BGH,
Urt. v. 27.11.2008 - 3 StR 450/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 450/08
vom
27. November 2008
in dem Sicherungsverfahren
gegen
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27.
November 2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Pfister,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Hubert
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Mönchengladbach vom 8. Juli 2008 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten entstandenen
notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des
Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Hiergegen
richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision
der Staatsanwaltschaft. Dem vom Generalbundesanwalt vertretenen
Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt.
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1. a) Nach den Feststellungen stand der Beschuldigte, der seit 1998 an
einer mit Verfolgungsgedanken und Halluzinationen einhergehenden
Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie leidet, zur Tatzeit
unter dem Einfluss eines akuten Schubs seiner psychischen Erkrankung.
Er hatte zudem erhebliche Mengen Alkohol konsumiert; seine
Blutalkoholkonzentration betrug ca. 3 Stunden nach Begehung der Taten
2,02 ‰. In diesem Zustand erbat er von dem ihm unbekannten
K. eine Zigarette. Dieser übergab ihm mit dem Bemerken, er
könne sich eine Zigarette drehen, ein Päckchen Tabak
im Wert von 2 Euro. Der Beschuldigte begann sich eine Zigarette zu
drehen, wandte sich jedoch dann ab und entfernte sich. Als K. ihm
hinterherrief und die Rückgabe seines Tabaks forderte,
äußerte der Beschuldigte "Ich kann dir auch die Nase
brechen" und "Das ist jetzt mein Tabak". Als zufällig in der
Nähe
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aufhältliche und vom Tatopfer herbeigerufene Polizeibeamte den
Angeklagten wegen des Vorfalles ansprachen, beleidigte der Beschuldigte
die Beamten und drohte ihnen auf der anschließenden Fahrt zum
Polizeirevier an, sie zu töten, eine Bombe in die Wache zu
werfen, sie zu erschießen und mit einem "Truck" zu
überfahren.
b) Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil des K. als
räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB) und die Taten zum
Nachteil der Polizeibeamten als Beleidigungen (§ 185 StGB) und
Bedrohung (§ 241 StGB) gewertet. Es hat eine
vollständige Aufhebung der Einsichtsfähigkeit des
Beschuldigten infolge eines psychosebedingt gestörten
Realitätsbezugs zur Tatzeit nicht auszuschließen
vermocht, jedenfalls aber eine erheblich verminderte
Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten als gesichert angenommen.
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Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) hat die Strafkammer
abgelehnt. Sachverständig beraten hat sie sich die
Überzeugung gebildet, dass vom Beschuldigten zwar auch in
Zukunft krankheitsbedingt weitere, im Schweregrad mit den Anlasstaten
vergleichbare Taten zu erwarten sind. Sie ist aber zu der Auffassung
gelangt, dass diese Taten nicht als erheblich anzusehen sind und der
Beschuldigte deshalb für die Allgemeinheit nicht
gefährlich im Sinne des § 63 StGB ist.
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2. Die Ablehnung der Maßregelanordnung hält
rechtlicher Prüfung stand. Das Landgericht hat die
für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
erforderliche Gefährlichkeitsprognose mit tragfähiger
Begründung verneint.
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a) Wegen der Schwere des Eingriffs in die persönliche Freiheit
und mit Rücksicht auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (§ 62 StGB)
können nur
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schwere Störungen des Rechtsfriedens, die zumindest in dem
Bereich der mittleren Kriminalität hineinreichen, eine
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (st.
Rspr.; vgl. BGHSt 27, 246, 248; BGH NStZ 2008, 210, 212). Auch muss
aufgrund einer umfassenden Würdigung von Tat und
Täter eine höhere oder doch bestimmte, jedenfalls
über die bloße Möglichkeit hinausreichende
Wahrscheinlichkeit zu bejahen sein, dass der Täter infolge
seines Zustands weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird
(vgl. BGH NStZ-RR 2005, 72, 73).
b) Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet.
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aa) Es hat insbesondere nicht verkannt, dass sich die Erheblichkeit
drohender Taten bereits ohne weiteres aus dem Deliktstypus der
Anlasstat ergeben kann und die Erheblichkeitsschwelle deshalb bei
Verwirklichung von Verbrechenstatbeständen
regelmäßig überschritten ist (vgl. BGH
NStZ-RR 2005, 72, 73; BGH NStZ 2008, 563, 564; BGH StraFo 2008, 300).
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Das Landgericht ist zurecht davon ausgegangen, dass es sich bei der Tat
zum Nachteil des K. um ein Verbrechen, einen räuberischen
Diebstahl gemäß § 252 StGB, handelt. Den
Deliktscharakter dieser Tat hat das Landgericht ausdrücklich
bei Erörterung der Legalprognose berücksichtigt.
Soweit es dieses Tatgeschehen gleichwohl als "harmlos" gewertet und
sich deshalb gehindert gesehen hat, hierauf die
Gefährlichkeitsprognose zu stützen, ist dies aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Verbrechen in besonders
gelagerten Ausnahmefällen, etwa dann, wenn sie aufgrund ihres
äußeren Erscheinungsbildes von der Allgemeinheit als
eher harmlos oder als nur belästigend wahrgenommen werden und
überdies nur zu geringfügigen
Beeinträchtigungen des Tatopfers geführt haben, trotz
ihres Deliktscharakters die in § 63
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StGB vorausgesetzte Gefährlichkeitsprognose nicht zu
begründen vermögen (vgl. für den Fall eines
räuberischen Diebstahls BGH, Urt. vom 14. Februar 2001 - 3 StR
455/00; für den Fall einer versuchten räuberischen
Erpressung BGH NStZ-RR 2005, 303, 304). Das Vorliegen eines solchen
Ausnahmefalls hat das Landgericht mit tragfähiger
Begründung unter Berücksichtigung aller
maßgeblichen Umstände bejaht. Es hat dabei nicht nur
auf die denkbar geringe Tatbeute, die der Beschuldigte erstrebte,
abgestellt, sondern insbesondere hervorgehoben, dass dieser keine
Anstalten machte, seine Drohungen in die Tat umzusetzen. Diese Wertung
begegnet mit Blick auf das der Tat unmittelbar nachfolgende Verhalten
des Beschuldigten gegenüber den Polizeibeamten, das sich
ebenfalls in verbalen Aggressionen erschöpfte, keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
bb) Die Ausführungen des Landgerichts lassen auch nicht
besorgen, dass es bei Prüfung der Legalprognose die
gegenüber den Polizeibeamten ausgesprochenen Todesdrohungen
bzw. einen ähnlich gelagerten Vorfall aus dem Jahr 2002, bei
welchem der Beschuldigte ebenfalls in akut psychotischem Zustand eine
ihm unbekannte Person mit dem Tod bedrohte und sich - um sich schlagend
und tretend - dem Zugriff der Polizei widersetzte, außer acht
gelassen oder diese Delikte rechtsfehlerhaft als von vorneherein
unerheblich im Sinne des § 63 StGB angesehen hat (vgl. BGH
NStZ-RR 2005, 303, 304 und 2006, 338; BGH NStZ 2008, 563, 564).
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Die Urteilsgründe lassen vielmehr hinreichend erkennen, dass
die Strafkammer auch diesen Delikten keine für die
Begründung einer Gefährlichkeitsprognose im Sinne des
§ 63 StGB ausreichende Bedeutung beigemessen hat, weil die
Drohungen - wie bei der Tat zum Nachteil der Polizeibeamten - entweder
aus Sicht der Tatopfer keinen realen Hintergrund hatten oder sich die
Übergriffe des Beschuldigten in Verbalaggressionen
erschöpften. Anhaltspunkte
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dafür, dass die naheliegende Gefahr der Verwirklichung der
ausgesprochenen Drohungen bestand, hat das Landgericht nicht
festgestellt. Gegen diese Wertung ist mit Blick auf den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit nach § 62 StGB
aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
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cc) Das Landgericht hat schließlich unter
erschöpfender Würdigung der Taten und der
Persönlichkeit des Beschuldigten keine konkreten Anhaltspunkte
für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit festzustellen
vermocht, dass der Beschuldigte künftig schwerwiegendere
Straftaten als bisher begehen wird. Rechtsfehler lässt diese
Wertung nicht erkennen, zumal sich das Landgericht auch eingehend und
revisionsrechtlich beanstandungsfrei mit weiteren
Auffälligkeiten im Werdegang des Beschuldigten - etwa seinem
zweimaligen unvorsichtigen Hantieren mit Feuer in einem Wohnhaus zur
Bekämpfung von Geruchshalluzinationen - auseinandergesetzt hat.
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Becker Miebach Pfister
Sost-Scheible Hubert |