BGH,
Urt. v. 29.1.2009 - 3 StR 540/08
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 540/08
vom
29. Januar 2009
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 29.
Januar 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
von Lienen,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Oldenburg vom 3. Juni 2008 mit den zugehörigen
Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei
Fällen sowie unerlaubten Handeltreibens mit
Betäubungsmitteln in sieben Fällen zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und
deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Vom Vorwurf der
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
Körperverletzung und Freiheitsberaubung hat es ihn aus
tatsächlichen Gründen freigesprochen. Gegen diesen
Freispruch richtet sich die mit der Sachrüge
begründete Revision der Staatsanwaltschaft. Das vom
Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
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I.
Dem Angeklagten ist vorgeworfen worden, gemeinsam mit dem gesondert
Verfolgten K. den Zeugen H. während einer Autofahrt durch
Schläge in das Gesicht veranlasst zu haben, die
mitgeführten Wertgegenstände herauszugeben.
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Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte H. bei dem Angeklagten
aus Drogengeschäften Schulden in Höhe von 70
€. Unter Hinweis hierauf teilte K. dem H. bei einem Telefonat
mit, er treibe Geld für den Angeklagten ein. Am
frühen Abend des 10. September 2007 veranlasste K. den H. ,
ihn zu dem PKW des Angeklagten zu begleiten. Der dort wartende
Angeklagte fragte H. nach den ausstehenden 70 € und
stieß ihn. Anschließend begab sich der Angeklagte
auf den Fahrersitz, H. wurde von K. in das Fahrzeug geschubst und
ließ sich auf dem Rücksitz nieder; K. setzte sich
auf den Beifahrersitz. Sodann fuhr der Angeklagte los; die jeweilige
Fahrtrichtung wurde ihm von K. vorgegeben. Während der Fahrt
drehte K. sich um, versetzte dem H. drei bis fünf
Faustschläge in das Gesicht und fragte ihn, ob er ihn wegen
der 70 € "verarschen" wolle. Er verlangte nunmehr statt der 70
€ die Zahlung von 140 €. H. führte jedoch
kein Geld mit sich. Auf entsprechende Aufforderung des K.
händigte er diesem zwei Ringe, eine Armbanduhr und Halsketten
aus. Wegen des ausstehenden Betrages bat H. um einen Zahlungsaufschub.
Danach wurde er abgesetzt. Wenige Tage nach der Tat wurde von dem
Mobiltelefon des Angeklagten eine SMS an H. gesendet, in der es unter
anderem hieß: "Du machst mich sauer".
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Der Angeklagte hat die Tat bestritten und sich dahin eingelassen, er
habe mit den Übergriffen des K. nichts zu tun.
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Das Landgericht hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht,
dass der Angeklagte sich strafbar gemacht hat; dieser sei nach dem
Grundsatz "in dubio pro reo" freizusprechen. Hierzu hat es im
Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht möglich, dem
Angeklagten als Mittäter die Tatbeiträge des K.
zuzurechnen. Die Strafkammer habe durchgreifende Zweifel daran, dass
der Angeklagte und K. auf der Grundlage eines gemeinsam vor oder
während der Tat gefassten Tatplans zusammengewirkt
hätten, auch wenn gewisse Indizien für eine
Beteiligung des Angeklagten sprächen. Ebenso wenig sei es
hinreichend sicher, dass dieser sich nach Beginn der
Übergriffe durch K. dessen Tat im Sinne einer sukzessiven
Mittäterschaft angeschlossen habe. Die Strafbarkeit des
Angeklagten wegen Beihilfe zu einer Haupttat des K. scheide ebenfalls
aus, da der Nachweis eines vorsätzlichen Hilfeleistens nicht
geführt werden könne; der Angeklagte habe lediglich
seinen BMW gelenkt, ohne in das eigentliche Tatgeschehen einzugreifen.
Auch der Zeuge H. habe den Angeklagten, bei dem er etwa ein Jahr lang
Drogen gekauft habe und mit dem er immer habe reden können,
aufgrund des Tatverlaufs nicht als Tatbeteiligten eingeordnet.
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II.
Dies hält der materiellrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Zum einen ist das
Landgericht seiner Kognitionspflicht nicht in dem gebotenen
Maße nachgekommen. Zum anderen sind die Erwägungen
unvollständig, mit denen die Strafkammer eine
Mittäterschaft des Angeklagten an der von K. begangenen
räuberischen Erpressung in Tateinheit mit
Körperverletzung verneint hat. Auf die weiteren vom
Generalbundesanwalt erhobenen Einwendungen kommt es deshalb nicht mehr
an.
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1. Nach den Feststellungen beging K. einen räuberischen
Angriff auf Kraftfahrer (§ 316 a StGB); denn er
verübte unter Ausnutzung der besonderen Verhältnisse
des Straßenverkehrs zur Begehung einer räuberischen
Erpressung (§ 255 StGB) einen Angriff auf den Körper
des H. , der Mitfahrer eines Kraftfahrzeugs war. Das Landgericht hat
rechtsfehlerhaft die sich aufdrängende Prüfung
unterlassen, ob der Angeklagte sich wegen der Beteiligung an diesem
Delikt als Mittäter oder Gehilfe strafbar gemacht hat. Die
bisherigen Feststellungen legen eine solche Beteiligung jedoch nahe.
Dem Angeklagten konnte das sich in seiner unmittelbaren
räumlichen Nähe abspielende Tatgeschehen nicht
verborgen bleiben. Gleichwohl unterstützte er den
während der Fahrt begangenen Angriff des K. gegen H. zumindest
dadurch, dass er das Fahrzeug nach den Vorgaben des K. durch den
Straßenverkehr steuerte.
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2. Bei der Prüfung, ob der Angeklagte als Mittäter
gemeinsam mit K. eine räuberische Erpressung in Tateinheit mit
Körperverletzung beging, hat das Landgericht nicht alle
festgestellten Umstände des Geschehens in die nach
ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NStZ 2009, 25, 26;
vgl. auch Fischer, StGB 56. Aufl. Vor § 25 Rdn. 4; §
25 Rdn. 12 m. w. N.) gebotene tatrichterliche Gesamtbetrachtung
einbezogen. Die Strafkammer hat vielmehr maßgebliche
Umstände, die für eine ausdrückliche
Absprache zwischen dem Angeklagten und K. , zumindest aber für
einen zwischen ihnen konkludent vereinbarten gemeinschaftlichen Tatplan
indiziell sein können, unerörtert und
möglicherweise unberücksichtigt gelassen:
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Das Landgericht hätte vor dem Hintergrund des hohen Interesses
des Angeklagten an der Tat - schließlich diente das Vorgehen
des K. in erster Linie dazu, bei H. diejenigen Schulden einzutreiben,
die dieser bei dem Angeklagten hatte - in den Blick nehmen
müssen, dass der Angeklagte sich während der Fahrt
noch nicht einmal verbal von den unmittelbar neben ihm stattfinden-
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den Gewalttätigkeiten des K. distanzierte. Dies wäre
insbesondere nach der Vorgeschichte der Tat zu erwarten gewesen, wollte
er die Übergriffe nicht billigen. Die Strafkammer war daneben
gehalten, auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass
der Angeklagte das Fahrzeug bei der Fahrt nach den Anweisungen des K.
lenkte; denn dieses - insoweit auch nach außen zum Ausdruck
kommende - einverständliche Handeln zwischen dem Angeklagten
und K. spricht in erheblichem Umfang dafür, dass ihr Wille zur
Begehung der Tat im Übrigen ebenfalls übereinstimmte.
3. Der Senat weist für die neue Hauptverhandlung darauf hin,
dass die Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am
Kerngeschehen erfordert. Für eine Tatbeteiligung als
Mittäter kann vielmehr ein auf der Grundlage gemeinsamen
Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag
ausreichen, der sich unter Umständen auf eine Vorbereitungs-
oder Unterstützungshandlung beschränkt (vgl. BGH aaO).
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Becker Miebach von Lienen
Sost-Scheible Schäfer |