BGH,
Urt. v. 27.7.2000 - 1 StR 263/00
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 3, § 64, § 72 Abs. 1
Satz 1
a) Die Erwartung des Tatgerichts, der Angeklagte werde Rauschgift
portionsweise nur an erwachsene und schon
betäubungsmittelabhängige Abnehmer
veräußern, steht der Anordnung von
Sicherungsverwahrung nicht entgegen.
b) Das Absehen von der Anordnung von Sicherungsverwahrung im Hinblick
auf die angeordnete Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erfordert
ein hohes Maß an prognostischer Sicherheit. Die hinreichend
konkrete Aussicht eines Therapieerfolgs reicht hierfür nicht
ohne weiteres aus.
BGH, Urt. vom 27. Juli 2000 - 1 StR 263/00 - LG Freiburg
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 263/00
vom
27. Juli 2000
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27.
Juli 2000, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Granderath als Vorsitzender und die Richter am Bundesgerichtshof Nack,
Dr. Wahl, Dr. Kolz, Becker, Bundesanwalt als Vertreter der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Freiburg vom 11. Januar 2000 mit den Feststellungen
aufgehoben, soweit von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung
abgesehen wurde.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere
Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Der Angeklagte hat innerhalb von knapp zwei Wochen im Juli 1999 in der
Schweiz dreimal je 50 g Heroin erworben. Zweimal führte er das
Rauschgift in die Bundesrepublik ein. Hier erhielten je vier Abnehmer,
die im Voraus bezahlt hatten, jeweils 5 g, von den jeweils verbliebenen
30 g verkaufte der Angeklagte die Hälfte gewinnbringend in
kleinen Portionen an namentlich bekannte Abnehmer, den Rest konsumierte
er selbst. Im dritten Fall vernichtete er das Rauschgift, mit dem er
wieder in gleicher Weise vorgehen wollte, noch in der Schweiz, da er
bemerkt hatte, daß er polizeilich observiert wurde.
Auf der Grundlage dieser Feststellungen verurteilte die Strafkammer den
46 Jahre alten, rauschgiftabhängigen Angeklagten, der wegen
einschlägiger Vorverurteilungen zwischen 1973 und Ende 1998
über 17 Jahre Strafe verbüßt hat, wegen
drei Fällen des (gewerbsmäßigen)
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge, in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter
Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren (Einzelstrafen: zweimal zwei
Jahre, einmal ein Jahr und drei Monate) und ordnete
gemäß § 64 StGB seine Unterbringung in
einer Entziehungsanstalt an.
Von einer Anordnung der Sicherungsverwahrung (§ 66 StGB) hat
die Strafkammer abgesehen. Dabei geht sie zutreffend davon aus,
daß sowohl die formalen Voraussetzungen des insoweit
vorrangigen § 66 Abs. 1 StGB als auch die von § 66
Abs. 2 und 3 vorliegen. Gleichwohl komme Sicherungsverwahrung schon
deshalb nicht in Betracht, weil die vom Angeklagten zu erwartenden
künftigen Straftaten nicht erheblich im Sinne des §
66 Abs. 1 Nr. 3 StGB seien. Darüber hinaus stehe auch
§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB im Hinblick auf die angeordnete
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einer Anordnung von
Sicherungsverwahrung im Wege.
Die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der
Staatsanwaltschaft, die auf die Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung
beschränkt ist, hat mit der Sachrüge Erfolg.
1. Die Annahme fehlender Erheblichkeit im Sinne des § 66 Abs.
1 Nr. 3 StGB begründet die Strafkammer wie folgt:
Bei der Abgabe von Betäubungsmitteln an Dritte gebe es keine
unmittelbar Geschädigten, geschütztes Rechtsgut sei
die Volksgesundheit. Soweit künftige Verkäufe des
Angeklagten zu erwarten seien, sei damit zu rechnen, daß sich
der Angeklagte, ebenso wie bisher, an Abnehmer wenden werde, die
"erwachsen und betäubungsmittelabhängig" seien. Ob
eine Einfuhr von Betäubungsmitteln in ungewöhnlich
großen Mengen oder eine wiederholte Abgabe an Kinder oder
Jugendliche eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten,
könne offen bleiben, da damit beim Angeklagten nicht zu
rechnen sei.
Diese Ausführungen halten rechtlicher
Überprüfung nicht stand.
a) Zwar hat der Tatrichter bei der Beurteilung der Erheblichkeit zu
erwartender künftiger Straftaten einen nur begrenzter
revisionsgerichtlicher Kontrolle unterliegenden Beurteilungsspielraum
(vgl. BGH JZ 1980, 532; BGH wistra 1988, 22, 23), hier geht die
Strafkammer jedoch in mehrfacher Hinsicht von einem rechtlich
unzutreffenden Ansatz aus:
(1) Schon die Annahme, daß geschütztes Rechtsgut bei
die Abgabe von Betäubungsmitteln betreffenden Delikten nicht
auch die Gesundheit der Empfänger sei, trifft nicht zu. Mag
auch der Schutz der Volksgesundheit vorrangig sein, so sollen die
einschlägigen Straftatbestände des
Betäubungsmittelgesetzes jedenfalls auch Leben und Gesundheit
individuell Betroffener schützen (vgl. BVerfGE 90, 145, 174;
BGHSt 37, 179, 182; Weber BtMG § 1 Rdn. 3, 4).
(2) Im übrigen stünde aber auch die Annahme,
geschützt sei allein die Volksgesundheit, unter keinem
rechtlichen Aspekt der Anordnung von Sicherungsverwahrung entgegen. Mit
dem Hinweis auf dieses Rechtsgut ist gemeint, daß durch die
Strafbarkeit der Abgabe von Betäubungsmitteln Schäden
vorgebeugt werden soll, die sich für die Allgemeinheit aus dem
Drogenkonsum und den daraus herrührenden physischen und
psychischen Schäden einzelner ergeben (vgl. BGHSt aaO m.w.N.).
Allerdings können bei Abgabe von Betäubungsmitteln
vielfach weder in jedem einzelnen Fall der Empfänger noch die
Auswirkungen, die gerade eine bestimmte Abgabe auf ihn hatte,
festgestellt werden. Daß gerade durch diese konkreten (zu
erwartenden) Taten schwere Folgen im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr.
3 StGB eintreten, ist jedoch nicht erforderlich. Die
"namentlich-Klausel" dieser Bestimmung schließt die Anordnung
von Sicherungsverwahrung in derartigen Fällen nicht aus. Auch
die allgemeine und abstrakte Gefährlichkeit von Delikten kann
Grundlage der Anordnung von Sicherungsverwahrung sein (vgl. Hanack in
LK 11. Aufl. § 66 Rdn. 143, 103).
b) Daß Delikte der vorliegenden Art, die sowohl Leben und
Gesundheit einzelner als auch die Volksgesundheit
beeinträchtigen, in aller Regel als erheblich im Sinne des
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen sind, bedarf keiner
näheren Begründung. Ob unter ganz besonderen
Umständen Ausnahmen hiervon vorstellbar sind, mag offen
bleiben, da jedenfalls hier Anhaltspunkte für eine derartige
Ausnahme nicht ersichtlich sind:
(1) Schon die Vielzahl und die rasche Abfolge der auf
planmäßige Wiederholung angelegten Taten spricht
ebenso wie die hohe Rückfallgeschwindigkeit gegen eine solche
Ausnahme (vgl. Hanack aaO Rdn. 108 m.w.N.).
(2) Ohne Belang ist demgegenüber, daß nach der
Einschätzung der Strafkammer der Angeklagte voraussichtlich
nur an erwachsene Abnehmer verkaufen wird. Damit soll offenbar auf den
Aspekt der Selbstgefährdung abgestellt sein. Bei der
Beurteilung der Abgabe von Rauschgift als gefährlich ist
dieser Gesichtspunkt jedoch denknotwendig eingeschlossen. Er kann daher
- unbeschadet von Besonderheiten, die sich hinsichtlich einer
gleichzeitigen Bejahung von Körperverletzungs- oder
Tötungsdelikten ergeben können - weder zur
Normeinschränkung herangezogen werden (vgl. hierzu BGHSt aaO;
Senatsurteil vom 11. April 2000 -1 StR 638/99-, zur
Veröffentlichung bestimmt, jew. m.w.N.), noch kann er zu einer
Einschränkung des Erheblichkeitsbegriffs im Sinne des
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB führen.
(3) Der von der Strafkammer zusätzlich herangezogene
Gesichtspunkt, daß die potentiellen Abnehmer nicht nur
erwachsen, sondern ohnehin schon rauschgiftabhängig sind,
vermag daran ebenfalls nichts zu ändern. Abgesehen davon,
daß sich der physische und psychische Zustand von
Rauschgiftabhängigen durch fortschreitenden Konsum
erfahrungsgemäß immer weiter verschlechtert, hat die
Öffentlichkeit die gerade durch diesen Personenkreis
verursachten erheblichen sozialen Folgen der
Rauschgiftabhängigkeit wie etwa
Beschaffungskriminalität zu tragen (vgl. BGHSt 38, 339, 344).
(4) Auch aus dem von der Strafkammer angesprochenen Gesichtspunkt,
daß nicht mit der Abgabe von ungewöhnlich
großen Mengen von Rauschgift durch den Angeklagten zu rechnen
sei, können sich keine für ihn günstigen
Folgen ergeben. Einen Rechtssatz, wonach nur die Abgabe derartiger
Mengen als erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB
anzusehen sei, gibt es nicht. Es gelten hier keine anderen
Grundsätze als bei der Beurteilung der Frage, ob
wirtschaftliche Schäden im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr.
3 StGB erheblich sind. Auch insoweit sind
außergewöhnlich hohe Schäden nicht
erforderlich (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Erheblichkeit 1). Ob es
Mengen geben kann, die zwar einerseits als "nicht geringe" Mengen im
Sinne der einschlägigen Bestimmungen des
Betäubungsmittelgesetzes anzusehen sind, andererseits aber
doch so gering sind, daß schon allein deshalb ihre Abgabe
nicht als erheblich im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu
bewerten ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Die vom
Angeklagten erworbenen und vorgefaßter Absicht
gemäß überwiegend weitergegebenen oder
jedenfalls zur Abgabe bestimmten Mengen sind auch unter
Berücksichtigung des zum Eigenverbrauch verwendeten oder
bestimmten Anteils erheblich zu groß, als daß eine
derartige Ausnahme erwogen werden könnte. Anhaltspunkte
für die Annahme, der Angeklagte werde künftig nur
noch mit wesentlich geringeren Mengen Handel treiben als bisher, sind
nicht ersichtlich.
2. Trotz der nach alledem unzutreffenden Beurteilung der Erheblichkeit
der zu erwartenden Taten wäre die Nichtanordnung von
Sicherungsverwahrung im Ergebnis gleichwohl nicht zu beanstanden, wenn
(aus der Sicht der Strafkammer: auch) wegen der angeordneten
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt im Hinblick auf § 72
Abs. 1 Satz 1 StGB für die Anordnung von Sicherungsverwahrung
kein Raum wäre. Dies war jedoch zu verneinen.
a) Unbeschadet der an sich zulässigen Beschränkung
der Revision auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung hatte der
Senat unter den gegebenen Umständen zunächst zu
prüfen, ob die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
für sich genommen rechtlicher Überprüfung
standhält. Dies ist der Fall:
Sachverständig beraten hat die Strafkammer neben den sonstigen
Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch
die erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht dieser
Maßregel (vgl. BVerfGE 91, 1) ohne durchgreifenden
Rechtsfehler bejaht. Allerdings hat die Strafkammer in diesem
Zusammenhang auch festgestellt, daß der Angeklagte im
November 1992 - ob er sich zu diesem Zeitpunkt in Haft befand, etwa
wegen einer "letztlich" insgesamt vollstreckten Verurteilung vom 3.
April 1991 (wegen einschlägiger Delikte und eines
Verstoßes gegen das Waffengesetz) zu vier Jahren und drei
Monaten Freiheitsstrafe, ergeben die Urteilsgründe nicht -
"einen Therapieversuch ... nach wenigen Tagen abgebrochen" hat. Eine
"weitere Therapiemöglichkeit" - Näheres ist hierzu
nicht mitgeteilt - "nahm er gar nicht erst wahr". Die Strafkammer
hält dies im Hinblick auf die sich daraus ergebende fehlende
Therapieerfahrung des Angeklagten für "günstige
Faktoren", ohne sich ausdrücklich mit der Frage
auseinanderzusetzen, ob dieses Verhalten des Angeklagten nicht auch
gegen die von ihr festgestellte Therapiebereitschaft des Angeklagten
spricht. Therapiebereitschaft ist jedoch keine unabdingbare
Voraussetzung für die Annahme einer hinreichend konkreten
Erfolgsaussicht (BGH NStZ-RR 1997, 34, 35). Ihr Fehlen ist aber
offensichtlich auch kein günstiger Faktor, sondern kann im
Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ein gegen die
Erfolgsaussichten sprechendes Indiz sein (vgl. BGH NStZ 1996, 274;
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 64 Rdn. 1 m.w.N.). Mit
den genannten, allerdings mißverständlichen
Erwägungen wollte die Strafkammer jedoch nur zum Ausdruck
bringen, daß bisher längerfristige Therapieversuche
noch nicht gescheitert sind, was gegen die Erfolgsaussichten
spräche. Zugleich ergibt jedenfalls eine Gesamtschau der
eingehenden Erwägungen der Strafkammer mit
hinlänglicher Klarheit, daß die genannten
Umstände nach der maßgeblichen Überzeugung
der Strafkammer die von ihr festgestellte Therapiebereitschaft des
Angeklagten letztlich nicht in Frage stellen können.
Gegen eine Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt könnten demgegenüber nach
Auffassung der Strafkammer das schon fortgeschrittene Alter des
Angeklagten und seine langjährige Drogenabhängigkeit
sprechen. Insgesamt kommt die Strafkammer aber zu dem Ergebnis, "die
prognostisch negativen Umstände (seien) nicht von so hohem
Gewicht, daß sie das Scheitern einer Therapie von vornherein
wahrscheinlich machen würden".
Diese Bewertung, die die Annahme einer hinreichend konkreten
Erfolgsaussicht der angeordneten Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt rechtfertigt, liegt insgesamt im Rahmen des - weiten
- tatrichterlichen Beurteilungsspielraums bei Prognoseentscheidungen
(vgl. BGHR StGB § 56 Abs. 1 Sozialprognose 9 m.w.N.) und ist
daher rechtlich nicht zu beanstanden.
b) Auf der Grundlage des von ihr in diesem Sinne prognostizierten
Erfolgs der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hält die
Strafkammer die zusätzliche Anordnung von Sicherungsverwahrung
(auch) gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 StGB
für unzulässig, da sowohl die bisherigen als auch die
zu erwartenden Straftaten des Angeklagten ausschließlich mit
seiner Rauschgiftsucht zusammenhängen. Würde er durch
die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von seiner
Rauschgiftsucht befreit, sei mit weiteren Straftaten nicht mehr zu
rechnen. Dieser Ansatz ist an sich rechtlich zutreffend (vgl. BGH
NStZ-RR 1997, 291), legt jedoch keinen zutreffenden
Prognosemaßstab an. Liegen die Voraussetzungen einer
Sicherungsverwahrung an sich vor, so ist ein hohes Maß an
Gewißheit erforderlich, um hiervon im Hinblick auf eine
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gleichwohl abzusehen. Dies
ergibt sich schon aus einer Zusammenschau der einschlägigen
vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen:
Einerseits könnte die unterbliebene Anordnung der
Sicherungsverwahrung im Vollstreckungsverfahren auch im Falle der
Erfolglosigkeit der Anordnung einer Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt nicht nachgeholt werden, da § 67a Abs. 2
StGB für diesen Fall weder nach seinem Wortlaut noch analog
anwendbar ist (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 1998,
90;Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 67a Rdn. 3).
Andererseits könnte, wie die Revisionsführerin
zutreffend dargelegt hat, gemäß § 72 Abs. 3
Satz 2 StGB i.V.m. § 67c Abs. 2 Satz 4 und 5 StGB nach einem
Erfolg der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom Vollzug der
angeordneten Sicherungsverwahrung abgesehen werden.
An die erforderliche Sicherheit einer Prognose gemäß
§ 72 Abs. 1 Satz 1 StGB, die ein Absehen von einer an sich
gebotenen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf
eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigt,
können daher keine geringeren Anforderungen gestellt werden
als an die Sicherheit einer Prognose, wonach im Hinblick auf
künftige Entwicklungen vom Wegfall einer zum Zeitpunkt der
Hauptverhandlung noch bestehenden Gefährlichkeit im Sinne des
§ 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgegangen werden kann (vgl. hierzu
BGH Urteil vom 7. April 1999 - 2 StR 440/98-, insoweit in BGH NStZ
1999, 423 nicht abgedruckt; BGH NStZ 1985, 261; w. N. b.
Lackner/Kühl aaO § 66 Rdn. 15). Allein daraus,
daß die Unterbringung in der Entziehungsanstalt entgegen dem
Wortlaut von § 64 Abs. 2 StGB nicht nur nicht von vornherein
aussichtslos sein darf, sondern, wie es hier der Fall ist, hinreichend
konkrete Erfolgsaussichten haben muß (vgl. BVerfGE aaO),
ergibt sich dieses Maß an Sicherheit jedenfalls nicht
zwingend. Allerdings reichen allein die jeder Prognoseentscheidung -
zumal über den Erfolg einer Therapie eines langjährig
Drogenabhängigen - immanenten Möglichkeiten einer
anderen als der erwarteten Entwicklung nicht aus, das erforderliche
Maß an Sicherheit zu verneinen. Hier hat die Strafkammer
jedoch konkrete Umstände von Gewicht festgestellt, die gegen
den Erfolg einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sprechen
können. Der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stehen
sie (nur) deshalb nicht im Wege, weil sie das Scheitern einer Therapie
gleichwohl nicht "von vornherein wahrscheinlich" machen. Dieses
erkennbar verminderte Maß an Sicherheit steht zwar - wie
dargelegt - nicht einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, wohl
aber einer Prognose gemäß § 72 Abs. 1 Satz
1 StGB entgegen.
Bei dieser Sachlage verbleibt es bei dem Grundsatz, daß
Unsicherheiten über den Erfolg allein der milderen
Maßregel zur kumulativen Anordnung von Maßregeln
führen (vgl. BGH GA 1965, 342; BGH Beschluß vom 28.
Oktober 1999 - 4 StR 464/99; Hanack aaO § 72 Rdn. 18).
Da die Strafkammer demgegenüber davon ausgegangen ist, die
Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt stehe hier der
Anordnung von Sicherungsverwahrung zwingend im Wege, bedarf die Sache
insoweit neuer tatrichterlicher Würdigung.
3. Bei einer Urteilsaufhebung wegen einer nicht rechtsfehlerfrei
unterbliebenen Anordnung von Sicherungsverwahrung kann im Einzelfall
auch der Strafausspruch zugunsten des Angeklagten aufzuheben sein, wenn
nicht ausgeschlossen werden kann, daß im Falle der Anordnung
von Sicherungsverwahrung eine geringere Strafe verhängt worden
wäre (vgl. BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1 m.w.N.).
Hier hat die Strafkammer die formellen Voraussetzungen von §
66 Abs. 1 StGB ausdrücklich bejaht, nachdem sie die beiden
gewichtigeren Straftaten jeweils mit der insoweit erforderlichen
Mindeststrafe von zwei Jahren geahndet hat. Unter diesen
Umständen ist die Möglichkeit einer Auswirkung der
unterbliebenen Anordnung von Sicherungsverwahrung auf den
Strafausspruch insgesamt zu verneinen.
Granderath Nack Wahl
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