BGH,
Urt. v. 26.7.2007 - 3 StR 221/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 221/07
vom
26.7.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
26.7.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
Becker,
Hubert
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin ,
Rechtsanwalt
als Nebenklägervertreter,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der
Nebenkläger D. und S. wird das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 29. Mai 2006 aufgehoben; jedoch werden die
gesamten Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel und die
den genannten Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen
Auslagen, an eine Strafkammer des Landgerichts Duisburg
zurückverwiesen.
Die weitergehenden Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie der
genannten Nebenkläger werden verworfen.
2. Die Revisionen der Nebenkläger Teresa und Filip R. sowie
Dariusz und Andrzej M. gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.
Diese Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu
tragen und die dem Angeklagten hierdurch jeweils entstandenen
notwendigen Auslagen zu ersetzen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Das Landgericht hatte den Angeklagten in einer ersten Hauptverhandlung
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion mit Todesfolge
in Tateinheit mit sechsfachem vollendeten und zweifachem versuchten
Mord zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass
die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt. Dieses Urteil hat
der Senat wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben und die Sache zu
neuer Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen (BGH NJW
2003, 3142). Dieses hat den Angeklagten nunmehr wegen
Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion (§ 311 StGB
aF) in Tateinheit mit zweifacher fahrlässiger
Körperverletzung (§ 230 StGB aF) zu einer
Freiheitsstrafe von dreizehn Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Hiergegen richten sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft und
einiger Nebenkläger.
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I. Revision der Staatsanwaltschaft
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Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung materiellen Rechts;
sie beanstandet es namentlich als rechtsfehlerhaft, dass sich das
Landgericht nicht vom Tötungsvorsatz des Angeklagten
überzeugt und daher von dessen Verurteilung (auch) wegen
sechsfachen Mordes und zweifachen Mordversuchs abgesehen hat. Das
Rechtsmittel hat Erfolg.
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1. Das Landgericht hat nunmehr festgestellt: Der Angeklagte war
Eigentümer eines älteren mehrgeschossigen Hauses mit
elf Mietwohnungen. Er wollte das Gebäude sanieren, um es
anschließend gewinnbringend zu veräußern.
Die Mieter widersetzten sich indessen seinem Vorhaben und verweigerten
den Umzug in ein anderes seiner Mietshäuser. Der Angeklagte
sann daraufhin zusammen mit dem früheren - bereits
rechtskräftig abgeurteilten - Mitangeklagten Sch. nach
Möglichkeiten, auf die Mieter Druck auszuüben, um sie
hierdurch
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zum Auszug zu bewegen. Nachdem ihr Plan gescheitert war, dies durch
Brandlegungen in dem Haus zu erreichen, kamen sie schließlich
auf die Idee, im Keller des Hauses eine Verpuffung auszulösen,
indem sie eine Gasleitung durch Lockern des Verschlussstopfens um
einige Umdrehungen öffneten und das ausströmende Gas
durch ein auf der obersten Stufe der Kellertreppe aufgestelltes
Teelicht entzündeten. Hierdurch sollten nach der Vorstellung
des Angeklagten die "Wände wackeln"; das Haus sollte
unbewohnbar und "amtlich geräumt" werden oder die Mieter
zumindest aus Angst ausziehen. Nachdem der Angeklagte zusammen mit dem
Mitangeklagten die Tatvorbereitungen getroffen hatte, setzte dieser
schließlich das Vorhaben absprachegemäß
alleine um. Er schraubte den Verschlussstopfen völlig aus der
Gasleitung. Das ausströmende Gas wurde zwar nicht durch das
Teelicht entzündet, das unmittelbar, nachdem der
frühere Mitangeklagte den Keller verlassen hatte, erloschen
war; es wurde jedoch durch eine andere Zündquelle zur
Explosion gebracht. Dies führte zum Einsturz des gesamten
Hauses, wodurch sechs Bewohner getötet und zwei weitere schwer
verletzt wurden.
2. Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe auf Grundlage
des festgestellten Sachverhalts ohne Tötungsvorsatz gehandelt.
Zwar habe er die naheliegende Möglichkeit erkannt, dass bei
einer Gasexplosion, die die Wände des Hauses zum Wackeln
bringen und das Haus unbewohnbar machen soll, Hausbewohner "durch
herabfallende Gebäudeteile (Putz, Steinbrocken o. ä.)
oder durch umfallendes Mobiliar" zu Tode kommen könnten. Bei
dem Einsturz des Hauses und dem dadurch bewirkten Tod mehrerer Bewohner
habe es sich aber um einen dem Angeklagten unerwünschten
Taterfolg gehandelt. Er habe das Haus beschädigen, nicht aber
zerstören wollen; gerade die Zerstörung des Hauses
sei aber die Todesursache gewesen. Wenn der Angeklagte die
Zerstörung des Hauses nicht gewollt habe, sei auch die Annahme
nicht gerechtfertigt, er habe gewollt, dass Menschen in dem Haus
sterben.
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3. Hiergegen wendet sich die Revision mit Recht. Den
Erwägungen, mit denen das Landgericht bedingten
Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint, liegen unzutreffende
rechtliche Maßstäbe zu Grunde.
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Bedingter Tötungsvorsatz setzt zunächst voraus, dass
der Täter es als möglich und nicht ganz fernliegend
erkennt, sein Tun werde zum Tode eines anderen führen. Diese
Folge muss er darüber hinaus zumindest in der Weise billigend
in Kauf nehmen, dass er sich zum Erreichen des mit seinem Handeln
verbundenen Endziels mit dem Tod des anderen abfindet, ihn hinnimmt,
mag er ihm auch unerwünscht sein (s. allgemein
Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 15 Rdn. 9 b m.
zahlr. w. N.).
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Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht bedingten
Tötungsvorsatz des Angeklagten rechtsfehlerhaft verneint. Der
Angeklagte hatte erkannt, dass die Gasexplosion, die er verursachen
wollte, durch herabstürzende Gebäudeteile oder
umfallendes Mobiliar zum Tod von Hausbewohnern führen konnte.
Dennoch hat er von seinem Vorhaben nicht Abstand genommen und den
früheren Mitangeklagten zur Tatausführung schreiten
lassen, um seine Sanierungspläne durchzusetzen. In diesem
Falle konnte es an einem bedingten Tötungsvorsatz aber nur
dann fehlen, wenn der Angeklagte aufgrund besonderer,
außergewöhnlicher Umstände darauf
vertraute, der von ihm für möglich gehaltene Tod von
Hausbewohnern werde nicht eintreten. Dass der Angeklagte ein solches
Vertrauen gehegt hätte, ist den Urteilsfeststellungen nicht zu
entnehmen. Im Hinblick auf die von ihm erkannte Gefährlichkeit
der geplanten Tat sind auch kaum Umstände vorstellbar, die
hätten geeignet sein können, ein derartiges Vertrauen
zu begründen.
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Soweit das Landgericht demgegenüber darauf abhebt, dem
Angeklagten sei es nicht erwünscht gewesen, dass durch die
Explosion Mieter ums Leben
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kämen, steht dies der Annahme bedingten
Tötungsvorsatzes gerade nicht entgegen. Ebensowenig ist es von
Belang, dass die Explosion stärker ausfiel, als es sich der
Angeklagte vorgestellt hatte, sie das Haus vollständig zum
Einsturz brachte und der Tod sowie die Verletzungen von Hausbewohnern
gerade durch den (vom Angeklagten nicht vorhergesehenen und gewollten)
Einsturz verursacht wurden; denn hierin liegt nur eine unerhebliche
Abweichung des tatsächlichen von dem vom Angeklagten als
möglich vorgestellten Kausalverlauf. Maß-geblich
für den Tötungsvorsatz sind die vom Angeklagten
hingenommenen tödlichen Folgen der Explosion, nicht dagegen
die genauen Abläufe, die - ausgelöst durch die
Explosion - zu diesen Folgen führten; schon gar nicht von
Bedeutung ist, in welchem Zustand sich das Haus nach Vorstellung des
Angeklagten nach der Tat befinden sollte.
4. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die bisherigen
Feststellungen zum objektiven Geschehen, zur subjektiven Tatseite sowie
zur Person des Angeklagten haben jedoch Bestand. Die ihnen zugrunde
liegende Beweiswürdigung lässt keinen Rechtsfehler
zum Vor- oder Nachteil (vgl. § 301 StPO) des Angeklagten
erkennen. Das Landgericht zieht aus den erhobenen Beweisen
mögliche Schlüsse; ob diese nahe lagen und nicht auch
eine abweichende Überzeugungsbildung möglich gewesen
wäre, ist für die revisionsgerichtliche
Überprüfung ohne Belang. Da die Feststellungen durch
den aufgezeigten Fehler in der rechtlichen Würdigung nicht
berührt sind, können sie daher aufrechterhalten
werden (§ 353 Abs. 2 StPO); ergänzende neue
Feststellungen - auch zu dem noch offenen voluntativen Vorsatzelement -
darf die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer nur treffen,
soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
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Eine eigene Sachentscheidung zum Schuldspruch ist dem Senat dagegen
schon deswegen verwehrt, weil es bisher zumindest in subjektiver
Hinsicht
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an Feststellungen zu den in Betracht kommenden Mordmerkmalen der
Gemeingefährlichkeit, der Heimtücke, der Habgier und
der sonstigen niedrigen Beweggründe fehlt. Diese sind
nachzuholen, wobei es jedoch mehr als nahe liegt, dass diese Merkmale
sowohl in objektiver wie in subjektiver Hinsicht erfüllt sind.
Abschließend wird auf die Entscheidungen BGH NStZ 2006, 346
sowie BVerfG NStZ 2006, 680 hingewiesen.
II. Nebenklägerrevisionen
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1. Die Revisionen der Nebenkläger Teresa und Filip R. sowie
Dariusz und Andrzej M. sind unzulässig.
Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann der
Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine
andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder dass der Angeklagte
wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss
als Nebenkläger berechtigt. Die Begründung der
Revision des Nebenklägers muss daher erkennen lassen, dass er
mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also
einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen
einer Straftat, die die Berechtigung des Nebenklägers zum
Anschluss an das Verfahren begründet; wird eine derartige
Präzisierung bis zum Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist nicht vorgenommen, so ist das
Rechtsmittel unzulässig (Meyer-Goßner, StPO 50.
Aufl. § 400 Rdn. 6 m. w. N.). So liegt es hier. Die genannten
Nebenkläger haben ihr Rechtsmittel jeweils nur mit der
allgemeinen Sachrüge begründet. Weitere
Ausführungen, aus denen sich das Ziel ihres jeweiligen
Rechtsmittels entnehmen ließe, sind bis zum Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist nicht eingegangen. Soweit der
Beistand der Nebenkläger Dariusz und Andrzej M. in der
Revisionshauptverhandlung das Ziel der Revisionen dieser
Nebenkläger klargestellt hat, war dies nicht mehr geeignet,
diesen Rechtsmitteln nachträglich zur Zulässigkeit zu
verhelfen. Die Revisionen der genannten vier Nebenkläger sind
daher zu verwerfen.
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2. Die Revisionen der Nebenkläger D. und S. sind dagegen
zulässig; sie erstreben mit der Sachrüge die
Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes an einem Angehörigen
im Sinne des § 395 Abs. 2 Nr. 1 StPO. Diese Rechtsmittel haben
aus den Gründen, die zur Revision der Staatsanwaltschaft
näher dargelegt worden sind, auch in der Sache Erfolg.
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III. Der Senat hat von der durch § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO
eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine Strafkammer des
Landgerichts Duisburg zurückverwiesen.
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Tolksdorf Miebach Pfister Becker Hubert |