BGH,
Urt. v. 29.11.2006 - 2 StR 301/06
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 301/06
vom
29.11.2006
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Untreue
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung
am 22.11.2006 in der Sitzung vom 29.11.2006, an denen teilgenommen
haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Rissing-van Saan
und die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Bundesanwalt ,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt in der Verhandlung
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin in der Verhandlung,
Justizangestellte bei der Verkündung
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Köln vom 9. März 2006 mit den Feststellungen
aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue zu einer
Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Seine Revision, mit der er
die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit
der Sachrüge Erfolg.
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I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts steht die Verurteilung des
Angeklagten in Zusammenhang mit dem sogenannten "Kölner
Müll-Skandal". Die A. G mbH schloss im August 1997 mit der I.
GmbH einen Wartungsvertrag bezüglich der
Restmüllverbrennungsanlage K. . Die I. GmbH war eine
einhundertprozentige Tochter der T. GmbH.
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T. versprach in seiner Eigenschaft als
Geschäftsführer der T. GmbH der L. GmbH, deren
Geschäftsführer M. war, im Januar 1998 die
Beteiligung an diesem Wartungsvertrag. Zu einer solchen Beteiligung kam
es in der Folgezeit jedoch nicht. Daraufhin vereinbarten T. und M. ,
dass zugunsten der L. GmbH knapp fünf Millionen DM als
finanzieller Ausgleich gezahlt werden sollten - ohne dass die L. GmbH
hierauf einen Anspruch hatte. Sie beauftragten Mitarbeiter der I. GmbH
und der L. GmbH einen Weg zu finden, diesen Betrag "aus der I. GmbH auf
scheinbar legalem Wege herauszuziehen". Die Mitarbeiter fingierten ein
Scheingeschäft, zu dessen Durchführung
schließlich ein Scheck in Höhe von 4,78 Millionen DM
zu Lasten der I. GmbH ausgestellt wurde.
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T. und M. vereinbarten mit dem Angeklagten, dass dieser für
die Einlösung des Schecks sorgen solle und zwar in einer
Weise, dass sich der Geldfluss letztendlich nicht mehr nachvollziehen
lasse. Der Angeklagte veranlasste dies im Juli 1998 über von
ihm instruierte weitere Personen, an die der Scheck entweder direkt vom
Aussteller oder aber über den Angeklagten weitergeleitet
wurde. An wen die Gelder letztendlich geflossen sind, konnte nicht
festgestellt werden. Sie sind jedenfalls nicht an die I. GmbH oder die
L. GmbH geflossen. Für die Hingabe der 4,78 Millionen DM hat
die I. GmbH keine wirtschaftliche Gegenleistung erhalten. Der
Angeklagte erhielt "für seine Tätigkeit eine - wie
gerichtsbekannt ist - in Geldwäscherkreisen übliche
Provision von mindestens 10 % des Scheckbetrages, das heißt
von rund 500.000 DM" (UA S. 18).
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II.
Die Sachrüge führt zur Aufhebung des Urteils.
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1. Bereits die Feststellungen zur Untreue als Vortat begegnen
rechtlichen Bedenken, da sie widersprüchlich sind. So
heißt es einerseits, dass ein "Betrag von rund 5 Mio. DM aus
der I. GmbH auf scheinbar legalem Wege" herausgezogen werden sollte und
dieses Geld als "finanzieller Ausgleich" für die nicht
eingehaltene Zusage des Zeugen T. an die L. GmbH fließen
sollte (UA S. 11). An anderer Stelle heißt es aber dann:
"Fest steht jedenfalls, dass das Geld weder an die I. GmbH noch an die
A. oder die L. GmbH geflossen ist" (UA S. 18). Damit ist schon das
tatsächliche Geschehen, das die Strafkammer als
Vermögensnachteil wertet, nämlich Abfluss der Gelder
zu Gunsten der L. GmbH, ohne dass ein Anspruch gegenüber der
I. GmbH bestand, zweifelhaft.
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2. Auch die Feststellungen zum Gehilfenvorsatz des Angeklagten und die
ihnen zu Grunde liegende Beweiswürdigung sind nicht frei von
Rechtsfehlern.
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Angesichts der Widersprüchlichkeit der Feststellungen zur
Vortat ist bereits unklar, auf welche Haupttat sich der Vorsatz des
Angeklagten bezogen haben soll. Der Gehilfenvorsatz muss sich zwar
nicht auf die Ausführung einer in allen Einzelheiten, wohl
aber in ihren wesentlichen Merkmalen und Grundzügen
konkretisierten Tat richten (vgl. BGHSt 42, 135, 137 ff.; BGH NJW 1982,
2453, 2454). Insoweit ist die Beweiswürdigung des Landgerichts
zum Gehilfenvorsatz (UA S. 48 f.) rechtlich unzureichend. Die
Strafkammer folgert, dass jemand, der unter verschleiernden
Umständen einen Millionenbetrag so umleitet, dass er weder dem
Aussteller noch dem im Scheck genannten Begünstigten zugute
kommt, zwangsläufig mit einem entsprechenden Schaden des
Scheckausstellers rechne. Das ist schon allein deshalb nicht zwingend,
weil es sich um
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einen Überbringerscheck handelte, der
naturgemäß nicht unbedingt dem in ihm genannten
Begünstigten zugute kommen muss. Darüber hinaus meint
sie, einen Gehilfenvorsatz hinsichtlich einer Untreue daraus herleiten
zu können, dass der Angeklagte Autor eines Buches zur
Wirtschaftskriminalität ist und die "Schlechtigkeit im
Wirtschaftsleben" kenne. Solche Umstände sind aber nicht
geeignet, einen entsprechenden Gehilfenvorsatz zu begründen.
Die von der Strafkammer angeführten Umstände lassen
vielmehr auch den Schluss auf eine Vielzahl völlig anderer -
möglicherweise strafbarer - Geschehensabläufe zu. So
konnte die verschleierte Einlösung des Schecks aus Sicht des
Angeklagten ohne weiteres auch einer Steuerhinterziehung, einer
Geldwäsche, einer Bestechung oder einer
Vorteilsgewährung gedient haben.
III.
Auf die Verfahrensrüge der Verletzung des § 231 Abs.
2 i. V. m. § 338 Nr. 5 StPO - die Strafkammer hatte am letzten
Hauptverhandlungstag das Verfahren ohne den nicht erschienenen
Angeklagten fortgesetzt - und auf den diesbezüglich in der
Revisionshauptverhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag kommt es daher
nicht mehr an. Jedoch merkt der Senat an, dass der bisherige
Revisionsvortrag nicht ausreichend gewesen wäre, den Vorwurf
der Eigenmächtigkeit auszuräumen.
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Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass
- sollte die Strafkammer wieder zu einer Verurteilung wegen Beihilfe
zur Untreue gelangen - die Frage der doppelten Strafrahmenmilderung
nach den §§ 27 und 28 StGB eingehenderer
Erörterung bedarf, als bisher geschehen. Sollte die
Strafkammer sich hingegen nicht von einer Beihilfe zur Untreue
überzeugen können, wird eine Strafbarkeit des
Angeklagten wegen Begünstigung (§ 257 StGB) oder
Geldwäsche (§ 261 StGB) zu erwägen sein.
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Rissing-van Saan Otten Rothfuß
Roggenbuck Appl |