BGH,
Urt. v. 25.10.2001 - 4 StR 208/01
BtMG § 29 Abs. 6
Werden Stoffe geliefert, die (noch) keine
Betäubungsmittelimitate sind, sondern nur Grundlage
für deren Fertigung sein sollen, so liegt darin noch kein
(allein-)täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des
§ 29 Abs. 6 BtMG (im Anschluß an BGHSt 38, 58).
BGH, Urteil vom 25. Oktober 2001 - 4 StR 208/01 - LG Dortmund
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 208/01
vom
25. Oktober 2001
in der Strafsache gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25.
Oktober 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, die Richter am Bundesgerichtshof
Maatz, Dr. Kuckein, Athing, die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic als beisitzende Richter, Staatsanwalt als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwältin und Rechtsanwalt als
Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Dortmund vom 23. Januar 2001
a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der
Angeklagte des Betruges, der Urkundenfälschung und der
Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten
schuldig ist,
b) im Ausspruch über die in den Fällen II 1 bis 6 der
Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen und die
Gesamtstrafe mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Handeltreibens mit
Betäubungsmittelimitaten in 6 Fällen sowie wegen
Betruges und Urkundenfälschung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und sichergestellte
Gegenstände eingezogen. Mit seiner wirksam auf die
Verurteilung nach dem Betäubungsmittelgesetz (Fälle
II 1 bis 6 der Urteilsgründe) beschränkten Revision
rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das
Rechtsmittel hat einen Teilerfolg.
1. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen verkaufte der
Angeklagte in der Zeit von November 1997 bis Mai 1998 mit erheblichem
Gewinn von Deutschland aus sechs Lieferungen - insgesamt 330 kg - des
Narkosemittels Ketamin als Grundstoff für die Herstellung von
Ecstasy-Imitaten an den "anderweitig verfolgten" H. nach
Großbritannien. H. zahlte jeweils die Hälfte des
Kaufpreises im voraus, die weitere Hälfte bei Lieferung. Im
Zusammenhang mit der letzten Sendung lieferte der Angeklagte - wie von
Anfang an vorgesehen - eine Tablettiermaschine mit dem
Prägestempelmuster eines gängigen Symbols des
Ecstasymarktes. Er ging davon aus, daß die mit der
Tablettiermaschine hergestellten Imitate - bestehend aus dem von ihm
gelieferten Ketamin sowie Koffein und Ephedrin - eine
"ecstasy-ähnliche" Wirkung hervorrufen würden und in
der britischen Drogenszene als echte Betäubungsmittel
veräußert werden sollten, was auch geschah.
2. In seiner rechtlichen Würdigung vertritt das Landgericht
die Ansicht, der Angeklagte habe den Tatbestand des Handeltreibens mit
Betäubungsmittelimitaten in sechs Fällen
erfüllt, weil er jeweils den Grundstoff für die
Herstellung von Ecstasy-Imitaten mit dem Bewußtsein geliefert
habe, daß diese später als echte Drogen verkauft
werden sollten. Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu.
a) Nach § 29 Abs. 6 BtMG sind die Vorschriften des Absatzes 1
Satz 1 Nr. 1 auch dann anzuwenden, wenn sich (u.a.) das Handeltreiben
auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht
Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden. Zwar
unterfällt Ketamin nicht dem Betäubungsmittelgesetz
(vgl. Körner BtMG 5. Aufl. AMG Anhang D I Rdn. 95) und der
Angeklagte hat damit auch Handel getrieben, aber das Handeltreiben
bezog sich nicht auf einen Stoff, der als Betäubungsmittel
ausgegeben wurde.
aa) Die Frage, ob (allein-)täterschaftliches Handeltreiben im
Sinne des § 29 Abs. 6 BtMG vorliegt, wenn Stoffe geliefert
werden, die (noch) keine Betäubungsmittelimitate sind, sondern
- wie hier - nur Grundlage für deren Fertigung sein sollen,
hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen. Sie ist zu verneinen.
(1) Der 1. Strafsenat hat in seinem in BGHSt 38, 58 ff. abgedruckten
Urteil vom 20. August 1991 - 1 StR 321/91 - allerdings entschieden,
daß § 29 Abs. 6 BtMG im Sinne
alleintäterschaftlichen Handeltreibens anwendbar ist, wenn die
am Handel Beteiligten (Zwischenhändler und Händler)
wissen, daß sich das Geschäft auf
Betäubungsmittelimitate bezieht, die gegenüber den
Endabnehmern als Betäubungsmittel ausgegeben werden sollen
(vgl. auch BGHR BtMG § 29 Abs. 6 Handeltreiben 1). Zur
Begründung wurde ausgeführt, der Begriff des
"Ausgebens" als Betäubungsmittel in § 29 Abs. 6 BtMG
sei nicht ausschließlich als Beschreibung der Tathandlung zu
verstehen, sondern zugleich auch eine Beschreibung der Pseudodrogen. Es
genüge daher, wenn sich die am Handel Beteiligten
darüber einig seien, daß sich das Geschäft
auf Imitate beziehe, mit denen der Endabnehmer getäuscht
werden solle (BGHSt aaO S. 61). Diese Überlegung kann aber auf
den Rohstofflieferanten für Betäubungsmittelimitate
nicht übertragen werden; denn sie würde den Begriff
des Handeltreibens in einer mit dem Wortlaut nicht mehr vereinbaren
Weise überdehnen.
(2) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
erfaßt das Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1, 6
BtMG zwar jedes eigennützige Bemühen, das darauf
gerichtet ist, den Umsatz von Betäubungsmitteln (bzw.
Betäubungsmittelimitaten) zu ermöglichen oder zu
fördern; erforderlich ist aber, daß
Tätigkeiten erfolgen, die auf die Ermöglichung oder
Förderung eines bestimmten Umsatzgeschäftes mit
Betäubungsmitteln (bzw. Imitaten) zielen (BGH NStZ 1993, 444;
1994, 501; StV 1994, 429 [Beschaffen von Streckmitteln]; BGH, Urteil
vom 30. Januar 2001 - 1 StR 423/00 = NStZ 2001, 323, 324; zu §
29 Abs. 6 BtMG vgl. BGHSt 38, 58, 62). Umsatzgeschäft bei der
Lieferung eines Grundstoffes zur Herstellung eines
Betäubungsmittelimitats ist zunächst allein der
Verkauf des Grundstoffs. Mit dem Verkauf des Imitats ist der
Grundstoff-Händler - wie auch der zu entscheidende Fall zeigt
- regelmäßig nicht befaßt. Sein
Geschäft ist abgewickelt, wenn er den Grundstoff verkauft und
dafür Bezahlung erhalten hat. Selbst wenn man - mit BGHSt 38,
58 - zwischen der Lieferung des "fertigen" Imitats an den
Händler und dem (beabsichtigten) Verkauf der Pseudodroge durch
diesen an den Endverbraucher eine so enge Verbindung sieht,
daß das (täuschende) Handeltreiben des
Händlers mit dem Imitat dem Zwischenhändler quasi
"zuzurechnen" ist, ist diese enge Verbindung jedenfalls dann nicht mehr
gegeben, wenn an dem vom Zwischenhändler gelieferten Stoff
weitere Veränderungen vorgenommen werden sollen, um Imitate
herzustellen (vgl. Weber BtMG § 29 Rdn. 1078; BGHR BtMG
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39: die Belieferung mit
Grundsubstanzen zur Herstellung von Betäubungsmitteln
begründet noch keinen Verstoß gegen das BtMG).
bb) Der Händler eines Grundstoffes zur Herstellung eines
Betäubungs-mittelimitats macht sich daher nicht wegen
(allein-)täterschaftlichen Handeltreibens mit
Betäubungsmittelimitaten nach § 29 Abs. 6 BtMG
(i.V.m. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) strafbar. Er kann aber
- je nach Tatinteresse und Tatherrschaft - etwa Mittäter des
Händlers oder Teilnehmer an dessen Tat sein (vgl. Weber aaO
Rdn. 1081 f.).
b) Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte das
Handeltreiben des H. mit Betäubungsmittelimitaten - ohne
Täterwillen - vorsätzlich gefördert. Die
Strafkammer hat die Haupttat des H. , zu der der Angeklagte Hilfe
geleistet hat, zureichend festgestellt (UA 13 f., 21); die Einzelheiten
dieser Tat brauchte der Angeklagte nicht zu kennen (vgl. BGHR BtMG
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 39 [Lieferung von
Grundsubstanzen]; BGH, Beschluß vom 20. Juni 1995 - 4 StR
273/95 [Transport von Streckmitteln]). Allerdings tragen die
Feststellungen lediglich die Annahme, daß der Angeklagte mit
seinen Beihilfebeiträgen insgesamt eine - nach Lieferung der
Tablettiermaschine begangene - Haupttat gefördert hat (vgl.
BGH NStZ 1997, 121; 1999, 451; 513, 514; Tröndle/Fischer StGB
50. Aufl. § 27 Rdn. 13). Er hat sich daher einer Beihilfe zum
Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten schuldig gemacht.
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend; § 265
StPO steht dem nicht entgegen, da in der Hauptverhandlung vor dem Senat
auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen
wurde und sich der Angeklagte gegen den geänderten
Schuldspruch nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen
können.
Ob in Großbritannien das Handeltreiben mit
Betäubungsmittelimitaten strafbar ist, ist für den
Schuldspruch ohne Bedeutung; denn die Geltung des deutschen Strafrechts
für die Beihilfe ergibt sich aus § 9 Abs. 2 Satz 2
StGB (vgl. BGH StV 1999, 432, 433; BGH, Beschluß vom 18.
Januar 1983 - 3 StR 415/82 (S); Körner aaO § 29 BtMG
Rdn. 148). Der Senat hat die Strafverfolgung mit Zustimmung des
Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs.1 Nr.
1, Abs. 2 StPO auf die Verletzung des Betäubungsmittelgesetzes
beschränkt.
3. Die Änderung des Schuldspruchs in den Fällen II 1
bis 6 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der in
diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und der
Gesamtstrafe. Die Einzelstrafe für die Beihilfe zum
Handeltreiben mit Betäubungsmittelimitaten und die
Gesamtstrafe müssen daher neu festgesetzt werden.
Tepperwien Maatz Kuckein Athing Solin-Stojanovic |