BGH,
Urt. v. 28.11.2000 - 5 StR 299/00
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
5 StR 299/00
URTEIL
vom 28. November 2000
in der Strafsache gegen
1.
2.
wegen räuberischer Erpressung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der
Hauptverhandlung vom 27. und 28. November 2000 in der Sitzung vom 28.
November 2000, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Basdorf, Richterin Dr. Tepperwien, Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Brause als beisitzende Richter, Richterin am Landgericht
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt G als Verteidiger
des Angeklagten P , Rechtsanwalt D als Verteidiger der Angeklagten Pi ,
Rechtsanwältin B als Vertreterin des Nebenklägers Gr
, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Die Revisionen des Nebenklägers gegen das Urteil des
Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2000 werden auf seine Kosten
verworfen.
Der Nebenkläger hat die den Angeklagten durch seine
Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagten vom Vorwurf der gemeinschaftlichen
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
gefährlicher Körperverletzung aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen
gerichteten Revisionen des Nebenklägers, mit denen er das
Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts
rügt, bleiben ohne Erfolg.
1. Die Rügen, mit denen eine Verletzung der nach §
244 Abs. 2 StPO gebotenen Aufklärungspflicht beanstandet wird,
sind unzulässig, da sie nicht der in § 344 Abs. 2
Satz 2 StPO vorgeschriebenen Form genügen.
a) Der Beschwerdeführer, der eine Verletzung des
Verfahrensrechts geltend macht, muß die den Mangel
begründenden Tatsachen so vollständig und genau
angeben, daß das Revisionsgericht allein aufgrund der
Begründungsschrift prüfen kann, ob ein
Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen.
Danach setzt eine zulässige Aufklärungsrüge
nicht nur die Benennung eines bestimmten Beweismittels und eines
bestimmten Beweisergebnisses voraus, sondern es bedarf auch der
Darlegung der Umstände und Vorgänge, die für
die Beurteilung der Frage, ob sich dem Gericht die vermißte
Beweiserhebung aufdrängen mußte, bedeutsam sein
könnten (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StPO § 344 Abs. 2
Satz 2 - Aufklärungsrüge 6 m.w.N.). Daran fehlt es
hier bei mehreren Rügen:
Soweit die Revision geltend macht, das Landgericht hätte das
Zustandekommen von Verletzungen des Nebenklägers mittels eines
Elektroschockgeräts durch Vernehmung des den
Nebenkläger am Tattage behandelnden Arztes sowie durch die
Anhörung eines gerichtsmedizinischen Sachverständigen
näher aufklären müssen, und hierbei auf
Lichtbilder von den Verletzungen sowie den schriftlichen Arztbericht
des Unfallarztes verweist, hätten Arztbericht und Lichtbilder
in die Revisionsbegründung aufgenommen werden müssen.
Da dies nicht erfolgt ist, vermag der Senat nicht zu beurteilen, ob die
genannten Urkunden bzw. die Lichtbilder das Landgericht zu weiteren
Beweiserhebungen hätten drängen müssen.
An einem entsprechenden Mangel leidet auch die Rüge, das
Landgericht habe die Einholung (weiterer) daktyloskopischer Gutachten
unterlassen, denn das Gutachten des Landeskriminalamtes vom 31. August
1998, an das die Revision anknüpft, wird dem Senat nicht im
einzelnen mitgeteilt.
Für die Zulässigkeit der Rüge, das
Landgericht hätte durch ein psychologischen
Sachverständigen feststellen lassen müssen,
daß die Unterschriften unter zwei Schriftstücken
unter Zwang geleistet wurden, fehlt es an der Vorlage der jeweiligen
Schriftstücke.
b) Die Rüge, das Landgericht sei Widersprüchen, die
sich bereits aus Inhalt und äußerem Erscheinungsbild
einer schriftlichen Vergleichsvereinbarung ergäben, nicht in
der gebotenen Form nachgegangen, entbehrt einer konkreten
Beweisbehauptung. Im übrigen kann die
Nichtausschöpfung der vom Tatrichter benutzten Beweismittel,
insbesondere das hier beanstandete Fehlen von Vorhalten, mit der
Revision nicht zulässig gerügt werden, da die
Überprüfung des geltend gemachten Verfahrensfehlers
eine im Revisionsverfahren nicht statthafte Rekonstruktion der
tatrichterlichen Hauptverhandlung voraussetzen würde (vgl.
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl.
§ 244 Rdn. 82 m.w.N.).
2. Auch eine Überprüfung des Urteils aufgrund der
erhobenen Sachrüge läßt keine die
Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler erkennen.
a) Das Landgericht hat die Einlassung der Angeklagten Pi für
glaubhaft erachtet, weil sie nicht nur in sich folgerichtig war,
sondern auch in wesentlichen Teilen - Kündigung von zwei
Lebensversicherungen und Erhöhung eines
Überziehungskredits in engem zeitlichen Zusammenhang mit der
von der Angeklagten behaupteten beabsichtigten Schuldentilgung beim
Nebenkläger - durch objektive Beweismittel gestützt
worden ist.
Daneben hat die Strafkammer für die Feststellung,
daß die Angeklagte und der Nebenkläger sich -
entgegen der Aussage des Nebenklägers - telefonisch auf eine
einmalige Zahlung von 12.000 DM geeinigt hatten, unter anderem als
Indiz herangezogen, daß die Angeklagte ihren mitangeklagten
Lebensgefährten P am Tattage mit dem "gesamten Geld " zum
Nebenkläger geschickt hatte. Diese Überlegung stellt
entgegen der Auffassung der Revision keinen unzulässigen
Zirkelschluß dar, weil sie nicht allein auf den Angaben der
Angeklagten beruht. Vielmehr war zum einen durch objektive Beweismittel
belegt, daß die Angeklagte zeitnah einen entsprechenden
Geldbetrag von ihrem Bankkonto abgehoben hatte. Zum anderen hatte der
Nebenkläger zeugenschaftlich ausgesagt, der Mitangeklagte P
habe ihm in seiner, des Nebenklägers Wohnung, einen
Geldumschlag gezeigt, das Geld aber wieder weggesteckt (UA S. 8).
Ersichtlich hat das Landgericht aus diesen beiden Umständen
den naheliegenden Schluß gezogen, daß die
Angeklagte Pi die von ihrem Konto abgehobenen 12.000 DM am Tattag dem
Mitangeklagten auch tatsächlich ausgehändigt hat.
Daß das Landgericht an diese Feststellung weitere
Schlußfolgerungen anknüpft, ist nicht zu beanstanden.
b) Auch der Freispruch des Angeklagten P läßt
Rechtsfehler nicht erkennen. Als Beweismittel dafür,
daß der Angeklagte P den Nebenkläger gemeinsam mit
einem unbekannten Mittäter unter anderem unter Einsatz eines
Elektroschockgeräts gezwungen haben soll, einen Vergleich
über 12.000 DM zu unterschreiben und den Erhalt des - dem
Nebenkläger vorenthaltenen - Geldbetrages zu quittieren, steht
nur die Aussage des Nebenklägers zur Verfügung. Zwar
erscheint diese in sich plausibel und wird gestützt durch
Verletzungen, die der Nebenkläger bei Anzeigenerstattung
aufwies. Gegen die Glaubwürdigkeit des Nebenklägers
sprach aber, daß er im Rahmen des Zivilprozesses, der
Hintergrund der den Angeklagten zur Last gelegten Taten ist, zu seinen
Vermögensverhältnissen unwahre Angaben gemacht hat
und daß seine Behauptung, es habe keine telefonische Einigung
über eine Zahlung von 12.000 DM gegeben, widerlegt worden ist.
Angesichts dieser unwahren Angaben in wesentlichen Details
hätte es für eine Verurteilung des Angeklagten P
aussagekräftiger Indizen außerhalb der Aussage des
Belastungszeugen bedurft (vgl. BGHR StPO § 261 -
Beweiswürdigung 15). Daß das Landgericht die
Verletzungen des Nebenklägers hierfür nicht als
ausreichend erachtet hat, stellt angesichts der
Geringfügigkeit der Verletzungen und des Fehlens signifikanter
Merkmale, die auf eine bestimmte Art der Beibringung
schließen lassen, keinen Rechtsfehler dar.
Damit durfte das Landgericht die Angeklagten freisprechen, ohne
daß es hierfür auf die übrigen - nicht
durchweg überzeugenden - Hilfserwägungen
ankäme.
Harms Basdorf Tepperwien
Gerhardt Brause |