BGH,
Urt. v. 26.5.2004 - 2 StR 505/03
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 505/03
vom
26.05.2004
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
StGB § 228
Einverständlich vorgenommene sadomasochistische Praktiken, die
zu Körperverletzungen
führen, verstoßen nicht als solche gegen die "guten
Sitten" im Sinne von §
228 StGB.
Sittenwidrig ist die Tat jedoch, wenn bei vorausschauender objektiver
Betrachtung
der Einwilligende durch die Körperverletzungshandlung in
konkrete Todesgefahr
gebracht wird.
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BGH, Urteil vom 26.05.2004 - 2 StR 505/03 - Landgericht Kassel
wegen fahrlässiger Tötung
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom
19.05.2004 in der Sitzung am 26.05.2004, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger in der Verhandlung,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Kassel vom 3. September 2003 mit den Feststellungen,
ausgenommen diejenigen zum äußeren Tatgeschehen,
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als
Schwurgericht
zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das genannte Urteil wird
verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger
Tötung zu einer
Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt und die
Vollstreckung
der Strafe zur Bewährung ausgesetzt.
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Nach den Feststellungen zeigte die Lebensgefährtin des
Angeklagten,
Irene R., großes Interesse an der Ausübung
außergewöhnlicher sexueller
Praktiken, vor allem sogenannter "Fesselspiele". Hierzu
gehörte unter anderem,
daß der Angeklagte, der an diesen "Spielen" kein Interesse
hatte und dabei
selbst angekleidet blieb, mit einem Gegenstand Druck auf ihren Kehlkopf,
ihr Zungenbein oder ihre Luftröhre ausüben
mußte, um auf diese Weise den
von ihr erstrebten vorübergehenden Sauerstoffmangel
hervorzurufen, der für
sie eine erregende Wirkung hatte. In der Vergangenheit fanden dabei
für diesen
Würgevorgang Stricke oder Seile Verwendung.
Nachdem eine zeitlang derartige Fesselspiele nicht mehr stattgefunden
hatten, weil der Angeklagte Sicherheitsbedenken
geäußert hatte, verlangte
Frau R. von ihm am 18. Mai 2002, dem Tattag, erneut die
Durchführung eines
Fesselspiels und bereitete die dazu erforderlichen Utensilien (Stricke,
ein Holzstück
sowie ein Metallrohr) selbst vor. Der Angeklagte sträubte sich
zunächst
und kam ihrem Wunsch dann doch nach. Wegen der Leibesfülle von
Frau R.,
die in letzter Zeit deutlich an Körperumfang zugenommen hatte,
äußerte er
aber Bedenken, da er auf Grund der Fixierung der Beine über
den Bauch hinweg
zum Kopf befürchtete, diese könnte keine Luft mehr
bekommen. Sie zerstreute
seine Bedenken jedoch und verlangte, er solle dieses Mal statt des
bisher
verwendeten Stricks das Metallrohr benutzen.
Der Angeklagte äußerte auch insoweit
zunächst Vorbehalte, ließ sich
dann aber umstimmen und fesselte seine Lebensgefährtin wie von
ihr gewünscht.
Zunächst benutzte er für den Würgevorgang
das bereit gelegte Holzstück,
ging dann auf Wunsch seiner Lebensgefährtin dazu
über, das Metallrohr
zum Würgen zu verwenden. Dabei erkannte er, daß die
Verwendung eines sich
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nicht den Konturen des Halses anpassenden Gegenstandes
gefährlich war und
erklärte ihr dies auch, ließ sich dann aber von
seiner Lebensgefährtin zur Verwendung
überreden und verstärkte auf deren Wunsch hin sogar
die Einwirkung
noch. Den Eintritt eines tödlichen Verlaufs infolge seiner
gewaltsamen Einwirkung
auf den Hals des Opfers hielt er für möglich,
vertraute jedoch darauf, daß
dies nicht geschehen werde. Nach seinen persönlichen
Fähigkeiten und dem
Maß seines individuellen Könnens war er imstande,
die Gefährlichkeit seines
Tuns zu erkennen und die sich daraus ergebenden Sorgfaltsanforderungen
zu
erfüllen.
Im Verlauf der intervallartigen, gegen den Hals der Frau R. gerichteten
mehrfachen und mindestens drei Minuten währenden Aktionen
drückte er dann
mit dem Metallrohr zu. Dadurch erzielte er die gewünschte
Kompression der
Halsgefäße und insbesondere der arteriellen und
venösen Blutversorgung des
Gehirns, allerdings auch eine von ihm nicht gewollte, massive, durch
den Einsatz
des Metallrohrs hervorgerufene knöcherne Verletzung des
Kehlskeletts.
Diese Verletzungen waren aber nicht tödlich, vielmehr verstarb
Frau R. an den
Folgen der massiven Kompression der Halsgefäße und
der dadurch unterbundenen
Sauerstoffzufuhr zum Gehirn mit nachfolgendem Herzstillstand.
Als Frau R. sich nicht mehr vernehmlich artikulierte, löste
der Angeklagte
die Fesselungen in dem Glauben, sie sei - wie nach solchen Handlungen in
der Vergangenheit üblich - eingeschlafen. Nachmittags kamen
ihm wegen des
Zeitablaufs Bedenken, er mußte feststellen, daß
Frau R. nicht mehr am Leben
war. Von einem zunächst geplanten Selbstmord nahm er Abstand
und meldete
sich bei der Polizei, wo er einen von ihm verfaßten
Abschiedsbrief abgab und
erklärte, Frau R. getötet zu haben.
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Das Landgericht hat einen (bedingten) Tötungsvorsatz des
Angeklagten
nicht als erwiesen angesehen. Er habe zwar die Gefährlichkeit
seiner Gewalthandlung
erkannt, habe aber ernsthaft darauf vertraut, daß der Tod
nicht eintreten
werde. Auch eine Körperverletzung mit Todesfolge hat die
Schwurgerichtskammer
verneint. Die Tat des Angeklagten sei nicht sittenwidrig gewesen
(§ 228 StGB), da er mit wirksamer Einwilligung des Tatopfers
die Körperverletzungshandlungen
(Kompression der Halsgefäße mittels des Rohres)
vorgenommen
habe. Das Verhalten des Angeklagten sei daher nur als
fahrlässige
Tötung zu bewerten.
Gegen diese Entscheidung wenden sich der Angeklagte, der sein
Rechtsmittel nicht näher begründet, und die
Staatsanwaltschaft mit ihren jeweils
auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen.
Die Staatsanwaltschaft
meint, das Landgericht habe einen, zumindest bedingten,
Tötungsvorsatz
des Angeklagten zu Unrecht als nicht gegeben angesehen,
darüberhinaus habe es rechtsfehlerhaft einen Verstoß
der vom Angeklagten
verwirklichten Körperverletzung gegen die guten Sitten
verneint.
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet, das der
Staatsanwaltschaft
hat Erfolg.
II. Revision der Staatsanwaltschaft
Soweit sich das Rechtsmittel gegen die Verneinung eines
vorsätzlichen
Tötungsdelikts wendet, ist es unbegründet im Sinne
von § 349 Abs. 2 StPO.
Das Landgericht ist innerhalb der gebotenen Gesamtschau aller
objektiven und
subjektiven Tatumstände (vgl. BGHSt 36, 1, 9 f.; BGHR StGB
§ 212 Abs. 1
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Vorsatz, bedingter 24, 41; BGH NStZ 2000, 583) rechtsfehlerfrei davon
ausgegangen,
der Angeklagte habe ernsthaft darauf vertraut, der als möglich
erkannte
Tod von Frau R. werde nicht eintreten.
Keinen Bestand haben kann das Urteil aber deshalb, weil die
Schwurgerichtskammer
ein Verbrechen der Körperverletzung mit Todesfolge verneint.
1. Der Angeklagte hat durch die massive Kompression der
Halsgefäße
und die dadurch unterbundene Sauerstoffzufuhr zum Gehirn beim Tatopfer
einen Herzstillstand und damit dessen Tod herbeigeführt; die
dem Angriff auf
den Hals des Tatopfers innewohnende spezifische Gefahr hat sich somit im
tödlichen Ausgang niedergeschlagen. Hinsichtlich der
Verursachung des Todes
ist dem Angeklagten, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat,
Fahrlässigkeit
vorzuwerfen, so daß die tatbestandlichen Voraussetzungen des
§
227 StGB (vgl. BGHSt 31, 96, 98; BGH NStZ 1992, 335; 2001, 478; NJW
1971,
152, 153) vorliegen.
Der Angeklagte ist Täter, da er die maßgebliche
Tatherrschaft über das
zum Tode führende Geschehen innehatte. Daß Irene R.
den Ablauf mitsteuerte,
indem sie ihm Anweisungen gab und seine Bedenken hinsichtlich der
Gefährlichkeit
seines Tuns mehrfach zerstreute, steht dem nicht entgegen. Das
festgestellte Tatgeschehen ist deshalb nicht als Teilnahme an einer
"eigenverantwortlichen
Selbstverletzung bzw. Selbsttötung" (vgl. dazu BGH NStZ 2003,
537, 538 m.w.N.; BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 120/03, zum
Abdruck
in BGHSt bestimmt, S. 8; Lenckner in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl.
vor § 32 Rdn. 107) zu werten, sondern stellt eine
täterschaftlich begangene
einverständliche Fremdgefährdung dar.
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2. Das Handeln des Angeklagten ist entgegen der Ansicht der
Schwurgerichtskammer
aber nicht durch die Einwilligung des Tatopfers gerechtfertigt.
a) Gemäß § 228 StGB ist eine mit
Einwilligung der verletzten Person
vorgenommene Körperverletzung rechtswidrig, wenn die Tat trotz
der Einwilligung
gegen die guten Sitten verstößt. Der Begriff der
"guten Sitten" betrifft weniger
außerrechtliche, ethischmoralische Kategorien. Um dem Gebot
der Vorhersehbarkeit
staatlichen Strafens zu genügen, muß der Begriff der
guten Sitten
auf seinen rechtlichen Kern beschränkt werden. Ein
Verstoß gegen die
Wertvorstellungen einzelner gesellschaftlicher Gruppen oder des mit der
Tat
befaßten Strafgerichts genügt nicht.
Läßt sich nach rechtlichen
Maßstäben die
Sittenwidrigkeit nicht sicher feststellen, scheidet eine Verurteilung
wegen eines
Körperverletzungsdelikts aus (vgl. BGH, Urteil vom 11.
Dezember 2003 - 3 StR
120/03 UA S. 10 m.w.N.).
Welche Kriterien im einzelnen als Beurteilungsgrundlage für
die Sittenwidrigkeit
der Tat heranzuziehen sind, ist umstritten. Streitig ist vor allem, ob
die Tat allein nach Art und Umfang des Rechtsgutsangriffs zu betrachten
ist
oder ob bzw. inwiefern auch der mit der Tat verfolgte Zweck oder die
zugrundeliegenden
Umstände für das Sittenwidrigkeitsurteil von
Bedeutung sind. Nach
einer auf das Reichsgericht zurückgehenden Rechtsprechung und
nach einem
Teil der Literatur sind der Zweck sowie die der Tat zugrundeliegenden
Ziele
und Beweggründe der Beteiligten maßgeblich in die
Beurteilung einzubeziehen,
auch bzw. gerade dann, wenn es sich um "unlautere", d.h.
sittlichmoralisch
verwerfliche Zwecke handelt (BGHSt 4, 24, 31; RGSt 74, 91, 94; vgl.
auch OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 325, 327; LG
Mönchengladbach NStZRR
1997, 169, 170, BayObLG NJW 1999, 372, 373 und BayObLGSt 1977,
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105, 106 f.; Stree in Schönke/Schröder aaO §
228 Rdn. 8; Lackner/Kühl, StGB
24. Aufl. § 228 Rdn. 10; Berz GA 1969, 145).
Gegen eine allein oder vorrangig auf den Zweck der Handlung abstellende
Betrachtung wird vor allem vorgebracht, daß sie
häufig zu unklaren Abgrenzungen
führe und sich zu sehr vom Rechtsgutsschutz entferne (vgl.
Tröndle/
Fischer, StGB 51. Aufl. Rdn. 9; Hardtung in MüKo Rdn. 25 jew.
zu § 228).
Die grundsätzliche Ausrichtung am Zweckgedanken gebe das vom
Gesetz vorgegebene
ausschließliche Abstellen auf die Tat als Bezugspunkt der
Sittenwidrigkeit
der Sache nach auf, weil sie Gesichtspunkte einbeziehe, die nur die
Sittenwidrigkeit
der Einwilligung selbst beträfen (vgl. Hirsch in LK 11. Aufl.
§ 228
Rdn. 9 und in 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe der Wissenschaft,
Bd. IV
S. 199, 218; Otto in Festschrift für Tröndle [1989]
S. 157, 168).
Nach neuerer Rechtsprechung und in der Literatur überwiegend
vertretener
Auffassung ist für die Sittenwidrigkeit der Tat entscheidend,
ob die Körperverletzung
wegen des besonderen Gewichts des jeweiligen tatbestandlichen
Rechtsgutsangriffs unter Berücksichtigung des Umfangs der
eingetretenen
Körperverletzung und des damit verbundenen Gefahrengrads
für Leib und
Leben des Opfers trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers
nicht mehr als von
der Rechtsordnung hinnehmbar erscheint. Für das
Sittenwidrigkeitsurteil im
Sinne des § 228 StGB ist demnach grundsätzlich auf
Art und Gewicht des Körperverletzungserfolgs
und den Grad der möglichen Lebensgefahr abzustellen,
weil generalpräventiv-fürsorgliche Eingriffe des
Staates in die Dispositionsbefugnis
des Rechtsgutsinhabers nur im Bereich gravierender Verletzungen zu
legitimieren sind (vgl. Hirsch in LK aaO § 228 Rdn. 9 und in
BGH-Festgabe
S. 199, 219; Tröndle/Fischer aaO Rdn. 9 zu § 228
StGB; Otto aaO S. 157, 168;
Göbel, Die Einwilligung im Strafrecht als Ausprägung
des Selbstbestimmungs-
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rechts [1992] S. 55 f.; Arzt, Willensmängel bei der
Einwilligung [1970] S. 36 ff.;
ähnlich Frisch in Festschrift für Hirsch [1999] S.
485, 487), die in ihrem Gewicht
an die in § 226 StGB geregelten erheblichen
Beeinträchtigungen heranreichen.
Der mit der Tat verfolgte Zweck ist nach dieser Ansicht für
die Beurteilung der
Sittenwidrigkeit nach § 228 StGB nur ausnahmsweise von
Bedeutung, nämlich
dann, wenn die betreffende Körperverletzung für sich
allein betrachtet als sittenwidrig
anzusehen wäre, eine solche negative Bewertung aber durch einen
positiven oder jedenfalls einsehbaren Zweck kompensiert wird. Selbst bei
schwerwiegenden Rechtsgutsangriffen ist danach der Bereich der freien
Disposition
des Rechtsgutsinhabers nicht überschritten, wenn ein
positivkompensierender
Zweck hinzukommt, wie z.B. bei lebensgefährlichen
ärztlichen
Eingriffen, die zum Zwecke der Lebenserhaltung vorgenommen werden
(vgl. Hirsch aaO § 228 Rdn. 9; Tröndle/Fischer aaO
Rdn. 10). Teilweise wird in
diesem Zusammenhang vorgeschlagen, eine Güterabwägung
vorzunehmen,
um die Rechtfertigung eines schweren, mit Einwilligung erfolgten
Eingriffs in
die körperliche Integrität zu begründen;
insbesondere könne ein höherrangiges
Interesse im Sinne des § 34 StGB beachtlich sein (vgl. etwa
Göbel aaO S. 56;
Otto aaO S. 168; Arzt aaO S. 39).
b) In Übereinstimmung mit dem Urteil des 3. Strafsenats vom
11. Dezember
2003 (3 StR 120/03), das zum strafbaren Verabreichen von
Betäubungsmitteln
mit tödlichen Folgen ergangen ist, und der herrschenden Lehre
hält der Senat für die Beurteilung der
Sittenwidrigkeit der Tat nach § 228 StGB
vorrangig das Gewicht des jeweiligen tatbestandlichen
Rechtsgutsangriffs und
damit ein objektives Kriterium für ausschlaggebend. Hierbei
sind in erster Linie
der Umfang der vom Opfer hingenommenen körperlichen
Mißhandlung oder
Gesundheitsschädigung und der Grad der damit verbundenen
Leibes- oder
Lebensgefahr maßgeblich.
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c) Diesen rechtlichen Ansatz hat das Landgericht nicht bedacht.
aa) Das Handeln des Angeklagten kann danach nicht allein wegen der
speziellen sexuellen Motivation als gegen die guten Sitten
verstoßend angesehen
werden.
Die Ansicht des Reichsgerichts, wonach bei sadomasochistischen Praktiken
die Körperverletzungen "zu Unzuchtszwecken" erfolgten und
deshalb
trotz einer etwaigen Einwilligung ein Verstoß gegen die guten
Sitten vorliege
(vgl. RG JW 1928, 2229 mit krit. Anmerkung Bohne JW 1929, 1015; HRR
1931, 1611), ist nicht zuletzt wegen der gewandelten Moralauffassungen
überholt
(vgl. dazu die überwiegende Tendenz in der neueren Literatur,
wonach
sadomasochistische Handlungen, die zu
tatbestandsmäßigen Körperverletzungen
führen, nicht bereits wegen eines "abnormen" sexuellen Zwecks
als sittenwidrig
einzustufen sind: Hirsch aaO § 228 Rdn. 9; Stree aaO
§ 228 Rdn. 7;
Tröndle/Fischer aaO Rdn. 10; Paeffgen in NK-StGB §
228 Rdn. 37; Roxin,
Strafrecht AT 13. Aufl. Teilband 1 § 13 Rdn. 38 unter Aufgabe
seiner in JuS
1964, 371, 379 geäußerten abweichenden Auffassung;
Maurach/
Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 8. Aufl. Teilband 1,
§ 8
Rdn. 14; Frisch in Festschrift für Hirsch S. 485, 502; May,
Die Anwendbarkeit
des § 226 a StGB bei einverständlichen sadistischen
und masochistischen
Körperverletzungen [1996] S. 97 f.; Niedermair,
Körperverletzung mit Einwilligung
und die guten Sitten [1999] S. 192; Sitzmann GA 1991, 71, 79).
Bei Sadomasochismus handelt es sich um eine "existierende und
praktizierte
Form des Sexuallebens", die in den unterschiedlichsten
Erscheinungsformen
zutage tritt und etwa in heterosexuellen, homosexuellen,
pädophilen
oder auf Autoerotik beschränkten Varianten vorkommt.
Sadomasochistische
Vorgänge stellen sich als sehr uneinheitlich dar und werden
von Ehepaaren,
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Singles, in monogamen oder promiskuitiven Beziehungen praktiziert (May
aaO
S. 2, 10). Zur Frage der Bewertung sadomasochistischer Handlungen
läßt sich
überdies - auch unter Berücksichtigung ihrer gesamten
Bandbreite - wohl kaum
nach allgemeinen Anschauungen in der Bevölkerung ein
eindeutiges Sittenwidrigkeitsurteil
feststellen. Außerdem läßt sich gegen eine
so begründete Bewertung
als sittenwidrig anführen, daß dies den Wertungen
des 4. Strafrechtsreformgesetzes
vom 23. November 1973 (BGBl I 1725) widersprechen würde,
welches die frühere Kennzeichnung der
Straftatbestände im 13. Abschnitt des
Besonderen Teils des StGB als "Sittlichkeitsdelikte" durch diejenige
als "Straftaten
gegen die sexuelle Selbstbestimmung" ersetzt und damit ein anderes
Rechtsgut in den Vordergrund gerückt hat (vgl. Roxin aaO
§ 13 Rdn. 38; Niedermair
aaO S. 188).
bb) Wie dargelegt, hält der Senat das Ausmaß oder
das Gewicht der
drohenden Rechtsgutverletzung für maßgebend mit der
Folge, daß ab einem
bestimmten Grad der körperlichen Beeinträchtigung
oder einer möglichen Lebensgefahr
der Einwilligung alleine grundsätzlich keine rechtfertigende
Wirkung
zukommt. Ob diese Grenze überschritten ist, ist auf Grund
einer "ex-ante"
vorzunehmenden Beurteilung zu entscheiden. Der Senat kann hier offen
lassen,
ab welcher Verletzungsintensität Sittenwidrigkeit in Betracht
kommt und
ob bzw. unter welchen Voraussetzungen weitergehende Zwecke oder sonstige
Umstände in die Würdigung der Tat einzubeziehen sind.
Die Grenze zur Sittenwidrigkeit
ist jedenfalls dann überschritten, wenn bei vorausschauender
objektiver
Betrachtung aller maßgeblichen Umstände der Tat der
Einwilligende
durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr
gebracht wird.
Für diese Eingrenzung sprechen sowohl der Normzweck des
§ 228 StGB als
auch die aus der Vorschrift des § 216 StGB abzuleitende
gesetzgeberische
Wertung. Sie begrenzen die rechtfertigende Kraft der Einwilligung in
eine Tö-
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tung oder Körperverletzung, da das Gesetz ein soziales
Interesse am Erhalt
dieser Rechtsgüter auch gegen den Willen des Betroffenen
verfolgt. Die Beeinträchtigung
durch den Rechtsgutsinhaber selbst (in Form einer Selbsttötung
oder -verletzung) ist zwar straflos; im Allgemeininteresse wird aber
die Möglichkeit,
existentielle Verfügungen über das Rechtsgut der
eigenen körperlichen
Unversehrtheit oder des eigenen Lebens zu treffen, begrenzt. Der Schutz
der
Rechtsgüter körperliche Unversehrtheit und Leben
gegen Beeinträchtigungen
durch Dritte wird demnach nicht schlechthin, sondern nur innerhalb
eines für
die Rechtsordnung tolerierbaren Rahmens zur Disposition des einzelnen
gestellt.
cc) Daran gemessen sind im vorliegenden Fall die Grenzen, innerhalb
derer das Handeln des Angeklagten von der Allgemeinheit noch hingenommen
werden kann, überschritten. Das über einen Zeitraum
von mindestens drei Minuten
andauernde, intervallartig - also unter abwechselnder
Verstärkung und
Verringerung des Drucks - ausgeführte Würgen des
Tatopfers mit Hilfe eines
starren, sich nicht den Konturen des Halses anpassenden Metallrohrs
brachte
das Tatopfer für den Angeklagten erkennbar nicht nur in eine
abstrakte Lebensgefahr
im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, sondern in eine konkrete
Gefahr. Denn bei der hier gewählten Vorgehensweise war das
Risiko, durch
die Handlung unmittelbar den Tod seiner Lebensgefährtin
herbeizuführen, für
den Angeklagten weder kalkulierbar noch beherrschbar.
Dies führt zur Aufhebung des Urteils auf die Revision der
Staatsanwaltschaft.
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum
äußeren Tatgeschehen
können dagegen aufrecht erhalten bleiben. Hierdurch ist der
neue
Tatrichter aber nicht gehindert, ergänzende Feststellungen,
namentlich zur
subjektiven Seite (vgl. dazu IV. 1), zu treffen.
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III. Revision des Angeklagten
Das Rechtsmittel des Angeklagten ist unbegründet. Die
Verurteilung
wegen fahrlässiger Tötung weist keinen Rechtsfehler
zu Lasten des Angeklagten
auf.
1. Das Landgericht hat unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung
zu Recht fahrlässiges Tun des Angeklagten bejaht.
Fahrlässig handelt, wer
eine objektive Pflichtwidrigkeit begeht, sofern er diese nach seinen
subjektiven
Kenntnissen und Fähigkeiten vermeiden konnte, und wenn gerade
die Pflichtwidrigkeit
objektiv und subjektiv vorhersehbar den Erfolg herbeigeführt
hat. Die
Einzelheiten des durch das pflichtwidrige Verhalten in Gang gesetzten
Kausalverlaufs
brauchen dagegen nicht vorhersehbar zu sein (vgl. BGH NJW 2001,
1075 = NStZ 2001, 143). Diese Voraussetzungen liegen nach den
Feststellungen
vor.
2. Den Angeklagten beschwert nicht, daß die
Schwurgerichtskammer die
Frage der Einwilligungsfähigkeit des Tatopfers (vgl. BGHSt 4,
90; 5, 362; 8,
358; 12, 382; 23, 1) nicht erörtert hat, da eine etwa fehlende
Einwilligungsfähigkeit
eine Rechtfertigung ausgeschlossen hätte.
3. Den Angeklagten beschwert auch nicht, daß das Landgericht
nicht
geprüft hat, inwieweit die nach seiner Ansicht die
Rechtswidrigkeit beseitigende
Einwilligung des Tatopfers im Rahmen von § 227 StGB auch
Auswirkungen
auf die der Verurteilung zugrundegelegte Fahrlässigkeitstat
hatte. Dies ist hier
unschädlich, da auch unter Zugrundelegung der nach Meinung des
3. Strafsenats
(Urteil vom 11. Dezember 2003 - 3 StR 120/03 S. 15; vgl. aber Urteil des
- 16 -
4. Strafsenats vom 20. Juni 2000 - 4 StR 162/00, [insoweit in NStZ
2000, 583
nicht abgedruckt] unter Hinweis auf BGHSt 4, 88, 93; 7, 112, 115)
beachtlichen
Argumente in der Wissenschaft für die Auffassung, eine
rechtfertigende Einwilligung
in eine fahrlässige Tötung sei grundsätzlich
möglich (vgl. Lenckner in
Schönke/Schröder, StGB vor §§ 32
ff. Rdn. 104; Hirsch in LK vor § 32 Rdn. 95;
Samson in SK-StGB Anhang zu § 16 Rdn. 33; Schlehofer in
MüKo vor §§ 32 ff.
Rdn. 114; Schroeder in LK § 16 Rdn. 180; Schaffstein in
Festschrift für Welzel
[1974], S. 557, 571; Dölling GA 1984, 71, 85 ff. und JR 1994,
520, 521; Otto
Jura 1984, 536, 540; Weber in Festschrift für Baumann [1992],
S. 43, 48;
Herzberg NStZ 2004, 1, 8, 9), hier eine solche Rechtfertigung der Tat
angesichts
des höchst riskanten Verhaltens des Angeklagten, welches Irene
R. in
konkrete Todesgefahr brachte, ausscheidet. Denn wenn schon die
Einwilligung
in die Gefährdungshandlung wegen der Höhe der Gefahr
und des Gewichts
des konkret drohenden Erfolgs keine rechtfertigende Wirkung entfalten
konnte,
gilt dies erst recht für den Erfolg, in dem sich die
Gefährdung realisiert hat.
4. Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung
scheidet auch dann nicht
aus, wenn sich der Angeklagte über das Maß der
Gefährlichkeit seines Tuns
geirrt haben sollte. Selbst wenn dies als Tatbestandsirrtum im Rahmen
von
§ 16 Abs. 1 StGB angesehen werden sollte (vgl. unten IV. 1),
blieb angesichts
der festgestellten Umstände ein Schuldspruch wegen
fahrlässiger Tötung nach
§ 229 StGB unberührt (§ 16 Abs. 1 Satz 2
StGB).
IV. Hinweise für die neue Hauptverhandlung
1. Falls die neu zur Entscheidung berufene Schwurgerichtskammer zu
einer Verurteilung des Angeklagten wegen Körperverletzung mit
Todesfolge
- 17 -
kommen sollte, wird ein möglicher vorsatz- oder
schuldausschließender Irrtum
des Angeklagten zu erörtern sein.
Nach den bisherigen Feststellungen liegt ein Irrtum über die
tatsächlichen
Umstände der Tat eher fern. Insbesondere hatte der Angeklagte,
wie aus
seinem Verhalten deutlich wird, die Gefährlichkeit seines Tuns
erkannt. Es ist
nicht davon auszugehen, daß er einem Irrtum über das
Bestehen der konkreten
Lebensgefahr unterlag, welcher als Irrtum über die
tatsächlichen Voraussetzungen
eines Rechtfertigungsgrundes entsprechend den Regeln des
Tatbestandsirrtums
nach § 16 Abs. 1 StGB zu behandeln wäre (vgl. BGH,
Urteil vom
11. Dezember 2003 - 3 StR 120/03, S. 14; BGHSt 31, 264, 286 f.).
In Betracht kommt möglicherweise ein Irrtum über die
Bewertung der
vorgenommenen Körperverletzung als sittenwidrig. Dies
wäre aber nur ein
Verbotsirrtum, wenn die Sittenwidrigkeit der in Aussicht genommenen Tat
unrichtig
beurteilt (vgl. Hirsch in LK aaO § 228 Rdn. 51; Stree aaO
§ 228 Rdn. 12;
Paeffgen in NK-StGB [1998] § 228 Rdn. 109; Jescheck/Weigend
Strafrecht AT
5. Aufl. S. 466; Schaffstein, Göttinger Festschrift
für das OLG Celle (1961)
S. 175, 194 ff.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1997, 325, 327; OLG
Hamm JMBlNW
1964, 128, 129; a. A. Engisch ZStW 70 (1958) 566, 585 f.;
Tröndle/Fischer
aaO § 228 Rdn. 25) oder wenn eine unwirksame
Einwilligungserklärung für
wirksam gehalten worden ist (vgl. BGHSt 4, 113, 119; 16, 309, 313; BGH
NJW
1978, 1206). Da es bei der Beurteilung der Körperverletzung
als sittenwidrig
um eine rechtliche Bewertung geht, wäre ein Irrtum des
Angeklagten nach § 17
StGB zu beurteilen, der angesichts der sehr hohen Gefahr für
das Leben der
Irene R. für den Angeklagten vermeidbar gewesen sein
könnte. Insoweit kann
es geboten sein, zu den Vorstellungen des Angeklagten nähere
Feststellungen
zu treffen.
- 18 -
2. Darüber hinaus wird die zur Entscheidung berufene
Schwurgerichtskammer
bei einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge
die
Möglichkeit einer Strafmilderung aufgrund der nicht
rechtfertigenden, aber tatsächlich
immerhin vorliegenden Einwilligung zu bedenken haben (vgl. BGH
MDR bei Dallinger 1969, 194; Stree in
Schönke/Schröder aaO § 228 Rdn. 1
und § 46 Rdn. 25; Jescheck/Weigend aaO S. 334;
Dölling GA 1984, 71, 93;
- 19 -
Geppert ZStW 83 [1971], 947, 999). Auch die Annahme eines minder
schweren
Falles gemäß § 227 Abs. 2 StGB wird zu
erwägen sein, da die bisherigen Feststellungen
nahelegen, daß Irene R. in voller Kenntnis der Tragweite
ihrer Entscheidung
eingewilligt hat.
Rissing-van Saan Detter Bode
Otten Fischer |