BGH,
Urt. v. 28.3.2001 - 3 StR 463/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 463/00
vom
28. März 2001
in der Strafsache gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28.
März 2001, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richter am
Bundesgerichtshof Kutzer, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach,
Winkler, von Lienen, Becker als beisitzende Richter, Bundesanwalt in
der Verhandlung, Staatsanwältin bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als
Verteidiger, Rechtsanwalt , Rechtsanwalt als
Nebenklägervertreter, Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle, für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-gerichts
Mönchengladbach vom 22. März 2000 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in
Tateinheit mit schwerer Körperverletzung zu einer
Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der
Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts stützt. Das Rechtsmittel ist
unbegründet.
1. Nach den Feststellungen gehören der Angeklagte und der
Nebenkläger Josef H. miteinander verfeindeten
Landfahrerfamilien an. In der Vergangenheit waren der Angeklagte und
seine Angehörigen mehrfach vom Nebenkläger oder
dessen Brüdern mit Schußwaffen angegriffen worden.
Am Morgen des 19. Oktober 1999 näherte sich der Angeklagte in
einer Bäckerei von hinten dem an der Theke wartenden Josef H.
, der ihn nicht bemerkte, und stieß ihm mit voller Wucht ein
Messer zweimal in die linke hintere Körperseite und einmal in
den linken Brustkorb, wobei er dessen Tod billigend in Kauf nahm. Der
Geschädigte erlitt lebensgefährliche Verletzungen.
2. Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts
vom 23. Oktober 2000 bleibt die Revision mit allen
verfahrensrechtlichen Beanstandungen und mit den sachlichrechtlichen
Einwendungen gegen den Schuldspruch ohne Erfolg.
3. Auch der Strafausspruch hält revisionsrechtlicher
Überprüfung stand.
Das Landgericht, das die für Mord angedrohte lebenslange
Freiheitsstrafe gemäß §§ 23 Abs.
2, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB gemildert und einen Strafrahmen von drei bis zu
15 Jahren angenommen hat, durfte zu Lasten des Angeklagten dessen
vorausgegangene Verurteilung wegen versuchten Mordes
berücksichtigen, da sie entgegen der Meinung der Revision
nicht tilgungsreif (§ 51 Abs. 1 BZRG) war. Die Tilgungsfrist
setzt sich zusammen aus der Frist von fünf Jahren
gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e) BZRG
sowie der verhängten (vgl. BGHR BZRG § 46 I
Tilgungsfrist 2) Jugendstrafe von sechs Jahren (§ 46 Abs. 3
BZRG) und betrug somit insgesamt elf Jahre. Für die
Fristberechnung kommt es nach §§ 36 Satz 1, 47 Abs. 1
BZRG auf den Tag der Verurteilung - den 13. August 1970 - und nicht auf
den der Tatbegehung an (vgl. Rebmann/Uhlig, Bundeszentralregistergesetz
1985 § 47 Rdn. 14). Vor Ablauf der Tilgungsfrist ist der
Angeklagte durch Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom
22. Juli 1981 wegen vorsätzlichen Fahrens eines Fahrzeugs ohne
Versicherungsschutz zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen
verurteilt worden. Nach § 47 Abs. 3 Satz 1 BZRG ist beim
Eintrag mehrerer Verurteilungen im Bundeszentralregister die Tilgung
einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle
Eintragungen die Tilgungsvoraussetzungen vorliegen, wobei es auf Art
und Höhe der Verurteilungen nicht ankommt (vgl.
Götz/Tolzmann, Bundeszentralregistergesetz 4. Aufl. §
47 Rdn. 14).
Das Landgericht hat ausdrücklich bedacht, daß die
Verurteilungen wegen versuchten Mordes vom 13. August 1970 und wegen
vorsätzlicher Körperverletzung vom 11. März
1986 schon lange Zeit zurückliegen und der Angeklagte seitdem
nicht mehr mit Aggressionsdelikten in Erscheinung getreten ist. Auch
stellt es keinen Rechtsfehler dar, daß die Strafkammer bei
der Strafzumessung nicht ausdrücklich zu Gunsten des
Angeklagten dessen Alter sowie dessen Behinderung wegen der im Jahre
1992 durchgeführten Bypassope-
ration nach einem Herzinfarkt angeführt hat. Da das
Landgericht diese Umstände in anderem Zusammenhang
erörtert hat, schließt der Senat aus, daß
sie ihm im Rahmen der Strafzumessung aus dem Blick geraten sein
könnten. Außerdem handelt es sich insoweit nicht um
bestimmende Strafzumessungserwägungen, weil das Alter von 50
Jahren noch nicht als hoch (vgl. BGHR
§ 46 I Schuldausgleich 20) und der Zustand nach der
Bypassoperation nicht als schwere Erkrankung anzusehen sind, so
daß eine wesentlich erhöhte Strafempfindlichkeit
wegen einer nur noch geringen Lebenserwartung nicht besteht (vgl. BGHR
§ 46 I Schuldausgleich 3, 7 und 19). Eine Strafmilderung
allein deshalb, weil der Angeklagte nicht mit direktem, sondern nur mit
bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, mußte das
Landgericht nicht vornehmen, da die Vorsatzform nur im Zusammenhang mit
den Vorstellungen und Zielen des Täters eine taugliche
Beurteilungsgrundlage bildet und eine bedingt vorsätzliche
Tötung aus nichtigem Anlaß schwerer wiegen kann, als
eine mit direktem Vorsatz verübte Tat (vgl. BGH NJW 1981,
2204; Gribbohm in LK 11. Aufl. § 46 Rdn. 86;
Lackner/Kühl, StGB 23. Aufl. § 46 Rdn. 33). Der von
der Verteidigung behauptete Widerspruch zwischen dem straferschwerend
gewerteten Umstand eines in der Öffentlichkeit begangenen
Aggressionsdelikts und der Annahme von Heimtücke liegt nicht
vor. Die Berücksichtigung der Schwere der Verletzungen, der
dauerhaft entstellenden Narben und der Narbenschmerzen zu Lasten des
Angeklagten ist zulässig, ohne daß wegen der
tateinheitlich verwirklichten schweren Körperverletzung gegen
das Doppelverwertungsverbot gemäß § 46 Abs.
3 StGB verstoßen wird (Schäfer, Praxis der
Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 305 a).
Die posttraumatische Belastungsstörung des Angeklagten als
Folge eines 1994 erfolgten Schußwaffenangriffs hat die Kammer
ausdrücklich strafmildernd berücksichtigt. Der
Vorwurf der Verteidigung, sie sei nur unzureichend gewertet worden, ist
lediglich der unzulässige Versuch, die eigene Wertung an die
des Tatrichters zu setzen. Das angefochtene Urteil mußte sich
nicht mit der fernliegenden Möglichkeit auseinandersetzen, bei
der Tat könne es sich um eine die erhebliche Verminderung der
Schuldfähigkeit begründende Auswirkung der lange
zurückliegenden posttraumatischen Belastungsstörung
gehandelt haben.
Entgegen der Meinung der Verteidigung ist schließlich auch
die Erwägung des Landgerichts, die im oberen Bereich des
Strafrahmens angesiedelte Freiheitsstrafe von 14 Jahren sei auch zur
Einwirkung sowohl auf den Angeklagten als auch dessen Umfeld - wegen
der vorangegangenen Aggressionsdelikte zwischen den verfeindeten
Landfahrerfamilien - erforderlich, trotz der
mißverständlichen Formulierung im Ergebnis
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Da es die verhängte
Strafe auch ohne Berücksichtigung dieser präventiven
Gedanken unter Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte
für tat- und schuldangemessen gehalten hat, war entsprechend
§ 46 Abs. 1 Satz 1 StGB allein die Schuld des Angeklagten ihre
Grundlage. Die für die Strafhöhe nicht tragenden
Gesichtspunkte der Spezial- und Generalprävention hat das
Landgericht lediglich bestätigend angeführt, ohne den
Bereich der schuldangemessenen Strafe zu verlassen (vgl. BHGR StGB
§ 46 I Generalprävention 8 und 10; Schäfer,
aaO Rdn. 351 f.).
Kutzer Miebach Winkler von Lienen Becker |