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BGH, Urteil vom 26. Juni 2001 - 5 StR 69/01


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 26.6.2001 - 5 StR 69/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 69/01
vom
26. Juni 2001
in der Strafsache gegen
wegen Beihilfe zum versuchten Betrug
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juni 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms, Richter Basdorf, Richterin Dr. Tepperwien, Richterin Dr. Gerhardt, Richter Dr. Brause als beisitzende Richter, Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 21. Februar 2000 wird verworfen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil dahin geändert, daß der Angeklagte wegen versuchten Betruges zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 500 DM verurteilt wird; die Verwarnung mit Strafvorbehalt entfällt.
3. Der Angeklagte hat die Kosten beider Rechtsmittel zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten der Beihilfe zum versuchten Betrug schuldig gesprochen, ihn deswegen verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 500 DM vorbehalten. Gegen das Urteil wenden sich sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Der Angeklagte beanstandet darüber hinaus das Verfahren. Während das Rechtsmittel des Angeklagten keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil aufzeigt, hat die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, Erfolg.
I.
Gegenstand des Verfahrens ist der Versuch des Angeklagten, einen Teil des sogenannten Bernsteinzimmers an gutgläubige Erwerber zu veräußern.
Bei dem Bernsteinzimmer handelt es sich im wesentlichen um wertvolle Wandtäfelungen aus Bernstein, die König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1717 dem russischen Zaren Peter I. zum Geschenk gemacht hatte und die später in der Sommerresidenz der russischen Zarenfamilie, dem Katharinenpalais in der Nähe von St. Petersburg, eingebaut wurden. Ergänzt wurden die Bernsteinpaneele durch vier florentinische Steinmosaikbilder aus verschiedenfarbigem Marmor, die der Kaiser von Österreich der russischen Zarenfamilie geschenkt hatte. Der Wert eines solchen Bildes beträgt heute zwischen 300.000 DM und ca. 2 Mio. DM. 1941 wurden die Einzelteile des Bernsteinzimmers als "Beutekunst" nach Königsberg transportiert, wo sie durch Luftangriffe der Alliierten mutmaßlich vernichtet wurden. Eines der Steinmosaike gelangte jedoch zuvor in den Besitz des Offiziers W A , der 1941 in der deutschen Wehrmacht Dienst tat und das Mosaik entweder selbst entwendet oder in Kenntnis seiner Herkunft von anderen Wehrmachtssoldaten widerrechtlich in Besitz genommen hatte. Er brachte das Mosaikbild nach Bremen und bewahrte es dort gemeinsam mit mehreren Fotografien, die Wehrmachtssoldaten vor dem zerstörten Katharinenpalais zeigen, sowie zwei Zeitungsausschnitten aus den 40er Jahren, auf denen Teile des Bernsteinzimmers abgebildet sind, in einem Sack auf dem Dachboden seines Hauses auf.
Noch vor dem Tod seines Vaters im Jahr 1978 erfuhr sein Sohn, der ehemalige Mitbeschuldigte H A , von der unrechtmäßigen Herkunft des Bildes. 1995 wandte sich der inzwischen verstorbene H A an den ihm aus seiner Schulzeit gut bekannten Angeklagten, der als Rechtsanwalt und Notar tätig ist. Da A wußte, daß sich der Angeklagte allgemein für Kunstgegenstände interessierte und über die für den Verkauf solcher Gegenstände notwendigen kaufmännischen und gesellschaftlichen Beziehungen verfügte, bat er ihn, das Mosaik für ihn zu verkaufen. Der Angeklagte erklärte sich dazu bereit, obwohl er die Herkunft des Bildes alsbald erkannte und spätestens 1996 auch damit rechnete, daß A angesichts der Begleitumstände der Aufbewahrung des Bildes, insbesondere der beiliegenden Fotografien und Zeitungsausschnitte, dieses nicht gutgläubig nach § 937 Abs. 2 BGB ersessen hatte, ein Käufer mithin nach § 935 Abs. 1 BGB kein Eigentum an dem Bild erwerben konnte. Um einen vom Angeklagten mit Recht befürchteten "großen öffentlichen Wirbel" zu vermeiden, blieb A , einem gemeinsamen Tatplan entsprechend, in der Folgezeit sowohl bei den Bemühungen, unauffällig Kaufinteressenten zu gewinnen, als auch bei den Verkaufsverhandlungen als ungenannter "Mr. X" im Hintergrund.
Der Angeklagte ließ sich von ihm das Bild zu treuen Händen aushändigen, fertigte Fotografien zwecks späterer Vorlage an Kaufinteressenten, ließ das Mosaik durch ein ihm bekanntes Ehepaar begutachten und eine Expertise darüber herstellen, die die Geschichte des Mosaikbildes - unzutreffend - in der Weise darstellte, daß der gegenwärtige Besitzer des Bildes durch Ersitzung gutgläubig Eigentum daran erworben habe. Außerdem fertigte der Angeklagte Vertragsentwürfe, die für beide Vertragsparteien eine Verschwiegenheitspflicht über den Kauf vorsahen, und bemühte sich unter Einschaltung einer Bekannten um Kaufinteressenten.
Nachdem über Vertrauenspersonen der Kontakt zu einem Scheinkäufer der Polizei hergestellt worden war, der das Mosaikbild zum Preis von 2 Mio. US-Dollar erwerben sollte, führte der Angeklagte mit diesem in seinen Kanzleiräumen ein abschließendes Verkaufsgespräch, in dem er wiederum einen gutgläubigen Erwerb des derzeitigen Besitzers betonte. Nachdem er das Bild für den vermeintlichen Käufer herbeigeschafft hatte, wurde er - unter spektakulärer Einbindung der Presse - festgenommen. Letztere hatte durch die bezahlte Indiskretion zweier als V-Leute der Polizei eingesetzter ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatsssicherheit Kenntnis von der bevorstehenden polizeilichen Maßnahme erhalten und "unter massiver Verletzung des Hausrechts des Angeklagten und dessen geschützter Persönlichkeitsrechte" Filmaufnahmen von dem Angeklagten, seinen Kanzleiräumen und dem Mosaikbild gefertigt. Diese Aufnahmen wurden in zeitlichem Zusammenhang mit dem laufenden Strafverfahren wiederholt in der Presse veröffentlicht.
II.
Revision des Angeklagten
Die Revision des Angeklagten greift nicht durch.
1. Die auf eine Verletzung von § 338 Ziff. 6 StPO i. V. mit § 169 GVG gestützte Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zuträfe, die Tür zur Zugangstreppe zum Verhandlungssaal sei an einem Sitzungstag nach dem Ende der Dienststunden während der noch stattfindenden Sitzung für Zuhörer verschlossen worden, wäre die dadurch eingetretene faktische Beschränkung der Öffentlichkeit dem Vorsitzenden nicht zuzurechnen (BGHR StPO § 338 Nr. 6 - Ortstermin 2; Zuhörer 4; jeweils m.w.N.). Nach seiner dienstlichen Äußerung ist dem Vorsitzenden eine Schließung des Treppenaufgangs während einer laufenden Verhandlung weder an dem von dem Beschwerdeführer bezeichneten Tag noch zu einem früheren Zeitpunkt bekannt geworden.
2. Auch die Sachrüge hat keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler aufgezeigt. Insbesondere hat das Landgericht die konkreten Verkaufsverhandlungen des Angeklagten einschließlich der Täuschung seiner Vertragspartner über die Eigentumsverhältnisse an dem Bild mit Recht bereits als Versuch und nicht als straflose Vorbereitung eines Betruges angesehen.
III.
Revision der Staatsanwaltschaft
Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der diese zum Schuldspruch eine Verurteilung des Angeklagten als Mittäter des versuchten Betruges - auf diesen Vorwurf ist das Verfahren nach § 154a StPO beschränkt worden - und zum Strafausspruch den Wegfall des Strafvorbehalts anstrebt, ist dagegen begründet.
1. Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten lediglich wegen Beihilfe darauf gestützt, daß der Angeklagte an die Weisungen seines Auftraggebers, des ehemaligen Mitbeschuldigten A , gebunden gewesen sei. Ein arbeitsteiliges Vorgehen sei nicht erfolgt. Zudem sei nicht feststellbar, daß dem Angeklagten über sein Anwaltshonorar hinaus ein grösserer Beuteanteil zugesagt worden sei.
Diese rechtliche Würdigung wird den Grundsätzen nicht gerecht, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe zu beachten sind. Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, zu beurteilen (BGHSt 37, 289, 291). Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft (BGHSt 37, 289, 291), so daß Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (BGHR StGB § 25 Abs. 2 - Mittäter 13, 18 und Tatinteresse 2). Bei der Gesamtbewertung steht dem Tatrichter zwar ein weiterer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH StV 1998, 540); diesen hat das Landgericht hier aber überschritten.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte den Verkauf des Steinmosaiks, dessen gegenwärtiger Besitzer wegen der historischen Herkunft des Bildes unter allen Umständen geheim bleiben sollte, eigenhändig geplant, vorbereitet und schließlich konkret angebahnt. Eigene Vorstellungen oder gar Einflußnahmen des ehemaligen Mitbeschuldigten A in Bezug auf die Vorgehensweise des Angeklagten sind den Urteilsgründen nicht zu entnehmen. A hat lediglich das Mosaikbild sowie die Fotos und Zeitungsabschnitte zum Beleg seiner Herkunft zur Verfügung gestellt. Lag damit die Tatherrschaft nahezu ausschließlich beim Angeklagten, kommt dem eigenen Tatinteresse als Abgrenzungskriterium allenfalls eine marginale indizielle Bedeutung zu (für die Tatbeteiligung durch einen Strohmann vgl. BGHSt 38, 315, 317). Angesichts eines bei einem angestrebten Kaufpreis von 2 Mio. US-Dollar beträchtlichen Anwaltshonorars durfte ein Tatinteresse vom Landgericht zudem nicht allein mit der Begründung abgelehnt werden, daß die Inaussichtstellung eines Beuteanteils nicht nachweisbar sei. Vielmehr spricht der Umfang der vom Angeklagten entfalteten Aktivitäten deutlich für ein vorhandenes Interesse am Erfolg der Tat, die nach der Fassung des Betrugstatbestandes zudem auch auf die unrechtmäßige Bereicherung eines Dritten, hier des Mandanten und ehemaligen Schulkameraden des Angeklagten, A , gerichtet sein kann.
Da insoweit keine neuen Feststellungen zu erwarten sind und der Angeklagte bereits wegen gemeinschaftlichen versuchten Betruges angeklagt war, kann der Senat den Schuldspruch entsprechend ändern.
2. Der Rechtsfolgenausspruch hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand. Zwar ist die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters; sie unterliegt nur einer begrenzten revisionsgerichtlichen Nachprüfung. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist aber dann möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder wenn sich die Strafe so weit nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein, daß sie nicht mehr innerhalb des Spielraums liegt, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist (BGHSt 29, 319, 320). Angesichts der getroffenen Feststellungen trifft dies hier insoweit zu, als die der Höhe nach nicht zu beanstandende Strafe lediglich vorbehalten worden und der Angeklagte verwarnt worden ist.
Für die unterbliebene Verhängung von Freiheitsstrafe sprechen eine Vielzahl vom Landgericht rechtsfehlerfrei zugunsten des Angeklagten angeführter Umstände in der Person des 63 Jahre alten Angeklagten, der bislang ein untadeliges Leben geführt hat und für den das Strafverfahren mit einer Reihe außergewöhnlicher persönlicher und - wegen der zu erwartenden standesrechtlichen Auswirkungen - auch beruflicher Belastungen verbunden war. Hierzu zählt insbesondere eine Medienberichterstattung aufgrund von Erkenntnissen, die in rechtlich bedenklicher Weise erworben wurden. Auch hat das Landgericht mit Recht von der Strafmilderungsmöglichkeit der §§ 22, 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch gemacht, zumal die Verkaufsbemühungen zu einem relativ frühen Zeitpunkt ins Blickfeld der Ermittlungsbehörden gelangt waren und von ihnen überwacht wurden.
Eine Geldstrafe in Höhe des landgerichtlichen Erkenntnisses wird dem Unrechtsgehalt der Tat auch dann gerecht, wenn sich die Begehungsform - wie dargelegt - rechtlich nicht als Beihilfe, sondern als Mittäterschaft darstellt. Da sich das Landgericht ersichtlich an der Untergrenze des insoweit von der Teilnahmeform unabhängigen Strafrahmens orientieren wollte, bedarf es - entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts - einer Zurückverweisung der Sache an das Landgericht nicht. Angesichts der Gesamtumstände des vom Angeklagten beabsichtigten heimlichen Verkaufs von "Beutekunst" mit hoher kunstgeschichtlicher und historischer Bedeutung zu einem Millionenbetrag verbietet jedoch die Verteidigung der Rechtsord-
nung, von einer Verurteilung zu einer Strafe abzusehen (§ 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB). Der Strafvorbehalt hat daher keinen Bestand.
Harms Basdorf Tepperwien
Gerhardt Brause
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