BGH,
Urt. v. 29.4.2010 - 3 StR 314/09
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 314/09
vom
29. April 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
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StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1
Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB
liegt nur dann vor, wenn der Zugriff auf den weggegebenen
Vermögensbestandteil für einen Insolvenzverwalter im
Rahmen der Gesamtvollstreckung (Insolvenz) wesentlich erschwert wird.
BGH, Urteil vom 29. April 2010 - 3 StR 314/09 - LG Kiel
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in der Strafsache
gegen
wegen Bankrotts
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
vom 15. April 2010 in der Sitzung am 29. April 2010, an denen
teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
Richter am Bundesgerichtshof
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
- in der Verhandlung vom 15. April 2010 - ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizamtsinspektor
- in der Verhandlung vom 15. April 2010 - ,
Justizangestellte
- bei der Verkündung am 29. April 2010 -
als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Kiel vom 19. Januar 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorgenannte Urteil
wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen
Bankrotts in drei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem
Jahr und neun Monaten - gebildet aus Freiheitsstrafen von einem Jahr
(Tat 1), neun Monaten (Tat 2) und einem Jahr und drei Monaten (Tat 3) -
verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
Außerdem hat es ausgesprochen, dass wegen einer
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rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von ca. zwei Jahren
fünf Monate der Strafe als verbüßt gelten.
Gegen die Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf
Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten
Revision. Er ist der Auffassung, sein Verhalten erfülle nicht
den Tatbestand des Bankrotts. Mit ihrer wirksam auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkten, zu Ungunsten des
Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft
die Verletzung materiellen Rechts. Sie ist der Ansicht, die Strafkammer
habe rechtsfehlerhaft besonders schwere Fälle des Bankrotts
gemäß § 283 a StGB verneint, die
verhängten Strafen seien unvertretbar milde und die
Kompensation für die rechtsstaatswidrige
Verfahrensverzögerung weise Rechtsfehler auf.
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Das Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg,
so dass es auf die Verfahrensrügen nicht mehr ankommt. Das vom
Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel der
Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
3
A. Feststellungen und rechtliche Würdigung des Landgerichts:
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I. Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Angeklagte zur Finanzierung
eines Bauvorhabens, das er im Bereich des Germaniahafens in
Kiel-Hörn ausführen ließ, bei der Sachsen
LB - Landesbank Sachsen Girozentrale (im Folgenden: Sachsen LB) einen
Kredit in Höhe von ca. 200 Mio. DM (= 102.258.376,24
€) auf. Bestandteil des Darlehensvertrages waren neben den
"Allgemeinen Geschäftsbedingungen" der Sachsen LB deren
"Bedingungen für private Finanzierungen", die eine Regelung
zur fristlosen Kündigung (Ziff. 10.2) enthielten.
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Als Sicherheit für den Darlehensrückzahlungsanspruch
verpfändete der Angeklagte an die Sachsen LB ein ihm
gehörendes Depot mit Aktien des Mobilfunkbetreibers MobilCom
AG. Zu diesem Zeitpunkt betrug der amtliche Kurs 83 € je
Aktie. Weitere 16.552.340 Stück Aktien der MobilCom AG hatte
der Angeklagte an drei andere Geldinstitute für ausgereichte
Kredite in der Gesamthöhe von ca. 143,9 Mio. €
verpfändet. Das Darlehen der Sachsen LB wurde an den
Angeklagten ausbezahlt, der von der ihm eingeräumten
Möglichkeit einer Zwischenanlage in Aktien der MobilCom AG
Gebrauch machte, um deren Kurs zu stützen.
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Da in der Folgezeit der Kurs der Aktien der MobilCom AG immer mehr
verfiel, trafen die Sachsen LB und der Angeklagte eine neue
Vereinbarung über die zu stellenden Sicherheiten und deren
Berechnung, die in einem Nachtrag zum Darlehensvertrag schriftlich
niedergelegt wurde. Vereinbarungsgemäß bestellte der
Angeklagte der Sachsen LB zunächst eine Grundschuld
über 39 Mio. DM an dem Gesamtgrundstück in
Kiel-Hörn, die nach einer Teilung in drei Teilflächen
(Bauteile A, B und C) auf diese mit jeweils 13 Mio. DM nebst Zinsen
aufgeteilt wurde.
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In den folgenden Monaten verlangte die Sachsen LB vom Angeklagten in
einer Vielzahl von Schreiben entsprechend dem jeweiligen Aktienkurs
erfolglos eine Erhöhung der Sicherheiten durch die
Nachlieferung weiterer Aktien. Zu dieser Zeit befanden sich in dem an
die Sachsen LB verpfändeten Wertpapierdepot 5.675.000
Stück Aktien. Ein Gutachter der Sachsen LB errechnete den der
Bank durch die Grundschulden tatsächlich erwachsenen Wert an
zusätzlicher Sicherheit mit 3.070.000 € für
das Grundstück Bauteil A, mit 6.646.794,45 €
für das Grundstück Bauteil B und mit 3.470.000
€ für das Grundstück Bauteil C. Für
das Grundstück Bauteil A setzte er wegen eines Fehlers bei der
Zuord-
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nung der Flurstücke den Wert der Sicherheit um 1.760.000
€ niedriger fest, als er tatsächlich zu bemessen
gewesen wäre. Beim Grundstück Bauteil B, auf dem
bereits mit den Bauarbeiten begonnen worden war, hielt der Gutachter
den tatsächlichen Beleihungswert für wesentlich
höher als den Nominalwert der Grundschuld.
Mit Schreiben vom 25. Februar 2002 forderte die Sachsen LB vom
Angeklagten eine Verstärkung der Sicherheiten durch die
Einlieferung weiterer 3.188.810 Stück Aktien der MobilCom AG.
Dieser gab an, keine freien Aktien in der geforderten Anzahl zur
Verfügung zu haben, und lehnte die Bestellung weiterer
Grundschulden ab. Wegen fehlender Barmittel des Angeklagten und der
Nichtzahlung einer Abschlagsrechnung hatte zuvor die ARGE Umbau
Germaniahafen die Bauarbeiten auf dem Grundstück Bauteil B
eingestellt. Mit Schreiben vom 7. März 2002 kündigte
sie den Generalunternehmervertrag.
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Die Sachsen LB forderte den Angeklagten mit Schreiben vom 1.
März 2002 mit Fristsetzung zum 15. März 2002 und
unter Androhung der fristlosen Kündigung auf, entweder zu
ihren Gunsten auf dem Grundstück Bauteil B weitere
Grundschulden in Höhe von 20 Mio. € zu bestellen und
zusätzlich 1.293.747 Aktien der MobilCom AG nachzuliefern oder
weitere 3.188.810 Stück Aktien in das verpfändete
Wertpapierdepot einzubringen. Der Berechnung des
Nachsicherungsverlangens lagen die fehlerhafte Ermittlung des Wertes
der auf dem Grundstück Bauteil A bestellten Grundschuld und
ein fehlerhafter Mindestsicherungswert durch Aktien unter
Berücksichtigung zusätzlich bestellter Grundschulden
über 20 Mio. € (77.074.339,32 € statt
richtigerweise 76.033.739,97 €) zugrunde.
10
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Spätestens am 4. März 2002 erkannten die Vertreter
der Sachsen LB den Fehler bei der Ermittlung des Beleihungswertes
für das Grundstück Bauteil A. Ihnen wurde daher
bewusst, dass das Nachsicherungsverlangen um 175.045 Stück
Aktien im Wert von 1,76 Mio. € überhöht war.
Den Angeklagten informierte sie darüber nicht. Nach einer
Verlängerung der gesetzten Frist erklärte die Sachsen
LB mit Schreiben vom 19. März 2002 die fristlose
Kündigung des Darlehensvertrages, stellte am 19. April 2002
das Darlehen zur Zahlung fällig und kündigte die
Verwertung der Sicherheiten sowie die Einleitung von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen an.
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Am 14. August 2002 erließ das Amtsgericht Leipzig einen
Mahnbescheid über 5 Mio. € nebst Zinsen, gegen den
der Angeklagte Widerspruch einlegte. Mit Klageschrift vom 19. September
2002 erhob die Sachsen LB gegen den Angeklagten beim Landgericht
Flensburg Klage auf Zahlung von 20 Mio. €. Kurz darauf kam es
zu Handlungen des Angeklagten, in denen das Landgericht drei
Bankrotttaten sieht:
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Am 24. September 2002 wies der Angeklagte die I. -Bank an, von seinem
bei ihr geführten Konto 500.000 € auf sein Konto bei
der V. P. bank Vaduz in Liechtenstein (im Folgenden: VP-Bank) zu
überweisen (Tat 1). Am 2. Oktober 2002 beauftragte er dieselbe
Bank, weitere 240.000 € auf sein Konto in Liechtenstein zu
transferieren (Tat 2) und - wie im Urteil festgestellt ist - alle in
seinem Depot vorhandenen Aktien der MobilCom AG auf das bei derselben
Bank in Vaduz geführte Wertpapierdepot zu übertragen.
13
Hinsichtlich des in Liechtenstein geführten Depots gibt es
eine Vereinbarung mit Datum vom 24. September 2002, mit der der
Angeklagte die Wertpapiere an seine Ehefrau abtrat. Am 12. und 13.
November 2002 erwarb der An-
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geklagte mit Geld von seinem Konto bei der VP-Bank für etwa
660.000 € Aktien der MobilCom AG, die er in das bei dieser
Bank geführte Wertpapierdepot einbuchen ließ. Der
Kurs der Aktie der MobilCom AG betrug Ende September/Anfang Oktober
2002 nur noch zwischen 1,12 € und 2,01 €.
Durch ein gegen Sicherheitsleistung für vorläufig
vollstreckbar erklärtes Urteil des Landgerichts Flensburg vom
5. November 2002 wurde der Angeklagte verurteilt, an die Sachsen LB 20
Mio. € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit
20. April 2002 zu zahlen. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte
Berufung ein.
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Am 19. November 2002 übertrug der Angeklagte seine
Geschäftsanteile an drei Handelsgesellschaften auf den B.
Trust Reg. aus Vaduz, dessen Gesellschafterin die Ehefrau des
Angeklagten war, zum Kaufpreis von 500.000 €, wobei zumindest
die Anteile an der M. GmbH in Höhe des Kaufpreises werthaltig
waren. Als Gegenleistung hatte die Ehefrau mit Wertstellung vom 14.
November 2002 die 500.000 € auf das Konto eines Rechtsanwalts
und Notars überwiesen, die dieser auf das Konto des
Angeklagten bei der VP-Bank in Vaduz transferierte (Tat 3). Zu dieser
Zeit betrug der Kurs der Aktie der MobilCom AG ca. 6,35 €.
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In der Folgezeit kam es zu einer Vielzahl von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seitens der Sachsen LB gegen
den Angeklagten, die zu einem erheblichen Teil erfolglos blieben. Die
Versuche der Sachsen LB, im Wege der Zwangsvollstreckung auf das Konto
des Angeklagten bei der VP-Bank in Liechtenstein zuzugreifen,
scheiterten. Die VP-Bank teilte der Sachsen LB mit, sie müsse
vor der Durchführung der Zwangsvollstreckung zunächst
den ordentlichen Rechtsweg über das fürstliche
Landgericht in Liechtenstein beschreiten.
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Am 11. Februar 2003 stellte der Angeklagte beim Amtsgericht einen
Eigeninsolvenzantrag, den er mit drohender Zahlungsunfähigkeit
begründete. Am 2. März 2003 wurde das
Insolvenzverfahren über sein Vermögen
eröffnet.
II. Das Landgericht hat in seiner rechtlichen Beurteilung im
Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Angeklagte habe in drei
Fällen Vermögensbestandteile, die für den
Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse
gehörten, im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB
beiseite geschafft. Zwar sei der Angeklagte nicht
zahlungsunfähig gewesen; denn die fristlose Kündigung
der Sachsen LB sei wegen des verschwiegenen gravierenden Fehlers bei
der Ermittlung des Grundschuldwertes für den Bauteil A und der
nicht nachvollziehbaren Berechnung des Mindestsicherungswertes durch
Aktien unwirksam gewesen, sodass der
Darlehensrückzahlungsanspruch nicht fällig geworden
sei. Jedoch habe der Angeklagte wegen seiner äußerst
kritischen wirtschaftlichen Lage die Taten im Stadium drohender
Zahlungsunfähigkeit begangen, weil die Sachsen LB zur
fristlosen Kündigung berechtigt und entschlossen gewesen sei,
durch die der Darlehensrückzahlungsanspruch sofort
fällig geworden wäre. Da er nicht über
ausreichende liquide Mittel zu dessen Befriedigung verfügt
habe und nicht in der Lage gewesen sei, sich solche kurzfristig zu
verschaffen, habe es sich nicht um eine bloße
Zahlungsstockung von wenigen Wochen gehandelt. Der Angeklagte habe alle
Umstände, welche die Tatbestandsmerkmale des Bankrotts
(§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB) erfüllten, gekannt und
deshalb zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Ein Verbotsirrtum
liege nicht vor.
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B. Revision des Angeklagten:
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20
I. Aus der Anklageschrift vom 21. September 2007 und den
Urteilsgründen ergibt sich, dass Gegenstand der Verurteilung
hinsichtlich der Tat 2 lediglich die am 2. Oktober 2002 veranlasste
Überweisung der 240.000 € auf das Konto bei der
VP-Bank in Vaduz ist. Soweit das Landgericht festgestellt hat, der
Angeklagte habe an diesem Tag die I. -Bank auch angewiesen, alle in
seinem dortigen Depot vorhandenen Aktien der MobilCom AG auf das Konto
bei der VP-Bank in Liechtenstein zu übertragen,
erschließt sich die Bedeutung dieser Feststellung
für den Schuldspruch nicht. Einen entsprechenden
ausdrücklichen Tatvorwurf enthält die Anklageschrift
nicht. Einzelheiten zu einer Aktienübertragung vom 2. Oktober
2002, insbesondere zur Anzahl und zum Wert der übertragenen
Aktien, teilen die Urteilsgründe nicht mit. Die
Ausführungen zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen
Würdigung machen deutlich, dass das Landgericht die
Übertragung von Aktien nicht als Teil der zweiten von ihm
angenommenen Bankrotthandlung gesehen hat und sich der Schuldspruch
hierauf nicht stützt.
21
Allerdings wird die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer
darüber zu befinden haben, ob der Transfer der Aktien - sollte
er tatsächlich stattgefunden haben - als mögliche
Bankrotthandlung eventuell deswegen von der Anklage mitumfasst wird,
weil der Angeklagte die I. -Bank in einem einheitlichen Vorgang mit der
Überweisung der 240.000 € und der
Übertragung der Aktien beauftragte, sodass ein
tateinheitliches Geschehen im Sinne natürlicher
Handlungseinheit vorlag (§ 52 Abs. 1 StGB), das insgesamt dem
prozessualen Begriff der angeklagten Tat im Sinne des § 264
Abs. 1 StPO unterfällt (Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl.
§ 264 Rdn. 6 m. w. N.).
- 12 -
22
II. Die Verurteilung des Angeklagten hält der
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
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Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht zwar angenommen, dass
der Bankrotttatbestand des § 283 StGB auch Privatinsolvenzen
erfasst (BGHR StGB § 283 Abs. 1 Anwendungsbereich 1). Seine
Auffassung, der Angeklagte habe in drei Fällen
Vermögensgegenstände, die im Falle der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse
gehören, im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB
beiseite geschafft, begegnet auf der Grundlage der Feststellungen
jedoch durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
1. Zum Tatbestandsmerkmal Beiseiteschaffen hat das Landgericht im
Wesentlichen ausgeführt: Durch die zwei Überweisungen
auf das Konto bei der VP-Bank in Liechtenstein, das den
Gläubigern nicht ohne weiteres habe bekannt sein
können, sei deren Zugriff auf das Geld wesentlich erschwert
worden. Da der Kaufpreis für die an den B. Trust Reg.
verkauften und abgetretenen Geschäftsanteile ebenfalls auf
dieses Konto überwiesen worden sei, sei dem Vermögen
des Angeklagten insoweit auch kein alsbald greifbarer
Vermögenswert als Gegenleistung für die
Gesellschaftsanteile der M. GmbH zugeflossen. Zum einen sei zu
berücksichtigen, dass die Sachsen LB von der Existenz des
Kontos in Vaduz bei ihren Versuchen, die Zwangsvollstreckung zu
betreiben, erst durch die Staatsanwaltschaft informiert worden sei. Zum
anderen habe der konkrete weitere Geschehensablauf die durch den
Vermögenstransfer nach Liechtenstein eingetretene Erschwerung
des Gläubigerzugriffs deutlich gemacht, wie der erfolglose
Versuch der Sachsen LB zeige, im Wege der Zwangsvollstreckung auf das
Konto bei der VP-Bank zuzugreifen. Dies reiche für die Annahme
des Merkmals des Beiseiteschaffens im Bankrotttatbestand aus.
Unerheblich sei, ob der Insolvenzverwalter nach der späteren
Eröff-
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nung des Insolvenzverfahrens rechtlich und tatsächlich in der
Lage gewesen sei, den Vermögenstransfer
rückgängig zu machen und auf die in Liechtenstein
befindlichen Vermögensbestandteile zuzugreifen. Ein
ungeschmälerter und unmittelbarer Zugriff auf das
überwiesene Geld sei im Rahmen des Insolvenzverfahrens ohnehin
nicht mehr möglich gewesen, weil der Angeklagte mit einem
erheblichen Teil des Geldes Aktien gekauft und diese in das an die
Ehefrau abgetretene Wertpapierdepot habe übertragen lassen.
Durch die Geldüberweisungen auf sein eigenes Konto habe er
eine Befreiung von der aus einer eventuellen Vereinbarung
anlässlich der Eheschließung möglicherweise
gegenüber seiner Ehefrau bestehenden Verpflichtung zur
Übertragung von Aktien der Mobilcom AG nicht unmittelbar
herbeiführen können, sodass schon aus diesem Grund
auch der privilegierende Tatbestand der
Gläubigerbegünstigung (§ 283 c StGB) nicht
gegeben sei.
25
2. Diese Begründung trägt die Annahme des
Tatbestandsmerkmals des Beiseiteschaffens in § 283 Abs. 1 Nr.
1 StGB nicht. Sie befasst sich mit der Zugriffserschwerung bei der
Einzelzwangsvollstreckung durch die Sachsen LB und verhält
sich nicht zu der für die Auslegung der Bestimmung
entscheidenden Frage, ob infolge der Vermögenstransfers auf
das Konto in Liechtenstein eine wesentliche Erschwernis des
Gläubigerzugriffs auf die überwiesenen
Geldbeträge bei einer Gesamtvollstreckung (Insolvenz)
eingetreten ist. Im Einzelnen:
26
a) Ein Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB
liegt vor, wenn ein Schuldner einen zu seinem Vermögen
gehörenden Gegenstand dem alsbaldigen
Gläubigerzugriff entzieht oder den Zugriff zumindest
wesentlich erschwert. Dies kann entweder durch eine Änderung
der rechtlichen Zuordnung des Vermögensgegenstands oder eine
Zugriffserschwerung aufgrund tatsächlicher Umstände
geschehen (BGHSt 34, 309, 310; RGSt 66, 130, 131; OLG
- 14 -
Frankfurt NStZ 1997, 551; Tiedemann in LK 12. Aufl. § 283 Rdn.
25; Hoyer in SK-StGB § 283 Rdn. 30 f.; Stree/Heine in
Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 283 Rdn.
49; Fischer, StGB 57. Aufl. § 283 Rdn. 4).
27
aa) Eine Vereitelung des Gläubigerzugriffs durch eine
Änderung der rechtlichen Zuordnung ist etwa zu bejahen bei der
Übereignung eines Gegenstandes, der Abtretung einer Forderung
oder einer Verpfändung, wenn dies ohne adäquate
Gegenleistung geschieht. Dasselbe gilt für die
Überweisung eines Geldbetrages auf ein fremdes Konto mit der
Folge, dass der überwiesene Geldbetrag nicht mehr zum
Vermögen des Schuldners gehört (Tiedemann aaO Rdn.
25; Hoyer aaO Rdn. 30; Fischer aaO Rdn. 4). Die Rechtsprechung hat
daher Fälle, in denen der Schuldner eine ihm zustehende
Forderung von einer anderen Person über deren Konto,
über das er nicht verfügungsberechtigt war, einziehen
ließ (BGHSt 34, 309, 310 f.) oder Geld auf Konten von ihm
beherrschter, aber rechtlich selbständiger Gesellschaften
übertrug (OLG Frankfurt NStZ 1997, 551), als ein
Beiseiteschaffen eines Vermögensbestandteils aus rechtlichen
Gründen angesehen.
28
bb) Ein Beiseiteschaffen in tatsächlicher Hinsicht ist
gegeben, wenn der Schuldner einen Vermögensgegenstand an einen
anderen Ort verbringt oder verbringen lässt und dadurch - ohne
eine Änderung der rechtlichen Zuordnung - den Zugriff der
Gläubiger auf diesen objektiv unmöglich macht oder
zumindest wesentlich erschwert, etwa indem er ihn verbirgt oder in eine
Lage bringt, die ein Zugreifen der Gläubiger zumindest
deutlich schwieriger macht, als dies zuvor der Fall war. Dies gilt
selbst bei einer späteren Kenntniserlangung des
Insolvenzverwalters von der Vermögensverlagerung. Daher kann
ein Beiseiteschaffen aus tatsächlichen Gründen
vorliegen, wenn der Schuldner in der wirtschaftlichen Krise Geld von
einem Girokonto in bar abhebt und auf ein eigenes,
- 15 -
nur ihm bekanntes Konto im In- oder Ausland einzahlt (vgl. Pelz,
Strafrecht in Krise und Insolvenz Rdn. 242;
Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht Rdn. 956).
29
b) Schon nach diesen Maßstäben ist hier ein
Beiseiteschaffen von Vermögensgegenständen durch den
dreimaligen Geldtransfer nach Liechtenstein nicht belegt; es kommt
daher nicht darauf an, dass nach allgemeiner Ansicht das
Tatbestandsmerkmal des Beiseiteschaffens in teleologischer Reduktion
des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB nur solche
Vermögensverschiebungen erfasst, die den Anforderungen eines
ordnungsgemäßen Wirtschaftens grob widersprechen
(BGHSt 34, 309, 310; BGHR StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1
Beiseiteschaffen 2; BGH NJW 1952, 898; Tiedemann aaO § 283
Rdn. 27 m. w. N.; Hoyer aaO Rdn. 30 f.; Stree/Heine aaO Rdn. 4; Fischer
aaO Rdn. 4 a) und eine weitergehende Ansicht zusätzlich
voraussetzt, dass das Vorgehen des Täters subjektiv auf eine
Benachteiligung seiner Gläubiger ausgerichtet ist (Tiedemann
aaO Rdn. 28 f.). Die Auffassung des Landgerichts beruht auf einer
Verkennung namentlich des Schutzzwecks des § 283 StGB mit der
Folge, dass es den festgestellten Sachverhalt nach unzutreffenden
rechtlichen Maßstäben unter das Tatbestandsmerkmal
des Beiseiteschaffens subsumiert hat.
30
aa) Nach dem Wortlaut des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB sind
Tatobjekt Bestandteile des Schuldnervermögens, die im Falle
der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenzmasse
gehören. Außerdem ist gemäß
§ 283 Abs. 6 StGB eine Bankrotthandlung nur strafbar, wenn der
Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat oder über sein
Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder der
Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist.
Rechtsgut des § 283 StGB ist neben dem Schutz des
gesamtwirtschaftlichen Systems vor allem der Schutz der etwaigen
Insolvenzmasse vor einer unwirtschaftlichen Ver-
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ringerung zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger (BGHSt 28,
371, 373; BGH NStZ 2008, 401, 402; Tiedemann aaO Vor § 283
Rdn. 45 ff.; Hoyer aaO Vor § 283 Rdn. 3; Fischer aaO Vor
§ 283 Rdn. 3). Im Gegensatz zu § 288 StGB
(Vereitelung der Zwangsvollstreckung), der das Recht des einzelnen
Gläubigers auf Einzelbefriedigung aus dem
Schuldnervermögen (BGHSt 16, 330, 334; Fischer aaO §
288 Rdn. 1) schützt, dient § 283 StGB somit dem
Schutz der Gesamtvollstreckung (Insolvenz). Da im Falle der Insolvenz
der Insolvenzverwalter die Interessen der Gläubigergesamtheit
wahrnimmt, ist daher die Prüfung bezogen auf die rechtlichen
und tatsächlichen Zugriffsmöglichkeiten eines
(gedachten) Insolvenzverwalters unter Berücksichtigung seiner
Auskunftsrechte gegenüber dem Schuldner (§ 97 InsO)
unmittelbar nach der Tathandlung durchzuführen. Ob
für einen einzelnen Gläubiger die Zwangsvollstreckung
schwieriger geworden ist als vor dem Vermögenstransfer ist
demgegenüber nur für § 288 StGB relevant,
dessen Anwendung hier jedoch infolge der Zurücknahme des
Strafantrags durch die Sachsen LB ausscheidet. Ebenso ist ohne
Bedeutung, ob der Insolvenzverwalter nach der tatsächlichen
Insolvenzeröffnung den Transfer durch eine Insolvenzanfechtung
rückgängig machen kann.
31
bb) Entgegen der Meinung des Landgerichts ist daher das
Tatbestandsmerkmal Beiseiteschaffen nicht schon dann erfüllt,
wenn einzelne oder alle Gläubiger ein Konto des Schuldners im
In- oder Ausland, auf das dieser Geld überwiesen hat, nicht
kannten oder nicht kennen konnten. Zum einen besteht für den
Schuldner keine generelle Pflicht, während der
wirtschaftlichen Krise den Gläubigern alle seine Konten offen
zu legen. Zum anderen verschlechtert sich durch eine solche
Überweisung objektiv die Vollstreckungssituation für
die Gläubigergesamtheit nicht wesentlich, wenn - wie hier -
der Vermögenstransfer anhand der Kontounterlagen
nachzuvollziehen ist, die dem Insolvenzverwalter
regelmäßig zur Verfügung stehen. Die
Überprüfung von Überweisungen anhand
- 17 -
der Kontounterlagen gehört zu den üblichen Aufgaben
eines Insolvenzverwalters, dem der Schuldner bei Unklarheiten
gemäß § 97 InsO Auskunft erteilen muss.
32
Jedenfalls bei einer aus den Kontounterlagen nachvollziehbaren
Überweisung auf ein ausländisches Konto -
unabhängig davon, ob sich dieses auf dem Gebiet der
Europäischen Union befindet oder nicht (aA Bittmann,
Insolvenzstrafrecht § 12 Rdn. 103 Fn. 212) - kann das
Tatbestandsmerkmal des Beiseiteschaffens nur bejaht werden, wenn
für einen (gedachten) Insolvenzverwalter Schwierigkeiten von
Gewicht bestehen, auf den überwiesenen Geldbetrag in
angemessener Zeit zum Zwecke der Befriedigung der
Gläubigergesamtheit zuzugreifen (RGSt 35, 62, 63; 61, 107,
109). Dass nicht jede Erschwerung des Zugriffs ausreichend ist, sondern
diese erheblich sein muss, ergibt sich aus dem Begriff des
Beiseiteschaffens, der Gleichstellung der Zugriffserschwernis mit der
Zugriffsvereitelung, dem Schutzzweck des § 283 StGB und dem
Grundsatz der "ultima ratio" des Strafrechts. Außerdem
besteht für eine Einschränkung der wirtschaftlichen
Handlungsfreiheit des Schuldners in der Krise nur insoweit ein
Bedürfnis, als dies im Befriedigungsinteresse der
Gläubigergesamtheit erforderlich ist. Deshalb führt
nicht bereits die Überweisung auf ein ausländisches
Konto für sich schon zu einer wesentlichen
zukünftigen Erschwerung. Vielmehr ist darauf abzustellen,
welche rechtlichen Hindernisse oder tatsächlichen
Schwierigkeiten im Einzelfall beim Zugriff auf das
ausländische Konto für einen Insolvenzverwalter zu
überwinden sind. Eine wesentliche Erschwerung kann sich
insbesondere ergeben aus erheblichen zeitlichen Verzögerungen
oder der Notwendigkeit hoher finanzieller Aufwendungen für die
Rechtsverfolgung im Ausland.
- 18 -
33
Die Frage, ob für den Insolvenzverwalter der Zugriff auf vom
Schuldner ins Ausland transferiertes Geld wesentlich erschwert worden
ist, richtet sich - außerhalb des Anwendungsbereichs der
Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über
Insolvenzverfahren (EuInsVO; ABl. L 160 S. 1) oder bilateraler Abkommen
- allein nach dem Insolvenz-(Konkurs-)recht sowohl des
ausländischen Staates, in dessen Hoheitsgebiet das Konto
geführt wird, und den daraus resultierenden rechtlichen und
tatsächlichen Erschwernissen, als auch nach deutschem
Insolvenzrecht. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass für den
Schuldner die nach § 98 InsO erzwingbaren Auskunfts- und
Mitwirkungspflichten gemäß § 97 InsO die
Erteilung einer so genannten Auslandsvollmacht umfassen, wenn
Anhaltspunkte für Vermögen des Schuldners im Ausland
bestehen und die Befugnisse des Insolvenzverwalters im Ausland nicht
ohne weiteres anerkannt werden (BGH NJW-RR 2004, 134, 135).
34
cc) Nach diesen Maßstäben ist hier nicht belegt,
dass der Angeklagte das auf sein Konto bei der VP-Bank in Liechtenstein
überwiesene Geld im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB
beiseite geschafft hat.
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Durch die Vermögenstransfers auf das unter dem Namen des
Angeklagten geführte Konto in Liechtenstein wurde objektiv
dessen Vermögen nicht zum Nachteil der Gesamtheit der
Gläubiger verringert. Bei den zwei Überweisungen in
Höhe von 500.000 € und 240.000 € wurden
lediglich die Ansprüche gegen die I. -Bank durch Forderungen
in gleicher Höhe gegen die VP-Bank ersetzt, so dass der Wert
des Vermögens unverändert blieb. Durch die
Übertragung der Geschäftsanteile auf den B. Trust
Reg. wurde das Vermögen des Angeklagten zwar einerseits um
deren objektiven Wert verringert, aber andererseits um den auf das
Konto bei der VP-Bank geflossenen Kaufpreis in Höhe von
500.000 € erhöht. Fließt als Gegenleistung
für die Weggabe eines Vermö-
- 19 -
gensbestandteils ein wirtschaftlich äquivalenter Wert in das
Vermögen des Schuldners, entspricht dies den Anforderungen
einer ordnungsgemäßen Wirtschaft, weil das
Vermögen insgesamt nicht verringert, sondern lediglich in
seiner Zusammensetzung verändert wird (RGSt 66, 130, 132; BGHR
StGB § 283 Abs. 1 Zahlungsunfähigkeit 3; Tiedemann
aaO § 283 Rdn. 30; Hoyer aaO § 283 Rdn. 33; Pelz,
Strafrecht in Krise und Insolvenz Rdn. 255). Da nach den Feststellungen
der Kaufpreis dem tatsächlichen Wert der
Geschäftsanteile entsprach, lag ein wirtschaftlich neutraler
Austausch von Vermögensbestandteilen ohne nachteilige
Auswirkungen auf das Vermögen des Angeklagten vor.
36
Wie oben dargestellt, ergab sich eine wesentliche Erschwernis des
Zugriffs in tatsächlicher Hinsicht nicht schon daraus, dass
der Sachsen LB und zunächst auch dem Insolvenzverwalter das
Konto des Angeklagten bei der VP-Bank nicht bekannt war und nicht ohne
weiteres bekannt sein konnte. Die Überweisungen vom 24.
September 2002 und vom 2. Oktober 2002 wurden offen von einem Girokonto
vorgenommen, das der Angeklagte nach den Feststellungen
regelmäßig für Zahlungen an seine
Gläubiger nutzte. Daher ergaben sich sowohl die Existenz des
ausländischen Kontos als auch die Überweisungen bei
der Durchsicht der Kontounterlagen, die einem Insolvenzverwalter zur
Verfügung stehen. Die Überweisung der 500.000
€ auf das Konto in Liechtenstein als Gegenleistung
für die Übertragung der Geschäftsanteile auf
den B. Trust Reg. war für einen Insolvenzverwalter aus dem
Inhalt des notariellen Kauf- und Abtretungsvertrages in Verbindung mit
den Unterlagen betreffend die Konten bei der I. -Bank und der VP-Bank
ebenfalls nachvollziehbar.
Zu der für das Tatbestandsmerkmal des Beiseiteschaffens
entscheidenden Frage, ob der Angeklagte durch den
Vermögenstransfer nach Liechtenstein den Zugriff eines
(gedachten) Insolvenzverwalters auf die überwiesenen Geld-
- 20 -
beträge aus rechtlichen oder tatsächlichen
Gründen wesentlich erschwerte, verhalten sich die
Urteilsgründe nicht. Diese stellen lediglich darauf ab, dass
sich der Zugriff auf das Konto bei der VP-Bank für die Sachsen
LB bei der versuchten Einzelvollstreckung wesentlich schwieriger
gestaltete als bei einer Kontenpfändung in Deutschland. Auch
mit der nach der Insolvenzordnung einem Insolvenzverwalter
eingeräumten Möglichkeit, vom Schuldner eine
Auslandsvollmacht zu verlangen, befassen sich die
Urteilsgründe nicht.
37
III. Die Urteilsgründe bieten daher keine ausreichende
Grundlage, um das Tatbestandsmerkmal des Beiseiteschaffens im Sinne des
§ 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit der notwendigen Sicherheit bejahen
oder verneinen zu können. Eine abschließende
rechtliche Beurteilung ist dem Senat auch unabhängig hiervon
nicht möglich. Im Einzelnen:
1. Zwar gilt im Verhältnis zwischen Deutschland und
Liechtenstein weder die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über
Insolvenzverfahren noch ein bilaterales Abkommen über die
gegenseitige Anerkennung von Insolvenzentscheidungen
einschließlich der Ausfolgung von Vermögenswerten.
Doch auch nach dem autonomen Internationalen Insolvenzrecht beider
Länder stellt sich ein Zugriff des deutschen
Insolvenzverwalters auf ein bei einer Liechtensteiner Bank
geführtes Konto nicht von vorneherein als so schwierig dar,
dass ein Beiseiteschaffen sicher bejaht werden könnte.
38
In rechtlicher Hinsicht ist sowohl das Internationale Insolvenzrecht
Deutschlands als auch dasjenige Liechtensteins jeweils vom
Universalitätsprinzip beherrscht. Das bedeutet, dass die
Reichweite des deutschen Insolvenzverfahrens sich auch auf das in
Liechtenstein belegene Vermögen eines Gemeinschuldners
erstreckt und damit rechtlich zur Insolvenzmasse des deutschen
39
- 21 -
Insolvenzverfahrens gehört (BGHZ 88, 147, 156; Lwowski/Peters
in Münch-Komm-InsO 2. Aufl. § 35 Rdn. 36;
Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht 7. Aufl. Rdn. 1036 b). Damit
korrespondierend erkennt das liechtensteinische Internationale
Insolvenzrecht in Art. 5 Abs. 2 der liechtensteinischen Konkursordnung
(liKO) an, dass das in Liechtenstein befindliche bewegliche
Vermögen eines Gemeinschuldners, über dessen
Vermögen der Konkurs im Ausland eröffnet wurde, unter
den dort genannten Voraussetzungen der ausländischen
Konkursbehörde auf deren Verlangen auszufolgen ist. Es spricht
viel dafür, dass zum Zeitpunkt der Tathandlungen im Herbst
2002 die gegenseitige Anerkennung zwischen Liechtenstein und
Deutschland gewährleistet gewesen war (siehe OGH, Beschl. vom
6. Mai 2003 - 2 Cg 2001.68 - www.gerichtsentscheide.li; bereits zuvor
anerkennungsfreundlich insbesondere in Bezug auf Deutschland
Obergericht, Beschl. vom 18. Oktober 1990 - Ne 14/89 - LES 1991, 179;
Beschl. vom 9. Juni 1988 - GA 1/87 - LES 1992, 133; OGH, Beschl. vom 1.
April 1981 - 4 C 213/77-15 - ZIP 1981, 881, anders noch OGH, Beschl.
vom 17. Dezember 1980 - 4 C 461/78-15 - LES 1982, 25, 28; zur Literatur
s. Mähr, Das Internationale Zivilprozeßrecht
Liechtensteins 2002, S. 227 f.; Gasser, Internationales Insolvenzrecht
in Liechtenstein, in: Grenzüberschreitendes Insolvenzrecht
2004, S. 115 ff.).
2. In der Praxis ist das Ausfolgungsbegehren im Sinne des Art. 5 Abs. 2
liKO, bei dem es sich nach herrschender (liechtensteinischer) Ansicht
um ein Rechtshilfeersuchen handelt (Obergericht, Beschl. vom 25. Juni
1992 - Rz 790/90 - LES 1992, 157; Gasser aaO S. 132), an das nach Art.
1 Abs. 1 liKO i. V. m. Art. 27 liechtensteinische Jurisdiktionsnorm
(liJN) zuständige Landgericht in Vaduz zu richten. Wer als
ausländische Konkursbehörde für das
Ausfolgungsverlangen zuständig ist, bestimmt sich nach
deutschem Recht (Obergericht, Beschl. vom 18. Oktober 1990 - Ne 14/89 -
LES 1991, 179), das diese
40
- 22 -
Aufgabe dem Insolvenzverwalter nach § 80 Abs. 1 InsO kraft
Amtes zuschreibt (BGHZ 88, 331, 334; BGH ZInsO 2006, 260 ff.; ZIP 1999,
75, 76; NJW 1995, 1484; Braun, InsO 3. Aufl. § 80 Rdn. 26).
Das Ausfolgungsbegehren ist darauf gerichtet, den deutschen Beschluss
über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in
Liechtenstein anzuerkennen und für vollstreckbar zu
erklären (Obergericht, Beschl. vom 25. Juni 1992 - Rz 790/90 -
LES 1992, 157; Gasser aaO S. 132). Im Anschluss an die im so genannten
Exequaturverfahren - nach Prüfung der
Anerkennungsvoraussetzungen gemäß Art. 5 Abs. 2 liKO
- ergangenen Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärung kann
sodann das bei der liechtensteinischen Bank befindliche Guthaben des
Gemeinschuldners für die Insolvenzmasse eingezogen werden,
weil der Gemeinschuldner durch die Anerkennung der Wirkungen des
deutschen Insolvenzverfahrens seine Verfügungsmacht auch
hinsichtlich seines liechtensteinischen Vermögens verliert und
diese dem Insolvenzverwalter zukommt (§ 80 Abs. 1 InsO; zur
Wirkungserstreckung auf Liechtenstein vgl. Stotter ZIP 1981, 885). Der
Einziehung des Guthabens auf dem liechtensteinischen Konto wie auch dem
vorbereitenden Auskunftsersuchen stehen nach der Anerkennungs- und
Vollstreckbarerklärung auch nicht das als Berufsgeheimnis des
Bankiers ausgestaltete Bankgeheimnis (Wagner, Bankenplatz Liechtenstein
3. Aufl. S. 161) der liechtensteinischen Banken entgegen. Denn der
Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom
Gemeinschuldner auf den Insolvenzverwalter bewirkt auch den
Übergang der Geheimnisherrschaft an die Insolvenzmasse (Wagner
aaO S. 263).
3. Im Ergebnis ist daher für die Prüfung des
Tatbestandmerkmals des Beiseiteschaffens entscheidend, ob im Herbst
2002 die Anerkennungsvoraussetzungen gemäß Art. 5
Abs. 2 liKO vorlagen und wie schwierig sich damals das Verfahren
über die Anerkennung und die
Vollstreckbarkeitserklärung eines
41
- 23 -
deutschen Beschlusses über die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens in Liechtenstein aus rechtlichen oder
tatsächlichen Gründen gestaltete. Dies kann der Senat
auf der Grundlage der Feststellungen nicht abschließend und
zweifelsfrei beurteilen. Dasselbe gilt für die Anerkennung
einer vom Schuldner dem Insolvenzverwalter erteilten Auslandsvollmacht
in Liechtenstein. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und
Entscheidung.
C. Revision der Staatsanwaltschaft:
42
Die Angriffe der Staatsanwaltschaft gegen den Rechtsfolgenausspruch
bleiben ohne Erfolg.
43
1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Aufgabe des
Tatrichters, dem es obliegt, auf der Grundlage des umfassenden
Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der
Persönlichkeit des Angeklagten gewonnen hat, die wesentlichen
entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu
bewerten und gegeneinander abzuwägen. Eine ins Einzelne
gehende Richtigkeitskontrolle des Revisionsgerichts ist ausgeschlossen;
dieses darf nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner
Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist. In
Zweifelsfällen hat es die Bewertung durch das Tatgericht
hinzunehmen (BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGHR StGB § 46
Abs. 1 Beurteilungsrahmen 1).
44
2. Einen Rechtsfehler enthält die Strafzumessung des
Landgerichts nach diesen Maßstäben nicht. Ein
solcher liegt insbesondere nicht darin, dass es die Annahme besonders
schwerer Fälle des Bankrotts abgelehnt hat. Rechtsfehlerfrei
hat es ein Handeln des Angeklagten aus einem überzogenen
rücksichtslosen Eigeninteresse und damit aus Gewinnsucht
(§ 283 a Satz 2 Nr. 1 StGB)
45
- 24 -
sowie das Vorliegen eines unbenannten besonders schweren Falles
verneint. Bei der Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe hat
es die wesentlichen für und gegen den Angeklagten sprechenden
Umstände aufgeführt und rechtsfehlerfrei
gegeneinander abgewogen. In Anbetracht des hohen Wertes der
Vermögensbestandteile, die das Landgericht als beiseite
geschafft angesehen hat, sind die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe
zwar als milde anzusehen. Sie unterschreiten jedoch nicht den Rahmen
schuldangemessenen Strafens, sondern halten sich noch innerhalb des
allein dem Tatrichter zustehenden Strafzumessungsspielraums.
Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die
Grundsätze über die Kompensation einer
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nach der
Vollstreckungslösung (BGHSt 52, 124 ff.) nicht verletzt. Bei
der festgestellten Verfahrensverzögerung von ca. zwei Jahren
musste es in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich
darlegen, ob zur Kompensation bereits die Feststellung der
rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ausgereicht
hätte (BGHSt aaO S. 138 f.). Der als vollstreckt bestimmte
Teil der Strafe von fünf Monaten erscheint angesichts des
nicht unerheblichen Verzögerungszeitraums noch nicht
unvertretbar hoch. Insgesamt ist die Höhe der vorgenommenen
Kompensation ausreichend begründet (vgl. BGH NStZ-RR 2008,
368).
46
D. Hinweise:
47
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes
hin:
48
1. Zur Feststellung einer tatsächlichen oder drohenden
Zahlungsunfähigkeit empfiehlt es sich, einen
Liquiditätsstatus zu erstellen oder durch einen
Sachverständigen erstellen zu lassen, in dem
übersichtlich die Barmittel sowie die kurzfristig
liquidierbaren Vermögenswerte allen bestehenden und zu erwar-
49
- 25 -
tenden Verbindlichkeiten entsprechend ihrer jeweiligen
Fälligkeit gegenübergestellt werden (vgl. Tiedemann
aaO Vor § 283 Rdn. 130 ff.; Hoyer aaO § 283 Rdn. 20
ff.). Die für einen umfassenden Liquiditätsstatus
erforderlichen Informationen dürften sich aus der
Insolvenzakte, insbesondere dem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens sowie den Berichten des Insolvenzverwalters zu den
von den Gläubigern zur Insolvenztabelle angemeldeten
Forderungen und den verwertbaren Vermögenswerten ergeben.
2. In der neuen Hauptverhandlung wird zu klären sein, ob sich
der Fehler bei der Ermittlung des Beleihungswertes für das
Grundstück Bauteil A auf die Sicherheiten durch die
Grundschulden ausgewirkt hat. Dies wäre nur der Fall, wenn die
Flurstücke irrtümlich dem Grundstück Bauteil
B zugeordnet worden wären, weil nach den Feststellungen der
Wert der für dieses Grundstück bestellten Grundschuld
voll ausgeschöpft war. Sollten die Flurstücke jedoch
dem Grundstück Bauteil C zugeordnet worden sein,
hätte sich der Sicherungswert der für dieses
Grundstück bestellten Grundschuld entsprechend erhöht.
50
3. Auch bei einem überhöhten Sicherungsverlangen wird
sich der neue Tatrichter mit der Rechtsfrage befassen müssen,
ob die fristlose Kündigung vom 19. März 2002 wirksam
war und deshalb von einer Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten
auszugehen ist. Bei der rechtlichen Würdigung ist nicht nur
das Verhalten der Sachsen LB, sondern auch das des Angeklagten in den
Blick zu nehmen. In der Rechtsprechung ist anerkannt (vgl. BGHR BGB
§ 648 a Sicherungsverlangen 1), dass ein
überhöhtes Sicherungsverlangen wirksam sein kann,
wenn anzunehmen ist, dass der Schuldner auch auf ein auf den
berechtigten Teil beschränktes Nachsicherungsverlangen nicht
geleistet hätte.
51
- 26 -
4. Um drohende Zahlungsunfähigkeit festzustellen, ist nach der
auch für das Strafrecht geltenden (Tiedemann aaO Vor
§ 283 Rdn. 126; Hoyer aaO § 283 Rdn. 8 ff.)
Definition des § 18 Abs. 2 InsO eine Prognose erforderlich,
die sich zunächst auf alle fälligen Verbindlichkeiten
des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten beziehen muss (Tiedemann aaO Vor
§ 283 Rdn. 133; Hoyer aaO § 283 Rdn. 23). Ob daneben
auch die zu erwartenden, aber noch nicht fälligen
Verbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, ist streitig (vgl.
einerseits Stree/Heine aaO § 283 Rdn. 53 m. w. N.; Radtke in
MünchKomm-StGB Vor § 283 Rdn. 84, 87 ff.;
andererseits Tiedemann aaO Vor § 283 Rdn. 139; Hoyer aaO
§ 283 Rdn. 23). Jedenfalls können nur mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit fällig werdende
Verbindlichkeiten in die Betrachtung einbezogen werden. Bei der
Prognose ist die drohende Zahlungsunfähigkeit von einer nur
vorübergehenden Zahlungsstockung abzugrenzen (BGHZ 163, 134).
52
5. Der objektive Wert der Geschäftsanteile, die der Angeklagte
an den B. Trust Reg. verkauft und auf diesen übertragen hat,
sollte durch ein Sachverständigengutachten ermittelt werden.
Da die Ehefrau des Angeklagten die Inhaberin des B. Trust Reg. war,
kann vom Kaufpreis nicht auf den tatsächlichen Wert
geschlossen werden. Einerseits ist es - entsprechend der Behauptung des
Angeklagten - denkbar, dass die Ehefrau bereit war, einen
überhöhten Kaufpreis zu bezahlen. Andererseits kann
der Angeklagte im Hinblick auf die persönlichen Beziehungen
auch einen nicht adäquaten Kaufpreis akzeptiert haben.
53
6. Es empfiehlt sich, zu der Frage, wie schwierig für einen
deutschen Insolvenzverwalter im Herbst 2002 der Zugriff auf ein Konto
in Liechtenstein war, ein Gutachten einzuholen. Sollte der neue
Tatrichter zum Ergebnis kommen, dass das Tatbestandsmerkmal des
Beiseiteschaffens zu verneinen ist, wird we-
54
- 27 -
gen der zeitlichen Nähe zwischen den Vollstreckungsversuchen
der Sachsen LB und den Vermögensverlagerungen nach
Liechtenstein vor einem Freispruch zu prüfen sein, ob sich der
Angeklagte wegen versuchten Bankrotts strafbar gemacht hat.
Becker von Lienen Sost-Scheible
Schäfer RiBGH Mayer befindet sich
im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.
Becker |