BGH,
Urt. v. 26.6.2001 - 5 StR 170/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 170/01
vom
26. Juni 2001
in der Strafsache gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26.
Juni 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf, Richterin Dr. Tepperwien, Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause als beisitzende Richter, Richterin am Landgericht
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt B als Verteidiger
des Angeklagten W, Rechtsanwalt Bo als Verteidiger des Angeklagten S,
Rechtsanwältin Sc als Verteidigerin des Angeklagten
Bü, Rechtsanwalt T als Verteidiger des Angeklagten K,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Cottbus vom 4. August 2000 werden verworfen.
Die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten im
Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen hat die
Staatskasse zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten W und S jeweils wegen
Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung und
gefährlicher Körperverletzung, den Angeklagten
Bü wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung in Tateinheit mit
Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und den
Angeklagten K wegen Freiheitsberaubung verurteilt. Mit ihren auf die
Sachrüge gestützten Rechtsmitteln, die vom
Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, erstrebt die
Staatsanwaltschaft eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen
erpresserischen Menschenraubes bzw. Beihilfe zu diesem Delikt; die
Revisionen haben keinen Erfolg.
Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnten der Angeklagte S und
der später Geschädigte Wü gemeinsam eine
Wohnung. Beide vereinbarten, sämtliche für die
Wohnung anfallenden Kosten einschließlich Nebenkosten und
Kosten für Strom und Telefon hälftig zu teilen.
Wü geriet jedoch alsbald mit seinen Zahlungen in
Rückstand, stellte diese schließlich völlig
ein und kehrte nicht mehr in die Wohnung zurück. S geriet
seinerseits mit der Miete in Rückstand und mußte die
Wohnung schließlich nach Abschluß eines
Räumungsprozesses verlassen. Die Höhe der
Mietschulden beliefen sich zu diesem Zeitpunkt einschließlich
der durch die Räumungsklage entstandenen Gerichtskosten auf
etwa 6.000 DM. Ursächlich hierfür war unter anderem
eine Verzögerung der Räumung, die darauf
zurückzuführen war, daß Wü
Gegenstände in der Wohnung zurückgelassen und auch
auf Aufforderung nicht abgeholt hatte. Nachdem es S und den
Mitangeklagten, die von den Schulden des Wü bei S
wußten, gelungen war, des inzwischen untergetauchten
Wü habhaft zu werden, verbrachten sie ihn in eine Garage. Um
ihm "einen Denkzettel zu verpassen", quälten und
mißhandelten ihn S und W l unter Mithilfe des Bürger
über einen längeren Zeitraum auf unterschiedliche
Weise. Außerdem zwangen sie ihn, einen Schuldschein zu
unterschreiben, in dem er sich verpflichtete, 3.000 DM Mietschulden an
S zu zahlen. Dabei gingen sämtliche Angeklagten davon aus,
daß S eine Forderung in dieser Höhe, die der
Hälfte des Räumungs- und Zahlungstitels entsprach,
gegen Wü geltend machen konnte.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht eine
Verurteilung der Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes
mangels nachweisbaren Erpressungsvorsatzes rechtsfehlerfrei verneint.
Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, konnte
offenbleiben, ob eine fällige Forderung tatsächlich
in der behaupteten Höhe bestanden hat. Denn selbst wenn
Ansprüche auf Mietschulden und Schadensersatz wegen der
(mitverschuldeten) Räumung der Wohnung durch den
Geschädigten nicht in voller Höhe bestanden, so
bewirkte die bei den Angeklagten - wenn auch laienhaft - bestehende
Vorstellung über das Bestehen solcher Ansprüche in
dem behaupteten Umfang einen Tatbestandsirrtum, der den Vorsatz
über die Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung
ausschloß (BGHR StGB § 253 Abs. 1 -
Bereicherungsabsicht 2, 6). Maßgeblich ist das mit der
beanstandeten Handlung verfolgte Endziel. Entspricht dieses der
Rechtsordnung, so wird es nicht dadurch rechtswidrig, daß zu
seiner Verwirklichung rechtswidrige Mittel angewandt werden (vgl. BGHR
StGB § 253 Abs. 1 - Bereicherungsabsicht 7, 9). Für
die Annahme eines auch nur bedingten Erpressungsvorsatzes blieb daher
kein Raum.
Ebenfalls nicht ersichtlich ist, daß das Landgericht seine
Überzeugung aufgrund einer fehlerhaften, insbesondere
lückenhaften Beweiswürdigung gewonnen hätte.
Angesichts der Vorgeschichte, die zur Abnötigung des
Schuldscheins führte, lag das Fehlen einer Vorstellung der
Angeklagten von der Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung derart
nahe, daß es einer eingehenden Begründung
hierfür nicht bedurfte.
Auch im übrigen weist das angefochtene Urteil trotz der
außerordentlich milden Sanktionen keine Rechtsfehler
zugunsten oder zu Lasten der Angeklagten auf.
Harms Basdorf Tepperwien
Gerhardt Brause
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