BGH,
Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 386/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 386/07
vom
29.11.2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29.11.2007, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz
als Vorsitzender,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Kuckein, Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Paderborn vom 7. Mai 2007
a) in den Fällen II. 1. 1 bis 17 (Anklageschrift vom 25. Juli
2006) und im Fall II. 2. (Anklageschrift vom 30. Juni 2006) sowie
b) in den Aussprüchen über die Einzelstrafen in den
übrigen Fällen und über die Gesamtstrafe
mit den Feststellungen aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen
zur Schuldfähigkeit aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 22
Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit
Urkundenfälschung, wegen versuchten Betruges in vier
Fällen, Urkundenfälschung in zwei Fällen und
wegen Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Mit seiner
Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts.
1
- 4 -
Das Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang
Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet.
I.
Der Verurteilung liegen drei von der Staatsanwaltschaft Paderborn
zunächst jeweils zum Amtsgericht Warburg erhobene Anklagen
(Anklageschriften vom 30. Juni, 12. Juli und vom 13. September 2006)
und eine von der Staatsanwaltschaft Bonn zum Amtsgericht Siegburg
erhobene Anklage (Anklageschrift vom 25. Juli 2006) zu Grunde.
Letzteres Verfahren wurde nach Vorlage der Akten durch das Amtsgericht
Siegburg entsprechend den Anträgen der Staatsanwaltschaften
Bonn und Paderborn durch Beschluss vom 23. Januar 2007 vom Amtsgericht
Warburg "zur gemeinsamen Verhandlung" mit den dort gegen den
Angeklagten bereits anhängigen, soweit es die Anklageschriften
vom 30. Juni und vom 12. Juli 2006 betrifft, bereits verbundenen
Verfahren übernommen. Auf Vorlage der Verfahren durch das
Amtsgericht Warburg wurden diese vom Landgericht übernommen
und die Anklagen der Staatsanwaltschaft Bonn vom 25. Juli 2006 und der
Staatsanwaltschaft Paderborn vom 13. September 2006 zur
Hauptverhandlung zugelassen.
2
Die Urteilsgründe beschränken sich hinsichtlich der
29 Einzeltaten auf eine knappe Sachverhaltsschilderung entsprechend dem
Anklagesatz der jeweiligen Anklageschrift. Hierzu wird mitgeteilt, dass
der Angeklagte, an dessen Geständnis zu zweifeln kein Anlass
bestehe, die ihm zur Last gelegten Taten "vorbehaltlos
eingeräumt" habe. Die rechtliche Würdigung
beschränkt sich auf die Mitteilung des Endergebnisses und die
Bezeichnung der angewendeten gesetzlichen Vorschriften.
3
- 5 -
II.
Auch soweit es die ursprünglich von der Staatsanwaltschaft
Bonn zum Amtsgericht Siegburg erhobene Anklage betrifft, ist die
sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben. Wie der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 21. August 2007, auf
die insoweit Bezug genommen wird, zutreffend dargelegt hat, ist das
zunächst beim Amtsgericht Siegburg anhängig gewordene
Verfahren bereits vor der Übernahme und Eröffnung des
Verfahrens durch das Landgericht von dem Amtsgericht Warburg durch
Beschluss vom 23. Januar 2007 gemäß § 13
Abs. 2 StPO wirksam zu den anderen zu diesem Zeitpunkt beim Amtsgericht
Warburg gegen den Angeklagten anhängigen Verfahren verbunden
worden.
4
III.
Das Urteil hält nur, soweit es die Schuldsprüche in
den Fällen Nr. 18 bis 23 der Anklageschrift vom 25. Juli 2006,
Nr. 1 bis 3 der Anklageschrift vom 12. Juli 2006 und Nr. 1 und 2 der
Anklageschrift vom 13. September 2006 und die Feststellungen zur
Schuldfähigkeit des Angeklagten betrifft, sachlich-rechtlicher
Nachprüfung stand. Im Übrigen hat es keinen Bestand.
5
1. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift, mit der er die
Aufhebung des gesamten Urteils beantragt hat, zutreffend
ausgeführt:
6
"Die Feststellungen des Urteils beschränken sich auf die
bloße Wiedergabe des Wortlauts der Anklagesätze, die
die Tatvorwürfe zwar für eine Anklage ausreichend
bestimmt schildern, aber zu knapp gefasst sind, um tatrichterlichen
Feststellungen zu genügen. Insbesondere ist dem Urteil nicht
zu entnehmen,
- 6 -
ob die Kammer eine eigene rechtliche Würdigung vorgenommen hat
und zu welchem Ergebnis sie dabei gekommen ist. Der Tatrichter aber hat
die Urteilsgründe nach einer vorausgegangenen rechtlichen
Subsumtion so abzufassen, dass sie in einer jeden Zweifel
ausschließenden Weise erkennen lassen, welche der
festgestellten Tatsachen den einzelnen objektiven und subjektiven
Tatbestandsmerkmalen zuzuordnen sind und sie ausfüllen
können (BGH, Beschl. v. 13.01.2005 - 3 StR 473/04, BGHR StPO,
§ 267 Absatz 1 Satz 1, Sachdarstellung 13) und welchen
gesetzlichen Tatbestand das Gericht daher für erfüllt
angesehen und bei der Bemessung der Rechtsfolgen zugrundegelegt hat
(KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl. 2003, § 267 Rn. 21 m.w.N.). Es
kann nicht - wie hier - dem Revisi-onsgericht überlassen
bleiben, anhand eines Abgleichs der Urteilsgründe mit dem
Schuldspruch die tatrichterliche Bewertung im Einzelfall zu 'ermitteln'.
Darüber hinaus tragen die knappen Feststellungen in einem
wesentlichen Teil der Fälle nicht den Schuldspruch."
2. Die insbesondere in der bloßen Wiedergabe der jeweiligen
Anklagesätze liegenden Mängel der Sachdarstellung
(vgl. dazu auch BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 1 Sachdarstellung
10) nötigen jedoch zur Aufhebung des Urteils nur, soweit sie
einer revisionsrechtlichen Überprüfung des jeweiligen
Schuldspruchs entgegenstehen. Das ist hinsichtlich der
Schuldsprüche wegen Betruges in den Fällen 18 bis 23
der Anklageschrift vom 25. Juli 2006, Nr. 1 bis 3 der Anklageschrift
vom 12. Juli 2006 und Nr. 1 der Anklageschrift vom 13. September 2006
sowie wegen versuchten Betruges im Fall Nr. 2 dieser Anklageschrift
nicht der Fall. Insoweit ist durch die - wenn auch knappen -
Feststellungen noch hinreichend belegt, dass der Angeklagte die
Geschädigten in der Absicht, sich einen rechtswidrigen
Vermögensvorteil zu verschaffen, jeweils über seine
Zahlungswilligkeit getäuscht hat und dass diese dadurch einen
Vermögensschaden in der festgestellten Höhe erlitten
haben. Soweit es den Schuldspruch wegen versuchten Betruges im Fall Nr.
2 der Anklageschrift vom
7
- 7 -
13. September 2006 betrifft, ist das Landgericht ersichtlich von einem
fehlgeschlagenen Versuch ausgegangen, was im Hinblick darauf, dass der
Angeklagte geständig ist, keiner näheren
Erörterung bedurfte.
3. Hinsichtlich der übrigen Taten lassen die
Urteilsgründe dagegen eine revisionsrechtliche
Nachprüfung nicht zu:
8
a) Zu dem Vorwurf des Betruges im Fall Nr. 1 der Anklageschrift vom 25.
Juli 2006 hat das Landgericht lediglich festgestellt, dass die Zeugin
G. dem „zu keinem Zeitpunkt“ zur
Rückzahlung bereiten Angeklagten „im Zeitraum von
September 2005 bis Mai 2006 insgesamt ca. 5.000,00
€“ übergeben hat, in der Annnahme, der
Angeklagte werde diesen Betrag zurückzahlen. Ob der Angeklagte
die Zeugin zu den Zahlungen durch eine oder, was im Hinblick auf den
genannten Tatzeitraum nahe liegt, durch mehrere
Täuschungshandlungen veranlasst hat, so dass die Annahme
mehrerer rechtlich selbständiger Betrugstaten in Betracht
käme, lässt sich den Urteilsgründen nicht
entnehmen. Der Senat kann deshalb nicht abschließend
beurteilen, ob und - gegebenenfalls - hinsichtlich welcher der
Einzeltaten ein Prozesshindernis vorliegt, weil die Zeugin insoweit
keinen Strafantrag gestellt hat. Zwar hat die Zeugin am 17. Mai 2006
Strafanzeige gegen den Angeklagten erstattet und einen Strafantrag
gestellt (SA Bd. I Bl. 2). Die Strafanzeige betraf aber andere Taten.
Der neue Tatrichter wird im Hinblick darauf, dass die Zeugin nach ihren
Angaben bis zum 5. Mai 2006 in ihrer Wohnung für etwa drei
Monate mit dem Angeklagten in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt
hat, zu prüfen haben, ob und - gegebenenfalls - hinsichtlich
welcher der Taten zum Nachtteil der Zeugin gemäß
§ 263 Abs. 4 i.V.m. § 247 StGB ein Strafantrag
erforderlich ist, weil der Angeklagte mit der Zeugin bei der
Tatbegehung im Sinne des § 247 StGB in häuslicher
Gemeinschaft lebte (vgl. BGHSt 29, 54).
9
- 8 -
b) Soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen Nr. 4
und 5 der Anklageschrift vom 25. Juli 2006 wegen
Urkundenfälschung und in den Fällen Nr. 3 und 13
dieser Anklageschrift jeweils wegen einer tateinheitlich begangenen
Urkundenfälschung verurteilt hat, bleibt unklar, ob der
Angeklagte bei der Verwendung der Schecks mit seinem eigenen Namen, mit
dem Namen der geschädigten Inhaberin des Kontos oder aber als
ihr vermeintlich berechtigter Vertreter unterzeichnet hat. Nur bei
einer Identitätstäuschung oder im Fall der
unrechtmäßigen Anmaßung der Befugnis,
für die Kontoinhaberin eine Urkunde herzustellen, die als ihre
Erklärung gelten soll, läge eine
Urkundenfälschung vor (vgl. Erb in MünchKomm StGB
§ 267 Rdn. 131;
Schönke/Schröder-Cramer/Heine StGB 27. Aufl. 2006
§ 267 Rdn. 48 ff.).
10
c) Auch im Fall Nr. 6 der Anklageschrift vom 25. Juli 2006 (Buchung
einer Flugreise für sich, die Geschädigte und deren
Kinder über das Internet) lassen die Feststellungen eine
revisionsrechtliche Nachprüfung nicht zu. Sofern das
Landgericht, was mangels einer rechtlichen Würdigung der
einzelnen Taten unklar bleibt, die Buchung der Reise als
Fälschung beweiserheblicher Daten im Sinne des § 269
Abs. 1 StGB gewertet hat, reichen die bisherigen Feststellungen nicht
aus, den Schuldspruch zu belegen.
11
d) Nicht hinreichend belegt ist auch die Verurteilung wegen Betruges in
den Fällen Nr. 2, 7, 8 und 12 bis 17 der Anklageschrift vom
25. Juli 2006 und wegen versuchten Betruges in den Fällen Nr.
9 bis 11 der genannten Anklage:
12
- 9 -
Im Fall Nr. 2 (Bestellung eines Kaninchenstalls unter Verwendung des
"Kurzbriefpapiers" der Geschädigten) lässt sich der
in einem Satz bestehenden Schilderung des äußeren
Tatgeschehens schon nicht entnehmen, auf welche Weise der Angeklagte
den "Anschein erweckte", die Geschädigte sei die Bestellerin.
Unklar bleibt, ob der bestellte Kaninchenstall geliefert wurde. Zudem
versteht sich nicht von selbst, dass der Angeklagte auch insoweit
gewerbsmäßig handelte.
13
In den Fällen Nr. 7 (Abschluss einer Krankenversicherung) und
Nr. 8 (Abschluss einer Rentenversicherung) ist nicht festgestellt, dass
die jeweils über die Zahlungsbereitschaft des Angeklagten
getäuschte Versicherung eine ihr Vermögen
schädigende Verfügung vorgenommen hat. Insbesondere
lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, ob dem
Angeklagten bereits mit Abschluss des Kranken- bzw.
Rentenversicherungsvertrages der erstrebte Versicherungsschutz
gewährt worden ist oder ob dieser - was
regelmäßig der Fall ist - erst im Falle der Zahlung
der ersten Versicherungsprämie begonnen hätte.
14
Die Schuldsprüche wegen versuchten Betruges in den
Fällen 9 und 10 (Abschlüsse von
Sparverträgen) sowie Nr. 11 (Abschluss eines
Hundehaftpflichtversicherungsvertrages) begegnen, abgesehen davon, dass
unklar bleibt, worin nach der Vorstellung des Angeklagten die
vermögensschädigende Verfügung liegen
sollte, schon deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil diese
Verträge nach den bisherigen Feststellungen ersichtlich im
Rahmen eines Beratungsgesprächs mit dem Versicherungsvertreter
abgeschlossen worden sind, so dass möglicherweise nur ein
tateinheitlich begangener Betrugsversuch vorliegt. Dies gilt auch
hinsichtlich der jeweils als rechtlich selbständige
Betrugstaten gewerteten Fälle Nr. 14 bis 17, denn nach den
Feststellungen erfolgten
15
- 10 -
die jeweiligen Zahlungen des Geschädigten, „nachdem
ihm der Angeklagte einen von ihm ausgestellten Wechsel“,
übergeben hatte.
In den Fällen 12 bis 17 versteht es sich angesichts der nicht
näher aufgeklärten längeren Beziehung des
Angeklagten zu dem Geschädigten S. zudem nicht von selbst,
dass sich dieser über die Zahlungsfähigkeit und
Zahlungswilligkeit des Angeklagten geirrt hat.
16
e) Die Feststellungen zu der dem Angeklagten mit der Anklageschrift vom
30. Juni 2006 zur Last gelegten Tat lassen eine revisionsrechtliche
Überprüfung des Schuldspruchs wegen Betruges nicht
zu. Insbesondere ist nicht hinreichend belegt, dass sich der Zeuge D.
über die Zahlungswilligkeit und -fähigkeit geirrt
hat. Im Hinblick auf die Höhe der vom Angeklagten zugesagten
Gegenleistung und im Hinblick darauf, dass der Angeklagte den Zeugen
bereits im Jahre 2002 betrogen hatte und dies im März 2004
versucht hatte (Fälle Nr. 1, 2 der Anklageschrift vom 13.
September 2006), hätte die Annahme eines
täuschungsbedingten Irrtums näherer
Begründung bedurft. Zudem lässt sich den
Urteilsausführungen nicht entnehmen, worin nach Auffassung des
Landgerichts die irrtumsbedingte Vermögensverfügung
des Zeugen D. liegen soll. Soweit es die Begebung der Wechsel durch den
Zeugen an die angeblichen Gläubiger des Angeklagten betrifft,
bleibt unklar, ob der Zeuge zu diesem Zeitpunkt bereits vergeblich
versucht hatte, den vom Angeklagten ausgestellten Scheck
einzulösen.
17
- 11 -
IV.
Die danach gebotene Aufhebung der Verurteilung in den Fällen
Nr. 1 bis 17 der Anklage vom 25. Juli 2006 und der Anklageschrift vom
30. Juni 2006 zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Senat
hebt auch die übrigen Einzelstrafen auf, um dem Tatrichter
Gelegenheit zu geben, die Strafen insgesamt neu zu bemessen, zumal die
Strafzumessungserwägungen aus den in der Antragsschrift des
Generalbundesanwalts genannten Gründen, auf die insoweit Bezug
genommen wird, rechtlichen Bedenken begegnen.
18
V.
Soweit das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben ist,
können jedoch - insoweit lassen die Urteilsgründe
eine revisionsrechtliche Überprüfung zu - die von dem
sachverständig beratenen Landgericht rechtsfehlerfrei
getroffenen Feststellungen zur Schuldfähigkeit des Angeklagten
aufrechterhalten bleiben.
19
Maatz Kuckein Athing
Ernemann Sost-Scheible |