BGH,
Urt. v. 26.4.2001 - 4 StR 30/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 30/01
vom
26. April 2001
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Totschlags u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26.
April
2001, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Meyer-Goßner,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
Athing,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil
des Landgerichts Schwerin vom 28. August 2000 mit den
Feststellungen aufgehoben, soweit freigesprochen worden
sind,
a) der Angeklagte N. in den Fällen zu 1, 3 und 4
der Anklage,
b) der Angeklagte Sch. in den Fällen zu 3 und 4
der Anklage,
c) der Angeklagte M. zu Fall 2 der Anklage.
2. In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine als Schwurgericht zuständige Strafkammer
des Landgerichts Rostock zurückverwiesen.
von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten von Vorwürfen des
Totschlags,
des versuchten Totschlags, der Beihilfe zum versuchten Totschlag, der
schweren
Körperverletzung bzw. der Beihilfe hierzu freigesprochen.
Soweit die Angeklagten
N. (Fälle 1 bis 4) und M. (Fall 2) betroffen sind, hat es die
Freisprüche
auf die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums gestützt.
Den
- 4 -
Angeklagten Sch. hat es im Fall 2 (Beihilfe zum versuchten Totschlag)
aus
tatsächlichen Gründen, im übrigen
(Fälle 3 und 4) ebenfalls wegen Vorliegens
eines Verbotsirrtums freigesprochen. Gegen dieses Urteil wendet sich die
Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, die sie hinsichtlich des
Angeklagten
N. auf die Freisprüche in den Fällen 1, 3 und 4 und
bezüglich des Angeklagten
Sch. auf die Freisprüche in den Fällen 3 und 4
(rechtswirksam)
beschränkt hat. Sie rügt die Verletzung materiellen
Rechts und beanstandet die
Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums durch das Landgericht. Das
Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Das Landgericht hat zu den Fällen, die Gegenstand des
Revisionsverfahrens
sind, folgende Feststellungen getroffen:
1. Fälle 1, 3 und 4 (Angeklagte N. und Sch. ):
Der Angeklagte N. war im Range eines Oberstleutnants vom
1. September 1976 bis zum 30. Juni 1979 Stabschef im Grenzregiment 24
der
Grenztruppen der DDR mit dem Sitz in Salzwedel. Danach
übernahm er das
Kommando des Grenzregiments 6 mit Sitz in Schönberg, das er -
nachdem er
1981 zum Oberst befördert worden war - bis zum 31. August 1983
innehatte.
Stabschef im Grenzregiment 6 war ab dem 1. Oktober 1980 der
Mitangeklagte
Sch. , der am 1. September 1983 den Angeklagten N. als Kommandeur
des Grenzregiments 6 ablöste und zuletzt ebenfalls den Rang
eines Oberst
bekleidete.
- 5 -
Im Bereich der Grenzregimenter 24 und 6 waren im Tatzeitraum Minen
des Typs SM-70 als Bestandteil der Sperranlagen 501 bzw. 701
installiert.
Hierbei handelte es sich um richtungsgebundene Splitterminen, die
unverkleidet
an dem letzten Grenzelement, einem ca. 3 m hohen Streckmetallzaun, und
zwar an dessen östlicher Seite, angebracht wurden. Die
untereinander mit
Zünddrähten verbundenen Minen waren mit Sprengstoff
(TNT) sowie ca. 80
kubischen Metallsplittern gefüllt, die im Falle einer
Detonation geeignet waren,
bei einem Menschen schwere, auch tödliche Verletzungen
herbeizuführen.
Die konkrete Durchführung der Grenzsicherung an der
innerdeutschen
Grenze durch die Grenztruppen der DDR erfolgte auf den verschiedenen
Kommandoebenen durch jährliche Grundsatzbefehle (vgl. hierzu
BGHSt 45,
270, 272 - 274; Senatsurteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00).
Hierbei verlief
der Befehlsweg dergestalt, daß der Minister für
Nationale Verteidigung in der
Regel jährlich an den Chef der Grenztruppen den Befehl 101
gab; der Chef der
Grenztruppen setzte diesen Befehl um durch den Befehl 80 an die Chefs
der
drei Grenzkommandos; diese erließen auf dessen Grundlage
Befehle mit der
Nr. 40 an die Kommandeure der einzelnen Grenzregimenter, die diese
ihrerseits
durch Befehle mit der Nr. 20 umsetzten. Die Befehle waren auf den
verschiedenen
Ebenen so abgefaßt, daß von allgemeinen Regelungen
in den
Befehlen 101 bis zu konkreten Festlegungen in den Befehlen 40 und 20
eine
zunehmende Konkretisierung erfolgte. Sämtliche Handlungen der
Grenztruppen,
insbesondere auch die Verminung des Grenzgebietes, beruhten auf dieser
Befehlskette.
Der Erlaß des Jahresbefehls 20 erfolgte in den hier
betroffenen Fällen in
den Grenzregimentern 24 und 6 wie folgt: Dem Chef des Stabes oblag die
Er-
6 -
arbeitung eines Entwurfes des jährlichen Grundsatzbefehls des
Regimentskommandeurs.
Hierzu hatte er nach Eingang der Befehle 101, 80 und 40 der
übergeordneten Befehlsebenen von den Stellvertretern des
Kommandeurs und
weiteren Mitgliedern des Stabes Einzelbeiträge einzuholen, die
er in seinem
Befehlsentwurf zusammenfaßte. Diesen legte er sodann dem
Kommandeur vor,
der ihn in seinen Grenzsicherungsbefehl umsetzte.
Der Angeklagte N. wirkte in der beschriebenen Weise als Stabschef
an dem Befehl 20/78 des Kommandeurs des Grenzregiments 24 für
das Jahr
1978/1979 mit. Für das Grenzregiment 6 erließ er als
dessen Kommandeur die
entsprechenden Befehle für das erste Ausbildungshalbjahr
1981/1982 und das
zweite Ausbildungshalbjahr 1982/1983. Diese beiden Befehle bereitete
der Angeklagte
Sch. als damaliger Stabschef des Grenzregiments 6 jeweils in
einem Entwurf vor. Sämtliche Befehle enthielten Regelungen,
die den Betrieb,
die Wartung und die Instandhaltung der im Bereich der Grenzregimenter
verlegten
Minensperranlagen betrafen.
Im Geltungszeitraum der genannten Befehle kam es zu folgenden
Vorfällen:
Am 20. Juli 1979 wurde Frank W. im Grenzabschnitt des Grenzregiments
24 bei der Flucht aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland durch
explodierende Splitterminen erheblich verletzt. Trotz der erlittenen
Verletzungen
gelang es ihm, das Gebiet der Bundesrepublik zu erreichen (Fall 1).
Am 28. Januar 1982 löste Hans B. , der sich zur Flucht aus der
DDR
entschlossen hatte, im Bereich des Grenzregiments 6 beim
Übersteigen des
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mit SM-70 - Anlagen versehenen vorderen Sperrzaunes mehrere
Splitterminen
aus. Obwohl er durch Metallsplitter lebensgefährliche
Verletzungen erlitt, gelang
es ihm noch, bundesdeutsches Gebiet zu erreichen. Sein Leben konnte
durch zwei Operationen gerettet werden (Fall 3).
Am 4. September 1983 versuchte Harry We. im Grenzabschnitt des
Grenzregiments 6 in die Bundesrepublik Deutschland zu fliehen. Nach
Überwinden
des Grenzsignalzaunes begann er mit Hilfe eines Campingspatens den
vorderen Grenzzaun zu untergraben. Dabei löste er zwei Minen
der dort angebrachten
SM-70 - Anlage aus. Durch die Metallsplitter wurde er so schwer
verletzt, daß er wenige Minuten später verstarb
(Fall 4).
2. Fall 2 (Angeklagter M. ):
Am 30. August 1979 wurden im Sperrabschnitt 10 des Grenzregiments 6
die Minenfelder Nr. 32, 33 und 34 angelegt. Verlegt wurden Erdminen vom
Typ
PPM-2, und zwar im Minenfeld Nr. 32 insgesamt 900 Minen und in den
Minenfeldern
Nr. 33 und 34 jeweils 720 Minen. Die Verlegearbeiten leitete der
Angeklagte
M. als Kompaniechef der Minenräumkompanie 25 im Rang eines
Hauptmanns. Der Angeklagte M. organisierte die Arbeitsabläufe,
wies die
einzelnen Arbeitstrupps in ihre Arbeiten ein, kontrollierte sie, trug
Sorge für ein
ungestörtes Arbeiten der Soldaten und achtete darauf,
daß keiner der Soldaten
“republikflüchtig” wurde. Bis zu ihrer
späteren Räumung am 5. Juni 1984 wurden
die Minenfelder in der Folge nicht mehr verändert.
Am Abend des 25. Oktober 1981 entschloß sich Jürgen
Wes. in stark
angetrunkenem Zustand, vom Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus
- 8 -
über die Grenzanlagen das Gebiet der DDR zu betreten. Gegen
23.40 Uhr
überquerte er im Sperrabschnitt 10 am Schlagbaum Eichholz die
Grenze. Nach
wenigen Schritten trat er auf eine Erdmine PPM-2. Durch die Explosion
wurde
ihm der linke Fuß abgerissen. Gegen 00.15 Uhr barg ihn ein
Bergetrupp der
Grenztruppen der DDR und lieferte ihn in ein Krankenhaus ein. Dort
wurde ihm
der linke Unterschenkel amputiert.
Am 3. November 1981 begab sich der an einer paranoiden Psychose
leidende Kurt Wei. von westdeutschem Gebiet aus an die Grenzsperranlagen
der DDR. Beim Schlagbaum Eichholz kletterte er über den Zaun
und betrat
DDR-Gebiet. Die Aufforderung westdeutscher Zollbeamten stehen zu
bleiben,
beachtete er ebenso wenig wie die Aufforderung von Grenzsoldaten der
DDR,
das Gebiet der DDR zu verlassen. Er geriet in das Minenfeld 32 oder 33
und
löste eine Erdmine PPM-2 aus, die ihm den rechten
Fuß abriß. Auch er wurde
anschließend von dem Bergetrupp der Grenztruppen in ein
Krankenhaus verbracht,
wo ihm der rechte Unterschenkel amputiert wurde.
II.
1. Freisprüche der Angeklagten N. und Sch.
a) Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten N. als Beihilfe
zum versuchten Totschlag (Fall 1), als versuchten Totschlag in
Tateinheit
mit gefährlicher Körperverletzung (Fall 3) und als
Totschlag (Fall 4) gemäß
§§ 212, 223a (a.F.), 22, 27 StGB qualifiziert. Die
Mitwirkung des Angeklagten
Sch. in den Fällen 3 und 4 hat es rechtlich als Beihilfe
hierzu gewertet.
Dies ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur
- 9 -
Tötung und Verletzung von Flüchtlingen durch Minen an
der innerdeutschen
Grenze (vgl. BGHSt 40, 218; 44, 204; 45, 270) - auch mit Blick auf die
Regelung
des § 301 StPO - aus Rechtsgründen nicht zu
beanstanden. Anders als in
dem vom Senat mit Urteil vom 8. März 2001 - 4 StR 453/00 -
entschiedenen
Fall bezog sich die vom Landgericht als Beihilfe gewertete Mitwirkung
der Angeklagten
N. und Sch. bei der Abfassung der Jahresbefehle (Fälle 1, 3
und 4) jeweils auch auf die Bedienung, Wartung und Instandhaltung der
Minensperranlagen.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet jedoch die Auffassung
des Landgerichts, die Angeklagten N. und Sch. hätten sich
“in
einem nicht vermeidbaren Irrtum bezüglich der Rechtswidrigkeit
ihres Tuns (§
17 S. 1 StGB)” befunden.
Die Staatspraxis der DDR, die die vorsätzliche Tötung
von Flüchtlingen
durch Schußwaffen, Selbstschußanlagen oder Minen
zur Vermeidung einer
Flucht aus der DDR in Kauf nahm, war wegen offensichtlichen,
unerträglichen
Verstoßes gegen elementare Gebote der Gerechtigkeit und gegen
völkerrechtlich
geschützte Menschenrechte nicht geeignet, die Täter
zu rechtfertigen (vgl.
BGHSt 40, 218, 232). Dies gilt in besonderem Maße
für den Einsatz von Splitterminen
der hier verwendeten Art zur bloßen Durchsetzung des Verbots,
die
innerdeutsche Grenze ohne besondere Erlaubnis zu überschreiten
(BGHSt 44,
204, 209). Der regelmäßig verheerend wirkende
unkontrollierbare Einsatz solcher
blinder Tötungsautomaten ist eklatant menschenrechtswidrig
(BGH aaO).
Wegen der Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit scheidet daher ein
Schuldausschluß
aus, wenn nicht im Einzelfall ganz besondere Umstände gegen
eine
Erkennbarkeit des Strafrechtsverstoßes für den
Täter sprechen (vgl. auch
- 10 -
BVerfGE 95, 96, 142, 143 = NJW 1997, 929, 932, 933). Derartige besondere
Umstände hat das Landgericht nicht dargetan; sie
können auch den Urteilsgründen
im übrigen nicht entnommen werden.
Die vom Landgericht zur Begründung der fehlenden
Einsichtsfähigkeit
der Angeklagten in das Unrecht ihres Tuns primär herangezogene
“doktrinäre
Einbindung in die - alle gesellschaftlichen Bereiche beherrschende -
Ideologie
der führenden Partei” (UA 36) stellt keine
Besonderheit, sondern für Straftaten
der hier gegebenen Art den Regelfall dar. Der weitere Gesichtspunkt,
daß "bei
der Verlegung der Minen nicht die Tötung von Menschen das
direkte Ziel
[war]", betrifft vor allem den - an anderer Stelle vom Landgericht
rechtsfehlerfrei
bejahten - (bedingten) Tötungsvorsatz der Angeklagten; er
läßt jedoch nicht
ohne weiteres Rückschlüsse auf die Existenz eines
(unvermeidbaren) Verbotsirrtums
zu. Nicht nachvollziehbar ist schließlich die Annahme des
Landgerichts,
die Angeklagten, die sämtlich über einen
höheren Bildungsgrad verfügen,
hätten etwaige Zweifel an der
Rechtmäßigkeit ihres Tuns auch nicht durch
Nachdenken beseitigen können (UA 38). Dies gilt insbesondere
vor dem Hintergrund,
daß die Minensperranlagen an der innerdeutschen Grenze keine
militärische
Bedeutung hatten, sondern - wie die Angeklagten wußten - in
erster
Linie dazu bestimmt waren, die Flucht aus der DDR unter Inkaufnahme der
Tötung des Fluchtwilligen zu verhindern (vgl. auch BGHSt 45,
270, 274 sowie
Urteil des EGMR vom 22. März 2001 - Appl. nos. 34044/96,
35532/97 und
44801/98). Es hätte daher besonderer Darlegung bedurft, warum
die Angeklagten
bei dieser Sachlage, in der auch für einen indoktrinierten
Menschen
der Verstoß gegen das elementare Tötungsverbot
augenfällig war, nicht durch
Nachdenken zu einer Unrechtseinsicht hätten gelangen
können.
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Das Landgericht kann sich zur Stützung seiner Auffassung auch
nicht
auf die Entscheidung BGHSt 39, 168 beziehen; diese betraf
nämlich einen
ganz anders gelagerten Fall. Dort hatte der Bundesgerichtshof die
Annahme
der Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums in einem Fall rechtlich nicht
beanstandet,
in dem (einfache) Grenzsoldaten mit ihren Maschinenpistolen auf die
Füße oder Beine von Flüchtlingen gezielt
und zur Unterbindung der weiteren
Flucht ohne Tötungsvorsatz auf diese geschossen hatten (vgl.
BGHSt aaO
S. 194/195). Hier geht es indes um die Bewertung der
Einsichtsfähigkeit hochrangiger,
mit (bedingtem) Tötungsvorsatz handelnder Offiziere in Bezug
auf
den unkontrollierbaren Einsatz von Splitterminen.
2. Freispruch des Angeklagten M.
a) Das Verhalten des Angeklagten M. im Fall 2 hat das Landgericht
rechtlich zutreffend als schwere Körperverletzung in zwei
tateinheitlich zusammentreffenden
Fällen eingeordnet, wobei es in Bezug auf das durch die gleiche
Handlung jeweils verwirklichte versuchte Tötungsdelikt dem
Angeklagten die
Rettung der beiden Opfer durch Bergetrupps der Grenztruppen als
Rücktritt im
Sinne des § 24 Abs. 2 StGB zugute gebracht hat (vgl. BGHSt 44,
204).
b) Auch die Annahme der Rechtswidrigkeit der Tatbestandsverwirklichung
begegnet unter den hier gegebenen Umständen keinen
durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Zwar betrafen die vom Bundesgerichtshof bisher
entschiedenen
Fälle der Tötung und Verletzung von Menschen durch
Minen an
der innerdeutschen Grenze - soweit ersichtlich - stets Tatgeschehen, in
denen
Deutsche aus der DDR auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
gelangen
wollten. Der Senat teilt jedoch die Auffassung des Landgerichts,
daß für
- 12 -
die umgekehrte Konstellation, wenn - wie hier - Personen von der
Bundesrepublik
Deutschland aus das Staatsgebiet der DDR unbewaffnet und ohne
Gefährdung
allgemein anerkannter Rechtsgüter betreten wollten, nichts
anderes
gelten kann. Der Einsatz von Erdminen der verwendeten Art, die - wie
die hier
zu beurteilenden Fälle zeigen - in aller Regel bei den Opfern
zu schwersten
Verletzungen und Verletzungsfolgen führen, zur
bloßen Durchsetzung des
Verbots, die innerdeutsche Grenze in Richtung auf das Staatsgebiet der
DDR
ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis zu
überschreiten, muß ebenfalls - auch
bei bloßem Verletzungsvorsatz - als rechtswidrig qualifiziert
werden (vgl.
BGHSt 44, 204, 208/209 zum Einsatz von Splitterminen). Dem richtig
ausgelegten
Recht der DDR (vgl. hierzu BGHSt 39, 1, 26, 29; 40, 241; 41, 101) kann
ein Rechtfertigungsgrund hierfür nicht entnommen werden. Auch
insoweit gilt,
daß der regelmäßig verheerend wirkende und
nicht kontrollierbare Einsatz von
Minen an der innerdeutschen Grenze von vornherein eklatant
menschenrechtswidrig
war.
c) Hieraus folgt, daß die Annahme eines unvermeidbaren
Verbotsirrtums
in Bezug auf den Angeklagten M. aus den gleichen Erwägungen
der rechtlichen
Überprüfung nicht standhält, wie bei den
Mitangeklagten N. und
Sch. . Die vom Landgericht angeführte Indoktrination kann
angesichts der
auch hier gegebenen Offensichtlichkeit des Rechtsverstoßes
einen Schuldausschluß
nicht rechtfertigen. Sonstige Umstände, die ausnahmsweise
für den Angeklagten
die Annahme eines unvermeidbaren Verbotsirrtums begründen
könnten, sind weder dargetan noch ersichtlich. Der Angeklagte
selbst hat hierzu
lediglich vorgetragen, er habe keinen Anlaß gesehen, die
Rechtmäßigkeit
von umzäunten und beschilderten Erdminen zu hinterfragen.
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Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung der neuen Verhandlung
und Entscheidung. Der Senat verweist sie an eine als Schwurgericht
zuständige
Strafkammer des Landgerichts Rostock zurück (§ 354
Abs. 2 Satz 1
2. Alt. StPO).
Meyer-Goßner Tolksdorf Athing
Solin-Stojanovic Ernemann |