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BGH, Urteil vom 27. April 2005 - 2 StR 457/04


Entscheidungstext  
 
BGH, Urt. v. 27.4.2005 - 2 StR 457/04
BGHR: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
AuslG §§ 92 Abs. 1 Nr. 1 und 6, 92 a Abs. 1;
AufenthG §§ 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 96 Abs. 1
Bei der Prüfung, ob ein strafbares Verhalten im Sinne der §§ 92 Abs. 1 Nr. 1
und 6, 92 a Abs. 1 AuslG bzw. der §§ 95 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 96 Abs. 1 AufenthG
vorliegt, gebietet es das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG,
allein auf eine formell wirksame Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigung (Visum)
abzustellen.
Ausländerrechtlichen Erlaubnissen kommt daher in den verwaltungsakzessorischen
Tatbeständen des Ausländergesetzes und des Aufenthaltsgesetzes Tatbestandswirkung
zu.
BGH, Urteil vom 27.04.2005 - 2 StR 457/04 - Landgericht Darmstadt
BUNDESGERICHTSHOF
- 2 -
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 457/04
vom
27.04.2005
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern u.a.
- 3 -
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs aufgrund der Verhandlung vom
2.02.2005 in der Sitzung am 27.04.2005, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 4 -
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Darmstadt vom 7. Juni 2004
a) im Schuldspruch im Fall II. 7 der Urteilsgründe dahin neu gefaßt,
daß der Angeklagte des unerlaubten Besitzes von
Schußwaffen und von Munition schuldig ist,
b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben
- in den Fällen II. 1 bis 3 der Urteilsgründe und
- im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels,
an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
- 5 -
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Einschleusens
von Ausländern in sechs Fällen (Einzelstrafen zwischen neun und
zwölf Monaten) und wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz (richtig: wegen
unerlaubten Besitzes von Schußwaffen und von Munition; Einzelstrafe zwei
Jahre) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Nach den Feststellungen vermietete der Angeklagte in den Jahren 2001
bis 2003 gegen Entgelt in einem von ihm selbst angemieteten Anwesen in
N. Zimmer an Ausländer aus Rußland, der Ukraine und Litauen. Dabei
handelte es sich vorwiegend um Personen, die - wie er wußte - allein mit dem
Zweck eingereist waren, in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Unter den Ausländern befanden sich auch Frauen, die in Deutschland der
Prostitution nachgehen wollten. Die eingereisten Personen wurden meist durch
Busfahrer, denen der Angeklagte seine Telefonnummer übergeben hatte, an
diesen vermittelt. Der Angeklagte sorgte dann gegen Bezahlung für Unterkunft
und Unterhalt und half zum Teil den Frauen auch bei der Aufnahme einer Tätigkeit
als Prostituierte. Soweit die Anklage ihm in diesem Zusammenhang tateinheitlich
schweren Menschenhandel (§ 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB aF) zur Last
legte, ist das Landgericht nach § 154 a Abs. 2 StPO verfahren.
Bei Bedarf kümmerte der Angeklagte sich gegen entsprechende Bezahlung
ferner um die Verlängerung des Visums.
- 6 -
Im einzelnen hat das Landgericht folgende sechs Taten festgestellt.
In den Fällen II. 1 und 2 holte der Angeklagte die im November bzw. Oktober
2001 jeweils mit einem Touristenvisum eingereisten russischen Staatsangehörigen
N. und D. bzw. "Larissa" und "Tanja" (genauere Personalien
konnten nicht festgestellt werden) vom Bahnhof oder Bus ab und gewährte ihnen
gegen Bezahlung Unterkunft. Die Frauen sollten der Prostitution
nachgehen, was "Larissa" und "Tanja" auch später taten. Die ebenfalls mit
einem Touristenvisum im Oktober 2001 eingereiste russische Staatsangehörige
"Irina" arbeitete nicht als Prostituierte, sondern putzte und kochte für die
Mitbewohner des Anwesens in N. als Gegenleistung für die ihr vom
Angeklagten gewährte Unterkunft (Fall II. 3). Im Februar 2002 holte dieser die
litauische Staatsangehörige G. K., die zur Arbeitsaufnahme in die
Bundesrepublik eingereist war, allerdings nicht über das für die beabsichtigte
Arbeitsaufnahme erforderliche, mit Zustimmung der Ausländerbehörde erteilte
Visum verfügte, am Bahnhof in F. ab und ließ sie in dem Anwesen in
N. übernachten. Am nächsten Tag brachte er sie zurück nach F.
und übergab sie drei unbekannten Männern, die sie zu ihrer Arbeitsstelle
brachten, wo sie der Prostitution nachging. Der Angeklagte erhielt für seine
"Unkosten" von G. K. 100 € (Fall II. 4). Die mit einem Touristenvisum
eingereiste russische Staatsangehörige A. D., die der Prostitution nachgehen
wollte, vermittelte der Angeklagte in ein Bordell und half ihr bei der
Verlängerung ihres Visums. Dafür erhielt er von A. D. mindestens 100 € (Fall II.
5). Die ebenfalls mit einen Touristenvisum eingereiste ukrainische
Staatsangehörige "Alona", die bereits in einem Bordell in L. tätig war,
vermittelte er auf deren Wunsch in ein anderes Bordell (Fall II. 6).
Zwischenzeitlich wohnte die Frau im Anwesen in N. . Zur Abdeckung
der Unkosten des Angeklagten, unter anderem für die Gewährung der Unterkunft,
die Vermittlung in ein Bordell oder eine zuvor veranlaßte Visumsverlän-
7 -
gerung erhielt der Angeklagte 25 % der Prostitutionseinnahmen, insgesamt
827,80 €.
Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts verwahrte der Angeklagte
in seiner Wohnung in N. eine Schußwaffe Typ Double-
Action-Revolver, Marke Charter arms Corp., Modell Bulldog, Kal. 44 S & W
Special, eine russische Signalpistole, Modell cn 81, KaI. 26,5 mm, Nr. 245 sowie
Patronen verschiedenen Kalibers (Fall II. 7). Außerdem wurden in seiner
Wohnung zwei Elektroschocker und Handschellen gefunden.
Das Landgericht ist der Ansicht, der Angeklagte habe sich wegen gewerbsmäßigen
Einschleusens von Ausländern in sechs Fällen (Fälle II. 1 bis 6;
§ 92 Abs. 1 Nr. 1, § 92 a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 AuslG) sowie wegen unerlaubten
Besitzes von Schußwaffen und von Munition (Fall II. 7; § 52 Abs. 3
Nr. 2 Buchst. a und b WaffG) strafbar gemacht. Die vom Angeklagten unterstützten
Ausländer seien - was er wußte - ohne Aufenthaltserlaubnis in die
Bundesrepublik Deutschland eingereist und hätten sich dort auch ohne Aufenthaltserlaubnis
aufgehalten, da sie zwar ein Touristenvisum hatten, dieses aber
angesichts ihrer bereits im Zeitpunkt der Einreise beabsichtigten Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit nicht die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung beinhaltete.
Im Fall II. 4 habe sich die litauische Staatsangehörige G. K. als "Positivstaaterin"
mit der Arbeitsaufnahme wegen unerlaubten Aufenthalts strafbar
gemacht.
II.
Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision des Angeklagten hat
mit der Sachrüge teilweise Erfolg.
- 8 -
Der Senat teilt nicht die Auffassung des Landgerichts hinsichtlich der
Beurteilung der Strafbarkeit (§ 92 Abs. 1 Nr. 1 und 6 AuslG) der aus Rußland
und der Ukraine mit einem Touristenvisum eingereisten Frauen. Damit entfällt
auch die Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten nach § 92 a Abs. 1
und 2 Nr. 1 AuslG. Denn diese Straftatbestände knüpfen an die nach § 92
Abs. 1 Nr. 1, 2 und 6 AuslG strafbare Handlung von Ausländern an. Nach
§ 92 a AuslG macht sich strafbar, wer einen anderen zu einer der in § 92
Abs. 1 AuslG aufgeführten Handlungen anstiftet oder ihm dazu Hilfe leistet.
Strafbares Verhalten im Sinne dieser Vorschrift setzt aber eine unerlaubte Einreise
oder einen unerlaubten Aufenthalt voraus. Die Beantwortung der Frage,
ob die Einreise oder der Aufenthalt eines Ausländers "unerlaubt" ist, ist auf der
Grundlage der einschlägigen verwaltungsrechtlichen Vorschriften zu entscheiden.
Eine nach verwaltungsrechtlichen Regeln wirksam erlassene Erlaubnis
entfaltet aber im Ausländerrecht, wie auch sonst bei verwaltungsakzessorischen
Straftatbeständen Tatbestandswirkung (vgl. Franke in Franke/
Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 3 Rdn. 2; Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl. Vor
§ 52 a Rdn. 34 f.). Mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG
kommt es bei der Prüfung, ob ein strafbares Verhalten im Sinne der § 92 Abs. 1
Nr. 1 und 6, § 92 a Abs. 1 AuslG vorliegt, deshalb allein auf eine formell wirksame
Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigung an.
1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern
in den Fällen II. 1 bis 3 hat keinen Bestand, weil in diesen Fällen weder
eine unerlaubte Einreise noch ein unerlaubter Aufenthalt der betroffenen Frauen
in der Bundesrepublik gegeben war und der Angeklagte nach den bisherigen
Feststellungen auch keine Tätigkeiten entfaltet hat, durch die der unerlaubte
Aufenthalt der Frauen im Rahmen von § 92 a Abs. 1 AuslG gefördert
wurde.
- 9 -
a) Das Landgericht hat der Verurteilung des Angeklagten aber zutreffend
§ 92 a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG zugrunde gelegt. Das
Ausländergesetz ist zwar mit Wirkung vom 1.01.2005 aufgehoben und
durch das Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ersetzt worden (vgl. Art. 15 Abs. 3
Nr. 1 Zuwanderungsgesetz - BGBl 2004 I 1950 ff.). Die Strafbarkeit des Angeklagten
beurteilt sich jedoch weiterhin nach dem zur Tatzeit geltenden Recht,
da § 96 Abs. 1 i.V.m. § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ebenfalls das Hilfeleisten zum
unerlaubten Aufenthalt von Ausländern unter Strafe stellt und auch die Strafrahmen
beider Vorschriften identisch sind (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren
oder Geldstrafe). Das Aufenthaltsgesetz ist insoweit nicht milder als das Ausländergesetz,
das deshalb anzuwenden ist (§ 2 Abs. 1 und 3 StGB).
b) Wegen Einschleusens von Ausländern machte sich gemäß § 92 a
AuslG strafbar, wer einem anderen zu einem nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG unerlaubten
Aufenthalt Hilfe leistete. Tathandlung des § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG ist
das Verbleiben des Ausländers im Bundesgebiet nach der Einreise, ohne über
die nach § 3 AuslG erforderliche Aufenthaltsgenehmigung oder eine Duldung
nach § 55 AuslG zu verfügen. Auch die Frage der verwaltungsrechtlichen Genehmigungspflichtigkeit
beurteilt sich nach dem zur Tatzeit geltenden Recht
und damit nach dem Ausländergesetz (BGH, Beschl. vom 7.04.2005 - 2 StR
524/04). Nach der bisherigen Regelung bedurften diejenigen Ausländer keiner
Aufenthaltsgenehmigung, die aufgrund von Rechtsvorschriften einreisen durften,
die dem Ausländergesetz vorgingen (z.B. EU-Bürger) oder als Angehörige
von Staaten, die ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland dem Schengener
Durchführungsübereinkommen beigetreten sind (sog. Positivstaaten), vom Erfordernis
einer Aufenthaltsgenehmigung für Kurzaufenthalte befreit waren (vgl.
§ 3 Abs. 1 AuslG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 12 Abs. 1 DVAuslG i.V.m. Art.
1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Anlage II EUVisaVO i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 5
- 10 -
Abs. 1 Buchst. a, c bis e des Schengener Durchführungsübereinkommens).
Angehörige aller anderen Staaten (sog. Negativstaaten) waren hingegen
grundsätzlich visumspflichtig, d.h. sie mußten bei der Einreise im Besitz der
gemäß § 58 Abs. 1 AuslG erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung sein. Bei der
vor der Einreise von einer Auslandsvertretung ausgestellten, auch als Visum
bezeichneten, Aufenthaltsgenehmigung handelt es sich nur um eine besondere
Form der Aufenthaltsgenehmigung. Fehlt diese, reist der Ausländer unerlaubt
ein und hält sich regelmäßig auch unerlaubt im Bundesgebiet auf (BGH NStZ
2001, 101; Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei 2. Aufl. [2001]
S. 503).
c) Unerlaubt hält sich jedoch nur derjenige im Inland auf, der nicht über
die "erforderliche" Aufenthaltsgenehmigung i.S. der §§ 3 Abs. 1, 58 Abs. 1
AuslG verfügt. Wann dies der Fall ist, ist in der strafrechtlichen Rechtsprechung,
der verwaltungsrechtlichen Literatur und der obergerichtlichen Rechtsprechung
der Verwaltungsgerichte umstritten.
aa) Die Oberverwaltungsgerichte und die Mehrheit der ausländerrechtlichen
Kommentarliteratur vertreten in Fortführung der Rechtsprechung zum
Ausländergesetz 1965 einen materiell-rechtlichen Standpunkt. Danach ist die
Einreise - und damit auch der sich daran anschließende Aufenthalt - eines mit
einem Touristenvisum zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eingereisten Ausländers
unerlaubt, wenn die für den tatsächlichen Zweck erforderliche Aufenthaltsgenehmigung
fehlt. Beabsichtigt ein Ausländer bereits bei der Einreise die
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, ist die im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG
"erforderliche Aufenthaltsgenehmigung" das für den angestrebten konkreten
Aufenthaltszweck notwendige, mit Zustimmung der Ausländerbehörde gemäß
§ 11 Abs. 1 Nr. 2 DVAuslG erteilte Visum (VGH Kassel EZAR 622 Nr. 20 [S. 4];
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NVwZ-RR 1993, 213; InfAuslR 1993, 369; 1994, 349; 1996, 142 mit ablehnender
Anmerkung Lüdke InfAuslR 1996, 276; OVG Münster InfAuslR 1991, 232;
1994, 138; DVBl 2001, 1007 = NVwZ-RR 2001, 538; Beschl. vom 24. Februar
1998 - 18 B 177/97 [S. 2]; OVG Schleswig InfAuslR 1992, 125 [zu § 69 Abs. 2
Nr. 1 AuslG]; VGH Mannheim InfAuslR 1993, 14, 15; OVG Hamburg EZAR 622
Nr. 12; VG Darmstadt InfAuslR 2004, 97, 98; Renner, Kommentar zum Ausländerrecht
7. Aufl. [1999] § 58 Rdn. 5; derselbe in NVwZ 1993, 729, 731;
Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht [Juli 2003] § 58 Rdn. 5, 7;
Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar zum Ausländerrecht, Bd. II § 58
Rdn. 6 f., 19; Lauer NStZ 2000, 661, 662 = Anm. zu BGH, Beschl. vom
11. Februar 2000 - 3 StR 308/99).
Zur Begründung dieser Auffassung wird im wesentlichen auf den Wortlaut
des § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG und den Willen des Gesetzgebers abgestellt.
Die Vorschrift verlange schon nach ihrem Wortlaut eine "erforderliche", d.h.
nicht irgendeine, sondern die materiell-rechtlich erforderliche Aufenthaltsgenehmigung.
Diese materiell-rechtliche Betrachtungsweise entspreche der Intention
der Regelung, als Instrument der Zuwanderungskontrolle die materielle
Frage, ob sich der Ausländer im Bundesgebiet aufhalten darf, vor dessen Einreise
zu prüfen und zu entscheiden (BTDrucks. 11/6321 S. 81 zu § 71 Abs. 2
AuslG; VGH Kassel InfAuslR 1994, 349, 350). Konzeption und Gesetzessystematik
verdeutlichten, daß § 58 Abs. 1 AuslG auf die materiell-rechtlich unerlaubte
Einreise abstelle. Dessen Anknüpfungspunkt sei die in § 3 Abs. 1 Satz 1
AuslG erwähnte Genehmigungspflicht für Einreise und Aufenthalt. Der Gesetzgeber
habe zwischen Einreise und Aufenthalt keine Unterscheidung getroffen.
Die Frage der Erlaubniserteilung sei einheitlich zu beurteilen. In den Gesetzesmaterialien
zu § 58 Abs. 1 AuslG sei zudem von der "materiell unerlaubten
Einreise" die Rede (BTDrucks. 11/6321 S. 76). Daß damit keine Abgrenzung zu
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§ 59 Abs. 1 AuslG gemeint sei, ergebe sich aus der Verweisung auf § 18 Abs.
2 AuslG 1965, für den die materiell unerlaubte Einreise Voraussetzung der
zwingenden Zurückweisung war (OVG Münster DVBl 2001, 1007, 1008 l. Sp.).
§ 1 DVAuslG, der an rein objektive Kriterien anknüpfe, lasse sich nicht
entnehmen, daß der Gesetzgeber auch für den Begriff der unerlaubten Einreise
einen objektiven Maßstab anlegen wollte (VGH Kassel aaO). Daß zwischenzeitlich
die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Ausländerrecht (AuslGVwV)
in Kraft getreten sei, stehe dem nicht entgegen. Zwar verstehe diese den
Begriff "erforderlich" im Sinne von § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG dahin, daß es ausreichend
sei, wenn der Ausländer irgendeine Aufenthaltsgenehmigung besitze
(Nr. 58.1.1.3.1 der vorgenannten Verwaltungsvorschrift), diese Regelung sei
für die Gerichte jedoch nicht bindend. Maßgeblich für die Auslegung sei nicht
eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift mit verwaltungsinterner Wirkung,
sondern das Gesetz (OVG Münster DVBl 2001, 1007, 1009 r. Sp.). Bei
einer nur formellen Betrachtungsweise ergäben sich zudem erhebliche Strafbarkeitslücken,
insbesondere in Fällen, in denen - wie hier - die Hilfe erst nach
Erschleichen der Visa geleistet werde oder die Visa durch kollusives Zusammenwirken
bzw. durch Bestechung erlangt worden seien (Lauer NStZ 2000,
661, 663).
bb) Demgegenüber stellen die strafrechtliche Rechtsprechung (BGH
NJW 2000, 1732 = NStZ 2000, 657; BGH, Beschl. vom 5. November 1997 - 2
StR 513/97; Beschl. vom 18. Oktober 2001 - 3 StR 247/01; Beschl. vom
20. April 2004 - 4 StR 67/04) und einige Verwaltungsgerichte sowie Stimmen in
der Literatur (VG Düsseldorf InfAuslR 1993, 371; BayObLG NStZ-RR 2000,
344, 346; NJW 2002, 1282, 1283; Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze
AuslG § 92 Rdn. 4b f., 21; Hailbronner, Ausländerrecht [Stand
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September 2004] § 58 Rdn. 5; Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei
S. 364, 506 f.; dieselben in NJW 1999, 2137, 2140; Westphal in Huber, Handbuch
des Ausländer- und Asylrechts Band II [Stand 1. Mai 2003] § 58 Rdn. 26;
Hofmann InfAuslR 1991, 351; Lorenz NStZ 2002, 640, 643; Lüdke InfAuslR
1996, 276; Ott ZAR 1994, 76 ff.; Pfaff ZAR 1992, 117, 120) auf rein formale
Gesichtspunkte ab. Eine unerlaubte Einreise und ein unerlaubter Aufenthalt
scheiden danach bereits dann aus, wenn irgendeine Aufenthaltsgenehmigung
erteilt wurde, unabhängig von ihrer materiell-rechtlichen Richtigkeit. Das Bundesverwaltungsgericht
hat diese Frage, soweit ersichtlich, bisher nicht entschieden,
sondern sie ausdrücklich offengelassen (BVerwG NVwZ 1997, 189 =
BVerwGE 100, 287).
d) Der letztgenannten formellen Betrachtung ist für die Beurteilung strafrechtlich
relevanter Verhaltensweisen der Vorzug zu geben.
aa) Bereits die Prinzipien des allgemeinen Verwaltungsrechts sprechen
für eine formale Betrachtungsweise. Die erschlichene Aufenthaltsgenehmigung
ist als Verwaltungshandeln wirksam, solange sie nicht zurückgenommen wurde.
Nichtig ist sie als begünstigender Verwaltungsakt nur in den in § 44 VwVfG
genannten Fällen, nämlich wenn sie an schweren und offensichtlichen Fehlern
leidet (§ 44 Abs. 1 VwVfG), besondere in § 44 Abs. 2 VwVfG ausdrücklich bezeichnete
Nichtigkeitsgründe vorliegen oder wenn in anderen Gesetzen eine
ausdrückliche Regelung dazu getroffen wird. In allen anderen Fällen ist sie lediglich
rechtswidrig, insbesondere auch bei Mängeln in der Willensbildung, die
auf arglistiger Täuschung durch falsche Angaben beruhen (vgl. OLG Frankfurt
StV 1999, 95; BVerwG DVBl 1985, 624; Kopp/Ramsauer, VwVfG 8. Aufl. § 44
Rdn. 19) oder wenn die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung
einer anderen Behörde unterblieben ist (vgl. § 44 Abs. 3 Nr. 4 VwVfG). In die-
14 -
sen Fällen kann die Aufenthaltsgenehmigung lediglich gemäß § 48 VwVfG zurückgenommen
werden (Kloesel/Christ/Häußer aaO § 43 Rdn. 1 b).
bb) Die formale Sichtweise entspricht auch der Verwaltungspraxis, die
auf der vom Bundesinnenministerium erlassenen Ausführungsverordnung zum
Ausländergesetz (AuslG-VwV) beruht. Nach Nummer 58.1.1.3.2 AuslG-VwV
liegt keine unerlaubte Einreise vor, wenn der Ausländer mit einem Visum einreist,
das aufgrund seiner Angaben ohne die erforderliche Zustimmung der
Ausländerbehörde zu der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit (§ 11 DVAuslG)
erteilt worden ist, obwohl er bereits bei der Einreise einen Aufenthaltszweck
beabsichtigt, für den er ein Visum benötigt, das nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde
erteilt werden darf (so auch BGH NJW 2000, 1732, 1733 =
NStZ 2000, 657, 658). Das Bundesministerium des Inneren hatte bereits in seinem
Rundschreiben vom 20. Mai 1996 (InfAuslR 1996, 317) ausdrücklich darauf
hingewiesen, daß für § 1 Abs. 1 DVAuslG ein objektiver Maßstab gilt, d.h.
die Befreiung nicht vom subjektiven Willen hinsichtlich Dauer und Zweck abhängig
sein soll. In dem Rundschreiben heißt es weiter, daß auch der Negativstaater,
der ein Touristenvisum besitzt, zweifellos nicht den Tatbestand der
unerlaubten Einreise nach § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erfüllt, auch wenn bei der
Einreise bereits feststeht, daß er einer Auflage im Visum zuwider eine Erwerbstätigkeit
aufnehmen will.
cc) Für das Abstellen nur auf formale Gesichtspunkte spricht nunmehr
auch das am 1.01.2005 in Kraft getretene Zuwanderungsgesetz, durch
das das Ausländergesetz aufgehoben und durch das Aufenthaltsgesetz ersetzt
worden ist. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ist die Einreise unerlaubt, wenn
der Ausländer keine nach § 4 AufenthG erforderliche Aufenthaltsgenehmigung
vorweisen kann. In der Begründung zu den Gesetzentwürfen heißt es dazu
- 15 -
durchgehend, daß sich die Erforderlichkeit des Aufenthaltstitels nach objektiven
Kriterien und nicht nach dem beabsichtigten Zweck bemißt. Der Gesetzgeber
beabsichtigte hiermit eine Klarstellung angesichts der unterschiedlichen
Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (14. Wahlperiode: Gesetzentwurf
der Bundesregierung BRDrucks. 921/01 S. 151; Gesetzentwurf der Fraktionen
SPD und Bündnis 90/Die Grünen BTDrucks. 14/7387 S. 68; 15. Wahlperiode:
Gesetzentwurf der Bundesregierung BRDrucks. 22/03 S. 164; BTDrucks.
15/420 S. 73).
dd) Für einen formalen Maßstab spricht über die Entscheidung des Bundesgerichtshofs
NJW 2000, 1732 hinausgehend auch die zunehmende Überlagerung
des deutschen Ausländerrechts durch internationale Vereinheitlichungen,
insbesondere durch die Erteilung von Schengen-Visa. Damit wird die Einreise
aus einem anderen Schengen-Land nach Deutschland unabhängig von
nationalen Verfahren oder Feinsteuerungsmöglichkeiten (z.B. Auflagen oder
Bedingungen) ausdrücklich erlaubt. Auch dies gebietet es, die Frage der unerlaubten
Einreise nach objektiven Kriterien zu beurteilen (Westphal in Huber
aaO § 58 Rdn. 35).
e) Ausschlaggebend für die strafrechtliche Beurteilung der Einreise und
des Aufenthalts von Ausländern nach objektiven Kriterien ist jedoch das Bestimmtheitsgebot
des Art. 103 Abs. 2 GG, dem bei der Auslegung von Straftatbeständen
Rechnung getragen werden muß. Tatbestände, die für ein unerlaubtes
und deshalb strafbares Handeln oder Unterlassen das Fehlen einer verwaltungsrechtlichen
Erlaubnis vorsehen, bedürfen eines eindeutigen Auslegungsmaßstabs
in Bezug auf ihre verwaltungsrechtlichen Vorgaben. Würden - verborgene
- materiell-rechtliche Mängel, etwa infolge von Täuschung oder sonstiger
mißbräuchlicher Verhaltensweisen des Erlaubnisadressaten, zum Abgren-
16 -
zungskriterium des strafbaren und nicht strafbaren Verhaltens gemacht, so wären
deren Voraussetzungen und Grenzen im allgemeinen ungewiß, weil im Einzelfall
von zufällig nachweisbaren und nicht nachweisbaren Tatumständen abhängig.
Deshalb muß eine nach verwaltungsrechtlichen Vorschriften wirksam
erteilte Aufenthaltsgenehmigung im Strafrecht grundsätzlich Tatbestandswirkung
entfalten, auch wenn sie rechtsmißbräuchlich erlangt wurde. Etwas anders
kann nur dort gelten, wo das Gesetz durch Täuschung erschlichenen oder
durch Drohung oder Bestechung erlangten Erlaubnissen, wie etwa in § 330 d
Nr. 5 StGB oder § 34 Abs. 8 AWG, die Wirksamkeit abspricht (vgl. Tröndle/
Fischer, StGB 52. Aufl. Vor § 324 Rdn. 8 f.; Steindorf, Waffenrecht 7. Aufl.
Vor § 52 a Rdn. 34 f.). Diesen Weg ist der Gesetzgeber im Ausländerrecht bisher
nicht gegangen. Zwar hat er in § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG bzw. § 95 Abs. 2
Nr. 2 AufenthG die Art und Weise der Beschaffung einer Aufenthaltsgenehmigung,
soweit diese durch unvollständige oder falsche Angaben erlangt worden
ist, unter Strafe gestellt, jedoch ohne den so erlangten Erlaubnissen als solchen
die formelle Wirksamkeit abzusprechen. Hieraus folgt, daß das Gesetz
auch bei der erschlichenen Einreise- oder Aufenthaltsgenehmigung von ihrer
formellen Bestandskraft ausgeht. Wären schon die Einreise oder der Aufenthalt
mit einem erschlichenen Visum als "unerlaubt" strafbar, wären die Tatbestandsalternativen
des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG bzw. des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG
zudem überflüssig.
f) Auch aus Sinn und Zweck der strafrechtlichen Tatbestände ergeben
sich gegen die formale Sichtweise keine durchgreifenden Bedenken. Diese
Auslegung führt zwar in Fällen der vorliegenden Art zu einer Verneinung der
Strafbarkeit nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 AuslG, der Ausländer macht sich
allerdings durch Erschleichen einer Aufenthaltsgenehmigung und das Gebrauchen
dieser Urkunde nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG bzw. § 95 Abs. 2 Nr. 2 Auf-
17 -
enthG strafbar, der dazu Hilfe leistende Dritte insoweit wegen Einschleusens
gemäß § 92 a Abs. 1 AuslG bzw. § 96 Abs. 1 AufenthG. Zu Strafbarkeitslücken
führt die formale, allein auf das Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung abstellende
Betrachtung allerdings beim Gehilfen des Negativstaaters in den Fällen,
in denen der Hilfeleistende weder an der unredlichen Erlangung des Visums
noch an der damit unternommenen Einreise beteiligt, sondern lediglich
bei der Arbeitsaufnahme behilflich ist. Darin liegt zwar eine Besserstellung des
Gehilfen des mit einem Touristenvisum eingereisten Negativstaaters gegenüber
demjenigen des Positivstaaters. Denn der Positivstaater benötigt für die
Einreise kein Visum, darf aber nicht ohne entsprechende Erlaubnis arbeiten.
Tut er es dennoch, macht er sich wegen unerlaubten Aufenthalts strafbar. Derjenige,
der ihn dabei unterstützt, macht sich wegen Beihilfe strafbar. Die den
Gehilfen betreffende Besserstellung folgt jedoch unmittelbar aus § 92 a AuslG
bzw. § 96 AufenthG, die nur einzelne Tathandlungen des § 92 Abs. 1 AuslG
bzw. § 95 AufenthG als Anknüpfungspunkt für ein strafbares Einschleusen ansehen.
Diese Lücken zu schließen, ist Aufgabe des Gesetzgebers.
2. Folgerungen für die vom Landgericht ausgeurteilten Fälle
a) Fälle II. 1 bis 3
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung scheidet in den Fällen
II. 1 bis 3 eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Hilfeleistens zum unerlaubten
Aufenthalt bzw. zur unerlaubten Einreise nach § 92 a i.V.m. § 92 Abs. 1
Nr. 1 und 6 AuslG, wie sie das Landgericht angenommen hat, aus. Die Frauen
aus Rußland und der Ukraine verfügten nach den Feststellungen als Negativstaaterinnen
über Touristenvisa und damit über die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung.
Weder ihre Einreise noch ihr anschließender Aufenthalt
waren unerlaubt. Es fehlt folglich schon an einer Tat im Sinne des § 92 Abs. 1
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unerlaubt. Es fehlt folglich schon an einer Tat im Sinne des § 92 Abs. 1 Nr. 1
und 6 AuslG, zu der der Angeklagte Hilfe geleistet hat.
Ob das Vorgehen des Angeklagten möglicherweise die tatsächlichen
Voraussetzungen einer Beihilfe zu einer Zuwiderhandlung gegen eine Auflage
(§ 92 Abs. 1 Nr. 3 AuslG i.V.m. § 27 StGB) erfüllt hat, ergeben die Urteilsgründe
nicht. Dies bedarf indes auch keiner näheren Aufklärung, weil mit der Aufhebung
des Ausländergesetzes dieser Straftatbestand ersatzlos weggefallen
ist. Das Aufenthaltsgesetz enthält einen solchen Straftatbestand nicht mehr,
sondern wertet den Verstoß gegen eine Auflage, die dem Ausländer ein Arbeitsverbot
auferlegt, lediglich als Ordnungswidrigkeit (§ 98 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG).
Das Aufenthaltsgesetz ist insoweit das mildere Recht (§ 2 Abs. 3
StGB).
Der Angeklagte hat sich nach den bisherigen Feststellungen in den Fällen
II. 1 bis 3 auch nicht wegen Hilfeleistens zum Gebrauch einer mit unwahren
Angaben erlangten Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 92 a Abs. 1 i.V.m. § 92
Abs. 2 Nr. 2 AuslG strafbar gemacht. Das Gebrauchmachen setzt ein Vorlegen,
Vorzeigen, Hinterlegen oder Übergeben der Urkunde voraus (Senge in
Erbs/Kohlhaas AuslG § 92 Rdn. 39 a). Daß der Angeklagte den in den vorliegenden
Fällen betroffenen Frauen dazu Hilfe geleistet hat, ist den Feststellungen
indes ebenfalls nicht zu entnehmen, die Transportfahrten zu den Bordellen
oder das Gewähren einer Unterkunft stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang
mit dem Gebrauchmachen und stellen daher kein Hilfeleisten dar.
Der Senat kann daher die - vom Generalbundesanwalt in seiner Stellungnahme
angesprochene - Frage offen lassen, ob das Gebrauchmachen einer mit unwahren
Angaben erschlichenen Aufenthaltsgenehmigung (§ 92 Abs. 2 Nr. 2
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AuslG) erst mit der Ausreise des Ausländers beendet und daher Beihilfe bis zu
diesem Zeitpunkt noch möglich ist.
Ein Freispruch des Angeklagten in diesen Fällen durch den Senat scheidet
jedoch aus. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß in einer neuen
Hauptverhandlung weitere Feststellungen zu einer möglichen Einbindung des
Angeklagten in die Beschaffung der Visa, insbesondere zu den Umständen,
unter denen die Ausländerinnen diese im Ausland erlangten, getroffen werden
können (§ 92 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 92 a Abs. 1 AuslG). Nach den bisherigen
Feststellungen wurden bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten
im Wohnzimmer neben verschiedenen Einladungsschreiben für russische und
ukrainische Staatsangehörige, die zur Visaerlangung bei einer Auslandsvertretung
verwendet werden konnten, auch zahlreiche russische, ukrainische und
litauische Paßkopien gefunden. Diverse im Urteil wiedergegebene Telefongespräche
des Angeklagten mit verschiedenen Personen belegen (auch nach
Ansicht der Strafkammer, UA S. 39), daß der Angeklagte "tiefer in die Beschaffung
von Visa verstrickt gewesen ist …" Die Zeugin N. hat zudem im Ermittlungsverfahren
wiederholt angegeben, daß sie gemeinsam mit der Zeugin D.
(Fall II. 1) mit der russischen Busreisegesellschaft A. (UA S. 14) eingereist
sei, die Frauen zur Ausübung der Prostitution u.a. nach Deutschland vermittelte
(UA S. 14 ff.) und von der sie auch die Telefonnummer des Angeklagten erhalten
habe (UA S. 63). Auch wenn die Strafkammer der Aussage nicht zu folgen
vermochte, weil sie sich wegen der Weigerung der Zeugin, nach Deutschland
zu kommen, keinen persönlichen Eindruck von ihrer Glaubwürdigkeit verschaffen
konnte, lassen die weiteren festgestellten Indizien eine Beteiligung
des Angeklagten nicht als ausgeschlossen, sondern sogar als naheliegend erscheinen.
Der neue Tatrichter wird bei der Würdigung des Beweisstoffs zu berücksichtigen
haben, daß erst die Gesamtheit aller Indiztatsachen die Über-
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zeugung von der Täterschaft des Angeklagten vermitteln kann, selbst wenn
keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis ausreicht (BGHR StPO §
261 Beweiswürdigung 2; BGH NStZ-RR 2003, 271).
b) Fälle II. 5 und 6
Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 5 und 6 begegnet dagegen
im Ergebnis keinen Bedenken. Zwar scheidet auch hier die vom Landgericht
zugrundegelegte Strafbarkeit nach § 92 a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 1 Nr. 1
AuslG bzw. die vom Generalbundesanwalt angesprochene Strafbarkeit nach
§ 92 Abs. 1 Nr. 3 AuslG i.V.m. § 27 StGB aus den oben angeführten Gründen
aus. Der Angeklagte hat sich jedoch wegen Einschleusens von Ausländern
durch Hilfeleisten zum Erschleichen der Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung
bzw. zum Gebrauchmachen nach § 92 a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2
Nr. 2 AuslG strafbar gemacht, indem er der russischen Staatsangehörigen A.
D. (Fall II. 5) gegen Zahlung von 100 € und der ukrainischen
Staatsangehörigen "Alona" (Fall II. 6) gegen Zahlung von insgesamt 827,80 €
bei der Verlängerung ihrer vor der Einreise erworbenen
Aufenthaltsgenehmigungen behilflich war. Die Frauen hatten sich insoweit
gemäß § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG wegen unrichtiger Angaben bei der
Verlängerung des Visums (§ 13 AuslG) bzw. durch Gebrauchmachen des mit
unwahren Angaben erlangten (ursprünglichen) Visums (durch Vorlage bei der
Stellung des Verlängerungsantrags) schuldig gemacht, da sie auch hier ihre
(beabsichtigte und ausgeübte) Erwerbstätigkeit verschwiegen haben. Auf die
Verlängerung finden dieselben Vorschriften Anwendung wie für die Erteilung
(§ 13 Abs. 1 AuslG). Der Ausländer, der falsche Angaben macht, verwirklicht
den Tatbestand des § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG; der ihm dabei Hilfeleistende den
Tatbestand des § 92 a Abs. 1 i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG. Diese
Strafbarkeit allein im Inland begangener Handlungen ist durch das
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durch das Aufenthaltsgesetz nicht entfallen. Unrichtige Angaben bei der Verlängerung
des Visums sind auch nach dem Aufenthaltsgesetz strafbar (§ 95
Abs. 2 Nr. 2 AufenthG). Die Strafbarkeit des "Gehilfen" richtet sich nach § 96
Abs. 1 AufenthG. Da sich auch hier die Strafrahmen des Ausländergesetzes
und des Aufenthaltsgesetzes entsprechen, ist das zur Tatzeit geltende Ausländergesetz
anzuwenden.
§ 265 StPO steht der Anwendung einer anderen Alternative des § 92 a
AuslG nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht anders als geschehen
hätte verteidigen können. Die verhängten Einzelstrafen beruhen hierauf nicht.
c) Fall II. 4
Die Verurteilung wegen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern
gemäß § 92 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 AuslG im Fall II. 4 ist rechtsfehlerfrei.
Die litauische Staatsangehörige G. K. war im Zeitpunkt ihrer Einreise
sogenannte Positivstaaterin und daher berechtigt, bei einem Kurzaufenthalt bis
zu drei Monaten ohne Visum einzureisen. Sie durfte sich aber nur dann ohne
Aufenthaltsgenehmigung im Bundesgebiet aufhalten, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit
nachging (vgl. § 3 Abs. 1 AuslG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 12
Abs. 1 DVAuslG sowie Art. 1 Abs. 2, Art. 4 Abs. 3 i.V.m. Anlage II EUVisaVO).
Mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wurde ihr Aufenthalt genehmigungsbedürftig
und - da sie über keine Aufenthaltsgenehmigung verfügte - unerlaubt
mit der Folge, daß sie sich nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG strafbar machte
(BGHR AuslG § 47 [1965] Aufenthalt 1; BGH, Beschl. vom 20. April 2004 - 4
StR 67/04; Beschl. vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 3/04; Senge in
Erbs/Kohlhaas, AuslG § 3 Rdn. 5, § 92 Rdn. 3; aA Stoppa in Huber, aaO § 92
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Rdn. 19 unter Hinweis auf die Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 S. 2 i.V.m.
Abs. 1 AuslG).
Zu dieser Straftat hat der Angeklagte durch die Gewährung einer Übernachtungsmöglichkeit
und Erbringung von Transportleistungen Hilfe geleistet.
Als Hilfeleistung im Sinne des § 92 a Abs. 1 AuslG ist - wie bei der Beihilfe
nach § 27 StGB - grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung
des Taterfolgs durch den Täter in irgendeiner Weise objektiv gefördert
hat. Die Hilfeleistung muß nicht zur Ausführung der Tat selbst geleistet werden,
es genügt schon die Unterstützung bei einer vorbereitenden Handlung (BGHSt
16, 12, 14; 28, 346, 348; BGH StV 2000, 492, 493 m.w.N.). Der Angeklagte hat
nach den Feststellungen G. K. eröffnet, daß sie in Deutschland der Prostitution
nachgehen sollte und sie zu diesem Zweck auch nach F. gefahren. Als Gegenleistung
erhielt er 100 €. Seine Handlungen dienten somit unmittelbar der
Aufnahme der Erwerbstätigkeit der Ausländerin und wurden nach den Feststellungen
in der Absicht erbracht, sich eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen.
Die Voraussetzungen gewerbsmäßigen Handelns gemäß § 92 a
Abs. 2 Nr. 1 AuslG sind somit ausreichend festgestellt.
Der Verurteilung steht nicht entgegen, daß das Aufenthaltsgesetz auf litauische
Staatsangehörige nach dem Beitritt Litauens zur Europäischen Union
zum 1. Mai 2004 grundsätzlich nicht mehr anwendbar ist (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG),
denn § 2 Abs. 3 StGB gilt insoweit nicht. Für Angehörige der Beitrittsstaaten
gilt - wie für alle Unionsbürger - vorrangig das FreizüG/EU vom 30. Juli
2004 (BGBl 2004 I 1950, 1986). Der Beitritt führt jedoch nicht zur Straflosigkeit
von Ausländern, die vor diesem Zeitpunkt den Tatbestand des unerlaubten
Aufenthalts nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG verwirklicht haben, sondern zieht lediglich
eine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs des Aufenthaltsgesetzes
nach sich. Für diese gilt § 2 Abs. 3 StGB indes nicht (vgl.
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haltsgesetzes nach sich. Für diese gilt § 2 Abs. 3 StGB indes nicht (vgl. Mosbacher
wistra 2005, 54, 55). Die strafrechtlich sanktionierte Gebotsnorm hingegen
blieb unverändert, denn auch nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 96 Abs. 1 und
Abs. 2 AufenthG sind der unerlaubte Aufenthalt bzw. ein Hilfeleisten dazu weiterhin
strafbar.
d) Verurteilung nach dem Waffengesetz (Fall II. 7)
Das Landgericht hat die Tat zutreffend als unerlaubten Besitz von
Schußwaffen und von Munition gewertet (§ 2 Abs. 2, § 52 Abs. 3 Nr. 2
Buchst. a und b WaffG nF). Ein Double-Action-Revolver ist nach der am
1. April 2003 in Kraft getretenen Neuregelung des Waffengesetzes keine halbautomatische
Schußwaffe (WaffG Anlage 1 Ziff. 2.3). Die Urteilsformel ("wegen
Verstoßes gegen das Waffengesetz") kennzeichnet die Tat allerdings nur ungenau
und ist deshalb unzureichend (BGH, Beschl. vom 12. April 1994 - 4 StR
128/94 - und vom 5. September 2000 - 3 StR 226/00). Der Senat hat daher den
Schuldspruch neu gefaßt.
Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung
stand. Die Verhängung einer Einzelstrafe, die im oberen Bereich des Strafrahmens
des § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG nF (Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe) liegt, überschreitet angesichts der Menge der besessenen,
z.T. auch manipulierten Munition und des Besitzes von zwei Schußwaffen
nicht den Rahmen schuldangemessenen Strafens. Die Strafzumessungserwägungen
selbst enthalten keine Rechtsfehler, auch nicht soweit es
auf UA S. 70 heißt:
"Nicht zu verkennen war zudem die erhöhte Gefährlichkeit, die von
schußbereiten Waffen in Händen von Personen ausgeht, die sich wie der Angeklagte
im "Sicherheits"gewerbe und Rotlichtmilieu bewegen. Aufgrund dieses
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Umstandes kommt zudem auch dem Besitz von insgesamt zwei Elektroschockern
und Handschellen vorliegend ein besonderes Gewicht zu."
Damit hat das Landgericht den möglicherweise erlaubten Besitz der
Elektroschocker (§ 2 Abs. 2 bis 4 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Ziff. 1.3.6)
und der Handschellen ersichtlich nur als Indiz für die kriminelle Energie des
Angeklagten werten wollen, der sich im Rotlichtmilieu bewegte.
3. Die Aufhebung der Schuldsprüche in den Fällen II. 1 bis 3 führt zur
Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.
Rissing-van Saan Detter Bode
Otten Rothfuß



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