BGH,
Urt. v. 27.9.2001 - 4 StR 245/01
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 245/01
vom
27. September 2001
in der Strafsache gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27.
September 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am
Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien, die Richter am Bundesgerichtshof Dr.
Kuckein, Athing, die Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanovic,
der Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann, Bundesanwalt als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen
vom 7. Februar 2001 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und
die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "einer schweren
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung,
der räuberischen Erpressung in fünf Fällen,
einer versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
Nötigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung
und Anstiftung zur Falschaussage, eines Raubes in Tateinheit mit
versuchter Erpressung und Körperverletzung und der
gefährlichen Körperverletzung in zwei
Fällen" schuldig gesprochen und ihn zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
Die auf die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten
hat keinen Erfolg. Die Nachprüfung des Urteils hat keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit der
Beschwerdeführer die rechtliche Würdigung des
Landgerichts im Fall II B 1 sowie die
Strafzumessungserwägungen, insbesondere die Strafrahmenwahl in
den Fällen II A 2 und 3 der Urteilsgründe,
beanstandet, nimmt der Senat auf die Ausführungen des
Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 21. Juni 2001 Bezug.
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Verurteilung
des Angeklagten jeweils wegen gefährlicher
Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) in den
Fällen II C 1 und 2 der Urteilsgründe.
1. Nach den Feststellungen kam es im August 2000 "häufig zu
brutalen Übergriffen" des Angeklagten und "teilweise" auch
seines Bruders Karl-Heinz auf den seit mehreren Monaten bei dem
Angeklagten wohnenden Peter H. . Dieser war "aufgrund seiner
Alkoholprobleme und schwachen Persönlichkeit nicht zur
Gegenwehr" fähig und wurde "wegen angeblicher Verfehlungen
oder auch nur aus einer Laune heraus mißhandelt, zum Teil so
heftig, daß eine ärztliche Behandlung erforderlich
wurde".
Bei einem dieser Vorfälle drückte der Angeklagte eine
Zigarette auf der Brust oder dem Arm des Zeugen H. aus. Der Zeuge
erlitt dabei heftige Schmerzen und behielt eine Brandwunde
zurück (Fall II C 1 der Urteilsgründe). Bei anderer
Gelegenheit "verletzte der Angeklagte den Zeugen unter Verwendung eines
Messers am linken Knie" (Fall II C 2 der Urteilsgründe).
2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers und des
Generalbundesanwalts ist nach dem Gesamtzusammenhang der
Urteilsgründe, in denen zudem ergänzend auf
Lichtbilder verwiesen wird (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO), die am
24. August 2000 von den damals noch nicht verheilten Verletzungen
gefertigt wurden, die Annahme gerechtfertigt, der Angeklagte habe diese
Körperverletzungen jeweils mittels eines gefährlichen
Werkzeugs begangen.
Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1
Nr. 2 StGB ist jeder Gegenstand, der nach seiner objektiven
Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet
ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen
(st. Rspr., vgl. BGH NStZ 1999, 616; BGH, Urteil vom 4. September 2001
- 1 StR 232/01; zu § 223 a StGB a.F. vgl. BGHSt 3, 105, 109;
14, 152, 155). Entgegen einer im Schrifttum im Hinblick auf die
Verschärfung der Strafandrohung des § 224 Abs. 1 StGB
durch das 6. StrRG vertretenen Auffassung sind an die Annahme der
"Gefahr einer erheblichen" Verletzung keine höheren
Anforderungen zu stellen, als bisher (so aber u.a. Rengier, Strafrecht
Besonderer Teil II, 3. Aufl., § 14 Rdn. 7 a m.N.: "Gefahr
einer ´gravierenden Verletzung´ "), denn der
Gesetzgeber hat bei der Fassung des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB
abweichend von dem Gesetzentwurf (vgl. § 223 Abs. 3 Nr. 2 StGB
i.d.F des Entwurfs eines 6. StrRG, BT-Dr. 13/8587, S. 6, 36)
bewußt auf die zunächst vorgesehene im Vergleich zu
§ 223 a StGB a.F. einschränkende Bedingung
verzichtet, daß durch die Tat die Gefahr einer schweren
Gesundheitsschädigung der verletzten Person vorliegen
muß. Dies hätte entgegen dem Anliegen des
Gesetzentwurfes zu einer teilweisen Rücknahme der Strafdrohung
geführt (vgl. BT-Dr. 13/8587, S. 60, 82; 13/9064, S. 15).
a) Der Generalbundesanwalt stützt seine Auffassung,
daß die Beibringung einer Brandwunde auf dem Arm oder der
Brust nicht als gefährliche Körperverletzung zu
werten sei, auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln
(StV 1994, 244, 246), in der unter anderem ausgeführt wird,
wenn mit Zigarettenglut eine Brandverletzung auf der Wade des Opfers
herbeigeführt werde, liege es nicht nahe, daß dies
geeignet sei, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Diese Beurteilung
der potentiellen Gefährlichkeit von
Körperverletzungen mittels einer brennenden Zigarette
widerspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die das
Zufügen von Brandwunden durch glimmende Zigaretten und das
Ausdrücken einer Zigarette auf der Stirn unmittelbar
über der Nase ebenso wie das Zufügen von Verletzungen
mittels eines brennenden Feuerzeuges jeweils ohne weiteres als
gefährliche Körperverletzung gewertet hat (vgl. BGH,
Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01; BGHR StGB § 170 d
Fürsorgepflichtiger 1).
Der vorliegende Fall gibt keinen Anlaß zu einer hiervon
abweichenden Beurteilung. Maßgebend ist nicht (allein) die
eingetretene Verletzungsfolge, sondern die potentielle
Gefährlichkeit (vgl. Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl.
§ 224 StGB Rn. 9) der konkreten Benutzung des Werkzeugs ( vgl.
BGH, Urteil vom 4. September 2001 - 1 StR 232/01). Diese potentielle
Gefährlichkeit ist, wenn eine Zigarette - wie hier - auf der
Haut des Tatopfers ausgedrückt wird, schon im Hinblick auf die
nicht sicher absehbaren Folgen gegeben.
b) Auch im Fall II C 2 der Urteilsgründe hat das Landgericht
im Ergebnis zu Recht den Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 2
StGB bejaht. Allerdings ist die Annahme des Landgerichts, bei dem vom
Angeklagten benutzten Messer habe es sich um eine "Waffe" gehandelt,
durch die Feststellungen nicht belegt. Waffen im Sinne dieser
Vorschrift sind nämlich nur Waffen im technischen Sinne (vgl.
dazu Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 224 Rdn. 2 und
§ 244 Rdn. 3). Ein Messer kann aber jedenfalls dann, wenn es
als schneidendes oder stechendes Instrument verwendet wird, als anderes
gefährliches Werkzeug angesehen werden (vgl. Stree in
Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 224 Rdn.
9). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts belegen die -
insoweit allerdings sehr knappen - Urteilsausführungen,
daß die Art der Benutzung des Messers durch den Angeklagten
geeignet war, dem Tatopfer erhebliche Körperverletzungen
zuzufügen. Nach den Ausführungen zur rechtlichen
Würdigung fügte der Angeklagte dem Tatopfer die
Verletzung am linken Knie durch einen Schnitt mit dem Messer zu. Bei
einer solchen Benutzung eines Messers besteht die Gefahr erheblicher
Schnittverletzungen, insbesondere auch der Sehnen, zumal es zu
schmerzbedingten Abwehrbewegungen und damit zu einem unkontrollierten
Verlauf des Schnittes kommen kann.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanovic Ernemann
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