BGH,
Urt. v. 27.7.2000 - 4 StR 185/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 185/00
vom
27. Juli 2000
in der Strafsache gegen
wegen Verdachts der versuchten Anstiftung zum Mord
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27.
Juli 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Prof. Dr. Meyer-Goßner, die Richter am
Bundesgerichtshof Maatz, Dr. Kuckein, die Richterin am
Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic, der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann als beisitzende Richter, Oberstaatsanwalt als Vertreter
der Bundesanwaltschaft, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Saarbrücken vom 11. Januar 2000 mit den
Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - als
Schwurgericht zuständige - Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten aus tatsächlichen
Gründen von dem Vorwurf der versuchten Anstiftung zum Mord
freigesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision erstrebt die
Staatsanwaltschaft die Aufhebung des freisprechenden Urteils. Das auf
die Sachrüge gestützte Rechtsmittel, das vom
Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen unterhielt der verheiratete Angeklagte zu
Frau A. eine länger andauernde sexuelle Beziehung. Das
Verhältnis litt von Anfang an unter der Eifersucht des
Angeklagten. Er forderte von Frau A. "absolute" Treue. Wenn er
vermutete, sie sei eine Bekanntschaft zu einem anderen Mann
eingegangen, beschimpfte er sie mit den Worten "Hure" oder "Nutte".
Auch schlug er sie bei diesen Gelegenheiten "aus letztlich grundloser
Eifersucht" und drohte, er werde sie "platt machen" (UA 3). Frau A.
wollte sich schließlich wegen dieser Vorkommnisse vom
Angeklagten trennen. In dieser Situation traf der Angeklagte in einer
Gaststätte zufällig den ihm aus früherer
Zeit bekannten M. , der unter anderem von seinen finanziellen
Schwierigkeiten erzählte. Der Angeklagte berichtete daraufhin
von seiner Beziehung zu Frau A. . Bei einem weiteren Treffen "kam
wieder das Gespräch auf Frau A. ". "Dabei war auch die Rede
davon, diese zu beobachten, ob sie Verhältnisse zu anderen
Männern eingegangen sei". Der Angeklagte und M. begaben sich
daraufhin noch in derselben Nacht zu der Wohnung von Frau A. , "um
dieser nachzuspionieren". M. "sollte" auch deren Auto
beschädigen, etwa den Lack zerkratzen oder die Reifen
zerstechen. Er tat dies jedoch nicht, sondern teilte der ihm bis dahin
unbekannten Frau A. mit, daß er sie im Auftrag des
Angeklagten beobachten und "ihr Auto manipulieren" solle. Diese
vermochte dem zunächst keinen Glauben zu schenken. Etwa zwei
Wochen danach, am 1. Juli 1998, trafen sich der Angeklagten und M.
erneut. "Im Verlaufe dieses Gespräches kam auch die Rede
darauf, daß man die [im Hause von Frau A. befindliche]
Gasheizung manipulieren könne, wodurch das Haus explodieren
und dabei Frau A. zu Tode kommen könne" (UA 4). Bereits am
nächsten Morgen folgte ein weiteres Treffen in der Cafeteria
eines Supermarkts. "Auch hier war wieder die Rede von Frau A. und
daß sie infolge einer Gasexplosion zu Tode kommen
könnte". Nachdem M. Frau A. noch am selben Tag mitgeteilt
hatte, der Angeklagte habe vor, sie umbringen zu lassen, begaben sich
beide am 3. Juli 1998 zur Polizei, wo M. angab, daß der
Angeklagte versucht habe, ihn anzustiften, Frau A. durch eine
Gasexplosion zu töten.
2. Das Landgericht hat zur Begründung des Freispruchs
ausgeführt, der Angeklagte habe "die Tat in Abrede gestellt".
Der einzige "Tatzeuge", M. , sei sich bei seiner Vernehmung nicht
sicher gewesen, "ob der Angeklagte wirklich die Herbeiführung
einer Gasexplosion, insbesondere den Tod von Frau A. wollte". Es
könne daher nicht mit der für eine Verurteilung
erforderlichen Überzeugung festgestellt werden, "daß
der Angeklagte den Zeugen ernsthaft zu einem Verbrechen zu bestimmen
versucht hat".
3. Die angefochtene Entscheidung unterliegt schon deshalb der
Aufhebung, weil sie nicht den Anforderungen an ein freisprechendes
Urteil genügt (vgl. hierzu BGHR StPO § 267 Abs. 5
Freispruch 2, 5, 6 und 8). Wird der Angeklagte aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen, so
muß der Tatrichter im Urteil zunächst die Tatsachen
feststellen, die er für erwiesen hält, bevor er in
der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die
für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen
- Feststellungen nicht getroffen werden können. Die
Begründung muß so abgefaßt werden,
daß das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem
Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere, ob er den den
Entscheidungsgegenstand bildenden Sachverhalt erschöpfend
gewürdigt hat. Bei einem Freispruch aus subjektiven
Gründen ist hierbei regelmäßig
zunächst der äußere Tathergang
aufzuklären und darzustellen (vgl. BGHR StPO § 267
Abs. 5 Freispruch 6; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl.
§ 267 Rdnr. 33). Diesen Anforderungen wird das angefochtene
Urteil nicht gerecht:
a) Die Darstellung der objektiven Umstände der "Treffen"
zwischen dem Angeklagten und M. ist lückenhaft und zu
unbestimmt. Offen bleibt insbesondere, auf wessen Initiative und warum
es zu den Zusammenkünften vom 1. und 2. Juli 1998 kam, vor
allem aber, wer "die Rede" darauf brachte, "man" könne durch
Manipulationen an der Gasheizung Frau A. töten. Unklar ist
auch, ob bereits über Einzelheiten der Tatausführung
gesprochen wurde und ob nach dem 2. Juli 1998 eventuell noch weitere
Treffen folgen sollten. Ohne Kenntnis dieser Umstände ist dem
Revisionsgericht jedoch die Überprüfung nicht
möglich, ob überhaupt ein "Bestimmen" im Sinne des
§ 30 Abs. 1 StGB vorliegt und ob die geplante Tat bereits
hinreichend konkretisiert war (vgl. zu letzterem
Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 30 Rdnr. 7). Auch
die Beurteilung der subjektiven Tatseite hängt wesentlich von
diesen Umständen ab.
b) Das Urteil teilt darüber hinaus weder die Einlassung des
Angeklagten (vgl. hierzu BGHR StPO § 267 Abs. 5 Freispruch 8)
noch die Aussage des Hauptbelastungszeugen M. mit. Damit entzieht sich
die tatrichterliche Beweiswürdigung weitgehend der
Überprüfung durch das Revisionsgericht.
4. Im übrigen begegnen auch die Ausführungen zur
Frage der Ernsthaftigkeit des Anstiftungsversuchs rechtlichen Bedenken.
Sie lassen besorgen, daß das Landgericht zu hohe
Anforderungen an die subjektive Tatseite gestellt hat.
Die versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB verlangt in
subjektiver Hinsicht ebenso wie die vollendete Anstiftung nach
§ 26 StGB (lediglich) den doppelten Anstiftervorsatz. Hierbei
reicht - ebenfalls nicht anders als im Fall des § 26 StGB -
bedingter Vorsatz aus (vgl. BGHSt 44, 99 = NStZ 1998, 615).
Für die Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes des
§ 30 Abs. 1 StGB genügt es also, daß der
Anstifter es für möglich hält und billigend
in Kauf nimmt, daß der präsumtive Täter die
Aufforderung ernst nimmt und durch sie zu der als Verbrechen mit Strafe
bedrohten Handlung bestimmt wird. Einer darüber hinausgehenden
"Ernstlichkeit" bedarf es - anders als bei der Verbrechensverabredung
nach § 30 Abs. 2 StGB (vgl. hierzu BGHR StGB § 30
Abs. 2 Verabredung 5; BGH NStZ 1998, 403) - nicht (vgl. BGHSt 44, 99).
Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung.
Meyer-Goßner Maatz Kuckein
Solin-Stojanovic Ernemann |