BGH,
Urt. v. 27.3.2003 - 3 StR 377/02
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
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VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 4
Zur Strafbarkeit einer im Rahmen einer Massenkampagne erfolgten
Befürwortung
des Ungehorsams gegenüber einem vereinsrechtlichen
Betätigungsverbot
als Zuwiderhandlung nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG.
BGH, Urt. vom 27. März 2003 - 3 StR 377/02 - LG
Düsseldorf
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
3 StR 377/02
vom
27. März 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches
Betätigungsverbot
- 2 -
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27.
März
2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Tolksdorf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
Becker
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Düsseldorf vom 1. Juli 2002 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen einer Zuwiderhandlung gegen
ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot zu einer Geldstrafe
von
60 Tagessätzen zu je 10 € verurteilt. Ihr auf die
Sachrüge gestütztes Rechtsmittel
hat keinen Erfolg.
I. 1. Nach den Feststellungen beschloß der
Präsidialrat der durch Verfügung
des Bundesministers des Inneren vom 22. November 1993 mit einem
Betätigungsverbot nach § 18 Satz 2 VereinsG belegten
Arbeiterpartei Kurdistans
(PKK) eine großangelegte Kampagne, bei der sich ihre
Anhänger ab dem
31. Mai 2001 an deutsche Behörden wenden, sich als
PKK-Symphatisanten
bekennen und die Aufhebung des PKK-Verbotes fordern sollten.
Erklärtes Ziel
der Aktion war auch, durch eine möglichst große
Beteiligung eine so große
Zahl von Strafverfahren herbeizuführen, daß den
Strafverfolgungsbehörden
eine Sanktionierung von Verstößen gegen das
Betätigungsverbot gemäß § 20
Abs. 1 Nr. 4 VereinsG erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht
werde. Dementsprechend
hieß es in einer Werbung für die Aktion im Internet,
"...daß die,
die das Problem geschaffen haben, damit auch in ihrem eigenen System
fertig
werden müssen".
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Im Rahmen dieser Kampagne fand am 20. Juni 2001 vor dem
Landtagsgebäude
in Düsseldorf eine angemeldete und genehmigte Versammlung von
überwiegend weiblichen kurdischen Teilnehmern statt, bei der
mit Plakaten
Freiheit für Öcalan und Frieden für
Kurdistan gefordert wurde. Bei dieser Veranstaltung
wurde einem Mitglied des Landtags ein Ordner mit 273
Selbstbezichtigungsschreiben
übergeben, die mit "Auch ich bin eine PKK’lerin"
überschrieben
waren und in denen ein Bekenntnis zu den politischen Zielen der
PKK, insbesondere zur Freiheit für das kurdische Volk und
seinen "nationalen
Führer" Öcalan abgelegt wurde. Die
Erklärungen, in denen ferner gegen das
Betätigungsverbot protestiert und dessen Aufhebung gefordert
wurde, lauten:
"Selbsterklärung: 'Auch ich bin eine PKK´lerin'
Während die Geschichte, die Sprache und die Kultur des
kurdischen Volkes als nicht vorhanden
gezählt wurde, war auch die Frau in einer Position, in der
Ihre Existenz geleugnet und ihre
Identität nicht anerkannt wurde. In diesem Sinne sind die
gerechtfertigten Forderungen des
kurdischen Volkes gleich den Forderungen der kurdischen Frau. Deshalb
fordern die kurdischen
Frauen noch mehr als alle anderen Sektoren, dass ihre nationale und
politische Identität
offiziell anerkennt wird und dass jegliche Verbote zum freien Ausdruck
ihrer Identität aufgehoben
werden.
Die Arbeit zur Freiheit der kurdischen Frau ist eine der wichtigsten
Werte, die unser 20jähriger
Kampf geschaffen hat. Der nationale Befreiungskampf unter der
Führerschaft der PKK ist von
einem Gesichtspunkt auch der Kampf um die Schöpfung der Frau.
Durch diesen Kampf hat die
Frau zusammen mit der national-politischen Identität auch zu
ihrer Geschlechtsidentität gefunden.
Die PKK zu verbieten, dessen Suche nach einem politischen Kampf und
einer politischen Lösung
zu verbieten, heißt die Existenz der Frau zu verbieten. In
diesem Sinne bedeutet die PKK
die Suche der kurdischen Frau nach Freiheit. Deshalb sehe ich als
kurdische Frau meine national-
politische Identität als meine Würde an. Ich
erkläre, dass ich jegliche Verbote über die
PKK, die ich als mein Existenzmotiv bewerte, nicht anerkenne.
1.
Auf dieser Grundlage erkläre ich als Angehörige des
kurdischen Volkes, insbesondere als kurdische
Frau, dass ich die neue Linie der PKK teile, die seit zwei Jahren ihren
politischen Kampf
auf legaler Grundlage führt. Weiterhin erkläre ich
mich der PKK zugehörig.
- 5 -
2.
Ich rufe die europäischen Mitgliedstaaten dazu auf, sich an
den Maßstäben messen zu lassen,
die sie gegenüber anderen Nicht-Mitgliedstaaten anlegt.
Außerdem rufe ich diese Staaten dazu
auf, bezüglich den in Europa lebenden Kurden, den
erklärten Kriterien eines Beitritts zur Europäischen
Union selbst gerecht zu werden. Deshalb fordere ich für das
kurdische Volk die juristische
Anerkennung der Rechte, die auch anderen Völkern zugestanden
werden.
3.Weiterhin fordere ich die offizielle Anerkennung der kulturellen und
politischen Werte, welche
das kurdische Volk in einem großen Kampf geschaffen hat. In
diesem Zusammenhang fordere
ich die Achtung der nationalen und politischen Identität
meines Volkes.
4.
Ich unterstütze die Linie des demokratischen Kampfes der PKK,
welche auch von ihrem
7. Kongress bestätigt wurde. In Anbetracht der Tatsache, dass
die PKK in einem Zeitraum von
zwei Jahren keine einzige Aktion unter Anwendung von Gewalt
durchgeführt hat, fordere ich
die Aufhebung sämtlicher Verbote, die sich gegenüber
der PKK in Anwendung befinden.
5.
Des weiteren erkläre ich, dass die einzige Garantie
für eine dauerhafte Lösung, die Freiheit
unseres nationalen Führers, Abdullah Öcalan, und die
Schaffung von Möglichkeiten für sein
politisches Wirken sind. Deshalb fordere ich: 'Freiheit für
Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan'.
Hiermit erkläre ich, dass ich das gegen die PKK ausgesprochene
Verbot und die strafrechtliche
Verfolgung der Mitgliederschaft in der PKK sowie der strafrechtlichen
Verfolgung der aktiven
Sympathie für die PKK, auf das Schärfste verurteile.
Weiterhin erkläre ich, dass ich dieses
Verbot nicht anerkenne und sämtliche Verantwortung
übernehme, die sich daraus ergibt."
Auch die Angeklagte, die in Kenntnis des Betätigungsverbots
mit den
politischen Bestrebungen der PKK sympathisiert und wegen Teilnahme an
einer
von dieser veranstalteten Botschaftsbesetzung vorbestraft ist, hat eine
der
mit Namen und Anschrift versehenen Selbsterklärungen
unterzeichnet, nachdem
sie zuvor mit Landsleuten den Inhalt erörtert hatte. Sie war
sich dabei über
die Umstände und Ziele der Kampagne im klaren.
In der Bundesrepublik Deutschland gelangten ca. 100.000 derartige
Erklärungen
an Behörden.
- 6 -
2. Die Strafkammer hat einen Verstoß gegen das
vereinsrechtliche Betätigungsverbot
nicht in den Symphatiekundgebungen und in der Forderung
nach Aufhebung des Verbots, sondern allein in der Erklärung
gesehen, "das
Verbot nicht anzuerkennen und die Verantwortung zu übernehmen,
die sich
daraus ergebe". Dadurch werde im Rahmen einer auf solidarische
Außenwirkung
angelegten Kampagne zum Ungehorsam gegen das Verbot aufgerufen.
II. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge
hat keinen
Rechtsfehler ergeben.
1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, daß die Angeklagte
durch die Unterzeichnung der Bekenntniserklärung und ihre
Teilnahme an der
vom Präsidialrat der PKK beschlossenen Kampagne dem
vollziehbaren Verbot
nach § 18 Satz 2 VereinsG, sich für die PKK zu
betätigen, zuwidergehandelt
und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG
verwirklicht hat.
a) Im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG handelt einem
Betätigungsverbot
nach § 18 Satz 2 VereinsG auch ein nichtmitgliedschaftlich und
sonst
nicht organisatorisch eingebundener Dritter zuwider, wenn sein
Verhalten auf
die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und dieser
förderlich ist. Auf die Feststellung
eines tatsächlich eingetretenen meßbaren Nutzens
kommt es nicht an;
es genügt, daß das Täterhandeln konkret
geeignet ist, eine für die verbotene
Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen (BGHSt 42,
30, 31).
Die "Selbsterklärung" der Angeklagten war auf die verbotene
Tätigkeit
der PKK bezogen und - jedenfalls unter Berücksichtigung der
Kampagne, in
deren Rahmen sie abgegeben wurde - konkret geeignet, eine für
die verbotene
Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung zu entfalten. Eine
solche Eignung kommt
den Bekenntnissen aufgrund der in ihnen erklärten Absicht,
"das Verbot nicht
- 7 -
an(zu)erkenne(n) und sämtliche Verantwortung (zu)
übernehme(n), die sich
daraus ergibt," in zweifacher Weise zu:
Vorteilhafte Wirkungen können sich zum einen unmittelbar aus
der persönlichen
Festlegung jedes Unterzeichners, darunter auch der Angeklagten,
darauf ergeben, das Verbot auch künftig nicht zu beachten und
sich von Zuwiderhandlungen
selbst durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen nicht
abhalten zu lassen. Solche Selbstfestlegungen verschaffen den
Verantwortlichen
der PKK für künftige Aktionen Planungsgrundlagen und
erleichtern ihnen
so die Fortsetzung der verbotenen Aktivitäten.
Zum anderen liegt es - worauf das Landgericht ebenfalls zu Recht
abgestellt
hat - auf der Hand, daß die Selbstbekenntnisse der
Tätigkeit der PKK
auch über eine durch sie vermittelte Stärkung der
Solidarität mit anderen
potentiellen Symphatisanten der Tätigkeit der PKK im Hinblick
auf künftige verbotene
Vereinsaktivitäten förderlich ist. Durch die
Beteiligung an der groß angelegten
Selbstbekenntnisaktion gibt der Unterzeichner auch anderen kurdischen
Landsleuten, die der Sache der PKK nahestehen, einen Anstoß,
sich
ihrerseits anzuschließen und Selbstbekenntnisse zu
unterzeichnen; dies wird
im übrigen durch die Feststellung anschaulich belegt,
daß der Angeklagten
eine Weigerung, an der Kampagne teilzunehmen, schwer gefallen
wäre. Hinzu
kommt, daß den einzelnen Mitgliedern und Symphatisanten bei
künftigen verbotenen
Aktivitäten die Überschreitung der Schwelle zur
Strafbarkeit nach § 20
Abs. 1 Satz 4 VereinsG in der Gewißheit nicht allein zu
stehen, sondern in der
Gemeinschaft mit vielen Gleichgesinnten vorzugehen, wesentlich
erleichtert
wird. Unter diesem Aspekt wirkt sich die Unterzeichnung von
Selbstbekenntnissen
im Rahmen einer groß angelegten Aktion auch schon aktuell
vorteilhaft
für die Tätigkeit der PKK aus.
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b) Der Annahme dieser für die PKK förderlichen
Wirkungen steht nicht
entgegen, daß die Erklärungen nach ihrem Wortlaut
nur an die deutschen Behörden
gerichtet waren und diesen übergeben wurden. Denn nach den
Feststellungen
ging der von der PKK initiierten und gesteuerten Kampagne eine
groß angelegte Werbung voraus; der Inhalt der
Erklärung wurde unter den kurdischen
Landsleuten erörtert; die Schreiben wurden gesammelt und dann
- wie
hier - im Rahmen von Demonstrationen in der Öffentlichkeit
übergeben. Damit
erhielten nicht nur die Verantwortlichen der PKK Kenntnis, vielmehr
handelt es
sich um eine öffentlichkeitswirksame Aktion, die -
entsprechend der Absicht der
Initiatoren - die ihr zugedachten Wirkungen jedenfalls auch bei den
angesprochenen
kurdischen Landsleuten entfalten konnte.
Daraus folgt zugleich, daß die
Tatbestandsmäßigkeit der Beteiligung der
Angeklagten an der Selbstbekenntnis-Aktion - entgegen der Auffassung der
Revision - weder daran scheitert, daß es an einer
Außenwirkung fehlt, noch
daran, daß ihr Verhalten nicht erheblich war.
Das Merkmal einer gewissen Außenwirkung hat der Senat bei der
Beurteilung
des Verhaltens eines außenstehenden Dritten gefordert, der
Propagandamaterial
der PKK aus eigenem Antrieb, ohne hierzu von der PKK oder
ERNK beauftragt worden zu sein, bei sich lediglich gelagert hatte. Bei
dieser
Fallkonstellation ist eine strafbare Zuwiderhandlung gegen das
Betätigungsverbot
nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG verneint worden, weil diese
Handlung
der PKK unbekannt geblieben war und von dieser weder als Entlastung von
der
Erfüllung eigener Aufgaben noch als Bestärkung ihres
Willens zur Fortsetzung
der verbotenen Vereinstätigkeit empfunden werden konnte.
Mangels Außenwirkung
stelle das bloße Vorrätighalten, solange es nicht zu
Verbreitungsakten
gekommen sei, noch keinen ausreichenden Förderungsbeitrag dar
(BGH NJW
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1997, 2251 f.). Bei einer unmittelbaren Förderung der
verbotenen Vereinstätigkeit,
etwa durch Sammeln von Spenden (vgl. BGHSt 43, 312, 313) oder - wie
hier - durch Beteiligung an einer von der Führungsebene der
PKK initiierten,
groß angelegten Kampagne, die auf Stärkung der
Bereitschaft von Symphatisanten
zu verbotenen Aktivitäten abzielt und eine Verfahrensflut -
mit der Folge
der Lahmlegung der Strafjustiz - auslösen soll, kommt es auf
eine Außenwirkung
von vorne herein nicht an; sie könnte im übrigen nach
den festgestellten
Umständen auch nicht zweifelhaft sein.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, daß ihr
Verhalten nicht erheblich
im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHSt 43, 312, 313) sei,
hat
schon der Generalbundesanwalt zu Recht darauf hingewiesen,
daß damit nicht
nur schwerwiegende Verstöße von § 20 Abs. 1
Satz 4 VereinsG erfaßt werden
sollen. Das Merkmal der Erheblichkeit soll dazu dienen,
tatbestandsmäßige
von eher neutralen Handlungen abzugrenzen, und will sicherstellen,
daß nur
solches Verhalten bestraft wird, das gerade unter dem Gesichtspunkt der
Verbotsgründe
von Belang ist. Das liegt bei der Beteiligung der Angeklagten an
der Selbstbekennntis-Aktion auf der Hand. Der Versuch der Revision, bei
der
Bewertung der Erheblichkeit des der Angeklagten vorgeworfenen Verhaltens
ihre Erklärung isoliert in den Blick zu nehmen, wird der
Sachlage nicht gerecht.
Gewicht und Prägung erhält ihre Erklärung
dadurch, daß die Angeklagte mit ihr
einen Beitrag zu einer groß angelegten und auf solidarische
Außenwirkung
bedachten Kampagne geleistet hat.
c) Einen Rechtsfehler deckt die Revision auch insoweit nicht auf, als
sie
sich gegen die Auslegung des "Selbstbekenntnisses" durch das Landgericht
wendet. Mit dieser Erklärung haben sich die Unterzeichner,
auch die Angeklagte,
nicht darauf beschränkt, Freiheit und Selbstbestimmung
für das kurdi-
10 -
sche Volk zu fordern, die Aufhebung des Betätigungsverbots
für die PKK zu
verlangen und dessen Aufrechterhaltung auf das Schärfste zu
mißbilligen.
Hätten die Selbstbekenntnisse lediglich diesen Inhalt, so
würden sich die Erklärungen
allerdings als Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit
gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen (vgl.
BVerfG NStZ-RR 2002, 120).
Als solche wäre das Selbstbekenntnis der Angeklagten von
§ 20 Abs. 1 Nr. 4
VereinsG auch nicht mit Blick darauf erfaßt, daß
sie es im Rahmen einer groß
angelegten Kampagne abgegeben hat und die Erklärung - als
ungewollte Folge
- eine Belebung der von der Vorschrift verbotenen
Vereinstätigkeit bewirken
könnte. Es versteht sich, daß das Grundrecht auf
Meinungsfreiheit das Recht
einschließt, die eigene Meinung möglichst wirksam
zur Geltung zu bringen.
Eine Auslegung der Erklärung der Angeklagten in dem ihr von
der Revision
zugeschriebenen Sinn ist aber - auch unter Berücksichtigung
der Anforderungen,
die sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG an die Deutung von
Äußerungen
ergeben, ausgeschlossen. Danach ist vor ihrer strafrechtlichen Ahndung
sorgfältig
zu prüfen, ob nicht auch eine andere Auslegung in Betracht
kommt, bei
der die fragliche Äußerung von der Meinungsfreiheit
gedeckt und nicht strafbar
ist (vgl. BVerfGE 82, 43, 52; 93, 266, 295, 296). Bei einer ihren Sinn
und
Zweck sowie die Umstände ihrer Abgabe, insbesondere den
Hintergrund der
Gesamtkampagne und deren Zielsetzung berücksichtigenden
Auslegung können
die "Selbstbekenntnisse" nicht dahin verstanden werden, daß
die Unterzeichner
- was allerdings ihr eigentliches und vorrangiges Anliegen sein mag -
lediglich
Freiheit und Selbstbestimmung für das kurdische Volk fordern
und die Überprüfung
des Verbots der Betätigung für die PKK sowie dessen
Aufhebung verlangen.
Vielmehr geht es den Erklärenden - entsprechend der
zutreffenden
Auslegung des Landgerichts - darum, unter allen Umständen,
also gerade auch
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für den von ihnen erwarteten Fall, daß es bei dem
Verbot verbleibt, durch
Selbstfestlegung und Stärkung der Solidarität mit der
PKK einen Beitrag zur
Fortführung ihrer Tätigkeit zu leisten.
Nach dem Gesamtzusammenhang der Erklärung und den
festgestellten
Umständen der Kampagne kommt ein anderer Sinngehalt, der nicht
gegen § 20
Abs. 1 Nr. 4 VereinsG verstoßen würde, nicht in
Betracht. Schon durch die das
Bekenntnis abschließende Erklärung, daß er
"sämtliche Verantwortung übernehme,
die sich daraus (also aus der Nichtanerkennung des Verbots) ergebe",
bringt der Unterzeichner unmißverständlich zum
Ausdruck, daß er bereit ist,
das Verbot, unabhängig von dessen geforderter Aufhebung, zu
mißachten, und
die der Zuwiderhandlung nachfolgende strafrechtliche Verfolgung in Kauf
zu
nehmen. Der Zusatz hätte nämlich sonst keinen Sinn,
da derartige Konsequenzen
- auch für die Erklärenden erkennbar - offensichtlich
nicht zu erwarten
sind, wenn nur eine Kritik des Verbots geäußert und
dessen Aufhebung gefordert
wird. Denn eine solche Äußerung wäre durch
das Recht auf Meinungsfreiheit
gedeckt und damit straflos.
Die danach zutreffende Auslegung der Strafkammer wird durch den Umstand
bestätigt, daß es erklärtes Ziel der
Kampagne war, die Strafverfolgungsbehörden
mit einer solchen Anzahl von Verfahren zu belasten, daß sie
diese
nicht mehr bewältigen können. Mit dieser Zielsetzung,
die sich die Beschwerde-
führerin nach den Feststellungen zu eigen gemacht hat, ist im
übrigen die
vom Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung erwogene Auslegung
nicht
in Einklang zu bringen, nach der sie habe zum Ausdruck bringen wollen,
die
Strafverfolgung nur für den Fall in Kauf zu nehmen,
daß die deutschen Behörden
sie wegen der durch das Grundrecht auf freie
Meinungsäußerung gedeckten
Forderung nach Aufhebung des Verbots verfolgen sollten. Die nur va-
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ge Aussicht auf eine Strafverfolgung unter offenkundiger
Mißachtung des
Rechts auf freie Meinungsäußerung war auch aus der
Sicht der Beteiligten erkennbar
nicht geeignet, den genannten Zweck der Kampagne zu erreichen.
d) Auch die subjektiven Voraussetzungen eines Verstoßes gegen
§ 20
Abs. 1 Nr. 4 VereinsG hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei bejaht.
Danach waren
der geständigen Angeklagten die Ziele und Umstände
der Kampagne sowie
der Inhalt der unterzeichneten Erklärung, den sie zuvor mit
Landsleuten
erörtert hatte, bekannt.
2. Zum Strafausspruch hat die Nachprüfung des Urteils
ebenfalls keinen
Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat
straf- mildernd berücksichtigt, daß die Tat durch
ihre kurdische Volkszugehörigkeit,
die Verfolgung in ihrer Heimat und ein "dominantes,
kämpferisches politisches
Engagement" gekennzeichnet ist. Zwar hat es nicht ausdrücklich
erörtert,
daß die wertsetzende Bedeutung der Meinungsfreiheit bei der
Strafzumessung
zu berücksichtigen ist (vgl. BVerfG NStZ 1994, 357, 358; NJW
1999,
204, 205; 2002, 1031, 1034 f.), doch zeigen seine Erwägungen,
daß es diesen
Umstand der Sache nach Rechnung getragen hat, zumal es die Angeklagte
nur
mit einer mäßigen Geldstrafe belegt hat, obgleich
diese die Tat während einer
laufenden Bewährungszeit aus einer Vorverurteilung zu einer
Freiheitsstrafe
von vier Monaten wegen Besetzung einer Botschaft im Rahmen einer
PKKAktion
begangen hatte. Im übrigen kommt diesem Umstand bei der
Verhängung
lediglich
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geringfügiger Geldstrafen die Bedeutung eines bestimmenden
Strafzumessungsgrundes
im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht zu.
Tolksdorf Miebach Winkler
Richter am Bundesgerichtshof
Pfister ist wegen Erkrankung an
der Unterzeichnung gehindert.
Tolksdorf Becker |