BGH,
Urt. v. 29.11.2007 - 4 StR 425/07
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 425/07
vom
29.11.2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1.: Totschlags zu 2. und 3.: Beihilfe zum Totschlag
- 2 -
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
29.11.2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof Maatz, Prof. Dr. Kuckein,
Richterinnen am Bundesgerichtshof Solin-Stojanović,
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der
Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten O. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten V. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin Vanessa B. ,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger Herbert und Hildegard C. ,
der Nebenkläger Herbert C. in Person,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
- 3 -
I. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der
Nebenkläger Herbert und Hildegard C. wird das Urteil des
Landgerichts Saarbrücken vom 7. Februar 2007 mit den
Feststellungen aufgehoben; die Feststellungen zum "Vortatgeschehen",
zum "Nachtatgeschehen" und zur Schuldfähigkeitsbeurteilung der
Angeklagten bleiben jedoch bestehen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten dieser Rechtsmittel, an
eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des
Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.
II. Die Revisionen der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil
werden verworfen.
Die Angeklagten tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den
Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
- 4 -
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen Totschlags zu einer
Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Angeklagten O. und V. hat es jeweils wegen Beihilfe zum Totschlag
zu Freiheitsstrafen von fünf (O. ) bzw. sechs (V. ) Jahren
verurteilt.
1
Gegen dieses Urteil wenden sich die Staatsanwaltschaft und die
Nebenkläger Herbert und Hildegard C. - die Eltern des
Tatopfers - sowie die Angeklagten mit ihren Revisionen. Die
Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger erstreben eine
Verurteilung wegen (gemeinschaftlich begangenen) Mordes bzw. wegen
Beihilfe zum Mord (V. ). Der Angeklagte S. hat seine Revision auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Er beanstandet, dass das
Landgericht zu Unrecht von seiner vollen Schuldfähigkeit
ausgegangen sei. Die Angeklagten O. und V. wenden sich gegen den vom
Landgericht jeweils angenommenen Gehilfenvorsatz zur Tötung
des Tatopfers.
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Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger
haben weitgehend Erfolg; die Revisionen der Angeklagten sind
unbegründet.
3
I.
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen
getroffen:
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Der Angeklagte S. und der drogenabhängige Christian C. - das
spätere Tatopfer - standen in Geschäftsbeziehung und
waren miteinander be-
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- 5 -
freundet. C. bezog von S. , der einen "Espresso Pub" betrieb, Kokain.
Ende November 2005 befand er sich in einer schlechten finanziellen
Situation. Seine Firma hatte hohe Verbindlichkeiten bei den
Finanzbehörden, er selbst hatte wenigstens 24.500 Euro
Schulden beim Angeklagten S. , wobei nicht festgestellt werden konnte,
ob diese Verbindlichkeiten allein aus Drogenlieferungen oder auch aus
anderen Geschäften stammten. Als C. dem S. zur
Rückzahlung seiner Schulden ein Fahrzeug übergab, das
dem C. aber gar nicht gehörte, war S. sehr verärgert.
Er fühlte sich von C. , der ihm nach seiner Meinung auf Grund
der bestehenden Freundschaft und Geschäftsbeziehung zu
"Loyalität und Dankbarkeit" verpflichtet sein musste,
hintergangen. Hinzu kam, dass S. von eigenen Gläubigern aus
den Niederlanden, vermutlich wegen Forderungen aus
Betäubungsmittelgeschäften, stark unter Druck gesetzt
worden war, er aber nicht zahlen konnte.
Am Tag vor der Tat übergab C. dem Angeklagten S. 500 Euro zur
(Teil-)Rückzahlung seiner Schulden. Es kam - wohl in diesem
Zusammenhang - zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung zwischen
beiden, bei der S. massive Drohungen gegen Leib und Leben des Christian
C. ausstieß. Nachdem C. gegangen war und er aus Angst
Telefonanrufe des S. nicht entgegennahm, entschloss sich dieser, zu C.
zu fahren, um ihn zur Rückzahlung des dringend
benötigten Geldes zu bewegen. Er rief die Angeklagten O. und
V. in seine Wohnung und äußerte - nach dem
gemeinsamen Genuss von Alkohol und Kokain - dass "er den umbringen
werde, wenn er seine Schulden nicht bezahle" (UA 12 f.). Bevor die
Angeklagten die Wohnung des S. verließen, um zu C. zu fahren,
steckte S. eine scharfe, geladene Pistole ein. Spätestens zu
diesem Zeitpunkt fasste er den Entschluss, C. zu töten, falls
dieser seine Schulden nicht bezahlen würde. Sodann fuhren die
Angeklagten mit dem Fahrzeug des V. , das dieser steuerte, zur Wohnung
des
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Christian C. . Auf der Fahrt sah der Angeklagte O. die Waffe des S. .
Wegen der Bewaffnung, der gereizten Stimmung des S. und der in der
Wohnung zuvor geäußerten Todesdrohung
"argwöhnte" O. , dass es zu einer Tötung des C.
kommen könnte, wenn dieser seine Schulden nicht begleichen
würde.
Als die Angeklagten kurz nach Mitternacht am Wohnhaus des Christian C.
ankamen, forderte S. den Angeklagten O. auf, an der Haustür zu
klingeln, sich wahrheitswidrig als “der Mann aus Holland"
auszugeben und von C. die Rückzahlung der Schulden zu fordern.
Er sollte C. erklären, dass das Geld, das C. schuldete, nicht
S. allein zustehe, sondern auch den "Leuten aus Holland", die das Geld
dringend haben müssten. Der Angeklagte O. wurde nach diesem
Ansinnen des S. in seiner Vermutung noch bestärkt, dass es
möglicherweise zu einer Tötung des C. kommen
könnte. Er ging gleichwohl zur Wohnungstür, die ihm
nach dem Läuten von C. geöffnet wurde. Wegen der mit
S. geführten heftigen Auseinandersetzung und dessen Drohung
fürchtete C. um sein Leben. Er rechnete mit einem Angriff des
S. und hatte sich deshalb zur Verteidigung mit einer geladenen
Vorderschaftrepetierflinte ("Pumpgun") bewaffnet. Diese hielt er beim
Öffnen der Tür in seiner rechten Hand. Als O. das
sah, war ihm ohne jeden Zweifel bewusst, dass bei einem Scheitern der
Geldbeitreibung von S. die Tötung des C. beabsichtigt war.
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Inzwischen hatte S. dem Angeklagten V. im Einzelnen mitgeteilt, dass er
gegebenenfalls beabsichtige, Christian C. zu töten. Er wies
ihm einen Platz an, wo V. sich mit seinem Fahrzeug hinstellen sollte,
um nach der Tat eine schnelle Flucht zu ermöglichen.
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- 7 -
Nachdem C. dem Angeklagten O. die Tür geöffnet hatte,
stellte sich dieser, der Anweisung des S. folgend, als “der
Mann aus Holland" vor, der gekommen sei, um über die Schulden
zu sprechen. C. ließ den Angeklagten O. eintreten und stellte
die Waffe ab. Er erklärte O. , dass er sich derzeit
bemühe, das Geld für S. zu beschaffen, er aber
Schulden beim Finanzamt habe. Im Verlauf des Gesprächs rief S.
mehrfach das Mobiltelefon des O. an. Er warf dem C. , an den O. das
Telefon weitergereicht hatte, vor, dass dieser ihn mit der
Übergabe des ihm nicht gehörenden Fahrzeugs
getäuscht und er ihn im Stich gelassen habe. In einem weiteren
Gespräch erteilte S. dem Angeklagten O. die Anweisung, ihm
unter der Vorgabe, er - O. - müsse austreten, die
Hauseingangstür zu öffnen. Das tat der Angeklagte O.
auch. Ihm war dabei bewusst, dass der bewaffnete Angeklagte S. so
für C. unbemerkt in das Haus eindringen und dieses
Überraschungsmoment zur Tötung nutzen konnte.
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Als S. das Haus betreten hatte, war Christian C. von dessen Erscheinen
überrascht. Er war auf Grund der Telefongespräche
davon ausgegangen, dass sich S. in dem mehr als 30 km entfernten Ort
Neunkirchen aufhielt. C. befürchtete nun endgültig,
auch auf Grund dieser Täuschung, dass S. einen Anschlag auf
ihn plante. Um S. zu beschwichtigen, umarmte er ihn freundschaftlich.
S. verlangte erneut die Rückzahlung des ausstehenden Geldes,
worauf C. wieder auf seine hohen Verbindlichkeiten beim Finanzamt
hinwies. Die nunmehr zum Teil heftig und lautstark geführte
Diskussion - bei der Kokain konsumiert wurde - steigerte sich immer
mehr. S. lief aufgebracht in dem Raum hin und her. Als er glaubte,
keine Rückzahlung seiner Schulden erhalten zu können,
wollte er C. hierfür bestrafen (UA 48). Er feuerte, in der
Absicht, Christian C. zu töten, aus der mitgeführten
Pistole, die er unbemerkt unter seiner über dem Arm liegenden
Lederjacke verborgen hatte, von hinten
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- 8 -
einen aufgesetzten Schuss durch die Jacke in den linken Brustkorb des
C. . Als dieser daraufhin zu Boden fiel, gab S. zwei weitere, wiederum
aufgesetzte Schüsse in den Kopf des Christian C. ab. Dieser
verstarb innerhalb weniger Minuten. Anschließend reinigten S.
und O. den Tatort, beseitigten Spuren und flüchteten mit V. .
2. Nach Auffassung des Landgerichts hat sich der Angeklagte S. nach den
getroffenen Feststellungen lediglich des Totschlags schuldig gemacht.
Ein "heimtückisches" Vorgehen (§ 211 Abs. 2 5. Alt.
StGB) liege nicht vor, weil das Tatopfer vor dem Angriff des
Angeklagten S. nicht arglos gewesen sei. Der Angeklagte O. habe sich
wegen Beihilfe zum Totschlag strafbar gemacht, weil er
vorsätzlich zu dem von S. begangenen Totschlag dadurch Hilfe
geleistet habe, dass er diesem mit der wahrheitswidrigen Behauptung, er
sei “der Mann aus Holland", der über die
Rückzahlung der Schulden verhandeln wolle, und durch die
spätere heimliche Öffnung der Haustür
Zutritt zum Haus des Opfers verschafft und hierdurch die Tat erst
möglich gemacht habe. O. sei nicht Mittäter gewesen,
weil er - wovon zu seinen Gunsten auszugehen sei - in eine gemeinsame
Planung der Tat nicht mit eingebunden gewesen sei und er keine
Tatherrschaft und auch kein eigenes Interesse an der Tat gehabt habe.
Auch der Angeklagte V. habe sich der Beihilfe zum Totschlag schuldig
gemacht, weil er die Tatausführung des S. dadurch
gefördert habe, dass er sein Fahrzeug
weisungsgemäß zur schnellen Flucht bereit gestellt
und nach der Tat die Flucht ermöglicht habe.
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- 9 -
II.
Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Herbert
und Hildegard C.
12
1. Die Verfahrensrügen greifen aus den in der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts zu den Revisionen der Nebenkläger
genannten Gründen, in der auch zu der ebenfalls von der
Staatsanwaltschaft erhobenen Aufklärungsrüge
betreffend die Zeugin Z. Stellung genommen wurde, nicht durch.
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2. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger
Herbert und Hildegard C. haben jedoch mit der Sachrüge im
Wesentlichen Erfolg.
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a) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das
Landgericht allerdings ein "heimtückisches" Vorgehen des
Angeklagten S. rechtsfehlerfrei verneint.
15
Nach ständiger Rechtsprechung handelt heimtückisch,
wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des
Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Opfer
dann, wenn es nicht mit einem gegen seine körperliche
Unversehrtheit gerichteten erheblichen Angriff rechnet. Das Opfer muss
gerade auf Grund seiner Arglosigkeit wehrlos sein, wobei für
die Beurteilung grundsätzlich die Lage bei Beginn des ersten
mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs
maßgebend ist. Die Arglosigkeit kann aus unterschiedlichen
Gründen entfallen. Maßgeblich sind jeweils die
Umstände des konkreten Falles. Aus der Sicht des
Täters ist Voraussetzung für ein
heimtückisches Handeln, dass dieser sich bewusst ist, einen
ahnungs- und schutzlosen Menschen zu überraschen,
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- 10 -
und dass er diese Situation in ihrer Bedeutung für die
Tatausführung erkennt und nutzt (vgl. nur BGH NJW 2006, 1008,
1010 = BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 33; BGH,
Beschluss vom 11. September 2007 - 1 StR 273/07 jew. m.w.N.).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien war das Mordmerkmal der
Heimtücke bei der Tat nicht erfüllt:
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Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen hatte der
später getötete Christian C. nach der Drohung durch
den Angeklagten S. am Tag vor der Tat erhebliche Angst um sein Leben.
Er hatte sich in seiner Wohnung mit einer Schusswaffe bewaffnet, als O.
an der Tür klingelte. Als der Angeklagte S.
überraschend bei dem zahlungsunfähigen C. erschien,
fürchtete dieser endgültig, dass S. einen Anschlag
auf ihn vorhatte. Bei dem anschließenden Gespräch
kam es zu einer heftigen Diskussion, bevor S. schließlich die
tödlichen Schüsse abgab.
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Dass das Landgericht nach diesen Feststellungen ausgeschlossen hat,
dass C. seinen Argwohn vor Abgabe des ersten Schusses - dem hier
für die Frage der Heimtücke maßgeblichen
Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs
(vgl. BGH NJW 1991, 1963) - aufgegeben haben könnte (UA 45),
ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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Die von den Revisionen für ihre Auffassung, S. habe
heimtückisch gehandelt, herangezogenen Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs zur Heimtücke durch von langer Hand
geplantes, wohl durchdachtes Locken in einen Hinterhalt bzw.
raffiniertes Stellen einer Falle (BGHSt 22, 77, 79 f.; BGH NStZ 1989,
364, 365; BGH, Urteil vom 14. Juni 1960 - 1 StR 73/60), in denen von der
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Regel, dass die Arglosigkeit bei Beginn des Tötungsversuchs
vorliegen muss, eine Ausnahme gemacht wird (vgl. Schneider in
MünchKomm-StGB § 211 Rdn. 131), betreffen andere
Fallgestaltungen. Sie unterscheiden sich vom vorliegenden Fall
insbesondere dadurch, dass das Tatopfer hier von der Tat nicht
überrascht worden ist (vgl. BGH NStZ 1989, 364, 365: keine
Heimtücke) und die Ausführung der Tat von einem
Verhalten des dann Getöteten abhängig war (vgl. BGH
NJW 1991, 1963: keine Heimtücke), nämlich dass
Christian C. nicht zahlen würde. S. entschloss sich zur
Tötung erst, als aus seiner Sicht die
“Bedingung“ für die Tötung (keine
Rückzahlung der Schulden) eingetreten war. Zu diesem Zeitpunkt
war Christian C. aber nicht arglos.
Der vom Generalbundesanwalt gerügte
Erörterungsmangel, das Landgericht habe sich rechtsfehlerhaft
nicht damit beschäftigt, dass S. sein Opfer
möglicherweise fälschlich für arglos
gehalten haben könnte, liegt angesichts der bisherigen
Feststellungen nicht vor; denn S. kannte alle wesentlichen
Umstände, aus denen sich der Argwohn des C. ergab.
21
b) Rechtlichen Bedenken begegnet jedoch, dass das Landgericht sich
nicht mit dem Mordmerkmal der Tötung aus sonst "niedrigen
Beweggründen" auseinandergesetzt hat.
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Beweggründe sind nach der Rechtsprechung im Sinne von
§ 211 Abs. 2 StGB "niedrig", wenn sie nach allgemeiner
sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders
verachtenswert sind. Die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer
Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren
für die Handlungsantriebe des Täters
maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der
Tat, der Lebensverhältnisse des Täters und seiner
Persönlichkeit zu erfolgen. Bei einer Tötung - wie
hier festgestellt - aus Wut oder Ärger kommt es
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- 12 -
darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen
Gesinnung beruhen (vgl. nur BGHSt 47, 128, 130; BGH, Urteil vom 5.
September 2007 - 2 StR 306/07 m.w.N.).
Die Feststellungen des Landgerichts, nach denen der Angeklagte S. sein
Tatopfer, mit dem er freundschaftlich verbunden war, zur
“Bestrafung“ für die
Nicht-Rückzahlung von Schulden gleichsam
“hingerichtet“ hat (UA 48), bieten
tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme (sonst)
niedriger Beweggründe (vgl. BGH, Beschluss vom 22. April 2004
- 3 StR 115/04 ["Hinrichtung" eines Drogenschuldners]; Schneider aaO
Rdn. 71 ff.), zumal das Schwurgericht in seinen
Strafzumessungserwägungen selbst davon ausgeht, dass die
Tötung des Christian C. "auf einem als niedrig einzustufenden
Motiv" beruhte (UA 48).
24
Das Mordmerkmal der (sonst) niedrigen Beweggründe
hätte daher der Prüfung bedurft. Dies wird
nachzuholen sein.
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Sollte der neue Tatrichter beim Angeklagten S. zu einem Schuldspruch
wegen Mordes aus (sonst) niedrigen Beweggründen gelangen, so
wird er zu bedenken haben, dass eine Verurteilung von Teilnehmern an
dieser Tat - hier: möglicherweise der beiden Mitangeklagten -
wegen Beihilfe zum Mord (aus niedrigen Beweggründen) nur dann
möglich ist, wenn diese selbst als Gehilfen ihre
Tatbeiträge entweder ebenfalls aus niedrigen
Beweggründen oder in Kenntnis der niedrigen
Beweggründe des (Haupt-)Täters erbracht haben (st.
Rspr., vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige
Beweggründe 43; Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl.
§ 211 Rdn. 42 f. m.w.N.). Auch dies bedarf ggf. der
Erörterung.
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c) Die Verurteilung des Angeklagten O. nur wegen Beihilfe (zum
Totschlag) und nicht wegen Mittäterschaft hält
ebenfalls rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die
Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) - auf der Grundlage
gemeinsamen Wollens - einen die Tatbestandserfüllung
fördernden Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder
Unterstützungshandlung beschränken kann. Hat ein
Tat-Beteiligter einen wesentlichen Beitrag geleistet, so ist er als
Mittäter anzusehen, wenn er die Tat als eigene wollte. Ob er
ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten
Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in
wertender Betrachtung zu beurteilen. Bedeutsame Anhaltspunkte
dafür können der Grad des eigenen Interesses am
Erfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder
wenigstens der Wille dazu sein, so dass Durchführung und
Ausgang der Tat maßgeblich vom Willen des Tatbeteiligten
abhängen (vgl. BGH StV 1983, 501; NStZ-RR 2002, 74, 75; 2004,
40, 41).
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Von diesen Kriterien geht das Landgericht bei seiner Abgrenzung, ob der
Angeklagte O. Mittäter oder Gehilfe war, im Ansatz zutreffend
aus. Rechtlichen Bedenken begegnet jedoch seine Wertung, der Angeklagte
O. habe keine Tatherrschaft gehabt, weil er nicht - wie S. - das
“Geschehen in den Händen gehalten (habe)“
(UA 46); denn Tatherrschaft ist nicht nur gegeben, wenn der
Tatbeteiligte die Tatbestandsverwirklichung eigenhändig
vornimmt, sondern bereits dann, wenn er in Arbeitsteilung mit Anderen
eine für das Gelingen der Tat wesentliche Funktion innehat
(vgl. BGH NStZ-RR 2002, 74, 75).
29
Nach den Feststellungen hat der Angeklagte O. das Tatopfer durch
Täuschung zum Weglegen seiner Waffe veranlasst und dem
bewaffneten An-
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- 14 -
geklagten S. in dem Bewusstsein, dass es zur Tötung des
Christian C. kommen konnte, heimlich den Zugang zu dessen Wohnung
verschafft. Durch diesen wesentlichen Tatbeitrag (UA 49) hat er die Tat
überhaupt erst ermöglicht (UA 46). Er hat somit den
Geschehensablauf mit beherrscht. Damit hatte er Tatherrschaft (vgl.
BGHSt 28, 346, 349; BGH NStZ-RR 2004, 40, 41).
Selbst wenn der Angeklagte O. , wovon das Landgericht ausgeht, kein
eigenes Interesse an der Tat hatte, kommt diesem Umstand im Hinblick
auf den von ihm erbrachten wesentlichen Tatbeitrag als
Abgrenzungskriterium nur eine marginale indizielle Bedeutung zu (vgl.
BGH wistra 2001, 420, 421). Er schließt, ebenso wenig wie der
Umstand, dass O. (zunächst) in eine gemeinsame Planung der Tat
nicht mit eingebunden war (vgl. BGH NStZ 2006, 44, 45), nicht aus, dass
der Angeklagte die Tat als eigene wollte. Die Frage
(mit-)täterschaftlichen Handelns des Angeklagten O. wird daher
unter umfassender Würdigung des Beweisergebnisses - auch
seiner Einbindung in die sonstige Tat-Vorbereitung (UA 30 ff.) - neu zu
bewerten sein.
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III.
Revisionen der Angeklagten
32
Die Revisionen der Angeklagten sind aus den Gründen der
Antragsschriften des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne
des § 349 Abs. 2 StPO.
33
- 15 -
IV.
Die Fragen des Vorliegens des Tatbestands des § 211 StGB und
der Täterschaft des Angeklagten O. bedürfen somit
neuer Verhandlung und Entscheidung. Die in dem angefochtenen Urteil
getroffenen Feststellungen zum "Vortatgeschehen" (UA 9 bis 11), zum
"Nachtatgeschehen" (UA 20 bis 22) und zur
Schuldfähigkeitsbeurteilung der Angeklagten sind
rechtsfehlerfrei getroffen; sie können daher bestehen bleiben.
Ergänzende Feststellungen, die den bestehen gebliebenen nicht
widersprechen, sind zulässig. Die übrigen
Feststellungen müssen aufgehoben werden. Der neu entscheidende
Tatrichter wird insoweit Gelegenheit haben, Näheres
über die Beziehungen der Angeklagten zueinander festzustellen,
um nachvollziehbar zu machen, warum sich die Angeklagten O. und V. an
der Tat des S. beteiligt haben. Auch bedürfen insbesondere die
direkt vor der Tat geführten Telefongespräche, die
auf eine stärkere Einbindung des Angeklagten O. in die
Tatplanung und Tat als bisher festgestellt hindeuten (UA 16 f., 30, 33
[u.a. der Hinweis, dass auch O. eine Waffe bei sich trug]), einer
gesamt würdigenden Bewertung.
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Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible |