BGH,
Urt. v. 28.2.2007 - 2 StR 516/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 516/06
vom
28. Februar 2007
Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja
BtMG § 29; StGB §§ 25, 27
Die Tätigkeit eines Kuriers, die sich in dem Transport des
Rauschgifts erschöpft, ist als Beihilfe zum unerlaubten
Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu werten.
BGH, Urt. v. 28. Februar 2007 - 2 StR 516/06 - LG Frankfurt am Main
in der Strafsache
gegen
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wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 31. Januar 2007 in der Sitzung am 28. Februar 2007, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger,
Justizangestellte in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Frankfurt am Main vom 20. Juli 2006 im Schuldspruch dahin
geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit
unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs
Monaten verurteilt und das Rauschgift, Verpackungsmaterial und das
Flugticket eingezogen. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten
mit der Sachrüge.
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Das Rechtsmittel führt zu der aus dem Urteilstenor
ersichtlichen Schuldspruchänderung, im Übrigen ist es
unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden dem aus Ghana
stammenden, mit seiner Familie in Irland lebenden Angeklagten von einem
E. in Dublin 5000 € Kurierlohn für je 1 kg Kokain in
Aussicht gestellt, wenn er Kokain von Ghana nach Irland transportiere.
Der Angeklagte stimmte zu und flog mit einem von E. , der ihn auch zum
Flughafen gebracht hatte, besorgten Flugticket von Dublin nach Accra.
In Accra wurde er abgeholt und in einem Hotel untergebracht, um dort
Kokainbehältnisse zu schlucken. Als der Angeklagte, dem
nunmehr die damit verbundene Lebensgefahr bewusst wurde, von dem
Vorhaben zurücktreten wollte, wurde ihm - allerdings ohne
Gewaltandrohung - bedeutet, dass ein Rückzieher nicht
möglich sei. Der Angeklagte schluckte daraufhin 53 der 80
vorgesehenen Behältnisse - mehr war ihm nicht möglich
- und trat den Rückflug an, bei dem er in Frankfurt aussteigen
musste. Bei der zollrechtlichen Kontrolle wurde das Rauschgift entdeckt.
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Das Landgericht hat die Kuriertätigkeit des Angeklagten (neben
der tateinheitlich verwirklichten Einfuhr) als
täterschaftliches Handeltreiben gewertet und dabei darauf
abgestellt, dass der Angeklagte während des Transports die
alleinige Gewalt über das Kokain hatte, seine
Transportleistung Voraussetzung für den angestrebten
gewinnbringenden Weiterverkauf in Irland war, ihm ein erheblicher
Kurierlohn versprochen worden sei und er auch bei der Abwicklung des
Transports insofern frei war, als er in Frankfurt das Kokain auf eigene
Rechnung hätte verkaufen können.
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Die Annahme täterschaftlichen Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält
rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die
Kuriertätigkeit des Angeklagten ist, soweit ihm Handeltreiben
vorgeworfen worden ist, nur als Beihilfe zu werten.
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2. Der Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist
nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weit
auszulegen. Als Handeltreiben sind alle Tätigkeiten anzusehen,
die auf den Umsatz von Rauschgift gerichtet sind; als tatbestandliche
Handlungen sind damit dem Grundsatz nach auch unterstützende
Tätigkeiten erfasst (vgl. BGH, Beschl. v. 26.10.2005 - GSSt
1/05 = BGHSt 50, 252 f.). Auch auf den Tatbestand des Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln sind aber die allgemeinen Regeln zur
Abgrenzung von (Mit-) Täterschaft und Beihilfe anzuwenden (st.
Rspr.; vgl. die Nachweise bei Winkler, NStZ 2006, 328 f.); die Weite
des Begriffs des Handeltreibens darf nicht dazu verleiten, eine mit den
Grundsätzen der §§ 25 ff. StGB nicht zu
vereinbarende Einheitstäterschaft einzuführen, indem
jede möglicherweise unter das Merkmal des Handeltreibens zu
subsumierende Tätigkeit ohne Rücksicht auf ihr
Gewicht für das Gesamtgeschehen und auf das Interesse des
Beteiligten am Gelingen des Umsatzgeschäfts mit
täterschaftlichem Handeltreiben gleichgesetzt wird (zur
Problematik der Abgrenzung vgl. schon Anfragebeschluss vom 10. Juli
2003 - 3 StR 61/02 / 3 StR 243/02 = NStZ 2004, 105 sowie die
Stellungnahmen der anderen Senate, Beschlüsse vom 22. Januar
2004 - 5 ARs 46/03; vom 2. Februar 2004 - 4 ARs 23/03 und vom 6.
Februar 2004 - 2 ARs 276/03 = NStZ-RR 2004, 183). In der Praxis stellt
sich die Frage der Abgrenzung der Beteiligungsformen insbesondere bei
der Beurteilung von Kuriertätigkeiten.
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a) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die
Tätigkeit von Rauschgiftkurieren zunächst
überwiegend als (mit-)täterschaftliches Handeltreiben
angesehen worden (vgl. BGH NStZ 1983, 124; BGHR § 29 Abs. 1
Nr. 1 BtMG Handeltreiben 36; BGH StV 1998, 596), wenn die Rolle des
Kuriers nicht nur von ganz untergeordneter Bedeutung war (BGHR BtMG
§ 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 9, 24, 36, 57; BGH NStZ-RR
1999, 24).
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Beihilfe wurde lediglich dann angenommen, wenn der Kurier keinen
Einfluss auf die Bestimmung von Art und Menge des zu transportierenden
Rauschgifts hatte, weder Zeit und Ort der Übernahme des
Rauschgifts noch die Gestaltung des Transports mitbestimmen konnte und
auch sonst mit dem An- und Verkauf des Rauschgifts nichts zu tun hatte
(vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 3. Mai 2006 - 2 StR 85/06; vom
13. Juli 2006 - 2 StR 199/06 und vom 25. Oktober 2006 - 2 StR 359/06).
Kuriere wurden, auch bei einer im Gesamtgefüge des
Betäubungsmittelgeschäfts nur nachrangigen
Tätigkeit, in der Regel schon deshalb als Täter
angesehen, weil sie während des Transports faktische
Zugriffsmöglichkeiten auf die Betäubungsmittel
hatten. Damit verblieb für die Teilnahmeform der Beihilfe nur
ein schmaler Anwendungsbereich.
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b) Dieser Tendenz zur Einschränkung der Beihilfe im
Betäubungsmittelstrafrecht entgegenzuwirken, ist nach der
Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen nicht
durch Aufgabe des bisherigen Begriffs des Handeltreibens zu erreichen,
sondern durch konsequente Anwendung der für die Abgrenzung
zwischen Beteiligung an der eigenen Tat (als Täter) und
Teilnahme an einer fremden Tat (als Gehilfe) entwickelten Regeln. In
der neueren Rechtsprechung ist daher bei der Beurteilung von
Kuriertätigkeit teilweise darauf abgestellt worden, ob ein
Rauschgift-Transporteur auch in den Erwerb oder den späteren
Absatz der Betäubungsmittel eingebunden oder "lediglich" als
Kurier eingesetzt war (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2006 -
3 StR 105/06; vom 23. Mai 2006 - 3 StR 119/06; vom 30. Mai 2006 - 3 StR
126/06; vom 27. Juni 2006 - 3 StR 177/06; vom 7. September 2006 - 3 StR
277/06; vom 5. Dezember 2006 - 3 StR 456/06; vom 14. Dezember 2006 - 4
StR 421/06; NStZ-RR 2006, 350). Der Senat würde allerdings
einer Ansicht nicht folgen, wonach täterschaftliches Han-
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deln nur dann vorliegt, wenn der Transporteur auch unmittelbar am
Erwerb oder Absatz der Betäubungsmittel beteiligt ist.
c) Nach Ansicht des Senats muss vielmehr für eine zutreffende
Einordnung der Beteiligung des Kuriers der jeweils konkrete Tatbeitrag
für das Umsatzgeschäft insgesamt und nicht allein
für den Teilbereich des Transports (von
Betäubungsmitteln oder Geld) bewertet werden. Strafbar ist
nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG das Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln, nicht - isoliert - das Transportieren
derselben. Daher kommt es für die Annahme
täterschaftlicher Verwirklichung dieses Tatbestands jedenfalls
nicht allein oder entscheidend darauf an, welches Maß an
Selbständigkeit und Tatherrschaft der Beteiligte hinsichtlich
eines isolierten Teilakts des Umsatzgeschäfts innehat.
Abzustellen ist vielmehr darauf, welche Bedeutung der konkreten
Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt.
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aa) Eine Gehilfenstellung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die
Tathandlung sich auf den (Teil-)Transport von Rauschgift zwischen
selbständig handelnden Lieferanten und Abnehmern oder
innerhalb der Sphäre von Lieferanten- oder
Abnehmer-Organisationen beschränkt und der Beteiligte nicht in
der Lage ist, das Geschäft insgesamt maßgeblich
mitzugestalten. Einer Tätigkeit als Kurier, die sich in
bloßem Transport von Rauschgift erschöpft, kommt
daher eine täterschaftliche Gestaltungsmöglichkeit in
der Regel nicht zu; sie stellt zumeist eine (bloß)
untergeordnete Hilfstätigkeit dar. Denn es geht dem reinen
Kurier nicht in erster Linie um den Umsatz des
Betäubungsmittels (Veräußerung an
Abnehmer), sondern um die Entlohnung für seine Dienstleistung,
nämlich um das Entgelt für den Transport des
Betäubungsmittels von einem Ort zum anderen. Dabei kommt es
nach Ansicht des Senats nicht darauf an, ob der Kurier ein erhebliches
Honorar zu erwarten hat oder zeitweise faktische Verfü-
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gungsgewalt über das von ihm transportierte Rauschgift
erlangt. Die als Beihilfe zu wertende Kuriertätigkeit zeichnet
sich nämlich gerade dadurch aus, dass der Kurier in die
hierarchische Organisation des Rauschgift-Umsatzes an unterer Stelle
einzuordnen ist. Auch ein möglicher faktischer
Handlungsspielraum während des Transports der Drogen kann von
ihm dann in der Regel schon auf Grund seiner finanziellen und meist
auch persönlichen Abhängigkeit von den
Hintermännern nicht zu eigener täterschaftlicher
Einflussnahme ausgenutzt werden. Soweit der Senat in
Einzelfällen in der Inkorporation von Rauschgift durch Kuriere
die Begründung einer besonderen, zur Täterschaft
führenden Verfügungsmacht gesehen hat, hält
er daran nicht fest.
bb) Eine Bewertung von Transporttätigkeit als
mittäterschaftliches Handeltreiben wird vor allem dann in
Betracht kommen, wenn der Beteiligte erhebliche, über den
reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet (vgl.
etwa BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2006 - 4 StR 421/06 -
Gründung von Exportgesellschaften für die
Beförderung der Drogen), etwa am An- und Verkauf des
Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse
am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine
Beteiligung am Umsatz oder dem zu erzielenden Gewinn erhalten soll
(BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 36). Auch eine
Einbindung des Transporteurs in eine gleichberechtigt verabredete
arbeitsteilige Durchführung des Umsatzgeschäfts
spricht für die Annahme von Mittäterschaft, auch wenn
seine konkrete Tätigkeit in diesem Rahmen auf die
Beförderung der Drogen, von Kaufgeld oder
Verkaufserlös beschränkt ist. Im Einzelfall kann auch
eine weit gehende Einflussmöglichkeit des Transporteurs auf
Art und Menge der zu transportierenden Drogen sowie auf die Gestaltung
des Transports für eine über das übliche
Maß reiner Kuriertätigkeit hinausgehende Beteiligung
am Gesamtgeschäft sprechen.
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d) Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat der Angeklagte, der nur
als Transporteur des Kokains von Accra nach Dublin eingeschaltet war
und dem auf den Ablauf des Geschäfts als solchem keine
Einflussmöglichkeit zukam, (hier) lediglich Beihilfe zum
unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln geleistet. Der
gleichzeitige Besitz tritt gegenüber der verbotenen Einfuhr
zurück (BGHSt 25, 285). Der Senat hat den Schuldspruch
entsprechend geändert.
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3. Der Strafausspruch kann auch nach der Änderung des
Schuldspruchs bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass
die Strafe auf der rechtsfehlerhaften Annahme eines
täterschaftlichen Handeltreibens beruht. Das Landgericht hat
die Strafe dem Strafrahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG
entnommen, im Übrigen hat es strafmildernd
berücksichtigt, dass der Angeklagte lediglich als Kurier auf
der untersten Ebene der Drogenorganisation tätig war.
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Rissing-van Saan Bode Otten
Fischer Roggenbuck |