BGH,
Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 386/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 386/03
vom
26.05.2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Mordes
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom
19.05.2004 in der Sitzung am 26.05.2004, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
als Vorsitzende,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin der Angeklagten M. K.,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten W. K.,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger D. G., B. H. und D. H.,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenkläger H. G. und
W. H., die persönlich erschienen,
- jeweils nur in der Verhandlung -
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil
des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 26.
März 2003 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels
und die den Angeklagten hierdurch entstandenen
notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten des tateinheitlich begangenen
zweifachen Mordes für schuldig befunden. Die Angeklagte M. K.
hat
es zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen den
Angeklagten
W. K. hat es eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren verhängt und
die
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Dagegen hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die sie auf die
Sachrüge gestützt hat. Sie erstrebt die
Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe
mit der Feststellung der besonderen Schuldschwere bei dem Angeklagten
W. K. (neben der Anordnung der Unterbringung nach § 63
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StGB, die bestehen bleiben soll) und wendet sich gegen die Verneinung
besonderer
Schuldschwere bei der Angeklagten M. K. .
Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen
Erfolg.
Nach den Feststellungen hatte sich bei dem Angeklagten K. seit etwa
1991 eine sexuelle Perversion entwickelt, die dazu führte,
daß er sexuelle
Befriedigung im wesentlichen nur noch durch quälerische
Manipulationen an
den Brüsten seiner Sexualpartnerin fand. Zwei frühere
Freundinnen hatten diese
Sexualpraktiken abgelehnt. Auch die Mitangeklagte, seine
spätere Ehefrau,
fand keinen Gefallen daran. In einem Fall hatte der Angeklagte sie
überraschend
und ohne ihr Einverständnis chloroformiert, wobei sie
Todesangst erlitt.
Auch der Angeklagte befürchtete, daß sie versterben
könnte, nachdem sie
stundenlang bewußtlos war. M. K. wollte jedoch den
Angeklagten nicht
verlieren, und war deshalb bereit, ihm Mädchen
zuzuführen, damit er an ihnen
diese Praktiken ausüben konnte. So hatte sie ca. zwei Wochen
vor der Tat eine
Bekannte in die gemeinsame Wohnung der Angeklagten gelockt, wo diese
gegen ihren Willen gefesselt und geknebelt, letztlich aber nach einigen
Stunden
wieder freigelassen wurde, ohne daß der Angeklagte sexuelle
Handlungen
an ihr vorgenommen hatte. In der Nacht zum 9. Oktober 1994 hatten die
Angeklagten
eine Diskothek angefahren, um ein Mädchen in ihre Gewalt zu
bringen
und zu betäuben, damit der Angeklagte es in der geschilderten
Weise
mißbrauchen konnte. Die Angeklagte M. K. sprach die beiden
16-jährigen
Schülerinnen H. und G. an und bot ihnen eine
Mitfahrgelegenheit in ihrem
Fahrzeug an. Da eine Frau in dem Fahrzeug saß, hatten diese
keine Bedenken
und stiegen ein. Entsprechend dem vorher gefaßten Plan
betäubte der Ange-
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klagte K. die auf dem Rücksitz befindlichen Mädchen
blitzschnell mit Chloroform.
Die Angeklagten verbrachten die bewußtlosen Mädchen
in ihre Wohnung,
wo der Angeklagte K. sexuelle Handlungen an ihnen vornahm und
sie an den Brüsten, teils auch an den Genitalien verletzte.
Die beiden Mädchen
verstarben kurze Zeit nach den an ihnen begangenen
Mißhandlungen, entweder
allein an den Folgen der Chloroformierung oder an einem
zusätzlichen
Verschluß der Atemwege. Den Tod der Mädchen hatten
die Angeklagten, die
aufgrund ihrer Vorerfahrung mit Chloroform die Gefährlichkeit
der damit vorgenommenen
Betäubung kannten, von vornherein billigend in Kauf genommen.
Das Landgericht hat bei dem Angeklagte W. K. die Mordmerkmale
der Heimtücke und der Tötung zur Befriedigung des
Geschlechtstriebs, bei
der Angeklagten M. K. die Mordmerkmale der Heimtücke und der
Tötung
aus sonstigen niedrigen Beweggründen angenommen. Die niedrigen
Beweggründe
hat es darin gesehen, daß die Angeklagte ihrem
(späteren) Ehemann
die Mädchen zugeführt habe, weil sie zur Belohnung
Wärme und sexuelle Zuneigung
von ihm zu erhalten erhoffte.
1. Verurteilung des Angeklagten W. K.
Das sachverständig beratene Landgericht hat bei dem
Angeklagten K.
eine progrediente, destruktive sexualsadistische Entwicklung mit
suchtartigem
Verlauf festgestellt, die als schwere andere seelische Abartigkeit im
Sinne von
§ 20 StGB zu bewerten sei und die die
Steuerungsfähigkeit des Angeklagten
bei der Tat erheblich vermindert habe. Es hat deshalb eine zeitige
Freiheitsstrafe
aus dem nach §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemilderten
Strafrahmen verhängt.
Die Revision wendet sich ausdrücklich nicht gegen die Annahme
einer
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schweren anderen seelischen Abartigkeit und einer dadurch verursachten
erheblich
verminderten Steuerungsfähigkeit, hält aber die
vorgenommene Strafrahmenverschiebung
für fehlerhaft.
a) Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte leide an einer schweren
seelischen Abartigkeit, die zu einer erheblich verminderten
Schuldfähigkeit
des Angeklagten geführt habe, weist keinen Rechtsfehler auf.
b) Auch die Erwägungen des Landgerichts zur
Strafrahmenmilderung
sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ob bei Annahme des § 21 StGB eine Milderung des Strafrahmens
nach
§ 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen oder zu versagen ist, hat der
Tatrichter unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach
pflichtgemäßem Ermessen
zu entscheiden. Bei verminderter Schuldfähigkeit ist
grundsätzlich davon
auszugehen, daß der Schuldgehalt und damit die
Strafwürdigkeit der Tat verringert
ist, so daß regelmäßig eine
Strafrahmenmilderung nach § 49 Abs. 1
StGB vorzunehmen ist, wenn nicht andere schulderhöhende
Gesichtspunkte
dem entgegenstehen (st. Rspr. BGH NStZ-RR 1999, 295; Jähnke in
LK
11. Aufl. § 211 Rdn. 19 m.w.N.). Hat der Tatrichter in einem
derartigen Fall die
Wahl zwischen lebenslanger und zeitiger Freiheitsstrafe,
müssen besondere
erschwerende Gründe vorliegen, um die mit der verminderten
Schuldfähigkeit
verbundene Schuldminderung so auszugleichen, daß von einer
Milderung des
Strafrahmens abgesehen werden darf (BGH NStZ-RR 2003, 136; BGH NStZ
1994, 183; BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 28).
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Diesen Grundsätzen wird die vom Landgericht vorgenommene
Gesamtwürdigung
gerecht. Das Landgericht hat die auch von der Revision angesprochenen
schulderhöhenden Umstände - wie die Tötung
von zwei Menschen, die
Verwirklichung von zwei Mordmerkmalen mit eigenständigem
Unrechtsgehalt,
die Einordnung der Taten in eine Tatserie, die erheblichen Tatfolgen
für die
Angehörigen - gesehen und gewertet. Zu Recht hat das
Landgericht die Modalitäten
der Tat dem Angeklagten aber nicht in vollem Umfang angelastet, weil
sie ihren Ursprung in seinem Defektzustand haben, der zur erheblichen
Einschränkung
der Schuldfähigkeit geführt hat. Zwar kann auch in
einem solchen
Fall, die Ablehnung der Strafrahmenverschiebung gerechtfertigt sein,
wenn der
Defektzustand selbst schuldhaft herbeigeführt worden ist.
Dieser von der
Rechtsprechung insbesondere für alkoholbedingte Straftaten
entwickelte
Grundsatz kommt aber - was die Revision möglicherweise
verkennt - dann
nicht zur Anwendung, wenn dem Täter das Vorverhalten nicht
oder nicht in vollem
Umfang vorgeworfen werden kann, so zum Beispiel bei einem alkoholkranken
Täter der zur Straftat führende
Alkoholgenuß (BGH, Beschl. v. 27. Januar
2004 - 3 StR 479/03, BGH NStZ-RR 2003, 136).
Ein vorwerfbares Vorverhalten liegt bei dem Angeklagten nicht vor. An
dem zur Tat führenden dauerhaften Defektzustand trifft ihn
nach den Feststellungen
kein Verschulden. Daß der Angeklagte die sich abzeichnende
gefährliche
Entwicklung möglicherweise hätte erkennen und seine
Einweisung in ein
psychiatrisches Krankenhaus hätte veranlassen können,
kann der schuldhaften
Herbeiführung des Defektzustands nicht gleich geachtet werden
und ist ihm
vom Landgericht zu Recht nicht angelastet worden. Eine Pflicht, sich
selbst
freiwillig - ggfs. lebenslänglich - in ein psychiatrisches
Krankenhaus zu begeben,
besteht nicht (vgl. Jähnke in LK 11. Aufl. § 20 Rdn.
85). Unter Würdigung
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dieser Umstände kann ein den Angeklagten
begünstigender Rechtsfehler bei
der vom Landgericht vorgenommenen Strafrahmenwahl nicht gesehen werden.
Im übrigen weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler auf.
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2. Verurteilung der Angeklagten M. K.
Die Revision ist hinsichtlich dieser Angeklagten zulässig auf
die Ablehnung
der Feststellung beschränkt, daß die Schuld der zu
lebenslanger Freiheitsstrafe
verurteilten Angeklagten besonders schwer wiege (vgl. BGHSt 41,
57).
Die Begründung, mit der das Landgericht eine besondere
Schuldschwere
im Sinne von § 57 a Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint hat,
hält rechtlicher Nachprüfung
stand. Es obliegt dem Tatrichter, unter Würdigung aller
hierfür erheblichen
Umstände die Schuld der Angeklagten im Sinne des § 57
a StGB abzuwägen;
das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen
des Tatrichters
setzen, sondern hat nur zu prüfen, ob dieser alle
maßgeblichen Umstände
bedacht hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Nach diesem
eingeschränkten
Prüfungsmaßstab weist die tatrichterliche
Entscheidung keinen Rechtsfehler
auf.
Das Landgericht hat alle in Betracht kommenden schulderhöhenden
Umstände erörtert, nämlich, daß
die Angeklagte als Mittäterin für den Tod
zweier Menschen verantwortlich ist und sie zwei Mordmerkmale mit
eigenständigem
Unrechtsgehalt und Gewicht verwirklicht hat, und auch die schweren
psychischen Folgen für die Angehörigen der Tatopfer
im Rahmen einer Gesamtschau
berücksichtigt. Entgegen der Auffassung der Revision hat es
auch
nicht übersehen, daß die Angeklagte aus eigenen
Motiven gehandelt hat. Daß
das Landgericht - unter Berücksichtigung des
Geständnisses der Angeklagten
und ihrer Abhängigkeit von dem Mitangeklagten, auch wenn diese
nicht zu einer
erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit geführt
hat - die besondere
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Schuldschwere im Sinne von § 57 a Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint
hat, hält sich im
Rahmen des tatrichterlichen Ermessens und ist vom Revisionsgericht
hinzunehmen.
Rissing-van Saan Detter Bode
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