BGH,
Urt. v. 27.3.2003 - 5 StR 434/02
5 StR 434/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. März 2003
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in
nicht geringer Menge u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 27.
März 2003, an der teilgenommen haben: Richter Basdorf als
Vorsitzender, Richter Häger, Richter Dr. Raum, Richter Dr.
Brause, Richter Schaal als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der
Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger, Justizangestellte als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Braunschweig vom 19. März 2002 wird verworfen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das genannte Urteil
insoweit aufgehoben, als - jenseits des angeordneten Verfalls von
26.915,75 DM als Wertersatz - die Anordnung von Verfall und Verfall des
Wertersatzes unterblieben ist.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels der
Staatsanwaltschaft, an eine andere Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben
Fällen und wegen eines Vergehens nach dem Waffengesetz zu
einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten
verurteilt. Es hat den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von
26.915,75 DM als Wertersatz angeordnet. Die gegen die Verurteilung
wegen der Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz
gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des
Angeklagten ist unbegründet. Dagegen hat die - auf die Frage
einer weitergehenden Anordnung des Verfalls beschränkte -
Revision der Staatsanwaltschaft mit der allein erhobenen
Sachrüge Erfolg.
Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt:
Der Angeklagte verkaufte unter Mitwirkung des Zeugen T einmal
100 g Kokain (davon 10 g an T selbst) und zweimal 50 g Kokain, jeweils
mit einem Wirkstoffanteil von mindestens 15 %. Hierfür erhielt
der Angeklagte insgesamt 25.000,00 DM (Fälle 1 bis 3). Im Fall
4 beauftragte der Angeklagte den Zeugen T , 1 kg Kokain aus den
Niederlanden zu beschaffen, und übergab ihm hierfür
60.000,00 DM. T beschaffte unter Mitwirkung u. a. des Zeugen Z
für 30.000,00 DM 500 g Kokain, das er dem
Angeklagten überreichte. In den Fällen 5 und 6
ließ der Angeklagte sich durch den Zeugen T , dem er
dafür vorab jeweils 60.000,00 DM übergab
und der sich der Mitwirkung des Zeugen Z bediente, jeweils
1 kg Kokain aus den Niederlanden beschaffen. In gleicher Weise erlangte
der Angeklagte im Fall 7 nach Vorabzahlung von 33.000,00 DM 500 g
Kokain. Das in den Fällen 4 bis 7 gehandelte Kokain hatte
einen Wirkstoffgehalt von mindestens 20 % und wurde vom Angeklagten -
jeweils überwiegend - mit Gewinn weiterverkauft. Am 17.
September 2001 wurden in der Wohnung des Angeklagten 139 g Kokain mit
einem Wirkstoffgehalt von 22,6 %, 26.915,75 DM Bargeld und eine Flinte
mit 49 Patronen sichergestellt.
I. Die Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung
stand. Namentlich ist die Beweiswürdigung frei von
Rechtsfehlern.
Das Landgericht hat seine Überzeugung von den sieben
Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
insbesondere aufgrund einer umfassenden Würdigung derjenigen
Angaben gewonnen, die der Zeuge T im
Laufe des Verfahrens gemacht hat. Stützend hat das Landgericht
herangezogen, daß in der Wohnung des Angeklagten 139 g Kokain
und 26.915,75 DM Bargeld in breitgestreuter Stückelung
sichergestellt worden sind.
Weshalb das Landgericht den Zeugen G und L nicht geglaubt hat, hat es
ausreichend dargelegt. Soweit die Revision die Beweismittel anders
würdigt, zeigt sie damit keinen Rechtsfehler auf. Insbesondere
besteht der von der Revision gesehene Widerspruch nicht: Die
Bezeichnung der Fälle 1 bis 3 als (quantitativ) "am
Gesamtkomplex gemessen relativ unbedeutendes Geschehen" einerseits und
die Bewertung der Bekundungen des Zeugen T in diesen Fällen
als (beweislich) "ferner entscheidend" andererseits ist keineswegs
widersprüchlich.
Daß das Landgericht, während es die
rechtskräftige Verurteilung des Zeugen T wegen
Betäubungsmitteldelikten zu drei Jahren und sechs Monaten
Gesamtfreiheitsstrafe und die Entwicklung der Aussage dieses Zeugen
umfassend mitteilt und seine Aussagemotivation ausführlich
würdigt, ohne dabei die Vorschrift des § 31 BtMG zu
zitieren, begründet nicht die Besorgnis, daß der
Tatrichter die von dieser Norm latent ausgehende Gefahr einer
Verführung zur Falschbezichtigung Dritter etwa
übersehen hätte.
2. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher
Prüfung stand.
Dies gilt namentlich für die Verfallsanordnung. Zutreffend
geht die Revision des Angeklagten davon aus, daß der
für einen Verfall in
Betracht kommende Vermögensvorteil durch eine angeklagte und
festgestellte Tat erlangt sein muß (BGHSt 28, 369; BGH StV
1981, 627; BGH, Beschl. vom 10. Juni 1998 - 3 StR 182/98; BGH, Beschl.
vom 17. Mai 1999 - 5 StR 155/99; W. Schmidt in LK 11. Aufl. §
73 Rdn. 17; Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 73 Rdn.
6). Dem hat das Landgericht Rechnung getragen, indem es sich davon
überzeugt hat, daß das in den
Räumlichkeiten des Angeklagten sichergestellte Bargeld in
Höhe von 26.915,75 DM Gewinn "aus den Straftaten" - scil. aus
den sieben festgestellten Verbrechen nach dem
Betäubungsmittelgesetz - war. Einer Feststellung derart, aus
welcher einzelnen dieser Taten das Geld erlangt worden war, bedurfte es
nicht (BGHR StGB § 73 Vorteil 5).
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft dringt durch.
1. Aus den Feststellungen ergibt sich, daß der Angeklagte aus
den sieben Taten nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zumindest
folgendes im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB "erlangt" hat:
In den Fällen 1 bis 3 erhielt
der Angeklagte von T als Erlös aus den
Kokainverkäufen einmal
12.000,00 DM und zweimal 6.500,00 DM, insgesamt also 25.000,00 DM. In
den Fällen 4 bis 7 verkaufte der Angeklagte Heroin, das er zu
Preisen
von 30.000,00 DM (Fall 4), zweimal 60.000,00 DM (Fälle 5 und
6) und 33.000,00 DM (Fall 7) erworben hatte, überwiegend mit
Gewinn weiter; allein der Einkaufspreis dieser vier Fälle
beträgt zusammen 183.000,00 DM; der Verkaufspreis lag
jedenfalls insgesamt höher. Danach hat der Angeklagte aus den
genannten Taten jedenfalls mehr als 208.000,00 DM erlangt,
nämlich aus den Fällen 1 bis 3 25.000,00 DM
Verkaufserlös und aus den Fällen 4 bis 7 den
jedenfalls über dem Einkaufspreis von 183.000,00 DM liegenden
Verkaufspreis. Dies hat das Landgericht übersehen, indem es
lediglich den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 26.915,75
DM als Wertersatz angeordnet und gemeint hat, eine weitere
Verfallsanordnung käme nicht in Betracht, "weil insoweit
sichere Feststellungen zur Höhe des Erlangten nicht getroffen
werden konnten".
2. Vielmehr war es zwingend geboten, in Höhe des sich nach dem
Bruttoprinzip ergebenden Geldbetrages den Verfall (des Wertersatzes)
anzuordnen, soweit nicht die Härtevorschrift des §
73c Abs. 1 StGB entgegensteht.
a) Hierfür ist zunächst maßgeblich,
daß das Bruttoprinzip gilt,
wonach nicht nur der bloße, sich nach Abzug der Aufwendungen
ergebende Gewinn, sondern alles, was der Täter für
die Tat oder aus ihr
erlangt hat, ohne Abzug gewinnmindernder Kosten dem Verfall unterliegt
(BGH, Urt. v. 21. August 2002 - 1 StR 115/02, zur
Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen = NJW 2002, 3339, 3340;
BGHR StGB § 73d Strafzumessung 1; BGH NStZ 1996, 539; W.
Schmidt aaO § 73 Rdn. 18; Eser in
Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 73 Rdn.
17; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 3, 7).
b) Zudem ist die Anordnung des Verfalls (des Wertersatzes)
obligatorisch, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen (BGH, Urt. v. 21.
August 2002 aaO; BGHR StGB § 73c Härte 5; BGHR StGB
§ 43a Konkurrenzen 1, 2; W. Schmidt aaO § 73 Rdn. 49,
§ 73a Rdn. 14; Eser aaO § 73 Rdn. 44, § 73a
Rdn. 9; Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 5, §
73a Rdn. 3).
c) Ob der Angeklagte den erlangten Vorteil noch immer hat,
ist hier einzig unter dem Gesichtspunkt der Härtevorschrift
des § 73c Abs.1 Satz 2 StGB von Bedeutung (BGH, Urt. v. 21.
August 2002 aaO; W. Schmidt aaO § 73c Rdn. 2 f.;
Tröndle/Fischer aaO § 73 Rdn. 10). Für die
Anwendbarkeit dieser Ermessensvorschrift (BGHR StGB § 73c
Härte 5) kommt es zunächst darauf an, ob der Wert des
Erlangten noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist. Die
entsprechende Beurteilung setzt die Feststellung der
Vermögensverhältnisse des Angeklagten voraus. Hierzu
enthält das angefochtene Urteil lediglich die - insoweit
unzulängliche - Feststellung, daß der Angeklagte im
Februar 2001 ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück
erwarb, dessen Eigentümerin "mittlerweile" seine
Lebensgefährtin ist.
III. Danach hebt der Senat das angefochtene Urteil insoweit auf, als
- jenseits des rechtsfehlerfrei angeordneten Verfalls von 26.915,75 DM
als Wertersatz - die Anordnung von Verfall und Verfall des Wertersatzes
unterblieben ist. Dies zieht nicht die Aufhebung von Feststellungen
nach sich; solche sind rechtsfehlerhafterweise unterblieben.
Die verhängten Strafen können bestehenbleiben; denn
die mit dem Verfall verbundene Vermögenseinbuße ist
regelmäßig (BGHR StGB § 73d Strafzumessung
1) und so auch hier kein Strafmilderungsgrund.
Der neue Tatrichter wird zunächst den Wert des aus den
Straftaten nach dem BtMG Erlangten festzustellen haben. Hierbei ist
eine Schätzung nach § 73b StGB möglich.
Alsdann sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten
- soweit möglich - aufzuklären. Auf der Grundlage
dieser Feststellungen wird - eingedenk des obligatorischen Charakters
der Vorschriften der §§ 73, 73a StGB , jedoch unter
Berücksichtigung von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB (BGH,
Urt. v. 10. Oktober 2002 - 4 StR 233/02, zur Veröffentlichung
in BGHSt vorgesehen = NJW 2003, 300) - über die Anordnung
eines Verfalls (als Wertersatz) nach Ermessensgrundsätzen zu
entscheiden sein.
Basdorf Häger Raum Brause Schaal |