BGH,
Urt. v. 29.1.2009 - 3 StR 474/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 474/08
vom
29. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29.
Januar 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
- in der Verhandlung,
Staatsanwalt
- bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts
Duisburg vom 17. Juni 2008 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer
Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit dem wirksam auf den
Strafausspruch beschränkten, zu Lasten des Angeklagten
eingelegten Rechtsmittel rügt die Staatsanwaltschaft die
Verletzung materiellen Rechts. Die Revision hat keinen Erfolg.
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Die Strafe hat Bestand. Das Landgericht hat allerdings mit "erheblichem
Gewicht" zugunsten des Angeklagten gewürdigt, dass die
Justizvollzugsanstalt "in nicht mehr nachvollziehbarer Weise" den
"wegen einer Reihe von erheblichen Gewaltdelikten vorbestraften
schwerkriminellen" Angeklagten mit dem Geschädigten R. eine
psychisch labile, suizidgefährdete Person, die eine
Ersatzfreiheitsstrafe verbüßte, in eine Zelle gelegt
und damit eine Eigendynamik in Gang gesetzt habe. Der Angeklagte habe
sich vor der Tat zu einem zukünftig
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straffreien Leben entschlossen gehabt, sich nun aber durch die
charakterlich angelegte Konflikt- und Durchsetzungsschwäche
des Geschädigten zur Tatbegehung provoziert gefühlt.
Das Landgericht könnte mit diesen Erwägungen zu
Gunsten des Angeklagten eine staatliche Mitverantwortung für
das strafbare Geschehen - einen bestimmenden Strafzumessungsgrund (vgl.
Fischer, StGB 56. Aufl. § 46 Rdn. 60) -
berücksichtigt haben. Indes ergibt sich - worauf der
Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - eine staatliche
Mitverantwortung aus den getroffenen Feststellungen nicht. Der
Angeklagte war zwar schon mehrfach wegen Gewaltdelikten verurteilt
worden, diese standen jedoch jeweils im Zusammenhang mit
Vermögensdelikten. Hinweise darauf, dass er Gewalt angewendet
hätte, um Schwächere zu demütigen oder gar
Sexualdelikte zu begehen, wie bei der vorliegenden Tat, lagen nicht
vor. Schlussfolgerungen darauf, dass eine Zusammenlegung mit dem
Geschädigten zu einem Delikt wie dem Vorgefallenen
hätte führen können, waren daher entgegen
der Auffassung der Kammer aus den festgestellten Vorstrafen nicht zu
ziehen, zumal die Kammer selbst hervorgehoben hat, dass der Angeklagte
sich vor der Tat zu einem künftig straffreien Leben
entschlossen und dies auch durch sein Verhalten in der
Justizvollzugsanstalt bestätigt hatte. Eine Vorhersehbarkeit
der Tat für die Verantwortlichen der Vollzugsanstalt in dem
Sinne, dass ihnen die Tatgenese vorwerfbar und aus diesem Grund die
Schuld des Angeklagten gemindert wäre, wird somit durch die
Feststellungen nicht getragen. Die bloße kausale Verursachung
durch das Zusammenlegen vom Angeklagten und Geschädigten ist
als solche nicht geeignet, sich auf den Schuldumfang auszuwirken, zumal
die Suizidneigung des Geschädigten objektiv gegen dessen
Unterbringung in einer Einzelzelle sprach.
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Gleichwohl nötigen diese rechtlich bedenklichen
Erwägungen unter den hier gegebenen Umständen nicht
zur Aufhebung des Strafausspruchs, weil bei Abwägung aller
für die Strafzumessung bedeutsamen Gesichtspunkte die
verhängte Rechtsfolge jedenfalls noch angemessen ist
(§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO).
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Die bei verfassungskonformer Auslegung erforderlichen Voraussetzungen
für eine Entscheidung des Revisionsgerichts nach dieser
Vorschrift (vgl. dazu BVerfG NStZ 2007, 598) liegen vor. Dem Senat
steht ein zutreffend ermittelter, vollständiger und aktueller
Strafzumessungssachverhalt zur Verfügung. Es gibt keine
Anhaltspunkte für erst nach der erstinstanzlichen
Hauptverhandlung eingetretene und dementsprechend bisher nicht
berücksichtigte Entwicklungen oder Ereignisse, die ein neuer
Tatrichter nahe liegend feststellen und berücksichtigen
würde.
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Becker Miebach von Lienen
Sost-Scheible Schäfer |