BGH,
Urt. v. 26.6.2003 - 1 StR 269/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 269/02
vom
26.6.2003
in der Strafsache
gegen
wegen fahrlässiger Tötung u. a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Grund der Verhandlungen
vom 24. und 26.6.2003, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwälte (24.6.2003) und
als Verteidiger,
der Angeklagte persönlich (24.6.2003),
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Regensburg vom 18. Februar 2002 wird das Verfahren
gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig
eingestellt, soweit der Angeklagte
wegen Vergehen gegen das Transfusionsgesetz
(TFG) verurteilt wurde. Damit entfällt der Ausspruch
über die
Gesamtstrafe.
Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und
die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Er trägt die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels.
3. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete
Urteil unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum
äußeren
Tatgeschehen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen
fahrlässiger Tötung verurteilt wurde.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels
der Staatsanwaltschaft, an eine andere als Schwurgericht
zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte ist wirtschaftlicher Eigentümer und alleiniger
Chefarzt
einer Klinik in S. . Bis 1977 war er ebenfalls in S. Chefarzt der
St. Elisabeth Klinik gewesen, dann hat ihm die Stadt
gekündigt. Seither fühlt er
sich "von politischer Seite verfolgt". Für
Rechtsstreitigkeiten hat er schon über
1,3 Mio Euro ausgegeben. Zwischen ihm und der Rettungsleitstelle S.
bestehen
erhebliche Spannungen, er wirft ihr vor, Patienten in die St. Elisabeth
Klinik zu "verschleppen".
1. Der Verurteilung liegen folgende, sämtlich mit der
Berufstätigkeit des
Angeklagten zusammenhängende Vorfälle zu Grunde:
a) Bis zu einem Verbot durch die Bezirksregierung Niederbayern hatte
der Angeklagte Patienten in 23 Fällen Frischblutspenden
transfundiert, die
nicht auf HIV und Hepatitis C und nur unzureichend auf Lues und
Hepatitis B
untersucht waren. Zunächst hatte er behauptet, diese
Transfusionen seien nur
in Notfällen erfolgt, weil die Blutbank R. keine Blutkonserven
hätte liefern
können. Als sich dies als falsch erwies - die Blutbank
hätte immer liefern können,
er hatte aber nie gefragt - änderte er seine Einlassung und
machte zuletzt
geltend, die Spender - Soldaten - seien anständige Menschen
und hätten daher
solche Krankheiten nicht.
b) Der Angeklagte hat durch mehrere Behandlungsfehler verschuldet,
daß seine langjährige Patientin Sp. am 24. September
1999 im Alter
von 55 Jahren verstorben ist.
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(1) Am Vormittag des 23. September 1999 hatte der Angeklagte in seiner
Klinik - gegen den Rat seines Assistenzarztes - bei Frau Sp. eine
medizinisch
nicht indizierte Ballonerweiterung (PTCA) der rechten Herzkranzarterie
vorgenommen. Hätte Frau Sp. gewußt, daß
ihr der Eingriff keinesfalls helfen
könne, hätte sie ihm nicht zugestimmt. Bei dem
Eingriff wurde ihre Nierenarterie
verletzt. Dies beruht, so die Strafkammer, nicht auf
Fahrlässigkeit des Angeklagten,
sondern sei eine diesem Eingriff immanente Komplikation.
(2) Wegen heftiger innerer Blutungen wölbte sich etwa zwei bis
drei
Stunden nach der Operation der Bauch von Frau Sp. nach vorne.
Spätestens
um 13 Uhr diagnostizierte der Angeklagte eine Ruptur der Bauchaorta. In
den nachfolgenden Stunden beschränkte sich der Angeklagte auf
- von ihm
auch nicht ordnungsgemäß dokumentierte - Versuche,
den Kreislauf mit Medikamenten
zu stabilisieren. Dies war aus medizinischer Sicht unvertretbar: Beruht
die Instabilität des Kreislaufs darauf, daß der
Patient intraabdominell blutet,
so kann nur die Beseitigung der Blutungsquelle im Bauchraum durch
chirurgische
Sanierung der Blutungsquelle zur Stabilisierung führen. Kann,
wie
hier, dies nicht vor Ort erfolgen, so ist nichts dringlicher als der
Transport in die
nächstliegende Klinik, in der eine entsprechende operative
Intervention erfolgen
kann. Demgegenüber kümmerte sich der Angeklagte erst
nach einigen
Stunden darum, daß Frau Sp. im Krankenhaus der Barmherzigen
Brüder in
- dem etwa 50 km von S. entfernten - R. weiter behandelt wurde. Ein
Transportfahrzeug zur Verlegung von Frau Sp. bestellte der Angeklagte
erst
um 17.50 Uhr, ebenfalls nicht in S. , sondern in R. . Daß es
sich um
einen Notfall handelte, teilte er dabei nicht mit. Deshalb war der
Wagen erst
um 18.40 Uhr in S. . Die Sanitäter aus R. erkannten auf den
ersten
Blick, daß ein Notfall vorlag. Sie weigerten sich, den
Transport ohne ärztliche
Begleitung durchzuführen; dies war vom Angeklagten
zunächst nicht vorgese-
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hen gewesen, am Ende fuhr aber der Assistenzarzt mit. Ein Arztbrief
wurde
nicht mitgegeben. Bei einer ersten Notoperation von Frau Sp. in R.
ergossen sich aus ihrem Bauchraum schwallartig drei bis vier Liter
Blut. Trotz
dieser und einer ebenfalls sachgerecht durchgeführten weiteren
Notoperation
konnte das Leben von Frau Sp. nicht mehr gerettet werden; sie verstarb
am
24. September 1999 um 6.10 Uhr.
(3) Wäre Frau Sp. gegen 13 Uhr in die
gefäßchirurgische Abteilung
der St. Elisabeth Klinik in S. gebracht worden, hätte sie
überlebt oder jedenfalls
länger gelebt. Der Transport wäre mit einem
Rettungswagen der Rettungsleitstelle
S. innerhalb weniger Minuten problemlos möglich gewesen.
In diesem Rettungswagen hätten auch alle erforderlichen
Stabilisierungsmaßnahmen
ebensogut wie im Krankenhaus des Angeklagten durchgeführt
werden
können.
(4) Der Angeklagte hat sich unterschiedlich eingelassen. Er hat geltend
gemacht, die Ballonerweiterung sei medizinisch indiziert und Frau Sp.
sei
über die "Relativität" des Eingriffs
aufgeklärt gewesen. Die Nierenarterie sei
nicht in S. , sondern in R. verletzt worden. Die St. Elisabeth Klinik
sei
für solche Fälle nicht ausgerüstet; eine
Verlegung dorthin sei wegen des
Kreislaufs der Patientin nicht in Betracht gekommen. Die
Rettungsleitstelle
S. hätte er nicht herangezogen, da dann die Patientin doch in
die St. Elisabeth
Klinik "verschleppt" worden wäre. Die Patientin hätte
durch eine Frischbluttransfusion
gerettet werden können, die ihm jedoch die Bezirksregierung
verboten habe.
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(5) Die Strafkammer sieht das Vorbringen des Angeklagten soweit es
den äußeren Geschehensablauf betrifft, nach
eingehender Beweisaufnahme
und Beratung durch zahlreiche Sachverständige als falsch an.
Vorsätzliches
Handeln sei jedoch nicht bewiesen und ergebe sich insbesondere nicht
daraus,
daß das Verhalten des Angeklagten in erheblichem
Maße pflichtwidrig gewesen
sei. In diesem Zusammenhang sei zu Gunsten des Angeklagten der
erhöhte
Streß zu berücksichtigen, der mit der Erkenntnis der
Lebensgefahr für
Frau Sp. verbunden gewesen sei. Die Rettungsleitstelle S. habe der
Angeklagte allerdings aus sachfremden Motiven nicht herangezogen; dies
ändere
am Ergebnis aber letztlich nichts.
2. Auf dieser Grundlage wurde der Angeklagte wegen 23 Vergehen gegen
das Transfusionsgesetz (§ 31 TFG) jeweils zu Geldstrafen und
wegen
fahrlässiger Tötung zu neun Monaten Freiheitsstrafe
verurteilt. Hieraus wurde
eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von einem
Jahr gebildet.
Von der Anordnung eines Berufsverbots (§ 70 StGB) hat die
Strafkammer
abgesehen; ein einmaliger, wenn auch gravierender
Sorgfaltsverstoß bei der
Berufsausübung rechtfertige die Besorgnis weiterer
Verstöße nicht.
II.
Gegen dieses Urteil richten sich die jeweils auf die näher
ausgeführte
Sachrüge gestützten Revisionen des Angeklagten und
der Staatsanwaltschaft.
Die Revision des Angeklagten führt zu einer
Verfahrensbeschränkung
hinsichtlich der Verstöße gegen das TFG;
hinsichtlich der Verurteilung wegen
fahrlässiger Tötung bleibt sie erfolglos.
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Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf die Verurteilung wegen
fahrlässiger Tötung beschränkt. Sie wendet
sich gegen die Annahme, dem Angeklagten
falle allein fahrlässiges Verhalten zur Last. Das auch vom
Generalbundesanwalt
vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Revision des Angeklagten:
a) Die vom Senat auf Antrag des Generalbundesanwalts vorgenommene
vorläufige Verfahrenseinstellung hinsichtlich der Vergehen
gegen das TFG
(§ 154 Abs. 2 StPO) führt zugleich zum Wegfall der
Gesamtstrafe.
b) Die auf Grund der Sachrüge gebotene umfassende
Überprüfung der
Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung hat auch unter
Berücksichtigung des
Einzelvorbringens der Revision keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler ergeben. Dies hat auch der Generalbundesanwalt in der
Hauptverhandlung
vor dem Senat ebenso wie schon in seinem Antrag vom
18. November 2002 zutreffend näher ausgeführt.
Ergänzend ist lediglich zu
bemerken, daß auch Auswirkungen der weggefallenen Geldstrafen
auf die Höhe
der Strafe wegen fahrlässiger Tötung ausgeschlossen
sind.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Verneinung
vorsätzlichen
Handelns beruht auf einer Beweiswürdigung, die den Angeklagten
begünstigende Rechtsfehler enthält. Dies gilt
insbesondere für das Geschehen
ab 13 Uhr.
a) Frau Sp. hatte wegen einer inneren Verletzung Blutungen, die so
massiv waren, daß sich ihr Bauch nach vorne wölbte.
Die Strafkammer kommt
zu dem Ergebnis, der Angeklagte habe trotz jahrzehntelanger
Berufserfahrung
die allein von ihm vorgenommenen Maßnahmen zur
Kreislaufstabilisierung für
ausreichend gehalten und deshalb nicht sofort eine Verlegung von Frau
Sp.
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veranlaßt. Daraus folgt zugleich, daß er nicht
gewußt hat, daß kreislaufstabilisierende
Maßnahmen während eines Krankentransports in einem
hierfür eingerichteten
Rettungswagen ebenso gut wie in seiner Klinik hätten
durchgeführt
werden können.
b) Kann der Tatrichter die erforderliche Gewißheit nicht
gewinnen und
zieht er die hiernach gebotene Konsequenz (hier: Verurteilung nur wegen
fahrlässig begangener Tat), so hat das Revisionsgericht dies
regelmäßig hinzunehmen.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; es kommt nicht
darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders
gewürdigt
oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert
sich auch nicht allein dadurch
etwas, daß eine vom Tatrichter getroffene Feststellung
"lebensfremd erscheinen"
(BGH NStZ 1984, 180) mag (vgl. zusammenfassend Schoreit in KK
5. Aufl. § 261 Rdn. 5 m.N.). Es gibt nämlich im
Strafprozeß keinen Beweis des
ersten Anscheins, der nicht auf Gewißheit, sondern auf der
Wahrscheinlichkeit
eines Geschehensablaufs beruht (vgl. Eisenberg, Beweisrecht der StPO,
4. Aufl. Rdn. 104 m.N.).
Eine Beweiswürdigung ist demgegenüber etwa dann
rechtsfehlerhaft,
wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen
nicht erörtert,
widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder
gesicherte Erfahrungssätze
verstößt oder wenn an die zur Verurteilung
erforderliche Gewißheit
überspannte Anforderungen gestellt sind (st. Rspr., vgl. BGH
NJW 2002,
2188, 2189; wistra 1999, 338, 339 jew. m.N.). Dies ist auch dann der
Fall, wenn
eine nach den Feststellungen naheliegende Schlußfolgerung
nicht gezogen ist,
ohne daß konkrete Gründe angeführt sind,
die dieses Ergebnis stützen können
(vgl. Gollwitzer in LR StPO 25. Aufl. § 261 Rdn. 47). Es ist
weder im Hinblick
auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von
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Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis
keine konkreten
tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH NJW 2002, 2188,
2189
m.N.).
c) Die Beweiswürdigung der Strafkammer wird alledem nicht in
vollem
Umfang gerecht.
Allerdings wird die Annahme, daß die Art und Weise der
Behandlung
eines Patienten durch einen Arzt nicht am Wohl des Patienten orientiert
war,
auch bei medizinisch grob fehlerhaftem Verhalten des Arztes
häufig fernliegen,
so daß die ausdrückliche Erörterung der
Frage, ob der Arzt den Patienten vorsätzlich
an Leben oder Gesundheit geschädigt hat, nur unter besonderen
Umständen
geboten ist.
Solche Umstände liegen vor, so hat der Angeklagte nach den
Feststellungen
der Strafkammer aus sachfremden Motiven keinen Rettungswagen der
Leitstelle S. angefordert. Die Notwendigkeit der Prüfung
vorsätzlichen Verhaltens
hat die Strafkammer auch nicht verkannt; sie hat hierbei aber
wesentliche
Gesichtspunkte nicht oder nicht umfassend erörtert:
d) Hätte der Angeklagte die nachteiligen Konsequenzen
vorausgesehen,
die sein Verhalten für Frau Sp. hatten und hätte er
sie (im Rechtssinne) gebilligt,
hätte er vorsätzlich gehandelt. Hätte er
diese Konsequenzen dagegen
wegen unzulänglicher Anspannung seines Gewissens nicht
vorausgesehen,
hätte er fahrlässig gehandelt. Entscheidend ist also,
was im Innern des Angeklagten
vorgegangen ist.
Grundlage von Feststellungen zu solchen "inneren Tatsachen"
können
zunächst Angaben des Angeklagten selbst sein. Hier hat der
Angeklagte - wozu
ein Angeklagter stets berechtigt ist - jedes Fehlverhalten bestritten.
Es ist
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auch nicht ersichtlich, daß er etwa außerhalb des
Verfahrens anderes erklärt
habe. Daher kann sich die Beantwortung der Frage, was der Angeklagte
erkannt
oder nicht erkannt hat, weder unmittelbar noch mittelbar auf seine
Angaben
stützen. Möglich sind nur
Rückschlüsse. Neben dem äußeren
Tatgeschehen
als solchem können je nach den Umständen des Falles
auch Erkenntnisse
zur Interessenlage des Angeklagten ein wichtiger Anhaltspunkt sein,
also zur
Frage, was er mit seinem Tun bezweckte (vgl. BGH NJW 1991, 2094 m.N.).
e) Die einzige konkrete Erwägung, die die Strafkammer zur
Verneinung
von Vorsatz anstellt, ist der Hinweis darauf, daß der
Angeklagte "nach Erkennen
der lebensgefährlichen Situation ... in einer
erhöhten streßbedingten Entscheidungssituation
stand". Die Annahme, es sei für einen Arzt belastend,
wenn als Folge einer von ihm vorgenommenen Operation schwerwiegende
Komplikationen mit Lebensgefahr für den Patienten entstehen,
ist zwar naheliegend;
ob allerdings diese Belastung, wie die Strafkammer offenbar meint,
ohne weitere Ausführung erklärlich macht,
daß der Angeklagte sich über viele
Stunden hinweg nicht über die zur Beseitigung oder zumindest
Verminderung
der Gefahr notwendigen und möglichen Maßnahmen klar
wurde, erscheint sehr
fraglich, mag aber letztlich dahinstehen. Die Strafkammer hat
nämlich wesentliche
Gesichtspunkte, die eine andere Möglichkeit zumindest ebenso
naheliegend,
wenn nicht gar wesentlich näherliegend erscheinen lassen,
nicht erörtert:
f) Der Angeklagte hat, wie die Strafkammer ausdrücklich
feststellt, aus
sachfremden Motiven keinen Rettungswagen der Leitstelle S. angefordert;
er wollte nämlich nicht, daß Frau Sp. in das St.
Elisabeth Krankenhaus "verschleppt"
wird. Nach den Urteilsfeststellungen erklärt der Angeklagte
sein Verhalten
in einem Brief an den Oberbürgermeister von S. (auch) mit "der
jahrelangen
Auseinandersetzung mit den Ärzten der Elisabeth Krankenhaus
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GmbH". Unter diesen Umständen wäre zu
erörtern gewesen, ob der Angeklagte
nicht nur gegenüber der Rettungsleitstelle sondern auch
gegenüber seinen
Kollegen in der St. Elisabeth Klinik unter keinen Umständen
offenbar werden
lassen wollte, daß - aus welchen Gründen auch immer
- seine Patientin als
Folge der Operation in seiner Klinik innerlich erheblich verletzt war
und in Lebensgefahr
schwebte. Diese Erörterung wäre um so mehr geboten
gewesen,
als auch das übrige Verhalten des Angeklagten in
ähnliche Richtung deuten
könnte. Er hat bei der Bestellung des Wagens in R. den Fall
nicht als
Notfall gekennzeichnet, er hatte ärztliche Begleitung auf dem
Transport von
S. nach R. nicht vorgesehen und er hat nicht einmal einen Arztbrief
mitgegeben.
All dies hat die Strafkammer nicht erörtert und
dementsprechend ebensowenig
erörtert, ob der Angeklagte sich aus diesen Gründen
mit Schäden für
Leib oder gar Leben von Frau Sp. abgefunden hat, auch wenn ihm -
Anhaltspunkte
für anderes sind nicht erkennbar - diese Konsequenzen
für sich
genommen unerwünscht gewesen waren. Auch in einem solchen Fall
hätte er
die Folgen für Sp. im Rechtssinne gebilligt und damit
(zumindest bedingt)
vorsätzlich gehandelt (st. Rspr., vgl. die Nachweise bei
Tröndle/Fischer StGB
51. Aufl. § 15 Rdn. 10a).
g) Nach alledem erweist sich die zentrale Erwägung der
Strafkammer,
Vorsatz lasse sich nicht allein aus grob pflichtwidrigem Verhalten
folgern, deshalb
als nicht tragfähig begründet, weil konkrete
Gesichtspunkte, die für vorsätzliches
Verhalten sprechen könnten, nicht erkennbar erörtert
sind. All dies
bezieht sich unmittelbar nur auf die Vorgänge ab 13 Uhr. Wegen
des engen
inneren Zusammenhangs kann der Senat aber nicht völlig
ausschließen, daß
sich eine andere Beurteilung des Geschehens ab 13 Uhr auch auf die
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tung der subjektiven Seite hinsichtlich der vorangegangenen
Vorgänge auswirken
lassen. Eine Beschränkung des Verfahrensstoffs
gemäß §§ 154, 154a
StPO auf die Vorgänge ab 13 Uhr könnte
möglicherweise zweckmäßig sein.
h) Von alledem unberührt sind die auch im übrigen
rechtsfehlerfreien
Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf; sie
können daher bestehen
bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bisherigen
Feststellungen
nicht in Widerspruch stehen, bleiben jedoch zulässig.
i) Im aufgezeigten Umfang bedarf die Sache daher neuer Verhandlung
und Entscheidung. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß
der Angeklagte
durch die Behandlung der Patientin aktives Tun entfaltet hat, der
Schwerpunkt
der Verwerfbarkeit liegt nicht im Unterlassen der sachgerechten
Behandlungsmaßnahmen
(vgl. BGH, Beschluß vom 21. März 2002 - 1 StR 53/02).
j) Mit der Aufhebung des Schuldspruchs und damit auch der Strafe wegen
fahrlässiger Tötung verliert zugleich die Ablehnung
eines Berufsverbots
ihre Grundlage. Daß sich diese Frage gegebenenfalls bei einer
vorsätzlichen
Tat zum Nachteil eines Patienten in einem anderen Licht stellt, bedarf
keiner
weiteren Darlegung.
Nack Wahl Boetticher
Herr RiBGH Dr. Kolz befindet
sich in Urlaub und ist deshalb
an der Unterschrift gehindert
Nack Hebenstreit |