BGH,
Urt. v. 25.10.2000 - 2 StR 232/00
StGB § 78 b Abs. 3; MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
a) Die Ablaufhemmung des § 78 b Abs. 3 StGB wird auch durch
ein Prozeßurteil bewirkt, durch welches das Verfahren wegen
Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK eingestellt wird.
b) Ein durch rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung
bewirkter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK kann in
außergewöhnlichen Einzelfällen, wenn eine
angemessene Berücksichtigung des Verstoßes im Rahmen
einer Sachentscheidung bei umfassender Gesamtwürdigung nicht
mehr in Betracht kommt, zu einem Verfahrenshindernis führen,
das vom Tatrichter zu beachten und vom Revisionsgericht von Amts wegen
zu berücksichtigen ist.
c) Im Prozeßurteil, durch welches das Verfahren wegen eines
Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK in Verbindung mit
dem Rechtsstaatsgrundsatz eingestellt wird, hat der Tatrichter sowohl
die Verfahrenstatsachen als auch Feststellungen zum Schuldumfang des
Angeklagten und die der Prognose über die weitere
Verfahrensdauer zugrundeliegenden Tatsachen sowie die die Entscheidung
tragende Gesamtwürdigung im einzelnen und in
nachprüfbarer Weise darzulegen.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 2 StR 232/00 - LG Köln
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 232/00
vom
25. Oktober 2000
in der Strafsache gegen
wegen Betrugs
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Verhandlung
vom 4. Oktober 2000 in der Sitzung am 25. Oktober 2000, an denen
teilgenommen haben: Vizepräsident des Bundesgerichtshofes Dr.
Jähnke, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, die
Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Prof. Dr. Fischer, die
Richterin am Bundesgerichtshof Elf als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung, Oberstaatsanwalt beim
Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt , Rechtsanwalt in der Verhandlung als
Verteidiger, der Angeklagte in Person in der Verhandlung,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Köln vom 4. Oktober 1999 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat das Verfahren gegen den Angeklagten wegen Betrugs
in 60 Fällen und versuchten Betrugs in sieben Fällen
durch Prozeßurteil eingestellt, weil einer Fortsetzung des
Verfahrens eine rechtsstaatswidrige überlange Verfahrensdauer
entgegenstehe. Die hiergegen eingelegte, vom Generalbundesanwalt nicht
vertretene Revision der Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung
formellen und materiellen Rechts. Sie führt zur Aufhebung des
Einstellungsurteils.
I.
1. Dem Angeklagten wird zur Last gelegt, als Alleingesellschafter und
Vorstand der D.-AG den Verkauf einer Vielzahl von Eigentumswohnungen in
Wohnanlagen des sozialen Wohnungsbaus im sogenannten "Erwerbermodell"
zwischen privaten Anlegern und mehreren von ihm beherrschten
Gesellschaften, die die Immobilien zuvor angekauft hatten,
betrügerisch vermittelt zu haben. Dabei sollen die Anleger zum
einen durch eine den - überhöhten - Kaufpreis der
minderwertigen, zumeist sanierungsbedürftigen Wohnungen weit
übersteigende Gesamtfinanzierung, weiterhin durch das in
Aussicht stellen von - angesichts der Einkommens- und
Vermögenslage der Erwerber zumeist unrealistisch hohen -
Steuerersparnissen, insbesondere aber durch eine von den jeweiligen
Vermittlern mündlich gegebene Zusage zum Kauf
veranlaßt worden sein, die erworbene Eigentumswohnung
könne nach zwei Jahren zum Bruttofinanzierungspreis - der in
Einzelfällen bei über 150 % des Kaufpreises lag - an
die D.-AG "zurückgegeben" werden. Der Angeklagte soll als
Alleinvorstand der D.-AG dieses Vertriebsmodell etwa im Jahre 1983
entwickelt und über seine beherrschende Rolle in drei zum
De.-Konzern gehörenden Vermittlungs- und
Finanzierungsgesellschaften sowie in zwei weiteren, als
Treuhänder eingeschalteten Gesellschaften in der Weise
umgesetzt haben, daß er in Besprechungen und Schulungen die
nach Art einer Vertriebspyramide organisierten Vertriebsmitarbeiter der
zum De.-Konzern gehörenden Gesellschaften unmittelbar oder
mittelbar anwies, die Wohnungen insbesondere auch mit dem
Rückkaufs-Argument anzubieten. Durch diese in
Täuschungsabsicht abgegebene - und unter Hinweis auf die
Steuerschädlichkeit nur mündlich erklärte
und nicht beurkundete - Zusage sollen zwischen Oktober 1984 und
November 1986 eine Vielzahl von Anlegern getäuscht und zum
Kauf von Eigentumswohnungen zu überhöhten Preisen
bewogen worden sein. Die Wohnungen sollen später entgegen der
Zusage jedoch nur in Einzelfällen - bei Abschluß
neuer Verträge - zurückgenommen, teilweise auch in
Immobilienfonds eingebracht worden sein; ganz überwiegend
sollen die Immobilien nach Ablauf einer vereinbarten Mietgarantie
für die Erwerber nur weit unter dem Einstandspreis verwertbar
oder auf dem freien Markt gar nicht mehr verkäuflich gewesen
sein. Hierdurch sei den Erwerbern jeweils ein Schaden in Höhe
des Minderwerts der Wohnung entstanden.
2. Dem angefochtenen Urteil liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:
a) Strafanzeigen gegen den Angeklagten und andere am Vertrieb der
Wohnungen beteiligte Personen gingen ab November 1986 bei verschiedenen
Staatsanwaltschaften im Bundesgebiet ein. Der Angeklagte erhielt durch
Ladung vom 19. Februar 1987 zur polizeilichen Vernehmung erstmals
Kenntnis von den gegen ihn gerichteten Ermittlungen. Am 24. Mai 1988
verband die Staatsanwaltschaft Köln insgesamt acht an sie
abgegebene und eigene Ermittlungsverfahren; im August 1988 und Februar
1989 wurden weitere Verfahren hinzuverbunden. In der Folgezeit zog die
Staatsanwaltschaft eine Vielzahl von Urkunden bei, insbesondere
Handelsregister- und Grundbuchauszüge. Im Oktober 1988
ergingen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse gegen den
Angeklagten, vier weitere Mitbeschuldigte sowie gegen die von ihnen
geführten Gesellschaften; die Durchsuchungen sowie die
Beschlagnahme umfangreicher Unterlagen hinsichtlich 34 von der D.-AG
vermittelter Wohnungsanlagen - die Wohnung des Angeklagten wurde erst
fünf Monate später durchsucht - erfolgten im Februar
1989. Am 19. Dezember 1988 leitete die Staatsanwaltschaft die Akten der
Kriminalpolizei Köln mit dem Auftrag zu, die notwendigen
Ermittlungen durchzuführen.
Am 9. Februar 1989 ergingen auf Antrag der Staatsanwaltschaft weitere
Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse gegen eine weitere
vom Angeklagten beherrschte Treuhand-Gesellschaft sowie gegen eine
Vielzahl von Banken im gesamten Bundesgebiet, in der Folgezeit auch
gegen eine Vielzahl von Vermittlern. Eine Auswertung der Durchsuchungen
sowie einer mittels Fragebogen bei zahlreichen Anlegern
durchgeführten Zeugenbefragung legte die Polizei im Februar
1990 vor. Am 5. Oktober 1990 wurden die Ermittlungen auf eine weitere
in die Gesamtabwicklung eingeschaltete Gesellschaft ausgedehnt. Es
ergingen in der Folge weitere Durchsuchungs- und
Beschlagnahmebeschlüsse gegen verschiedene Gesellschaften und
deren Mitarbeiter, unter anderem erneut gegen den Angeklagten und die
von ihm geführte D.-AG; die Durchsuchungen wurden bis 6.
Dezember 1990 vollzogen. Zwischen dem 11. Dezember 1990 und dem 14.
November 1991 wurden sechs Mitarbeiter und
Geschäftsführer von in das Vertriebssystem
eingebundenen Gesellschaften vernommen; vermutlich im Frühjahr
1992 führte die Polizei darüber hinaus Befragungen
von Vertriebsrepräsentanten durch. Am 27. August 1992 sandte
die Kriminalpolizei Köln die Akten mit einem umfangreichen
Schlußvermerk an die Staatsanwaltschaft zurück.
b) Eine Verfahrensförderung erfolgte dort - bis auf die
Anforderung von Beiakten - zunächst nicht. Im November 1993
wurde der frühere Mitbeschuldigte G., der
Geschäftsführer einer der eingeschalteten
Gesellschaften, von der Staatsanwaltschaft vernommen; es wurde mit ihm
eine mögliche Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO
erörtert. Ein weiteres Gespräch über eine
Verfahrenseinstellung fand mit dem früheren Mitbeschuldigten
D. im Januar 1994 statt. Bei einer am 15. Dezember 1993 mit dem
Verteidiger des Angeklagten geführten Besprechung
über eine mögliche Verfahrenseinstellung wurde keine
Einigkeit über die Höhe einer möglichen
Geldzahlungsauflage erzielt.
Am 7. Juni 1994 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen G.
gegen Zahlung eines Geldbetrags von 240.000 DM und das Verfahren gegen
D. gegen Zahlung eines Geldbetrags von 150.000 DM ein. Alle Verfahren
gegen Bankmitarbeiter wurden nach § 170 Abs. 2 StPO
eingestellt, ebenso die Verfahren gegen Mitarbeiter einer
eingeschalteten Treuhand-Gesellschaft sowie gegen alle
Vertriebsrepräsentanten. Die Verfahren gegen die Erwerber der
Immobilien wegen Steuerdelikten wurden nach § 153 Abs. 1 StPO
eingestellt, das Verfahren gegen Mitarbeiter einer weiteren
Treuhand-Gesellschaft abgetrennt, das Verfahren gegen die
Verantwortlichen zweier weiterer Gesellschaften nach § 170
Abs. 2 StPO eingestellt. Die Tatvorwürfe gegen den Angeklagten
als Vorstand einer Verwaltungsgesellschaft (V-AG) wurden nach
§ 154 Abs. 1 StPO ausgeschieden.
c) Am 1. August 1994 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zur
Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln wegen 74
selbständiger Fälle des Betrugs "bzw." des
Betrugsversuchs im besonders schweren Fall in der Zeit zwischen
September 1984 und November 1986, begangen jeweils in
Mittäterschaft mit den früheren Mitbeschuldigten G.
und D. Nur pauschal aufgeführt sind daneben weitere 256
Fälle, in denen bereits zum Zeitpunkt der Anklageerhebung die
(absolute) Verjährung nach § 78 c Abs. 3 Satz 2
i.V.m. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB eingetreten war. Die Anklage im
Fall 9 a (letzter Tatzeitpunkt) wurde am 14. September 1994
zurückgenommen.
Anregungen der Kammervorsitzenden, die Täuschungshandlung und
den jeweiligen Vermögensschaden darzulegen, trat die
Staatsanwaltschaft am 14. September 1994 entgegen. Die Verteidigung
beantragte am 17. Oktober 1994, im Zwischenverfahren Beweis zum Fehlen
eines Vermögensschadens durch Einholung von
Sachverständigen-Gutachten zu erheben.
d) Am 21. November 1994 erging - ohne weitere Beweiserhebung -
Eröffnungsbeschluß. Die Eröffnung des
Hauptverfahrens wurde in einem Fall (Fall 11 a) wegen inzwischen
eingetretener Verjährung, in fünf Fällen
(Fälle 13 a, 14 b, 14 c, 14 e, 14 g der Anklage) mangels
hinreichenden Tatverdachts abgelehnt; in sieben Fällen
(Fälle 4 b, 6 f, 8 d, 8 g, 8 h, 10 g, 13 b) bejahte die Kammer
hinreichenden Tatverdacht nur wegen versuchten Betrugs. Zur Frage der
Verjährung führte der
Eröffnungsbeschluß aus, es komme entgegen der
Auffassung der Staatsanwaltschaft für die Beendigung der Taten
und damit für den Beginn der Verjährungsfrist nicht
auf den Abschluß der notariellen Kauf- oder
Treuhandverträge, sondern auf den Zeitpunkt der
Kaufpreiszahlung an. Diesen Zeitpunkt habe die Kammer in neun
Fällen den Akten entnehmen können; in den
übrigen Fällen sei es hinreichend wahrscheinlich,
daß die Taten nicht verjährt seien. Eine Bescheidung
des von der Verteidigung im Zwischenverfahren gestellten Beweisantrags
erfolgte nicht. In einem Beschluß vom 22. Februar 1995, mit
welchem ein Antrag der Verteidigung auf Nachholung des rechtlichen
Gehörs zurückgewiesen wurde, ist hierzu
ausgeführt, es habe der Beweiserhebung "zur Beurteilung des
für die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen
dringenden Tatverdachts nicht bedurft"; davon abgesehen, hätte
die Beweiserhebung "dazu geführt, daß die
Verjährung hinsichtlich weiterer Fälle nicht
rechtzeitig durch den Eröffnungsbeschluß zum Ruhen
gebracht worden wäre. Dem hatte die Kammer auch unter
Berücksichtigung und Abwägung der Interessen des
Angeklagten an der beantragten Beweiserhebung durch rechtzeitigen
Erlaß des Eröffnungsbeschlusses entgegenzuwirken."
Im folgenden wurde - unter Verfügung der Wiedervorlage zum 1.
Juni, 1. September und 1. Dezember 1995 sowie zum 1. März 1996
- jeweils in der Akte vermerkt, eine Terminierung sei wegen vorrangiger
Haftsachen nicht möglich. Mit Beschluß vom 13. Juni
1996 ordnete das Landgericht die Erstellung von 69 Wertgutachten durch
sieben Sachverständige zur Ermittlung des Verkehrswerts der
Wohnungen an; die Gutachten gingen bis zum 19. März 1997 ein.
Unter dem 21. März, 21. August und 21. November 1997, 20.
Februar, 6. Mai und 24. Juni 1998 vermerkte der Vorsitzende der
Wirtschaftsstrafkammer jeweils, eine Förderung des Verfahrens
sei wegen anderweitiger Verhandlungen in Haftsachen nicht
möglich.
Am 27. Juli 1998 beantragte der Verteidiger des Angeklagten, das
Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer einzustellen,
hilfsweise eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO. Bis
zum Dezember 1998 folgten Verhandlungen zwischen Staatsanwaltschaft und
Verteidigung über eine mögliche Verfahrenseinstellung
gegen die Auflage einer Geldzahlung. Am 3. Dezember 1998 vermerkte der
Vorsitzende in der Akte, die Kammer halte eine Einstellung nach
§ 153 a StPO für sachgerecht, eine Einigung zwischen
Staatsanwaltschaft und Verteidigung sei jedoch nicht erzielt worden. Am
11. Dezember 1998 wurde die Hauptverhandlung auf (vorerst) 126
Sitzungstage vom 13. Januar bis 29. Dezember 1999 terminiert.
e) Die Kammer verhandelte vom 13. Januar 1999 bis zum 30. September
1999 an insgesamt 44 Verhandlungstagen; es wurden 48 Zeugen und zwei
Sachverständige vernommen. Im Laufe der Hauptverhandlung (29.,
30., 31. Verhandlungstag) wurde erneut die Möglichkeit einer
Einstellung nach § 153 a StPO erörtert, eine Einigung
konnte nicht erzielt werden. Am 34. Verhandlungstag (9. Juli 1999)
stellte das Landgericht das Verfahren hinsichtlich aller Anklagepunkte
bis auf 16 nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig ein. Am
44. Verhandlungstag wurden diese eingestellten Fälle wieder
einbezogen; am 45. Verhandlungstag erging das Einstellungsurteil.
3. In dem Urteil vom 4. Oktober 1999 hat das Landgericht
ausgeführt, eine kurzfristige Beendigung des Verfahrens durch
Sachurteil sei nicht möglich; nach dem Stand der
Beweisaufnahme seien noch eine Vielzahl weiterer Zeugen sowie weitere
Sachverständige zu vernehmen. Die
Verfahrensverzögerungen im Bereich der Justiz seien auf
andauernde, strukturelle Umstände
zurückzuführen; eine Hilfsstrafkammer habe wegen der
Personalknappheit beim Landgericht Köln nicht gebildet werden
können. Die bisherige Beweisaufnahme habe ergeben,
"daß eine möglicherweise festzustellende Schuld des
Angeklagten ... jedenfalls nicht übermäßig
groß ist" (UA S. 15). Die Schuld des Angeklagten sei, "sollte
eine solche überhaupt feststellbar sein, jedenfalls gering"
(UA S. 17); sie "würde sich ... jedenfalls geringer
darstellen, als dies in der Anklageschrift zum Ausdruck kommt" (UA S.
18). Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, daß
die Erwerber der Wohnungen die angestrebten Steuervorteile
tatsächlich erlangt haben. Es sei nicht ausgeschlossen,
daß vor November 2001 - Eintritt der absoluten
Verjährung des letzten Falles - ein Sachurteil nicht ergehen
könne. In noch hinnehmbarer Zeit werde weder ein Sachurteil
noch ein Abschluß des Verfahrens durch Einstellung nach
§ 153 a oder § 153 StPO möglich sein. Unter
Berücksichtigung aller Umstände des Falles habe zwar
zu Beginn der Hauptverhandlung ein Verstoß gegen Art. 6 Abs.
1 MRK noch nicht vorgelegen; die Fortsetzung der Hauptverhandlung sei
jedoch mit rechtsstaatlichen Anforderungen nicht mehr vereinbar (UA S.
17).
II.
Ein Verfahrenshindernis läßt sich nicht
abschließend feststellen.
1. Ein Verfahrenshindernis ergibt sich hier nicht aus dem Eintritt der
Verfolgungsverjährung.
a) Das Landgericht hat im Eröffnungsbeschluß vom 21.
November 1994 die auch von der Anklage vertretene Auffassung zugrunde
gelegt, es handele sich bei den dem Angeklagten vorgeworfenen
Handlungen um selbständige Taten mit jeweils einzeln zu
bestimmendem Verjährungsbeginn. Auch wenn dies
zuträfe, so war bei Erlaß des
Eröffnungsbeschlusses die - absolute -
Verjährungsfrist hinsichtlich derjenigen Fälle nicht
abgelaufen, in welchen die vollständige Kaufpreiszahlung durch
den jeweiligen Erwerber der Immobilie nach dem 20. November 1984
erfolgte, denn die Tatbeendigung tritt im Fall des § 263 StGB
erst mit Erlangung des (letzten) Vermögensvorteils ein; erst
zu diesem Zeitpunkt begann daher die Verjährungsfrist zu
laufen (§ 78 a StGB). Die hier nach § 78 Abs. 3 Nr.
4, § 263 Abs. 1 a.F. StGB geltende
regelmäßige Verjährungsfrist von
fünf Jahren ist durch die Bekanntgabe der Einleitung des
Ermittlungsverfahrens, die mehrfachen Durchsuchungs- und
Beschlagnahmeanordnungen sowie die Anklageerhebung wirksam unterbrochen
worden.
b) Nach § 78 b Abs. 3 StGB läuft die
Verjährung nach Erlaß eines Urteils im ersten
Rechtszug nicht vor dem rechtskräftigen Abschluß des
Verfahrens ab. Die Wirkung der Ablaufhemmung, die nach § 78 c
Abs. 3 Satz 3 StGB auch für den Eintritt der "absoluten"
Verjährung nach § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB gilt, tritt
auch durch ein auf Einstellung lautendes Prozeßurteil
unabhängig von dessen sachlicher Richtigkeit ein (BGHSt 32,
209, 210; Jähnke in LK 11. Aufl. § 78 b Rdn. 14;
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 78 b Rdn. 7; Stree in
Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 78 b Rdn.
12; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 78 b Rdn. 11;
jew.m.w.N.). Auch auf Mängel der Anklage oder des
Eröffnungsbeschlusses kommt es - im Rahmen der Reichweite des
§ 264 StPO - für den Eintritt der Ablaufhemmung
grundsätzlich nicht an (vgl. BGH NJW 1994, 808, 809; BGH
NStZ-RR 1997, 167). Das gilt auch für ein Urteil, das die
Einstellung des Verfahrens auf die Annahme eines aus Art. 6 Abs. 1 Satz
1 MRK in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten
Verfahrenshindernisses stützt. Auch ein solches Urteil wird
vom Wortlaut des § 78 b Abs. 3 StGB erfaßt; eine
Differenzierung nach den das Einstellungsurteil tragenden
Gründen ist dem Gesetz nicht zu entnehmen und wäre
mit dem gerade im Verjährungsrecht geltenden Gebot klarer,
einfacher Regelungen unvereinbar.
c) Der Eröffnungsbeschluß vom 21. November 1994
hatte entgegen der Auffassung der Verteidigung die Wirkung des
§ 78 b Abs. 4 Satz 1 StGB, wonach die Eröffnung des
Hauptverfahrens vor dem Landgericht in Fällen des §
78 Abs. 3 Nr. 4 StGB - hier § 263 Abs. 3 StGB a.F. - ein Ruhen
der Verjährung für einen Zeitraum von
höchstens 5 Jahren bewirkt. Diese Hinausschiebung des
Eintritts der Verjährung auf einen Zeitpunkt bis zu 15 Jahre
nach Tatbeendigung, falls zum Zeitpunkt des
Eröffnungsbeschlusses die absolute Verjährung noch
nicht eingetreten war, ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden
(BVerfG NJW 1995, 1145) und entspricht einem dringenden praktischen
Bedürfnis in Fällen besonders aufwendiger
Hauptverhandlungen (vgl. BT-Drucks. 12/3832 S. 44 ff). Ob die
verjährungsverlängernde Wirkung des
Eröffnungsbeschlusses dann ausscheidet, wenn er in
willkürlicher Weise ergangen ist, kann offenbleiben; es liegt
dafür hier kein Anhaltspunkt vor. Ein solcher ergibt sich auch
nicht daraus, daß das Landgericht den
Eröffnungsbeschluß angesichts des drohenden Ablaufs
der (absoluten) Verjährungsfrist am 21. November 1994
erließ, ohne den vom Verteidiger des Angeklagten im
Zwischenverfahren gestellten Beweisantrag zur Ermittlung eines
möglichen Schadenseintritts zu bescheiden, die beantragte
Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten jedoch - ohne
daß das Verfahren zwischenzeitlich eine Förderung
erfahren hatte - am 22. April 1996 anordnete. Dies mag, namentlich im
Hinblick darauf, daß das Landgericht schon nach Eingang der
Anklageschrift im August 1994 die Staatsanwaltschaft ersucht hatte,
konkretisierend zur Frage des Eintritts eines
Vermögensschadens Stellung zu nehmen (Bd. XVI Bl. 77 ff d.A.),
zu einer weiteren vermeidbaren Verfahrensverzögerung
geführt haben; gleichwohl wird die Wirksamkeit des
Eröffnungsbeschlusses davon nicht berührt. Das
Landgericht hat im Eröffnungsbeschluß einen
hinreichenden (im Beschluß
mißverständlich: "dringenden") Tatverdacht im Umfang
der zugelassenen Anklage bejaht und dies mit vertretbaren
Erwägungen über den Nichteintritt der
Verjährung in den Fällen begründet, in
welchen sich der Zeitpunkt der Tatbeendigung weder aus der Anklage noch
aus den Verfahrensakten ergab. Daß das Landgericht in einem
weiteren, auf einen Antrag des Verteidigers nach § 33 a StPO
ergangenen Beschluß vom 22. Februar 1995 ausgeführt
hat, daß die Kammer durch rechtzeitigen Erlaß des
Eröffnungsbeschlusses der Gefahr des Eintritts der absoluten
Verjährung entgegenzuwirken "hatte" (Bd. XVI Bl. 280 ff.
d.A.), gibt keinen Hinweis auf eine sachwidrige Behandlung, da
Maßnahmen, welche einzig dem Ziel dienen, den Eintritt der
Verjährung zu verhindern, auch im übrigen
grundsätzlich zulässig sind (vgl. Jähnke in
LK 11. Aufl. § 78 c Rdn. 11 m.w.N.).
2. Der Senat kann nicht abschließend prüfen, ob sich
hier aus der Verletzung des Beschleunigungsgebots ein zur Einstellung
zwingendes Verfahrenshindernis ergibt.
a) Ein Verfahrenshindernis wird durch solche Umstände
begründet, die es ausschließen, daß
über einen Prozeßgegenstand mit dem Ziel einer
Sachentscheidung verhandelt werden darf (BGHSt 32, 345, 350; 36, 294,
295; 41, 72, 75; Rieß in LR 25. Aufl. § 206 a Rdn.
22; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. Einl. Rdn. 143;
Tolksdorf in KK StPO 4. Aufl. § 206 a Rdn. 1; Pfeiffer, StPO
2. Aufl. § 206 a Rdn. 4 und in KK-StPO 4. Aufl. Einl. Rdn.
131). Sie müssen so schwer wiegen, daß von ihrem
Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des
gesamten Verfahrens abhängig gemacht werden muß
(BGHSt 35, 137, 140). Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs führt die Verletzung des
Beschleunigungsgebots grundsätzlich nicht zu einem solchen
Verfahrenshindernis (BGHSt 21, 81; 24, 239; 27, 274; 35, 137, 140; BGH
NJW 1995, 737; 1996, 2739; wistra 1993, 340; 1997, 347; NStZ 1990, 94;
1996, 21; 1996, 506; 1997, 543; Strafverteidiger 1992, 452, 453; 1994,
652, 653; NStZ-RR 1998, 103, 104; 108). Dies hat seinen Grund darin,
daß die Tatsache und das Gewicht des Verstoßes nur
in einer Gesamtabwägung und mit Blick auf die dem Verfahren
zugrundeliegende Beschuldigung und das Maß des Verschuldens
bestimmt werden können; diese Feststellung entzieht sich einer
allein formellen Betrachtung. Das Bundesverfassungsgericht hat im
Beschluß vom 24. November 1983 (NJW 1984, 967) darauf
hingewiesen, die Auffassung, aus einer Verletzung des
Beschleunigungsgebots könne in keinem Fall ein
Verfahrenshindernis hergeleitet werden, begegne verfassungsrechtlichen
Bedenken. Zugleich hat es klargestellt, daß ein unmittelbar
aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes abzuleitendes
Verfahrenshindernis allein dann in Betracht komme, wenn in extrem
gelagerten Fällen, in welchen das Ausmaß der
Verfahrensverzögerung besonders schwer wiegt und die Dauer des
Verfahrens zudem mit besonderen Belastungen für den
Beschuldigten einhergegangen ist, das Strafverfahrensrecht keine
Möglichkeit zur Verfahrensbeendigung, z.B. durch Anwendung des
§ 153 StPO, zur Verfügung stellt. Im
Beschluß vom 19. April 1993 (NJW 1993, 3254 ff; vgl. auch
BVerfG NJW 1995, 1277, 1278) hat das Bundesverfassungsgericht
ausgeführt, eine rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung müsse sich, da die Strafe
verhältnismäßig sein und in einem gerechten
Verhältnis zu dem Verschulden des Täters stehen
müsse, bei der Strafzumessung auswirken, wenn sie nicht im
Extrembereich zur Einstellung oder zum Vorliegen eines
Verfahrenshindernisses führe.
Der Bundesgerichtshof hat in BGHSt 35, 137 im Fall eines
Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK aufgrund einer
willkürlichen, "außergewöhnlichen und
beispiellosen Verzögerung" der Aktenvorlage nach §
347 StPO ein "Zurückverweisungsverbot" angenommen, das
Verfahren abgebrochen und durch Urteil eingestellt. Dem lag die
Besonderheit zugrunde, daß der Schuldspruch in dem
außerordentlich umfangreichen und komplexen Verfahren von den
tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts nicht getragen
wurde, so daß das Urteil insgesamt hätte aufgehoben
und die Sache zu neuer Verhandlung hätte
zurückverwiesen werden müssen. Der Bundesgerichtshof
ist in der genannten Entscheidung auf der Grundlage der
tatrichterlichen - wenngleich unzureichenden - Feststellungen davon
ausgegangen, daß eine neue Verhandlung auch zum Schuldspruch
voraussichtlich erst nach Jahren zu einem Abschluß des
Verfahrens führen und daher den Verstoß gegen Art. 6
Abs. 1 Satz 1 MRK weiter vertiefen würde; eine Einstellung des
Verfahrens nach § 153 StPO kam wegen Verweigerung der
Zustimmung durch die Staatsanwaltschaft nicht in Betracht.
Entsprechend haben verschiedene Oberlandesgerichte einen Abbruch des
Verfahrens aus rechtsstaatlichen Gründen für
unabweisbar gehalten, wenn einer außergewöhnlichen,
vom Beschuldigten nicht zu vertretenden und auf Versäumnisse
der Justiz zurückzuführenden
Verfahrensverzögerung, die den Beschuldigten unter
Abwägung der Gesamtumstände des Einzelfalls,
namentlich des Tatvorwurfs, des festgestellten oder voraussichtlich
feststellbaren Schuldumfangs sowie möglicher Belastungen durch
das Verfahren, in unverhältnismäßiger Weise
belastet, im Rahmen einer Sachentscheidung keinesfalls mehr hinreichend
Rechnung getragen werden kann (vgl. etwa OLG Zweibrücken NStZ
1989, 134 und NStZ 1995, 49; OLG Düsseldorf NStZ 1993, 450;
vgl. auch BGH StV 1995, 130, 131). Ob das bei einer solchen Sachlage
bestehende Verfolgungsverbot als stets von Amts wegen zu beachtendes
Verfahrenshindernis zu verstehen ist (so etwa OLG Koblenz NJW 1994,
1887; OLG Zweibrücken NStZ 1989, 134; LG Düsseldorf
NStZ 1988, 427; LG Bad Kreuznach NJW 1993, 1725), hat der
Bundesgerichtshof bislang offen gelassen (BGHSt 35, 137, 143; vgl. auch
NJW 1996, 2739; wistra 1993, 340; 1994, 21; BGH, Beschluß vom
16. August 1996 - 1 StR 745/95 [in BGHSt 42, 219 nicht abgedruckt]). In
der Literatur ist die Frage umstritten; überwiegend wird die
Annahme eines Verfahrenshindernisses auch in Extremfällen
abgelehnt (vgl. etwa Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl.
1999, Rdn. 9 zu Art. 6 MRK; Rieß in Löwe/Rosenberg,
StPO 25. Aufl. § 206 a Rdn. 56; Paulus in KMR StPO §
206 a Rdn. 35; Pfeiffer in KK-StPO, 4. Aufl. Einl. Rdn. 12 f., 131;
jeweils m.w.Nachw.).
Der Senat ist der Ansicht, daß das in ganz
außergewöhnlichen Sonderfällen aus der
Verletzung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK in Verbindung mit dem
Rechtsstaatsgrundsatz folgende Verbot einer weiteren Strafverfolgung
als Verfahrenshindernis zu behandeln und vom Tatrichter zu beachten
ist; vom Revisionsgericht ist sein Vorliegen in diesen Fällen
von Amts wegen zu berücksichtigen. Dem stehen weder der
Zusammenhang mit dem materiell-rechtlichen Schuldgrundsatz noch das
Erfordernis entgegen, das Vorliegen des Hindernisses aufgrund einer
umfassenden Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu
prüfen. Deren Notwendigkeit kann sich im Einzelfall auch bei
der Prüfung anderer Verfahrensvoraussetzungen ergeben, etwa
der des Vorliegens eines besonderen öffentlichen Interesses an
der Strafverfolgung, des Nichteintritts der
Verfolgungsverjährung oder des Eingreifens eines
Straffreiheitsgesetzes. Im Hinblick auf die Bedeutung des in Art. 6
Abs. 1 Satz 1 MRK kodizifierten Menschenrechts auf eine
rechtsstaatliche Behandlung und Entscheidung über die erhobene
strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist kann ein
Verstoß hiergegen, wenn seine Kompensation im Rahmen einer
Sachentscheidung nicht mehr in Betracht kommt, für die
Zulässigkeit des weiteren Verfahrens keine geringeren Folgen
haben als der Verjährungseintritt, der einer Sachentscheidung
sogar unabhängig von der konkreten Tatschuld entgegensteht.
Der Gesichtspunkt, daß Verfahrenshindernisse in der Regel -
wenngleich nicht stets - an objektiv feststellbare Tatsachen
anknüpfen und nicht Ergebnis wertender Abwägungen
sind (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. Einl. Rdn.
148 m.w.Nachw.), tritt dem gegenüber dann zurück,
wenn feststeht, daß für eine solche
Abwägung aufgrund des Gewichts des Verstoßes kein
Raum bleibt. In diesem Fall würde eine Fortsetzung des
Verfahrens allein zur Vertiefung des Grundrechtsverstoßes
führen; dem steht das Rechtsstaatsprinzip entgegen.
b) Der Senat kann hier auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen und
des ihm zugänglichen Akteninhalts feststellen, daß
ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK aufgrund einer vom
Angeklagten nicht zu vertretenden überlangen Verfahrensdauer
vorliegt: Das Verfahren dauert seit der erstmaligen Bekanntgabe an den
Angeklagten bereits 13 1/2 Jahre an. Bis zum Schlußbericht
der Kriminalpolizei vergingen mehr als fünf Jahre, in denen
die Ermittlungen mehrfach ausgedehnt wurden, aber jedenfalls seit Ende
1988 offenbar wenig substantiellen Erkenntnisgewinn brachten. Erst im
Dezember 1990 erfolgte die erste Vernehmung eines Tatbeteiligten;
Vernehmungen der Vertriebsmitarbeiter, durch welche die
täuschenden Zusagen unmittelbar an die Geschädigten
weitergegeben worden sein sollen, sind erst im Frühjahr 1992
durchgeführt worden. Zwischen dem Eingang des
Schlußberichts der Kriminalpolizei vom 27. August 1992 und
der Erhebung der Anklage am 27. Juli 1994, die im wesentlichen den
Inhalt des Schlußberichts wiedergibt, vergingen zwei Jahre,
in denen fast ausschließlich Verhandlungen mit verschiedenen
Beschuldigten über Verfahrenseinstellungen geführt
wurden. Zwischen dem Erlaß des Eröffnungsbeschlusses
am 21. November 1994 und der Terminierung der Hauptverhandlung am 11.
Dezember 1998 sind weitere vier Jahre vergangen, in denen
außer der Einholung von Sachverständigengutachten
zwischen April 1996 und März 1997 eine
Verfahrensförderung nicht festzustellen ist. Eine durch das
Verhalten des Angeklagten verursachte Verzögerung des
Verfahrens liegt nicht vor; die Verzögerungen sind vielmehr,
soweit dies dem Schreiben des Präsidenten des Landgerichts
Köln vom 30. August 1999 an den Vorsitzenden der
Wirtschaftsstrafkammer und dem Inhalt der Verfahrensakte entnommen
werden kann, jedenfalls seit Eingang der Anklageschrift allein auf
organisatorische Gründe im Bereich der Justiz
zurückzuführen.
Auch wenn die Feststellung einer rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung jedenfalls dann nicht allein auf den
insgesamt abgelaufenen Zeitraum gestützt werden kann, wenn dem
Verfahren ein komplexer Sachverhalt zugrunde liegt, dessen Beurteilung
umfangreiche und aufwendige Ermittlungen erforderlich macht (vgl.
BVerfG NJW 1984, 967; 1993, 3254, 3255; BGH wistra 1993, 340; BGHR MRK
Art. 6 I Verfahrensverzögerung 5, 6, 8, 9), so ist doch hier
angesichts des Umstands, daß die Grenze der absoluten
Verjährung inzwischen um mehr als drei Jahre
überschritten wäre und das Verfahren seit
Anklageerhebung mindestens fünf Jahre lang aus allein im
Bereich der Justiz liegenden Gründen nicht gefördert
wurde, ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK gegeben.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts lag dieser auch bereits zu
Beginn der Hauptverhandlung vor; die Annahme, er sei erst nach Beginn
der Hauptverhandlung, die an durchschnittlich zwei Tagen pro Woche
stattfand, oder gerade durch diese eingetreten, trifft nicht zu.
c) Das Landgericht hat den Abbruch der Hauptverhandlung auf die
rechtliche Erwägung gestützt, die Feststellung eines
Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK vor demjenigen
Zeitpunkt, in welchem eine verfahrensabschließende
Sachentscheidung ergehen kann, führe jedenfalls dann
zwangsläufig zum Eintritt eines Verfahrenshindernisses, wenn
die weitere Dauer des Verfahrens nicht absehbar ist, weil eine
bewußte Vertiefung der Rechtsverletzung durch Fortsetzung der
Hauptverhandlung - allein mit Blick auf eine spätere
Kompensation bei der Rechtsfolgenentscheidung - ihrerseits mit
rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar wäre
(UA S. 31 ff.). Die Urteilsausführungen hierzu setzen im
Ergebnis die Feststellung des Verstoßes mit der Notwendigkeit
des Verfahrensabbruchs gleich; das ergibt sich auch aus der Annahme des
Landgerichts, bis zum Beginn der Hauptverhandlung habe ein
Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK noch nicht vorgelegen.
Diese Auffassung ist nicht zutreffend. Die Feststellung eines
gravierenden Verfahrensverstoßes führt auch in
sonstigen Fällen - etwa bei unzulässiger
Tatprovokation durch polizeiliche V-Leute, bei
Verstößen gegen § 136 a StPO oder gegen das
rechtsstaatliche Gebot des "fair trial" - nicht zur
Undurchführbarkeit des Verfahrens. Auch der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bei
einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK nicht etwa einen Abbruch
des Verfahrens gefordert, sondern eine Verpflichtung des
Mitgliedsstaates festgestellt, die Rechtsverletzung in Anwendung des
nationalen Rechts in angemessener Weise zu kompensieren (vgl. EGMR,
Urteil vom 15. Juli 1982, EuGRZ 1983, 371). Dem entspricht der auch in
BGHSt 35, 137, 140 ff. hervorgehobene Grundsatz, daß weder
die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1
MRK noch die Entscheidung darüber, in welcher Weise sich
dieser Verstoß auf das Verfahrensergebnis auswirken
muß, unabhängig von den Umständen des
Einzelfalles, namentlich auch vom Maß der Schuld des
Angeklagten möglich ist. Ob ein festgestellter
Verstoß so gewichtig ist, daß eine Kompensation im
Rahmen einer Sachentscheidung nicht mehr in Betracht kommt, und er
daher der Weiterführung des Verfahrens insgesamt
entgegensteht, kann regelmäßig nicht ohne
tatsächliche Feststellungen zur Tatschuld des Angeklagten
beurteilt werden.
Das Landgericht hat hierzu, wie die Revision zutreffend hervorhebt,
keine für das Revisionsgericht nachprüfbaren
Feststellungen getroffen. Ergebnisse der mehr als 40 Verhandlungstage
umfassenden Beweisaufnahme sind in den Urteilsgründen nicht
mitgeteilt; diese erschöpfen sich vielmehr in einer
Darstellung der Verfahrensgeschichte sowie rechtlichen
Ausführungen zum Vorliegen einer rechtsstaatswidrigen
Verfahrensverzögerung. Das Urteil enthält auch keine
Feststellungen darüber, aus welchen Gründen es dem
Landgericht nicht möglich war festzustellen, ob die
Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs vorliegen. Die
Ausführungen des Landgerichts zum Verschulden des Angeklagten,
dieses sei "nicht übermäßig groß"
(UA S. 15), "jedenfalls gering" (UA S. 17), eine Verfahrenseinstellung
nach § 153 a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrags von
mindestens 1,5 Mio. DM, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert habe,
werde "der bisher durchgeführten Beweisaufnahme in keiner
Weise gerecht" (UA S. 29), finden in den Urteilsfeststellungen keine
Grundlage; der Senat kann aufgrund des Fehlens tatsächlicher
Feststellungen die rechtliche Bewertung durch das Landgericht nicht
überprüfen.
Dies gilt gleichermaßen für die nur
lückenhaft mitgeteilten Verfahrenstatsachen. Die
Urteilsgründe geben keinen Aufschluß
darüber, auf Grundlage welcher bisherigen Beweisergebnisse das
Landgericht zu der Ansicht gelangt ist, eine Sachentscheidung sei
"unter Umständen" nicht vor dem Ende des Jahres 2001
möglich. Insoweit wird nur pauschal erwähnt, es sei
noch "eine Vielzahl von weiteren Zeugen, die zum Teil im Ausland
aufhältig sind, und weitere Sachverständige zu
hören" (UA S. 8); hinsichtlich sieben Fällen sei die
Erstellung eines neuen Sachverständigengutachtens erforderlich
(ebenda). Hieraus ergibt sich nicht mit einer vom Revisionsgericht
überprüfbaren Deutlichkeit, welche
tatsächlichen Hindernisse hier die vom Landgericht
prognostizierte weitere Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren
begründen könnten.
Indem das Landgericht sich in dem angefochtenen Urteil weitgehend auf
die Ausführung rechtlicher Wertungen beschränkt, von
der Mitteilung der diesen zugrundeliegenden tatsächlichen
Feststellungen jedoch absieht, entzieht es dem Revisionsgericht
zugleich die Grundlage für eine rechtliche
Überprüfung. Dem Senat ist es - anders, als dies der
Entscheidung BGHSt 35, 137 zugrunde lag - aufgrund des
gänzlichen Fehlens tatsächlicher Feststellungen nicht
möglich zu beurteilen, ob die Umstände des
Einzelfalls angesichts der überlangen Verfahrensdauer und des
vom Angeklagten nicht zu vertretenden Verstoßes gegen das
Beschleunigungsgebot hier einen Extremfall begründen, in
welchem der Verstoß weder durch eine
Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung - ggf. unter
Anwendung von § 59 StGB - noch etwa durch Einstellung nach
§ 153 a oder § 153 StPO hinreichend ausgeglichen
werden kann.
Der rechtsfehlerhafte Verzicht auf nachprüfbare
Tatsachenfeststellungen muß daher zur Aufhebung des Urteils
führen. Die Prüfung aufgrund des dem Senat auch ohne
Verfahrensrüge zugänglichen Akteninhalts erlaubt hier
zwar die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 6 Abs. 1
Satz 1 MRK, nicht aber eine Entscheidung, ob unter
Berücksichtigung aller Umstände des Falles,
insbesondere auch des dem Angeklagten zuzurechnenden Schuldumfangs,
eine Verfahrenseinstellung in Fortentwicklung der Grundsätze
in BGHSt 35, 137 erfolgen muß. Tatrichterliche Feststellungen
zum Schuldumfang kann das Revisionsgericht nicht selbst treffen; der
Tatrichter hat sie, wenn er den Eintritt eines Verfahrenshindernisses
wegen überlanger Verfahrensdauer bejaht, im Einstellungsurteil
ebenso wie die Verfahrenstatsachen und die der Prognose über
die voraussichtliche weitere Verfahrensdauer zugrundeliegenden
Tatsachen in nachprüfbarer Weise darzulegen. Andernfalls
bestünde die Gefahr, daß sich das Tatgericht
insbesondere bei schwierigen und umfangreichen Verfahren durch nicht
begründete und daher auch nicht überprüfbare
Prozeßentscheidungen der Aufgabe entheben könnte,
auch solche Verfahren bei straffer Verfahrensführung und
angemessener Beschränkung des Prozeßstoffs in
vertretbarer Zeit einer Sachentscheidung zuzuführen.
Nach dem Akteninhalt kommt vorliegend bei der gebotenen
zügigen Sachbehandlung eine Berücksichtigung des
Verstoßes im Rahmen einer Rechtsfolgeentscheidung durchaus
noch in Betracht.
III.
Der Senat hat im Hinblick auf die der Sache nicht förderliche
Auseinandersetzung zwischen Landgericht und Staatsanwaltschaft
über die Verantwortung für die eingetretenen
Verfahrensverzögerungen von der Möglichkeit des
§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO Gebrauch gemacht, die Sache an die
Wirtschaftsstrafkammer eines anderen Gerichts
zurückzuverweisen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
1. Bei dem hier in Betracht kommenden sog. "unechten
Erfüllungsbetrug" kommt es für die Feststellung eines
tatbestandlichen Vermögensschadens auf den Zeitpunkt des
Vertragsschlusses an, der aufgrund der täuschenden
Erklärung erschlichen worden ist. Soweit das Landgericht -
eher kursorisch - in den Urteilsgründen erwähnt hat,
die Käufer der Eigentumswohnungen hätten die von
ihnen erstrebten Steuervorteile tatsächlich erhalten, wird zu
berücksichtigen sein, in welchem Umfang diese steuerlichen
Vorteile aufgrund der
Rückveräußerungsabsicht der Käufer
und der damit fehlenden Gewinnerzielungsabsicht von vornherein nur
aufgrund einer Straftat nach § 370 AO erzielt werden konnten
und der Rückerstattungspflicht unterlagen.
2. Der neue Tatrichter wird schon im Hinblick auf die inzwischen
vorliegende gravierende Verfahrensverzögerung den
Verfahrensstoff sinnvoll zu beschränken und die Beweiserhebung
auf solche Tatsachen zu konzentrieren haben, die eine Beurteilung des
Schuldumfangs ermöglichen. Ob diese Feststellungen zur
gegebenen Zeit eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a oder
§ 153 StPO, gegebenenfalls auch eine Sachentscheidung nach
§ 59 StGB nahelegen und rechtfertigen, werden der neue
Tatrichter sowie die Staatsanwaltschaft zu beachten haben.
Jähnke Otten Rothfuß
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