BGH,
Urt. v. 28.1.2003 - 5 StR 310/02
5 StR 310/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. Januar 2003
in der Strafsache gegen
1
2.
wegen Mordes u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat in der Sitzung vom 28.
Januar 2003, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf, Richterin Dr. Gerhardt, Richter Dr. Brause, Richter
Schaal als beisitzende Richter, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als
Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwälte W und D als
Verteidiger des Angeklagten V , Rechtsanwalt K und
Rechtsanwältin S als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwälte C und Sc als Vertreter der Nebenkläger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Berlin vom 15. November 2001
a) in den Schuldsprüchen dahin geändert,
daß der Angeklagte V wegen Totschlags in Tateinheit mit
vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe, der Angeklagte R wegen Beihilfe zum Totschlag
verurteilt ist,
b) in den Strafaussprüchen aufgehoben.
2. Die weitergehenden Revisionen beider Angeklagter werden verworfen.
3. Die Sache wird zur Neufestsetzung der Strafen und zur Entscheidung
über die Kosten der Rechtsmittel an eine andere als
Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts
zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten V - unter Freisprechung im
übrigen - wegen Mordes in Tateinheit mit
vorsätzlichem Führen einer halbautomatischen
Selbstladekurzwaffe zu lebenslanger Freiheitsstrafe und den Angeklagten
R wegen Beihilfe zum Mord zu einer Freiheitsstrafe von fünf
Jahren verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten führen mit
den Sachrügen zur Änderung der Schuldsprüche
und Aufhebung der Strafaussprüche. Im übrigen bleiben
sie erfolglos.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte V besuchte am 16. März 2001 gegen 2.15 Uhr mit
seinem Bekannten B nach mehreren anderen Lokalen die von dem
später Getöteten Z geführte
Gaststätte T trotz eines bestehenden Lokalverbots. Der Wirt
erlaubte ihnen, ein Bier zu trinken. Gleichwohl begannen die
über das Lokalverbot verärgerten Männer
alsbald handgreiflichen Streit, auch mit anderen Gästen. Z
setzte sich zur Wehr, schlug mit einer Pistole dem B mehrfach auf den
Kopf und brachte ihm mindestens eine blutende Platzwunde bei. Nachdem
sie - B erheblich verletzt, V unverletzt - aus dem Lokal
geflüchtet waren und sich getrennt hatten, wollte sich der
über den Hinauswurf massiv verärgerte, zudem leicht
reizbare, bei einer Blutalkoholkonzentration von höchstens 1,3
Promille alkoholbedingt enthemmte Angeklagte V rächen. Er
wollte Z erschießen, bewaffnete sich mit einem zur scharfen
Schußwaffe umgebauten Schreckschußrevolver nebst
neun Patronen und rief um 2.35 Uhr den Angeklagten R an, der ihn mit
einem Pkw Audi 80 zurück zum Lokal T fuhr. Z , der auf das am
Lokal vorbeifahrende Fahrzeug aufmerksam geworden war, lud seine
Pistole durch und begab sich seinerseits mit drei Begleitern zu seinem
dem Lokal gegenüber geparkten Pkw VW Golf Variant. Als Z
gerade sein Fahrzeug starten wollte, näherte sich erneut das
Fahrzeug der Angeklagten sehr langsam fahrend von hinten. V hatte die
Scheibe der Beifahrertür heruntergekurbelt und den mit
fünf Patronen geladenen Revolver im Anschlag. Als er sah,
daß Z sich anschickte, seinen Pkw zu starten, wies er R an,
schnell in Höhe des Pkw Golf zu fahren und neben diesem zu
halten. R , der spätestens jetzt damit rechnete, daß
V auf einen oder mehrere Insassen des Pkw Golf schießen
würde, ihm gleichwohl dabei helfen wollte, beschleunigte den
Wagen stark und brachte ihn fast genau in Höhe des Pkw Golf,
wenige Zentimeter nach hinten versetzt in einem maximalen Seitenabstand
von einem Meter zum Stehen. V gab auf Z einen ersten Schuß
ab, der die linke hintere Seitenscheibe des Pkw Golf durchschlug und,
den Fahrer Z knapp verfehlend, hinter seiner Kopfstütze vorbei
in der Innenseite des Fahrzeugs steckenblieb. Z öffnete die
Tür und begann zurückzuschießen. Indes
wurde er bereits beim Aussteigen von einem weiteren vom Angeklagten V
abgefeuerten Geschoß unterhalb der Achselhöhle
getroffen. Das Geschoß drang in die linke Brusthöhle
ein und zerriß lebenswichtige Blutgefäße.
Z gab seinerseits auf das Fahrzeug der Angeklagten in rascher Folge
sechs Schüsse ab. Mehrere Geschosse durchschlugen die
Beifahrertür, ein Schuß traf den Angeklagten V in
den Bauch, zwei weitere Schüsse trafen den Angeklagten R im
Bereich der Arme. Z verstarb nach notärztlicher Versorgung
noch am Ort des Geschehens an innerem Verbluten.
II.
Die Revisionen erzielen jeweils mit der Sachrüge den aus dem
Tenor ersichtlichen Teilerfolg.
1. Mit Aufklärungsrügen und sachlich-rechtlichen
Einwänden wenden sich die Revisionen gegen die Feststellungen
zur Abfolge der Schüsse. Sie machen übereinstimmend
geltend, aus der fotografisch festgehaltenen nur diagonalen
Zerstörung des linken hinteren Seitenfensters des Pkw Golf,
mit der sich das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht hinreichend
auseinandergesetzt habe, ergebe sich in Zusammenschau mit den
getroffenen Feststellungen zur möglichen Höhe der
Schußabgabe des Angeklagten V und zur Trefferhöhe im
Innenraum des Pkw Golf ein im Vergleich zur Annahme des Urteils
deutlich engerer Spielraum für den Winkel des -
tatsächlich nahezu rechtwinklig erfolgten - Einschusses des
Angeklagten V in den Pkw Golf. Unter dieser Voraussetzung sei aus dem
festgestellten Einschußwinkel des ersten Schusses des
später getöteten Z in das Fahrzeug der Angeklagten
abzuleiten, daß die Fahrzeuge bei Abgabe dieses Schusses
einen größeren Abstand voneinander gehabt haben
müßten als beim ersten vom Angeklagten V abgegebenen
Schuß; Z müsse mithin bereits bei
Annäherung des Fahrzeugs der Angeklagten als erster geschossen
haben. Diese Schlußfolgerung liege bereits bei rechtem
Verständnis der Urteilsgründe nahe. Ein weiteres
kriminaltechnisches Sachverständigengutachten - welches die
Revisionen vorlegen - hätte dies ebenfalls belegt. Bei
zutreffender Auswertung der Feststellungen zur Beschädigung
des Seitenfensters des Pkw Golf hätte sich das Landgericht
seinerseits zur Einholung eines derartigen Gutachtens gedrängt
sehen müssen.
Diese Rügen bleiben erfolglos.
a) Der Senat kann folgende grundsätzliche Bedenken dahinstehen
lassen:
- ob das Rügevorbringen, das wesentlich auf ein in
Vorbereitung der Revisionsbegründung eingeholtes neues
Gutachten gestützt ist, von vornherein an den in BGHR StPO
§ 261 Sachverständiger 7 angegebenen
Grundsätzen scheitern muß;
- ob die Aufklärungsrügen den Formerfordernissen des
§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO deshalb nicht genügen, weil
die Revisionen, die das bislang im Zusammenhang mit der Thematik der
Schußreihenfolge erstattete kriminaltechnische Gutachten und
die Ergebnisse der polizeilichen Untersuchungen lediglich anhand des
Urteils referieren, die erforderlichen tatsächlichen
Voraussetzungen für die erstrebte weitere Gutachtenerstattung
aus den Ermittlungsakten nicht vollständig darlegen (vgl. BGHR
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 5);
- ob Lichtbilder von der Teilzerstörung der Seitenscheibe des
Pkw Golf, die im Urteil (UA S. 55) erwähnt sind, schon auf
diese Weise durch eine deutliche und zweifelsfreie Bezugnahme
gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO (vgl. BGHSt
41, 376, 382) zum Gegenstand des Urteils gemacht wurden, so
daß sachlich-rechtliche Einwände unmittelbar hierauf
gestützt werden können;
- ob schließlich mangels weitergehender Verwertung von
Erkenntnissen aus der Zerstörung jener Seitenscheibe
tatsächlich eine genauere Ermittlung des
Einschußwinkels, als im Urteil erfolgt, möglich
gewesen wäre.
b) Selbst wenn insoweit eine unvollständige Beweisauswertung
unterstellt wird, würde die Beweiswürdigung des
Landgerichts zur Schußreihenfolge hierauf im Ergebnis nicht
beruhen. Daher läge hierin jedenfalls kein durchgreifender
Sachmangel. Vielmehr gilt für die entsprechenden
sachlich-rechtlichen Einwände der Revisionen folgendes:
Die Beweiswürdigung des Landgerichts zur
Schußreihenfolge beruht maßgeblich auf der
Zeugenaussage der in dem Pkw Golf hinter dem später
getöteten Fahrer Z sitzenden Begleiterin, ferner wesentlich
auf den Wahrnehmungen der Insassen eines zufällig unmittelbar
vor Tatbegehung vorbeifahrenden Polizeifahrzeugs zum Fahr- bzw.
Startverhalten der beteiligten Fahrzeuge, zur Stellung der Fahrzeuge
zueinander und zum Ablauf des Schußwechsels sowie
schließlich auf den nach der Tat auch mit
sachverständiger Hilfe getroffenen Feststellungen zum Zustand
der Fahrzeuge, insbesondere des vollständig
heruntergekurbelten Beifahrerfensters im Pkw Audi vor Beginn des
Schußwechsels, und zur Anzahl der abgegebenen
Schüsse. Die hieraus rechtsfehlerfrei abgeleiteten Folgerungen
auf die Schußreihenfolge befand das Landgericht als im
Einklang stehend mit den aus Lichtbildern und kriminaltechnischem
Gutachten ermittelten Erkenntnissen zu den Einschußwinkeln.
Durch eine geringere Bandbreite der Varianten für den Winkel
des Einschusses ins Fahrzeuginnere des Pkw Golf, die indes die im
Urteil zugrundegelegte erweiterte Bandbreite in keiner Richtung
überschreitet, wird diese Beweiswürdigung sachlich
nicht in Frage gestellt.
Dies gilt namentlich unter der wesentlichen, von den Revisionen
vernachlässigten Voraussetzung, daß es an
näheren Erkenntnissen über die genauen Positionen der
jeweiligen Schützen bei Abgabe der einzelnen Schüsse
fehlte (vgl. UA S. 47, 48, 54, 66). Dem Angeklagten V , der auf dem
Beifahrersitz saß, stand bei Schußabgabe die
gesamte Breite des geöffneten Seitenfensters von über
einem Meter zur Verfügung. Danach muß sich nicht der
Pkw Audi - entgegen dem Inhalt der Zeugenaussagen - während
der Abgabe der Schüsse noch bewegt haben, sondern der
Angeklagte V kann in seiner Position ohne jeden Einfluß auf
den Versetzungsabstand der Fahrzeuge den tödlichen
Schuß abgegeben haben. Bezogen auf den später
Getöteten Z ergibt sich eine - vom Landgericht zutreffend
gesehene - besondere Unsicherheit für die Feststellung seiner
Schußposition in der Situation der Bewegung beim Aussteigen
aus seinem Fahrzeug.
c) Eben mangels genauer Kenntnis über die Positionen der
Schützen mußte sich das Landgericht auch nicht zu
einer näheren Aufklärung durch eine weitergehende
Berechnung der Versetzungsabstände zwischen den beteiligten
Fahrzeugen bei Abgabe der einzelnen Schüsse im Sinne des mit
den Revisionen übersandten neuen Gutachtens, die zu
abweichenden Rückschlüssen auf die
Schußreihenfolge hätte führen
können, gedrängt sehen. In dem mit den Revisionen
vorgelegten neuen Gutachten wird insoweit für beide
Schützen jeweils eine Position der Schußhand in der
hinteren Hälfte der jeweiligen Fahrzeugtür
unterstellt. Grundlagen für eine derartige Prämisse,
die zugrundezulegen sich dem Landgericht hätte
aufdrängen müssen, werden weder dargelegt, noch sind
sie sonst ersichtlich.
2. Die Verfahrensrügen, mit denen die Revisionen
übereinstimmend einen Verstoß gegen das Gebot fairer
Verfahrensgestaltung geltend machen, bleiben ebenfalls erfolglos. Auch
insoweit kann der Senat letztlich dahinstehen lassen, ob sie - was
freilich mangels näherer Darstellung der Gesamtheit der von
der Verteidigung gestellten Hilfsanträge eher fernliegt -
überhaupt den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO entsprechen.
Zwar kann der Tatrichter verpflichtet sein, erkannte
Mißverständnisse der Verteidiger über die
Grundlagen von ihnen gestellter Hilfsbeweisanträge durch einen
Hinweis auszuräumen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6
Beweisantrag 30 und BGH bei Kusch NStZ 1993, 228; dazu Basdorf StV
1995, 310, 319). Die Voraussetzungen für einen derartigen
besonders gelagerten prozessualen Sachverhalt liegen hier indes nicht
vor.
So hat die Verteidigung zwar zwei Hilfsbeweisanträgen
Darlegungen zugrundegelegt, die denjenigen des Kriminalbeamten Dy in
einem polizeilichen Bericht zu Einschußwinkeln entsprachen,
die jedoch, wie der Kriminalbeamte in seiner Zeugenaussage ausweislich
des Urteils (UA S. 49 f.) klargestellt hatte, auf einer unrichtigen
Auswertung der vom technischen Sachverständigen Re
vorgenommenen Winkelmessungen beruhten. Mit dieser Antragstellung
verfolgte die Verteidigung weiterhin eine - im Widerspruch zu den
eigenen Einlassungen der Angeklagten (UA S. 25 ff.) stehende - Theorie,
Z habe aus seinem Pkw Golf auf den Pkw Audi der Angeklagten bereits
geschossen, als sich dieses Fahrzeug von hinten genähert, aber
mit der vorderen Stoßstange noch nicht einmal die hintere
Stoßstange des Pkw Golf erreicht hätte (UA S. 49).
Wenngleich die Ergebnisse der (vom Gericht als überholt
angesehenen) Winkelmessungen des Zeugen Dy die Grundlage für
diese "Theorie" bildeten, lag ein leicht nachvollziehbares, durch einen
gerichtlichen Hinweis ohne weiteres zu beseitigendes
Mißverständnis der Verteidigung über den
Ablauf der Beweisaufnahme zu dieser Thematik nicht auf der Hand. Hierzu
ist nämlich nicht nur der Zeuge Dy , sondern nach ihm der
kriminaltechnische Sachverständige Re vernommen worden,
insbesondere waren auch Lichtbilder in diesem Zusammenhang Gegenstand
der Beweisaufnahme. Daß die Verteidigung nach einer so
eingehenden und vielschichtigen Beweisaufnahme verkannt haben
könnte, daß die ursprünglichen Bewertungen
Dy s als überholt angesehen werden könnten,
mußte das Landgericht danach nicht in Erwägung
ziehen. Die hierzu vorgelegte, auf angeblich undeutliche
Einwände des Vorsitzenden während der Vernehmung des
Zeugen Dy abstellende anwaltliche Versicherung des Verteidigers
Rechtsanwalt D , auf die zurückzugreifen wegen des
grundlegenden Verbots einer Rekonstruktion der Hauptverhandlung ohnehin
prinzipiellen Bedenken begegnet (vgl. BGHSt 43, 212, 214),
vernachlässigt die dargelegte Gesamtheit der
einschlägigen Beweisaufnahme.
Das Landgericht konnte danach von einem Festhalten an der
Verteidigungslinie auf der Grundlage der Auffassung des Zeugen Dy aus
dem Ermittlungsverfahren trotz ihrer augenfälligen Widerlegung
durch zahlreiche Beweismittel in der Hauptverhandlung und trotz
ausdrücklicher Aufgabe der Auffassung durch den Zeugen selbst
ausgehen. Einem solchen Prozeßverhalten der Verteidigung
durfte das Gericht ohne vorherigen Hinweis im Urteil als sachlich
aussichtslos begegnen. Anders als ein erkanntes - schon im Blick auf
die Flüchtigkeit des Wortes bei einer Aussage
verständliches - Mißverständnis
begründet nicht etwa jede deutlich erkennbare abweichende
Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch die Verteidigung
eine gerichtliche Hinweispflicht aus Gründen fairer
Verfahrensgestaltung. Dies gilt - nicht anders als im Fall
bewußter unrichtiger Behauptungen über Ergebnisse
der Beweisaufnahme (vgl. BGH bei Kusch NStZ 1993, 228) - jedenfalls
auch bei Fehlbewertungen der Verteidigung aufgrund von Uneinsichtigkeit
oder nachhaltiger Unaufmerksamkeit. Allzu weitgehenden Eingriffs- und
Reaktionspflichten des Gerichts auf die Wahrnehmung von
Verfahrensrechten durch die Verteidigung stünde letztlich der
Grundsatz entgegen, daß die Verteidigung bei deren
Ausübung prozeßrechtlich eigenverantwortlich handelt
(vgl. BGHSt 13, 337, 343; Meyer-Goßner, StPO 46. Aufl. vor
§ 137 Rdn. 1; Basdorf StV 1997, 488, 489).
3. Die weiteren vom Angeklagten R erhobenen
Aufklärungsrügen im Zusammenhang mit einem
behaupteten, vom Landgericht als widerlegt angesehenen Tankvorgang
unmittelbar vor der Schießerei scheitern an § 344
Abs. 2 Satz 2 StPO, da es jedenfalls an einer hinreichend
präzisen Darlegung des zu erwartenden Beweisergebnisses fehlt.
Zudem wird nichts dafür vorgetragen, warum sich insoweit eine
weitere Beweisaufnahme nach dazu bereits erfolgten Beweiserhebungen und
nach einer Erledigungserklärung hinsichtlich eines
Hilfsbeweisantrages mit gleichartiger Zielrichtung durch den
Antragsteller selbst hätte aufdrängen müssen.
4. Die Sachrüge des Angeklagten V hat im übrigen zum
Schuldspruch teilweise Erfolg. Zwar ist dieser Angeklagte
rechtsfehlerfrei der rechtswidrig und uneingeschränkt
schuldhaft verübten vorsätzlichen Tötung
überführt worden. Seine Verurteilung wegen Mordes
hält jedoch rechtlicher Nachprüfung nicht stand; die
Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe aus niedrigen
Beweggründen gehandelt, begegnet - wie die Revision zu Recht
geltend macht - durchgreifenden Bedenken.
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen nicht,
daß das rechtsfehlerfrei angenommene tragende Motiv
für die Erschießung des Z , sich für den
Hinauswurf aus dem Lokal T zu rächen, seinerseits auf
niedrigen Beweggründen beruhte (vgl. BGHR StGB § 211
Abs. 2 niedrige Beweggründe 28; BGH StV 2001, 571). Das
wäre nur dann der Fall, wenn diese Gefühlsregung
jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehrte (vgl. BGHR StGB
§ 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 8, 16, 22; BGH StV
2001, 571). So verhält es sich hier jedoch nicht: Soweit das
Landgericht dem Angeklagten in diesem Zusammenhang schon das
bloße Aufsuchen des Lokals T trotz Lokalverbots - in
erheblich alkoholisiertem Zustand nach vorangegangenen anderen
Lokalbesuchen - anlastet, läßt es die naheliegende -
später auch tatsächlich eingetretene -
Möglichkeit außer acht, der Angeklagte
könne davon ausgegangen sein, der Wirt werde nicht auf dem
Verbot bestehen. Danach bleibt kein Raum für mehr als eine
eher wertneutrale Würdigung des Verstoßes gegen das
Lokalverbot. Daß das Landgericht weiterhin auf einen
selbstverschuldeten Hinauswurf aus dem Lokal abgestellt hat, erweist
sich gleichfalls letztlich nicht als tragfähig. Die
Umstände des Lokalverweises, insbesondere die erheblichen
Verletzungen des Begleiters B , überschritten ihrerseits die
Grenzen einer erforderlichen Verteidigung der Gesundheit anderer
Gäste, des Hausrechts und des Geschäftsbetriebs und
trugen die Züge einer Bestrafungsaktion. Vor dem Hintergrund
der persönlichkeitsbedingt leichten Reizbarkeit des
Angeklagten V bei Hinzutreten nicht ganz unerheblicher Alkoholisierung
war der Ärger hierüber die Grundlage für den
in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang gefaßten und
verwirklichten Entschluß, Z aus Rache für sein
Verhalten zu erschießen. Ein so begründetes Tatmotiv
entbehrte - zumal unter Berücksichtigung der subjektiven
Befindlichkeit des Angeklagten V (vgl. nur BGHR StGB § 211
Abs. 2 niedrige Beweggründe 31, 34) - nicht jeglichen
nachvollziehbaren Grundes und ist daher noch nicht als niedrig zu
bewerten. Diese Betrachtungsweise gilt jedenfalls im Blick auf das
eigene Verhalten des Opfers Z unmittelbar vor dem Tatgeschehen: Z begab
sich ersichtlich aggressiv und selbst massiv bewaffnet bewußt
in die gefährliche Konfliktsituation mit den Angeklagten (UA
S. 16).
5. Auch die Sachrüge des Angeklagten R hat zum Schuldspruch
einen Teilerfolg.
a) Entgegen der Auffassung der Revision tragen die Feststellungen
allerdings die Annahme eines Förderns der Haupttat und eines
Gehilfenvorsatzes. Daß das Verbringen des Schützen
in die Schußposition angesichts des sich entfernenden Opfers
hier ein entscheidendes Tatmittel war (vgl. BGHSt 42, 135, 138; 46,
107, 109), liegt auf der Hand. Die aus den Umständen der
Anfahrt und der Tatausführung des V für den Vorsatz
gezogenen Schlüsse sind jedenfalls möglich und
nachvollziehbar (vgl. BGHSt 36, 1, 14). Es gibt - abweichend von der
von der Revision herangezogenen Entscheidung BGHR StGB § 212
Abs. 1 Vorsatz, bedingter 20 - vorliegend keinen Anhaltspunkt
dafür, daß der Angeklagte R auf einen
glücklichen Ausgang des Geschehens vertraut hätte.
b) Eine Verurteilung des Angeklagten R wegen Beihilfe zum Mord scheidet
in Ermangelung rechtsfehlerfreier Annahme des beim Haupttäter
V angenommenen Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe aus. Auf
darüber hinaus bestehende Zweifel an der Auffassung des
Tatrichters, daß R als Gehilfe seinen Tatbeitrag in Kenntnis
der niedrigen Beweggründe des Haupttäters V erbracht
und selbst ebenfalls aus niedrigen Beweggründen gehandelt
habe, kommt es danach gar nicht mehr an.
6. Der Senat schließt aus, daß sich aufgrund neuer
Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen treffen lassen, die bei
den Angeklagten ein Handeln aus "niedrigen Beweggründen"
ergeben könnten. Daß die Tat im Zusammenhang mit
einer Schutzgelderpressung stand - von deren Versuch V
rechtskräftig freigesprochen wurde -, hat das Landgericht
nicht nachzuweisen vermocht. Es erscheint ausgeschlossen, daß
insoweit sichere Aufklärungsmöglichkeiten
für einen neuen Tatrichter bestehen könnten. Auch von
den Nebenklägern ist insoweit nichts weiter vorgebracht
worden. Anhaltspunkte für weitere mordqualifizierende Merkmale
- Heimtücke schied aus, da Z in der Tatsituation auf einen
Anschlag gefaßt war - bestehen nicht; solche werden auch in
der zugelassenen Anklage nicht angenommen. Der Senat ändert
daher die Schuldsprüche von sich aus dahin, daß der
Angeklagte V des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB) und der
Angeklagte R der Beihilfe zum Totschlag (§ 212 Abs. 1 StGB,
§ 27 Abs. 1 StGB) schuldig ist.
7. Die Schuldspruchänderungen ziehen die Aufhebung der
Strafaussprüche nach sich. Dagegen sind sämtliche
auch rechtsfolgenrelevanten Feststellungen - namentlich diejenigen zur
jeweils uneingeschränkten Schuldfähigkeit der
Angeklagten - rechtsfehlerfrei getroffen worden; sie können
deshalb bestehenbleiben. Für beide Angeklagte werden
für die geänderten Schuldsprüche auf der
Grundlage der bisherigen Feststellungen und etwaiger weiterer, den
ersteren aber nicht widersprechender Umstände die Strafen neu
zu bestimmen sein. Bei dem Angeklagten V wird ungeachtet des Verhaltens
des Opfers angesichts des massiven, mehreren Mordmerkmalen
nahekommenden Tatbildes nur eine aus dem obersten Bereich des
Strafrahmens aus § 212 Abs. 1 StGB zugemessene Strafe in
Betracht kommen.
Harms Basdorf Gerhardt Brause Schaal |