BGH,
Urt. v. 27.10.2004 - 5 StR 130/04
5 StR 130/04
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. Oktober 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Hauptverhandlung
vom
26. und 27. Oktober 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt B ,
Rechtsanwalt Dr. H
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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in der Sitzung vom 27. Oktober 2004 für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des
Landger ichts Berlin vom 21. Juli 2003 wird mit der Maß-
gabe verwor fen, daß im Fall II. C der Urteilsgründe
die
tateinheitliche Ver urteilung wegen vorsätzlicher
Körper-
verletzung entfällt. Der Angeklagte hat die Kosten des
Rechtsmittels und die dadurch der Nebenklägerin ent-
standenen notwendigen Auslagen zu tragen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbe-
zeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, so-
weit von der Anordnung von Sicherungsverwahrung ab-
gesehen worden ist und im gesamten Strafausspruch.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des
Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landge-
richts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
G r ü n d e
I.
1. Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
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a) Der Angeklagte lockte am Abend des 14. Oktober 1995 die 17 Jah-
r e alte Geschädigte F unter einem Vor wand auf
einen Waldweg und
zwang sie durch Dr ohung mit gegenwärtiger Gefahr für
Leib oder Leben un-
ter anderem zum Oralverkehr (Fall II. B der Urteilsgründe).
b) Weiterhin lockte der Angeklagte am Abend des 7. September
1996
die 16 Jahre alte Nebenklägerin T unter demselben
Vorwand in den
Wald, wo er sie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr
für Leib oder Leben
unter anderem zum außerehelichen Beischlaf zwang und mit
einem Gürtel
schlug (Fall II. C der Urteilsgründe).
2. Den er sten Fall hat die Str afkammer als sexuelle
Nötigung gemäß
§ 178 Abs. 1 StGB a.F. gewertet. Hierfür hat sie eine
Einzelstrafe von acht
Jahren verhängt. Den zweiten Fall hat die Strafkammer als
Vergewaltigung in
Tateinheit mit vorsätzlicher Körper verletzung
gemäß § 177 Abs. 1 StGB a.F.,
§ 223 StGB a.F., § 52 StGB gewertet und eine Strafe
von neun Jahren und
sechs Monaten verhängt. Aus den genannten Strafen ist eine
Gesamtfrei-
heitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten gebildet
worden. Von Maß-
r egeln der Besserung und Sicherung hat die Strafkammer abgesehen.
3. Gegen dieses Urteil richtet sich die unbeschränkt
eingelegte Revisi-
on des Angeklagten, die auf eine Reihe von Verfahrensrügen und
die Sach-
r üge gestützt ist.
Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachr
üge gestütz-
ten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, nur dagegen,
daß keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
Die Revision des Angeklagten hat teilweise, die der
Staatsanwalt-
schaft in vollem Umfang Er folg. Die Revision der Staatsanwaltschaft
führt
zugleich dazu, daß der Strafausspruch zugunsten des
Angeklagten aufzuhe-
ben war.
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II.
Zur Revision des Angeklagten:
1. Hinsichtlich des im Fall II. C der Urteilsgründe
tateinheitlich abgeur-
teilten Vergehens nach § 223 StGB a.F. ist
Verfolgungsverjährung eingetre-
ten. Die Tat wurde am 7. September 1996 begangen. Eine
verjährungsunter-
brechende Handlung, der Erlaß eines Dur chsuchungsbeschlusses
für die
Wohnung des Beschuldigten durch das Amtsgericht Tiergarten in Berlin
(vgl.
§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB), erfolgte erst am 18. Febr uar 2002
(Bd. III Bl. 129
d. A.). Zu diesem Zeitpunkt war die fünfjährige Ver
jährungsfrist (§ 78 Abs. 3
Nr. 4 StGB) bereits abgelaufen.
Dies führt zur Reduzierung des Schuldspruchs.
2. Die Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Die nach § 338 Nr. 3 StPO erhobene
Verfahrensrüge, die sich auf
eine Mitwirkung der abgelehnten Richter an einer Haftentscheidung vom
22. Mai 2002 stützt, geht fehl. Die Ablehnung und die
Entscheidung dar über
geschahen vor Eröffnung des Hauptver fahrens. Das
Kammergericht hat die
sofortige Beschwerde, die sich gegen den die Ablehnung
zurückweisenden
Beschluß des Landgerichts richtete, verworfen. Der
Beschwerdeführ er kann
sich nicht mit der Revision gegen den bereits rechtskräftigen
Ablehnungs-
beschluß der Strafkammer wenden (§ 336 StPO; vgl.
Pfeiffer in KK 5. Aufl.
§ 28 Rdn. 7).
b) Die auf § 244 Abs. 2 und 4 StPO, § 338
Nr. 8 StPO gestützte Rüge,
zwei Beweisanträge zur Bestellung eines weiteren
Sachverständigen seien
zu Unrecht abgelehnt worden, ist unzulässig. Entgegen
§ 344 Abs. 2 Satz 2
StPO werden die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen
nur teil-
weise mitgeteilt. So werden die Gutachten der Sachverständigen
Dr. B
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vom 7. März 2003 und Dr. R vom 13. September 2000 ebenso nur
aus-
zugsweise mitgeteilt wie der in bezug genommene Beweisantrag vom
22. Januar 2003.
c) Die Rüge, das Landgericht habe entgegen
§ 244 Abs. 3 Satz 2
StPO einen Beweisantrag auf erneute Vernehmung der
Geschädigten F
zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, die Beweisbehauptung
sei bereits
erwiesen, ist ebenfalls unzulässig. Die von der Revision in
bezug genomme-
ne polizeiliche Vernehmung der Geschädigten F und die
Einlassung des
Angeklagten vom 27. August 2002 werden nur auszugsweise, das ebenfalls
in bezug genommene Sachverständigengutachten von Dr. B wird
über-
haupt nicht mitgeteilt.
d) Die Aufklärungsrüge, das Landgericht
hätte Strafanzeigen und poli-
zeiliche Vorgänge beiziehen müssen, weil nach deren
Inhalten „eine sehr
r eale Möglichkeit bestand, daß der Angeklagte dort
zu jener Zeit Prostituier-
ten begegnet ist“, teilt entgegen § 344 Abs. 2 Satz
2 StPO das erwartete Be-
weisergebnis nicht klar genug mit und ist damit nicht zulässig
erhoben. Das
genannte Vorbringen der Revision ist nicht anders zu bewerten als ein
Vor-
bringen, das ein bestimmtes Er gebnis nur als möglich
bezeichnet oder das
behauptet, weitere Ermittlungen hätten vielleicht ein anderes
Beweisergebnis
erbracht (vgl. hierzu nur BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
Aufklärungsrüge 1;
BGH NStZ-RR 2003, 71; w. Nachw. bei Kuckein in KK 5. Aufl. §
344
Rdn. 51).
e) Die weitere Aufklärungsrüge ist
unbegründet, da sich die ver mißte
Beweiserhebung dem Gericht nicht aufdrängen mußte.
Das Landgericht war
nicht gehalten, durch Einholung einer Auskunft aus der
kriminalpolizeilichen
personenbezogenen Sammlung und durch zeugenschaftliche
Äußerung des
Fachbeamten der Kriminalpolizei zu ermitteln, daß sich in
Berlin durchschnitt-
lich mindestens in einem Fall pro Jahr der Täter einer
Vergewaltigung als
Polizeibeamter ausgibt, der die Betroffene von einer Anzeigeerstattung
mit
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dem Hinweis darauf abzuhalten versucht, daß er über
Dienstcomputer die
Anzeigeerstattung erfahren und die Betroffene identifizieren
könne. Das
Landgericht hatte zu dieser Frage zulässigerweise im Wege des
Freibewei-
ses eine Auskunft der Dienststellenleiterin eingeholt, wonach eine
solche
Sammlung nicht existiere, und zudem die Ermittlungsbeamten J
und
G nach ähnlichen Fällen befragt.
3. Die weitere Sachrüge bleibt erfolglos.
Die Beweiswürdigung hält ebenfalls
rechtlicher Nachprüfung stand.
Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, die
Beweise zu würdigen.
Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung
auf die Sach-
beschwerde nur unter dem Gesichtspunkt würdigen, ob sie
Rechtsfehler ent-
hält. Dies ist dann der Fall, wenn die im Urteil mitgeteilten
Überlegungen des
Tatrichters in sich widerspr üchlich, lückenhaft oder
unklar sind oder sie ge-
gen Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze
verstoßen (st. Rspr., vgl.
nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Solches ist
hier nicht gegeben.
Das Landgericht hat in seiner sehr sorgfältigen
Beweiswürdigung sich
im ersten Fall von der Täterschaft des Angeklagten vor allem
anhand der
vom Angeklagten stammenden DNA-Spuren an der Kleidung des Opfer s
überzeugt. Im zweiten Fall hat es seine Überzeugung
auf eine Vielzahl von
Parallelen zum ersten Fall gestützt, die - jedenfalls in ihrer
Gesamtheit - den
Schluß zulassen, den Angeklagten als der Tat
überführt anzusehen. Diese
Wertung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, da sie keinen
Rechts-
fehler enthält.
Soweit sich die Revision gegen die Erwägungen der
Strafkammer im
Zusammenhang mit einer Kurzsichtigkeit des Angeklagten wendet,
stützt sie
sich im wesentlichen auf eigene, von den Urteilsgründen
abweichende Wer-
tungen oder Feststellungen, mit denen sie im Revisionsverfahren nicht
ge-
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hört werden kann. Der Sachverständige Dr. K
hat nicht festgestellt, der
Angeklagte könne sich im Dunkeln im Wald nicht
vorwärts bewegen, sondern
er könne nicht schnell durch ein absolut dunkles Waldgebiet
laufen; die Ne-
benklägerin hat nach den Urteilsfeststellungen nicht bekundet,
der Täter ha-
be mehrere Meter von ihr entfernt gestanden, als sie tanzen
mußte. Die Er-
wägung des Tatrichters, der Angeklagte könne bei der
Tat Kontaktlinsen
verwendet haben, auch wenn er sie sonst in seinem privaten Umfeld nicht
getragen habe, zeigt eine denkbar e Möglichkeit auf, zumal
sich der Ange-
klagte auch einen künstlichen Vollbart besorgt hatte, den er
sonst nicht ge-
tragen hatte. Ein Erfahrungssatz, wonach es dem Angeklagten aus physi-
schen oder psychischen Gründen unmöglich gewesen
wär e, vorübergehend
Kontaktlinsen zu tragen, besteht nicht.
Hinsichtlich der Täterbeschreibung durch die
Geschädigte F und
die Nebenklägerin T hat der Tatrichter dargelegt,
daß die Angaben
zu Alter, Staatszugehörigkeit, Frisur und Figur auf den
Angeklagten zutr effen.
Lediglich hinsichtlich der Körpergröße
bestehe eine Abweichung von etwa 10
bis 12 Zentimetern, was damit erklärt wird, daß die
Zeuginnen den Täter nur
kurz gesehen haben, die Geschädigte F
Körpergrößen schlecht schät-
zen könne und der Täter sich zuvor am Telefon selbst
mit der von ihr ge-
nannten Körpergröße beschrieben habe. Diese
vom Tatrichter gezogenen
Schlüsse sind möglich und deshalb vom
Revisionsgericht hinzunehmen.
Auch die weiteren Einzelausführungen der Revision
zur Beweiswürdi-
gung zeigen keinen Rechtsfehler auf.
Die Strafzumessungserwägungen halten rechtlicher
Überprüfung
stand.
Im Fall II. B stellt sich bei der gebotenen konkr eten
Abwägung § 177
StGB gegenüber § 178 StGB a.F. nicht als das mildere
Gesetz dar. Der er-
zwungene Oralverkehr hätte nach § 177 Abs. 2 Nr. 1
StGB einen Strafrah-
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men von zwei Jahren bis zu 15 Jahren eröffnet,
während der Strafrahmen
des § 178 Abs. 1 StGB a.F. nur ein Jahr bis zehn Jahre betrug.
Der als straflose Vorbereitungshandlung gewertete Fall II. A
ist in den
Urteilsgründen nicht strafschärfend
berücksichtigt worden.
Im Fall II. C durfte die festgestellte tateinheitlich
begangene Körperver-
letzung, auch wenn sie verjährt ist, strafschärfend
berücksichtigt werden (vgl.
Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 46 Rdn. 38b). Mit
einem zu hohen Gewicht
hat die Strafkammer sie bei der Strafzumessung nicht
berücksichtigt.
Soweit die Revision rügt, daß eine
rechnerische Logik bei der Festset-
zung der Einzelstrafen nicht zu erkennen sei, ist dieser Einwand
unbegrün-
det. Eine solche Mathematisierung widerspräche dem Wesen der
Strafzu-
messung. Auch ein Vergleich mit der Höhe der im Jahre 1986
verhängten
Strafen kann die Revision nicht rechtfertigen. Der Tatrichter
muß die im Ein-
zelfall zu beurteilende Tat ohne Bindung an weiter e Fixpunkte als die
Ober-
und Untergrenze des Strafrahmens in den gefundenen Strafrahmen einord-
nen. Maßgeblich ist dabei das Gesamtspektrum aller
strafzumessungsrele-
vanten Umstände (Schäfer, Praxis der Strafzumessung
3. Aufl. Rdn. 624,
625). Diesen Anforderungen genügt das Urteil. Unter Ber
ücksichtigung der
erheblichen einschlägigen Vorstrafen und der Tatbegehung
während des
Freigangs liegen die verhängten Strafen innerhalb des dem
Tatrichter einge-
r äumten Beurteilungsrahmens (vgl. BGHSt 34, 345, 349).
III.
Zur Revision der Staatsanwaltschaft:
1. Das Landgericht hat sowohl im Hinblick auf fr
üher e Verurteilungen
des Angeklagten als auch im Hinblick auf die hier abgeurteilten Taten
die
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formalen Voraussetzungen von § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 StGB,
§ 66 Abs. 1
Nr. 3 StGB bejaht.
Der Tatrichter hat dennoch die Voraussetzungen für
die Verhängung
von Sicherungsverwahrung verneint. Die hier zur Verurteilung stehenden
Taten hätten zwar auf einem Hang des Angeklagten zu
erheblichen Strafta-
ten beruht. Auch vermöge „die Kammer eine
Änderung der Persönlichkeit
des Angeklagten bzw. einen therapeutischen Erfolg nicht zu
erkennen“ und
folge insofern den überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen
Dr. Bü . Jedoch sehe „sich die Kammer daran gehinder
t, derzeit einen bei
dem Angeklagten noch vorliegenden Hang zu solchen Straftaten anzuneh-
men, weil über einen Zeitraum von gut fünf Jahren,
die der Angeklagte nach
Begehung der (letzten) Tat in Freiheit gelebt habe, keine weiteren
Straftaten
bekannt“ geworden seien. Der Regelung des § 66 Abs.
4 Satz 3 und 4 StGB
sei der Rechtsgedanke zu entnehmen, daß eine straffreie
Führung über ei-
nen Zeitraum von fünf Jahren von erheblicher Bedeutung sei.
Wäre es zu
einer zeitnahen Verurteilung gekommen, hätte „die
Kammer das Vorliegen
eines Hanges angenommen.“
Dies hält rechtlicher Überprüfung
nicht stand:
2. Allerdings ergeben die Urteilsgründe nicht,
daß die formalen Vor-
aussetzungen von § 66 Abs. 3 StGB vorliegen. Die Vorschrift
des § 66 Abs. 3
StGB i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und
anderen
gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 (BGBl I S. 160)
findet nur
Anwendung, wenn der Täter eine der Straftaten der in
§ 66 Abs. 3 Satz 1
StGB bezeichneten Art nach dem 31. Januar 1998 begangen hat (BGH
NStZ-RR 1999, 294; Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 11),
was hier nicht der
Fall ist.
3. Unabhängig davon liegen aber jedenfalls die
formalen Vorausset-
zungen von § 66 Abs. 2 StGB vor. Neben den beiden der Verur
teilung im
hiesigen Verfahr en zugrunde liegenden Taten sind die Taten
heranzuziehen,
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wegen derer der Angeklagte durch Urteil des Landgerichts Berlin vom
10. April 1986 wegen der Begehung von zwölf Sexualstraftaten (
Vergewalti-
gung in zehn Fällen, versuchte Vergewaltigung sowie versuchte
sexuelle Nö-
tigung) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 15 Jahren unter
gleichzeitiger An-
ordnung von Sicherungsverwahrung verurteilt worden ist. Wegen der dort
zuletzt festgestellten Tat vom 4. Juni 1985 ist der Angeklagte zu einer
Frei-
heitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.
Rückfallverjährung gemäß
§ 66
Abs. 4 Satz 3 StGB ist insoweit nicht eingetreten, weil sich der
Angeklagte
seit dieser Tat bis zum 20. August 1995 in Untersuchungs- und Strafhaft
und
hieran anschließend bis zum 26. Juni 1997 im Freigang befand
und die Zeit,
die der Täter auf behör dliche Anordnung in einer
Anstalt verwahr t worden ist,
nach § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB in die Frist nicht eingerechnet
wird.
4. Die Begründung des Tatrichters, mit der er einen
Hang des Ange-
klagten im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint hat,
begegnet rechtli-
chen Bedenken. Das Merkmal "Hang" verlangt einen eingeschliffenen inne-
r en Zustand des Täters, der ihn immer wieder neue Straftaten
begehen läßt.
Hangtäter ist danach derjenige, der dauernd zu Straftaten
entschlossen ist
oder der aufgrund einer fest eingewur zelten Neigung, deren Ur sache
uner-
heblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die
Gelegenheit dazu bie-
tet (vgl. u. a. BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1). Das Vorliegen
eines solchen
Hanges hat der Tatrichter unter sorgfältiger
Gesamtwürdigung aller für die
Persönlichkeit des Täters und seiner Taten
maßgebenden Umstände darzu-
legen (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 8). An dieser Rechtsprechung
hat sich
das Landgericht nicht orientiert. Dem Hinweis auf die seit der letzten
Tat ver-
gangene Zeit kommt für sich allein genommen keine
entscheidende Bedeu-
tung zu. Der Tatrichter hätte sich in diesem Zusammenhang
näher mit den
Vorverurteilungen und den Umständen, unter denen es zu diesen
wie auch
zu den verfahrensgegenständlichen Taten kam, auseinandersetzen
müssen.
Der Umstand, daß der Angeklagte trotz langjähriger
Strafverbüßung wegen
Sexualdelikten und trotz gewährten Freigangs erneut zwei ihm
völlig fr emde
Frauen gewaltsam zu sexuellen Handlungen gezwungen hat,
läßt das Vor-
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liegen einer Willensschwäche, die ein wesentliches Indiz
für einen Hang im
Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB sein kann (Hanack in LK StGB
11. Aufl.
§ 66 Rdn. 92) , als naheliegend er scheinen. Der Tatrichter
hätte deshalb die
Ausführungen des Sachverständigen erkennbar
berücksichtigen müssen,
wonach „ein Zeitraum von gut fünf Jahren im Hinblick
auf die Vortaten und
die Per sönlichkeit des Angeklagten nicht ausreichend sei, um
davon ausge-
hen zu können, es liege kein Hang mehr vor“ ( UA S.
90) und der die fr üher
mit dem Angeklagten durchgeführte
Sexualstraftätertherapie „keinesfalls als
geeignet“ (UA S. 88) bewertet hat.
Weiter hin ist die Ansicht des Landgerichts, der Angeklagte
habe seit
der letzten Tat gut fünf Jahr e in Freiheit gelebt und wegen
des Rechtsgedan-
kens des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB sei ein Hang nunmehr zu
verneinen, unzu-
treffend.
Zum einen befand sich der Angeklagte, der am 12. Februar 2002
er-
neut inhaftiert worden ist, weniger als fünf Jahre in
Freiheit. Der bis zum
26. Juni 1997 gewährte Freigang ist als Ver wahrung in einer
Anstalt im Sinne
des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB anzusehen. Freiheitsstrafe soll
nach Maßgabe
von § 10 Abs. 1 StVollzG in der For m des offenen Vollzuges
durchgeführt
werden. Daneben gibt es Vollzugslockerungen, die zu einer Verminderung
der Kontrolle über den Gefangenen führen,
nämlich Außenbeschäftigung,
Freigang und Ausgang (§ 11 Abs. 1 StVollzG) sowie Urlaub aus
der Haft
( § 13 StVollzG). Der Umstand, daß hier bei
planmäßig lediglich abge-
schwächte oder nur zeitweise bzw. punktuell vorgenommene
Maßnahmen
zur Überwachung der Bewegungsfreiheit des Betroffenen
vorgenommen
werden, führt nicht zu einer Beendigung oder Unterbrechung der
Verwahrung
in einer Anstalt. Demgemäß ist es in der
Rechtsprechung aner kannt, daß
Freigang, jedenfalls wenn die tägliche Rückkehr des
Betroffenen an den
Verwahrungsort vorgesehen ist und dies kontr olliert wird, die
Gefangenenei-
genschaft des Betroffenen im Sinne des § 120 StGB nicht
entfallen läßt (vgl.
BGHSt 37, 388, 392; Tröndle/Fischer aaO § 66 Rdn. 15
i.V.m. § 120 Rdn. 4).
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Auch der der Vorschrift des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB zugrunde
liegende Ge-
danke, daß in die Fünfjahresfrist die Zeit nicht
eingerechnet werden soll, in
der der Täter keine Gelegenheit hat, sich in der Freiheit zu
bewähren (vgl.
BGH NJW 1969, 1678, 1679), spricht für die hier vorgenommene
Auslegung.
Wer kontrolliert wird, ist nicht frei. Darüber hinaus
erfordert die Verjähr ungs-
r egelung des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB eine Sicherheit bei der
Ber echenbar-
keit der Fristen. Dies gebietet es ebenfalls, als Ver wahrungszeit auch
die Zeit
anzusehen, in der solche Formen der Vollzugslockerung gewährt
werden.
Zum anderen hindert § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB nicht,
im Rahmen der
Prüfung, ob beim Angeklagten ein Hang vorliegt, alle
Vorverurteilungen des
Angeklagten in die erforderliche Gesamtwürdigung
einzubeziehen. Der Um-
stand, daß Vortaten wegen Eintritts der
Rückfallverjährung nicht mehr als
Symptomtaten herangezogen werden können, hindert nicht ihre
Verwertung
als sonstiges Beweisanzeichen für die Hangtäter
schaft im Rahmen der Wür-
digung der Persönlichkeit des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 1999,
502).
5. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur
Aufhebung des Urteils,
soweit von der Anordnung der Sicherungsverwahrung abgesehen worden ist.
Dies zieht die Aufhebung des gesamten Strafausspruchs - insoweit aller-
dings nur zugunsten des Angeklagten - nach sich; es ist nicht mit der
er for-
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derlichen Sicherheit auszuschließen, daß die Strafe
- wäre zugleich auf Si-
cherungsverwahrung erkannt wor den - niedriger ausgefallen
wäre.
Harms Häger Gerhardt
Br ause Schaal
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