BGH,
Urt. v. 26.11.2008 - 5 StR 425/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 26. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26.
November 2008, an der teilgenommen haben:
Richter Dr. Brause als Vorsitzender,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 28. Februar 2008 aufgehoben, soweit das
Landgericht davon abgesehen hat, gegen den Angeklagten den Verfall
eines Geldbetrages anzuordnen.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen
bandenmäßigen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln mit Todesfolge und
mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie wegen Bedrohung zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt; von einer
Verfallsanordnung hat das Landgericht abgesehen. Die allein hiergegen
gerichtete, wirksam beschränkte Revision der
Staatsanwaltschaft, die mit der Sachrüge geführt und
vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
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I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts beteiligte sich der
Angeklagte als Bandenmitglied in der Zeit von Mitte Juni 2006 bis zu
seiner Fest-
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nahme am 7. November 2006 am Verkauf von Heroin, aus einer fortlaufend
aufgefüllten Gesamtmenge in
„Kügelchen“ portioniert, vor allem an
mehreren S-Bahnhöfen in Berlin. Die Tageseinnahmen der Bande
stiegen während der Verkaufstätigkeit des
Angeklagten, der die Aufgabe des Hauptverkäufers
übernahm, auf bis zu 7.000 Euro. Der dem Angeklagten
verbleibende Anteil an den Verkaufserlösen belief sich seinen
eigenen Angaben zufolge auf 50 Euro pro Tag zuzüglich etwa 10
Euro für Verpflegung.
2. Das Landgericht hat von einer Verfallsanordnung abgesehen, da es
keine genaueren Feststellungen zu den vom Angeklagten vorgenommenen
Einzelverkäufen treffen konnte.
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II.
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Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht von einer
Verfallsanordnung abgesehen hat.
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1. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Gericht zwingend den
Verfall anzuordnen, wenn der Täter eine rechtswidrige Tat
begangen und für sie oder aus ihr etwas erlangt hat. Aus der
Tat sind alle Vermögenswerte erlangt, die dem Täter
unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in
irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGHR StGB
§ 73 Erlangtes 4 m.w.N.), bei den hier
gegenständlichen Rauschgifterlösen der gesamte
Verkaufserlös (BGHR StGB § 73b Schätzung 2).
Anstelle nicht mehr vorhandenen Geldes tritt gemäß
§ 73a StGB der Verfall des Wertersatzes. Wenn, wie im
vorliegenden Fall, konkrete Feststellungen hinsichtlich des vom
Angeklagten vereinnahmten Verkaufserlöses nicht getroffen
werden können, ist er nach § 73b StGB zu
schätzen. Dies bedeutet, dass sich das Tatgericht, ausgehend
von einer aufgrund des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme sicheren
Schätzungsgrundlage, mit einer Wertannahme begnügen
kann (BGHR StGB § 73b Schätzung 2).
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2. Das Absehen von einer Verfallsanordnung ist rechtsfehlerhaft. Das
Landgericht hat verkannt, dass die von ihm getroffenen Feststellungen
eine ausreichende Schätzungsgrundlage für die
Anordnung des Verfalls von Wertersatz bieten. Dass der Angeklagte im
Zeitraum von Juni bis November 2006 Hauptverkäufer der Bande
war, beruht auf einer ausreichend tragfähigen
Beweiswürdigung. Danach liegt es nahe, dass der Angeklagte den
Großteil der im Tatzeitraum von der Bande vereinnahmten
Verkaufserlöse von höchstens 1 Mio. Euro (144 Tage
multipliziert mit 7.000 Euro) entgegennahm. Die angefochtene
Entscheidung ist daher insoweit aufzuheben.
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3. Allerdings erscheinen für den zweiten Rechtsgang belastbare
Feststellungen zum Umfang der Einzelverkäufe durch den
Angeklagten und dazu, ob er an den Barerlösen, die die anderen
Bandenmitglieder vereinnahmten, zumindest Mitverfügungsgewalt
hatte (vgl. dazu BGH NStZ 2008, 565, 566 m.w.N.), fernliegend. Sollte
das neue Tatgericht von der geschätzten Höchstsumme
der Gesamteinnahmen ausgehen, müsste es freilich erhebliche
Sicherheitsabschläge vornehmen. Der Aufhebung von
Feststellungen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO) bedarf es bei der
ausreichenden Schätzungsgrundlage nicht.
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Der Senat kann nicht zur Höhe des Wertersatzes in
entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO
durchentscheiden (vgl. dazu BGHR StGB § 73b Schätzung
2). Denn die bisherigen Feststellungen lassen eine
revisionsgerichtliche Prüfung nicht zu, ob oder gegebenenfalls
in welchem Umfang zugunsten des Angeklagten von der Anwendung der
Härtevorschrift des § 73c StGB Gebrauch zu machen
ist. Die dafür maßgeblichen Umstände,
insbesondere inwieweit der Angeklagte noch um die von ihm verein-
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nahmten Barbeträge bereichert ist (§ 73c Abs. 1 Satz
2 erste Variante StGB), wird das neue Tatgericht aufzuklären
haben. Die Feststellungen dazu dürfen den nunmehr
bestandskräftigen nicht widersprechen.
Brause Raum Schaal
Schneider Dölp |