T. war bekannt, dass bei der MEG Spraydosen, und
zwar - wie der Senat dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe
entnimmt - sowohl solche mit herkömmlichen Schutzkappen wie
auch mit Spraycaps zusammen mit Feuerzeugen ohne Dämmmaterial
in Fässer gefüllt und in die Entsorgungsbetriebe
transportiert wurden. Auch die Angeklagten S. und Mü. wussten,
dass in den von der MEG gelieferten Fässern Druckgaspackungen
mit Schutzkappen und Spraycaps sowie teilweise auch Feuerzeuge
enthalten waren. Des Weiteren war ihnen bekannt, dass in
Fässern der MEG nur selten inertes Dämmmaterial
eingefüllt war und dass es schon vorgekommen war, dass sich
herkömmliche Schutzkappen gelöst hatten oder solche
von vorneherein gefehlt hatten. Sämtliche Angeklagten gingen
davon aus, dass es sich bei den Spraycaps um (ausreichende)
Schutzkappen handelte.
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2. Das Landgericht hat eine Strafbarkeit der Angeklagten nach
§§ 330 Abs. 2 Nr. 2, 326 Abs. 1 Nr. 3, 328 Abs. 3 Nr.
2 StGB bzw. § 222 StGB verneint. Zur Begründung hat
es im Wesentlichen ausgeführt:
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Soweit den Angeklagten zur Last liege, die Transportfässer
unzulässigerweise auch mit Feuerzeugen befüllt zu
haben bzw. in Kenntnis hiervon deren Anlieferung zugelassen zu haben,
habe nicht festgestellt werden können, dass die Explosion
durch einen Funken aus einem der beigefügten Feuerzeuge
ausgelöst worden sei. Der Unfall hätte sich in
gleicher Weise ereignet, wenn in dem Fass keine Feuerzeuge vorhanden
gewesen wären. Es fehle daher jedenfalls an dem erforderlichen
Pflichtwidrigkeitszusammenhang.
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Durch die Beigabe eines inerten Füllstoffes hätte
zwar der Unfall vermieden werden können. Eine solche sei nach
Nr. 11 TR Abfälle 002 indes nur in Fällen
vorgeschrieben, in denen (gebrauchte) Druckgaspackungen, bei denen die
Schutzkappen fehlen oder die eingedrückt, aber noch dicht
sind, transportiert werden. Beides habe jedoch nicht festgestellt
werden können. Insbesondere sei davon auszugehen, dass es sich
bei den sog. „Spraycaps“ um Schutzkappen im Sinne
der genannten Bestimmung handele. Zwar deckten diese Kappen das Ventil
nicht vollständig ab. Durch die vertiefte Lage des Ventils sei
aber ebenfalls ein Schutz gegen ein Betätigen
gewährleistet. Zudem habe diese Form der Kappe durch die feste
Verbindung mit der Dose den Vorteil, sich beim Transport praktisch
nicht zu lösen, wohingegen herkömmliche Kappen nach
den Ausführungen des Sachverständigen Dr. v. P.
leicht abfallen könnten.
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Für eine Strafbarkeit nach § 326 Abs. 1 Nr. 3 StGB
fehle es bereits an einer der dort beschriebenen Tathandlungen. Eine
Strafbarkeit nach § 328 Abs. 3 Nr. 2 StGB scheitere an dem
Erfordernis einer groben Verletzung ver-
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- 8 -
waltungsrechtlicher Pflichten. Darüber hinaus
beträfen die in Frage kommenden verwaltungsrechtlichen
Vorschriften lediglich die Beförderung gefährlicher
Güter. Der Transport sei jedoch zum Unfallzeitpunkt bereits
abgeschlossen gewesen.
II.
A. Freisprüche der Angeklagten M. und T.
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1. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Strafbarkeit
der Angeklagten M. und T. wegen fahrlässiger Tötung
(§ 222 StGB) verneint hat, halten rechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
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a) Zu Unrecht hat das Landgericht einen Pflichtverstoß der
Angeklagten mit der Begründung verneint, dass ein
Auffüllen der Fässer mit inertem
Füllmaterial nicht geboten gewesen sei.
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aa) Die Beförderung gefährlicher Güter wird
geregelt durch das Gefahrgutbeförderungsgesetz ([GGBefG], neu
gefasst am 29. September 1998, BGBl. I S. 3114, zuletzt
geändert durch Verordnung vom 31. Oktober 2006, BGBl. I S.
2407), in dessen § 3 Abs. 1 das Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ermächtigt wird, Regelungen
über die Beförderung, unter anderem über die
Verpackung, das Zusammenpacken und Zusammenladen gefährlicher
Güter (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 GGBefG) zu erlassen. Auf
dieser Grundlage ist die Verordnung über die innerstaatliche
und grenzüberschreitende Beförderung
gefährlicher Güter auf der Straße und mit
Eisenbahnen vom 11. Dezember 2001 ([GGVSE], BGBl. I S. 3529; zuletzt
neugefasst durch Bek. vom 24. November 2006, BGBl. I S. 2683) erlassen
worden, die in § 1 Abs. 3
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- 9 -
Nr. 1 im Wesentlichen die Geltung von Vorschriften des
Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957
über die internationale Beförderung
gefährlicher Güter auf der Straße ([ADR],
BGBl. 1969 II S. 1489) in der jeweils gültigen Fassung
vorsieht. Abweichend von den Bestimmungen der GGVSE sah die
Gefahrgut-Ausnahmeverordnung in der Fassung vom 23. Juni 1999 ([GGAV
1999], BGBl. I S. 1435) in der Ausnahme Nr. 59 für den
Transport gefährlicher Abfälle die Geltung der
Technischen Richtlinien zur Beförderung verpackter
gefährlicher Abfälle vom 4. März 1999 ([TR
Abfälle 002], VkBl. 1999, 150) vor. Diese wurde lediglich
formal, nämlich mit dem Hinweis, dass ihr Inhalt in die GGAV
überführt wird, durch Bekanntmachung des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen vom 25.
Februar 2002 aufgehoben (VkBl. 2002, 230) und sodann - soweit es
jedenfalls die hier relevanten Regelungen betrifft - inhaltsgleich als
Ausnahme Nr. 20 in die GefahrgutAusnahmeverordnung in der Fassung vom
6. November 2002 ([GGAV 2002], BGBl. I S. 4350) übernommen.
bb) Danach hat das Landgericht zwar im Ansatz zutreffend für
die Bestimmung des Maßes der von den Angeklagten
einzuhaltenden Sorgfalt (auch) die Regelungen der TR Abfälle
002 herangezogen. Seine Auffassung, die Beigabe von inertem
Füllstoff sei hier nicht geboten gewesen, begegnet indes
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Nach Nr. 11 der TR Abfälle 002 bzw. nach der Ausnahme 20 Ziff.
2.11 der GGAV 2002 dürfen Druckgaspackungen, bei denen die
Schutzkappen fehlen oder die eingedrückt sind, in
Fässern und weiteren näher bezeichneten
Behältnissen nur mit inerten Füllstoffen verpackt
werden. Hieraus hat das Landgericht in einem Umkehrschluss gefolgert,
dass vorliegend eine Beigabe von Füllstoff nicht erforderlich
war. Weder habe festgestellt werden können, dass zum
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Zeitpunkt der Verpackung bei den im explodierenden Fass transportierten
Dosen Abdeckungen fehlten, noch dass diese eingedrückt waren.
Dem kann nicht gefolgt werden.
(1) Die Argumentation des Landgerichts greift zu kurz; sie verkennt
zudem die Systematik der die Beförderung gefährlicher
Güter regelnden Bestimmungen. Nach der Grundregel des
§ 4 Abs. 1 Satz 1 GGVSE (ebenso bereits § 4 Abs. 1
der GGVS vom 22. Dezember 1998, BGBl. I S. 3993) sind die an der
Beförderung gefährlicher Güter Beteiligten
verpflichtet, die nach Art und Ausmaß der vorhersehbaren
Gefahren erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um
Schadensfälle zu verhindern. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2
GGVSE haben sie „jedenfalls“ die für sie
jeweils geltenden Bestimmungen der Verordnung einzuhalten. Die
Vorschriften des ADR enthalten daher lediglich Mindestanforderungen
(„jedenfalls“) an die Beförderung
gefährlicher Güter. Nichts anderes gilt für
die Bestimmungen der GGAV 1999 und 2002, deren Einhaltung nicht von der
allgemeinen Sicherungspflicht des § 4 Abs. 1 Satz 1 GGVSE
entbindet, sondern es lediglich gestattet, in bestimmten
Fällen von den Regelungen des ADR abzuweichen.
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Danach hätte das Landgericht nicht allein auf die Regelungen
in der TR Abfälle 002 abstellen dürfen, sondern bei
seiner Entscheidung in den Blick nehmen müssen, dass nach den
Bekundungen des Sachverständigen herkömmliche
Schutzkappen leicht abfallen können. Hierfür spricht
auch, dass der Angeklagte Mü. und der Zeuge N. angegeben
haben, dass in früheren Lieferungen der MEG bereits Dosen ohne
Verschlusskappen enthalten gewesen seien und sich - wie der Zeuge B.
bekundet hat - in einem anderen (sichergestellten) Fass derselben
Lieferung tatsächlich Dosen ohne Kappen befunden hatten.
Besteht jedoch bei herkömmlichen Schutzkappen die Gefahr, dass
sie
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sich beim Transport in einem Fass lösen und sich dadurch in
diesem ein zündfähiges Gasgemisch bildet, so
verbietet sich deren Transport ohne Beigabe von inerten
Füllstoffen von vorneherein; dieser war dann schon aus diesem
Grund sorgfaltswidrig.
(2) Im Übrigen wurden in dem explodierenden Fass
Druckgaspackungen mitbefördert, bei denen die Schutzkappen in
der Form sog. Spraycaps ausgestaltet waren. Diese stellen jedoch nach
den getroffenen Feststellungen nicht in gleicher Weise wie
herkömmliche Schutzkappen sicher, dass der
Sprühmechanismus nicht ausgelöst wird und ein
Entweichen von Gasen ausgeschlossen ist. Denn danach
umschließt die Spraycap - anders als herkömmliche
Schutzkappen - den vertieft liegenden Sprühkopf nicht
vollständig. Sie ist vielmehr oben offen und weist seitlich
eine fingerbreite Aussparung auf. Das Auslösen der
Sprühvorrichtung einer solchen Druckgaspackung
während des Transports in einem nur teilweise
gefüllten Fass in loser Schüttung mit anderen Dosen
sowie mit Feuerzeugen erscheint daher zumindest nicht fernliegend.
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b) Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen war das Verhalten
der Angeklagten M. und T. danach objektiv pflichtwidrig, da sie es in
ihrer Eigenschaft als Technischer Leiter bzw. Betriebsmeister der
Schadstoffsammelstelle und des Sondermüllzwischenlagers der
MEG jedenfalls unterließen, dafür Sorge zu tragen,
dass die Druckgaspackungen nicht ohne Zugabe von Füllstoff in
Fässer verpackt und anschließend an die Fa. GmbH
befördert wurden. Insoweit steht auch der
Pflichtwidrigkeitszusammenhang in Bezug auf das spätere
Unfallgeschehen außer Frage. Denn bei
pflichtgemäßem Verhalten - Beigabe eines
Füllstoffes - wäre es nach den rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen nicht zur Explosion und damit auch nicht zur
Tötung des Me. gekommen. Darauf, ob das die Explosion
verursachende Gas aus
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- 12 -
einer Druckgaspackung mit herkömmlicher Schutzkappe oder aus
einer solchen mit Spraycap ausgetreten ist, kommt es in diesem
Zusammenhang nicht an.
c) Zur Frage der subjektiven Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit
erlauben die Urteilsgründe keine abschließende
revisionsrechtliche Beurteilung. Entsprechende Feststellungen werden in
der neuen Hauptverhandlung zu treffen sein.
22
B. Freispruch des Angeklagten S.
23
Auch der Freispruch des Angeklagten S. hat danach keinen Bestand.
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Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kommt eine
Strafbarkeit des Angeklagten wegen fahrlässiger
Tötung jedenfalls durch Unterlassen in Betracht
(§§ 222, 13 StGB). Zwar war der Angeklagte als
Geschäftsführer der Fa. GmbH nicht für die
Einhaltung der Verpackungs- und Beförderungsvorschriften
verantwortlich. Auch die Verletzung von Empfängerpflichten ist
nicht erkennbar. Jedoch ließ er die vorschriftswidrig
gepackten Fässer anliefern und durch Arbeitnehmer der Fa. GmbH
entgegennehmen, ohne auf die Einhaltung der Beförderungs- und
Verpackungsvorschriften durch die MEG zu dringen. Indem er die
Arbeitnehmer der Fa. GmbH auf diese Weise in Gefahr brachte, verletzte
er die ihm obliegende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
gemäß §§ 618 Abs. 1 BGB, 14 Abs. 1
Nr. 1 StGB. Dabei handelt es sich um eine Garantenpflicht im Sinne des
§ 13 StGB (vgl. auch OLG Naumburg NStZ-RR 1996, 229, 230 ff.).
Auch insoweit werden zur Frage der Voraussehbarkeit und Vermeidbarkeit
noch nähere Feststellungen zu treffen sein.
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C. Freispruch des Angeklagten Mü.
1. Die von den Nebenklägern erhobene Verfahrensrüge,
mit der die Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines weiteren
Sachverständigengutachtens beanstandet wird, betrifft nicht
die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Angeklagten
Mü. . Sie wäre zudem unbegründet, wie der
Generalbundesanwalt im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat.
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2. Der Freispruch des Angeklagten Mü. hält
sachlichrechtlicher Nachprüfung stand.
26
a) Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Aufgabenbereich
und der Stellung des Angeklagten Mü. in der Fa. GmbH ist nicht
zu beanstanden. Das Gesetz verlangt mit keiner Vorschrift, dass der
Tatrichter in den Urteilsgründen stets in allen Einzelheiten
darzulegen hat, auf welche Weise er zu bestimmten Feststellungen
gelangt ist (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2
Beweisergebnis 3 m.w.N.). Insbesondere ist er nicht gehalten, bei einem
eindeutigen Beweisergebnis die Angaben der einzelnen Zeugen inhaltlich
im Einzelnen wiederzugeben.
27
b) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine - nach den getroffenen
Feststellungen allein in Betracht kommende - Strafbarkeit des
Angeklagten Mü. aus §§ 222, 13 StGB
verneint. Zwar wäre er aufgrund seiner Stellung in der Fa.
GmbH verpflichtet gewesen, den Angeklagten S. auf die Anlieferung
vorschriftwidrig gepackter Fässer durch die MEG hinzuweisen.
Ein etwaiger Verstoß gegen diese Pflicht ist jedoch
für das spätere Unfallereignis nicht kausal geworden,
da dies dem Angeklagten S. bekannt war.
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III.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf
Folgendes hin:
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1. Das Mitverpacken und -transportieren der Feuerzeuge könnte
nicht nur pflichtwidrig gewesen sein, weil durch ihre
Zündvorrichtung ein in dem Fass bereits entstandenes
Gas-/Luftgemisch gezündet werden konnte, sondern auch deshalb,
weil durch ein Austreten des in ihnen noch befindlichen Restgases ein
solches zündfähiges Gasgemisch überhaupt
erst entstehen konnte. Denn nach der Verpackungsanweisung P 205 (vgl.
Anlage A zum ADR 2001, Teil 3, Kapitel 3.2, Tabelle A, UN-Nummer 1057,
Spalte 8) müssen Feuerzeuge mit einem Schutz gegen
unbeabsichtigtes Entleeren ausgerüstet (Absätze 3 und
6) und so sorgfältig verpackt sein, dass ein unbeabsichtigtes
Betätigen der Auslösevorrichtung verhindert wird
(Absätze 6 und 7).
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2. Bei den Angeklagten M. und T. scheidet eine Strafbarkeit nach
§ 328 Abs. 3 Nr. 2 StGB nicht schon deshalb aus, weil das
Entpacken des Fasses erst an dem Tag nach der Entladung erfolgt ist.
Der Anwendung dieser Vorschrift steht nämlich nicht entgegen,
dass die Beförderung bereits abgeschlossen war, als sich der
tödliche Unfall ereignete. Bei der Bestimmung des
Schutzbereichs der die Beförderung gefährlicher
Güter regelnden verwaltungsrechtlichen Vorschriften darf nicht
allein auf den eigentlichen Beförderungsvorgang abgestellt
werden. Miterfasst werden auch solche Vorgänge, die - wie die
Entgegennahme und das Auspacken der Sendung - hierzu in einem
unmittelbaren zeitlichen, sachlichen und funktionalen Zusammenhang
stehen (vgl. BTDrucks. 8/2382 S. 24; Steindorf in LK 11. Aufl.
§ 328 Rdn. 32; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. §
328 Rdn. 4). Dies zeigt zudem der Beförderungsbegriff im
31
- 15 -
GGBefG. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GGBefG umfasst die
Beförderung nicht nur den Vorgang der
Ortsveränderung, sondern auch die Übernahme und
Ablieferung des Gutes sowie zeitweilige Aufenthalte im Verlauf der
Beförderung, Vorbereitungs- und Abschlusshandlungen (Verpacken
und Auspacken der Güter, Be- und Entladen), auch wenn diese
Handlungen nicht vom Beförderer ausgeführt werden.
Der erforderliche Zusammenhang mit der Beförderung ist selbst
dann noch gewahrt, wenn das Gut - wie hier - nicht unmittelbar nach
Entladung, sondern erst am darauf folgenden Tag entpackt wird.
Tepperwien Athing Solin-Stojanović
Ernemann Franke |